L 2 AL 110/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AL 267/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 110/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zuordnung von Provisionen zum Insolvenzgeldzeitraum
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 8. September 2006 wird insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, wie die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin mehr als 683,25 EUR weiteres Insolvenzgeld zu gewähren.

Die Beklagte trägt 42 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Insolvenzgeldanspruchs der Klägerin.

Die am 1963 geborene Klägerin beantragte am 17. Juni 2002 bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld in Höhe von brutto 5.096,14 EUR. Sie gab an, dass ihr Arbeitsverhältnis als Telefonakquisiteurin bei der T ... GmbH durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 15. Juli 2002 beendet worden sei. Ihr letzter Arbeitstag sei der 13. Juni 2002 gewesen. Im April 2002 habe sie ein Bruttoentgelt von 1.278,23 EUR verdient, hierauf seien ihr 1.000,00 EUR bereits gezahlt worden. Im Mai 2002 habe sie brutto 1.278,23 EUR verdient, im Juni 2002 brutto 2.217,31 EUR, hiervon entfielen 939,08 EUR auf Provision und in der Zeit vom 1. Juli bis zum 15. Juli 2002 1.322,37 EUR, hiervon entfielen 683,25 EUR auf eine Provision. Zum Beleg fügte sie eine Arbeitsbescheinigung der T. GmbH bei. In dieser wurde ihr bescheinigt, dass sie seit dem 1. April 2001 mit einem Bruttogehalt von 2.500,00 DM bei der Firma beschäftigt sei. Aus dem vorgelegten Kündigungsschreiben geht hervor, dass die Firma T ... GmbH das Arbeitsverhältnis der Klägerin gekündigt habe, weil sie Konkurs habe anmelden müssen. Aus der vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnung für April 2002 ergibt sich ein Bruttoentgelt in Höhe von 1.278,23 EUR, woraus sich ein Nettoverdienst von 1.011,09 EUR ergibt. Die gleichen Beträge ergeben sich auch aus der Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat Mai 2002. In einem weiteren Schreiben der Arbeitgeberin vom 18. Juli 2002 bestätigte diese, dass die Klägerin mit einem Bruttogehalt von 1.278,23 EUR angestellt gewesen sei. Eine Provision in Höhe von 1% vom Kaufpreis habe die Klägerin dann erhalten, wenn ein Vertrag mit einem Kunden abgeschlossen worden sei, den die Klägerin geworben habe. Mit Bescheid vom 23. Juli 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen Vorschuss auf das zu erwartende Insolvenzgeld in Höhe von 1.000,00 EUR. Die Insolvenzverwalterin für die Firma T , Rechtsanwältin G , reichte am 28. August 2002 eine Insolvenzgeldbescheinigung bei der Beklagten ein. Darin gab sie den Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem 23. Juli 2002 an. Die Insolvenzverwalterin bescheinigte für den Zeitraum 16. April 2002 bis zum 15. Juli 2002 ein erzieltes Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 3.834,70 EUR. Unter Berücksichtigung des bereits gezahlten Entgeltes für April 2002 ergebe sich noch ein offenes Gesamtnettoarbeitsentgelt in Höhe von 2.533,28 EUR. Diese Bescheinigung wies keine Provisionsbestandteile im Insolvenzgeldzeitraum auf.

Mit Bescheid vom 10. September 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin Insolvenzgeld für den Zeitraum 16. April 2002 bis 15. Juli 2002 in Höhe von 2.533,28 EUR. Hiergegen legte die Klägerin am 30. September 2002 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie darauf, dass noch die Provisionszahlungen fehlten. Hierbei handelte es sich um folgende Wohnverkäufe:

• Kunde R ... , Kaufpreis 93.908,00 EUR vom 8. Februar 2002, Provision 939,08 EUR • Kunde Ra , Kaufpreis 68.325,00 EUR vom 27. März 2002, Provision 683,25 EUR

Diese fehlenden Provisionszahlungen seien bei der Firma T noch vor Insolvenzbeginn entstanden. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus: Provisionsansprüche könnten nur berücksichtigt werden, wenn sie dem Insolvenzgeldzeitraum zuzuordnen sei (z. B. Vertragsabschluss). Die Höhe des Insolvenzgeldes sei entsprechend vorliegender Verdienstbescheinigungen von der Insolvenzverwalterin ermittelt worden.

Am 8. April 2003 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Halle Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Provisionsansprüche fielen an, wenn der Darlehensvertrag des jeweiligen Objektes, des Mandanten rechtswirksam geworden sei, was ca. eine Zeit von sechs bis acht Wochen in Anspruch genommen habe. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Firma T seien die Gehälter nicht pünktlich und teilweise mit drei Monaten Rückstand gezahlt worden, somit seien auch die Provisionsansprüche nicht in den derzeitigen Zeiträumen geleistet worden. Zum Beleg hat sie eine Forderungsanmeldung zur Tabelle vorgelegt. Danach hat die Insolvenzverwalterin von dem angemeldeten Betrag in Höhe von 4.849,61 EUR zuzüglich 29,04 EUR Zinsen, eine Forderung in Höhe von 1.651,37 EUR (1622,33 EUR + 29,04 EUR) festgestellt. Der Rest sei bestritten bzw. die Restforderungen seien durch Insolvenzgeld bereits beglichen. Auf Befragen des SG hat die Insolvenzgeldverwalterin mitgeteilt, dass ihr nur die Lohnabrechnungen bis Mai 2002 vorlägen. Ein Arbeitsvertrag für die Klägerin liege nicht vor. Sie könne nicht sagen, ob die erzielten Provisionen im Insolvenzgeldzeitraum 16. April 2002 bis 15. Juli 2002 erzielt worden seien. Die damalige Geschäftsführerin G M (damals G. S. ) hat mitgeteilt, dass die Einstellung der Klägerin sowie die Absprachen zu Provision und Gehältern der Zeuge S verantwortet habe. Das SG hat eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen H S und der Zeugin E R durchgeführt. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18. November 2005 und das Sitzungsprotokoll vom 9. Juni 2006 verwiesen. Die Zeugin R hat zum Termin eine Aufstellung über das Objekt, welches sie gekauft hat, vorgelegt. Danach sei auf das Notaranderkonto bei der Notarin am 22. März 2002 und am 26. März 2002 ein Gesamtbetrag von 105.203,00 EUR hinterlegt worden. Der Kaufpreis in Höhe von 93.908,00 EUR sei am 2. April 2002 von dem Notaranderkonto an das Empfängerkonto überwiesen worden. Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass die Zeugin ausgesagt habe, dass der Kreditvertrag für das Objekt der Kundin R am 22. Februar 2002 geschlossen worden sei und nach Aussage des Zeugen S eine Provision am Ende des Monats, in dem der Darlehensvertrag unterzeichnet worden sei, fällig war. Hieraus ergebe sich, dass die Provision nicht in den Invsolvenzgeldzeitraum falle.

Mit Urteil vom 8. September 2006 hat das Sozialgericht Halle der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin weiteres Insolvenzgeld unter Zugrundelegung eines Bruttoarbeitsentgeltes von 1.622,33 EUR zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Provisionsansprüche seien dem Insolvenzgeldzeitraum zuzuordnen. So habe der Zeuge S ausgeführt, dass Provisionen zum Ende des Monats, in welchem der Darlehensvertrag unterzeichnet worden sei, fällig wurden. Die Zeugin R. habe dargelegt, dass der Kaufpreis am 2. April 2002 überwiesen worden sei. Daraus folge, dass aufgrund der erfolgten Überweisung der Provisionsanspruch am 1. Mai fällig geworden sei. Dieser Zeitraum liege innerhalb des Insolvenzzeitraums. Es erscheine logisch, dass mit der Überweisung des Kaufpreises ein Provisionsanspruch fällig werde, denn erst dann habe der Arbeitgeber den entsprechenden Betrag zu seiner Verfügung. Der Nachweis eines Provisionsanspruches für den Vertragsabschluss für die Kundin Ra werde dadurch bestätigt, dass die Insolvenzverwalterin die geltend gemachte Forderung anerkannt habe. Gegen das ihr am 26. September 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. Oktober 2006 Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: In Bezug auf die Kundin R sei für die zeitliche Zuordnung der Vertragsabschluss entscheidend. Die Auszahlung des Geldes sei Teil der Ausführung und keine Voraussetzung für den Abschluss des Vertrages. Es sei daher ohne Bedeutung, wann das Geschäft ausgeführt worden sei. Der Vertrag hingegen sei bereits am 22. Februar 2002 geschlossen worden.

Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Klägerin nähere Unterlagen zu dem Verkaufsvorgang Ra vorgelegt. Die Beklagte hat daraufhin den Anspruch insoweit anerkannt und sich bereit erklärt, den Insolvenzgeldanspruch der Klägerin unter Berücksichtigung der Provision in Höhe von 683,25 EUR neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 8. September 2006 insoweit aufzuheben, als es die Beklagte verpflichtet, einen höheren Insolvenzgeldanspruch als weitere 683,25 EUR zu berücksichtigen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der damaligen Fassung statthaft, da der Streitwert die Berufungsgrenze von damals 500,00 EUR übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).

Die Berufung der Beklagten, soweit sie sich noch auf die weitere Erhöhung des Insolvenzgeldanspruches für den Provisionsanspruch für die Kundin R bezieht, ist begründet. Die Klägerin hat keinen weiteren Anspruch auf Insolvenzgeld in Höhe von 939,08 EUR wegen einer nicht berücksichtigten Provisionszahlung für die Kundin R ...

Nach § 183 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und unter anderem bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Hier liegt das Insolvenzereignis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom 23. Juli 2002 vor. Die Klägerin hatte aus ihrer abhängigen Beschäftigung bei der Firma T GmbH auch noch offene Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Diese sind - soweit es sich um die Grundvergütung handelt – unstreitig. Insoweit hat die Insolvenzverwalterin den noch offenen Nettoentgeltanspruch für den Zeitraum 16. April 2002 bis 15. Juli 2002 in Höhe von 2.533,28 EUR bescheinigt. Darüber hinaus hat inzwischen die Beklagte anerkannt, dass ein Provisionsanspruch in Höhe von 683,25 EUR ebenfalls dem Insolvenzgeldzeitraum zuzuordnen ist.

Der weitere Provisionsanspruch in Höhe von 939,08 EUR für das Vermittlungsgeschäft mit der Zeugin R hingegen, fällt nicht in den Insolvenzgeldzeitraum. Bei der zeitlichen Zuordnung von Arbeitsentgelt ist für jede Form des Arbeitsentgeltes besonders zu prüfen, wie es zeitlich zuzuordnen ist. Für Provisionsansprüche hat das Bundessozialgericht folgende Grundsätze aufgestellt: Die Besonderheit von Provisionsansprüchen bestehe in ihrer Erfolgsabhängigkeit, sodass der Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Arbeitsleistung in der Regel zu dem Zeitpunkt erfüllt, zu dem der Abschluss des Geschäfts erfolgt. Dass der Provisionsanspruch noch von der späteren Ausführung des Geschäfts oder einer anderen Sondervereinbarung abhänge, stelle als aufschiebende Bedingung die zeitliche Zuordnung des Entstehungszeitpunktes (Vertragsabschluss) nicht in Frage (z. B. BSG Urteil vom 24. März 1983 – 10 Rar 15/81 – BSGE 55, 62). Nach diesen Grundsätzen fällt der betreffende Provisionsanspruch nicht in den Insolvenzgeldzeitraum. Schon in der schriftlichen Bestätigung zu dem Provisionsanspruch von 1% der Abschlusssumme heißt es, dass die Provision anfällt, wenn ein Vertrag mit einem Kunden abgeschlossen wurde, den die Klägerin geworben habe. Der Zeuge S hat insoweit konkretisiert, dass Provisionen zum Ende des Monats, in welchem der Darlehensvertrag unterzeichnet wurde, fällig wurden. Insoweit kommt es - anders als das SG meint – nicht auf den Auszahlungszeitpunkt an, sondern den Vertragsabschluss. Der Vertragsabschluss liegt hier jedenfalls nicht im Insolvenzgeldzeitraum ab April 2002. Nach der Aufstellung der Kundin ist der Betrag bereits im März 2002 auf das Notaranderkonto hinterlegt worden, was zwingend voraussetzt, dass der Darlehensvertrag zuvor abgeschlossen wurde. Ob der Darlehensvertrag nun am 22. März 2002 oder wie die Beklagte meint am 22. Februar 2002 abgeschlossen worden ist, ist dann unerheblich. Erfolgt im April 2002 und damit im Insolvenzgeldzeitraum nur noch die Weiterleitung des Geldes vom Notaranderkonto zur Verkäuferin, stellt dies nur noch die Ausführung des Geschäfts dar. Dem steht die Bestätigung der Insolvenzverwalterin nicht entgegen. Diese hat lediglich bestätigt, dass überhaupt eine solche Provisionsforderung noch offen ist. Zur zeitlichen Zuordnung der Provisionsforderung hat sich die Insolvenzverwalterin gerade nicht geäußert. Es ist auch unerheblich, dass die Arbeitgeberin der Klägerin die Provisionsansprüche nicht in dem betreffenden Monat März 2002 abgerechnet hat. Zum einen hat sie auch in den Folgemonaten, nach Überweisung des Zahlbetrages an sie, keine Provision ausgewiesen, zum anderen kommt es nur auf das Entstehen des Anspruches an, nicht aber wann dieser bestätigt oder ausgezahlt wird. So ist es unerheblich, dass die Arbeitgeberin wegen Zahlungsschwierigkeiten Provisionsansprüche nicht zeitnah zur Abrechnung gebracht hat.

Nach alledem hat die Berufung insoweit Erfolg.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen. Es bestehen keine Revisionsgründe, sondern es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Basis höchstrichterlicher Rechtsprechung.
Rechtskraft
Aus
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