L 3 R 109/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 142/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 109/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erwerbsminderung
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Voraussetzungen der Bewilligung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI).

Die am ... 1966 geborene Klägerin durchlief nach dem Abschluss der 10. Schulklasse vom 1. September 1983 bis zum 15. Juli 1985 erfolgreich eine Lehre zum Facharbeiter für Anlagentechnik. Im Anschluss daran war sie bis zum 17. Oktober 1989 im erlernten Beruf, vom 18. Oktober 1989 bis 14. April 1994 als Stationshilfe und zuletzt vom 15. April 1994 bis zum 31. März 1996 als Mitarbeiterin der Wäscherei eines Senioren- und Pflegezentrums versicherungspflichtig tätig. Ab dem 1. April 1996 war sie arbeitslos. Später bezog sie Arbeitslosengeld II.

Sie verfügt über einen Führerschein und einen Pkw.

Die Klägerin hatte am 8. Februar 1996 bei der Beklagten, damals noch Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, die Bewilligung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit beantragt unter Hinweis auf eine Wirbelsäulenverletzung, die sie sich bei einem Sturz am 27. Februar 1993 aus einem Fenster ihrer im dritten Stockwerk gelegenen Mietwohnung zugezogen hatte. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 19. August 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. April 1998 den Rentenantrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete Klage (S 1 RJ 143/98) hatte das Sozialgericht Dessau mit rechtskräftigem Urteil vom 12. August 1999 abgewiesen.

Am 27. April 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie machte geltend, wegen eines akuten Rückenleidens, eines Zustands nach Fraktur und Gebärmutterentfernung, Allergien, Schlaf- und Essstörungen, Depressionen und Bewegungseinschränkungen im Sprunggelenk rechts keine Tätigkeiten mehr verrichten zu können.

Die Beklagte zog zunächst Unterlagen von dem Gemeinde-Unfallversicherungsverband Sachsen-Anhalt aus dem Verfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit bei, u.a. das fachärztlichdermatologische Gutachten des Ärztlichen Direktors der Dermatologischen Klinik und Poliklinik der Medizinischen Hochschule H. Prof. Dr. K. vom 25. März 1995, die nach Aktenlage erstellte ärztliche Stellungnahme des Ärztlichen Direktors des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizinische Allergiediagnostik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Prof. Dr. S. vom 12. März 1996 sowie den Widerspruchsbescheid des Gemeinde-Unfallversicherungsverband Sachsen-Anhalt vom 25. November 1996, mit welchem eine allergische Kontaktdermatitis als Berufskrankheit anerkannt, ein Anspruch der Klägerin auf Rente mangels einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit jedoch abgelehnt worden war.

Ferner lagen der Beklagten die medizinischen Unterlagen aus dem ersten Rentenverfahren vor. In dem Entlassungsbericht des Eisenmoorbades Bad Schmiedeberg vom 26. Juni 1995 wurden nach einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 11. Mai bis zum 8. Juni 1995 die Diagnose eines thorakolumbalen Schmerzsyndroms (Respondylodese L 1 bis L 3 am 24. April 1995 nach Fraktur der Lendenwirbelkörper (LWK) 2 3/93) berücksichtigt und der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ohne Bücken und Heben und Tragen schwerer Lasten bescheinigt. In dem Gutachten vom 22. Dezember 1997 hatte der Facharzt für Orthopädie Dr. H. mitgeteilt, die 1993 operativ stabilisierten Kompressionsfrakturen der LWK 1 und 2 seien ohne stärkeren Gibbus fest verheilt. Es bestehe jetzt ein Übergewicht von über zehn kg bei einem muskelschwachen Rundrücken. Aktive Maßnahmen zur Beseitigung dieses Folgezustande wie Wirbelsäulengymnastik und Rückenkräftigungsübungen lehne die Klägerin strikt ab. Sie sei vollschichtig erwerbsfähig für leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne lang andauernde Zwangshaltungen (Bücken) und Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen.

In dem auf Veranlassung des Sozialgerichts Dessau in dem Verfahren S 1 RJ 143/98 erstatteten Gutachten vom 3. März 1999 hatte der Chefarzt der Abteilung Orthopädie des Rehazentrums Bad D. Dr. E. angegeben, bei der Klägerin bestünden ein wiederkehrendes Schmerzsyndrom im Bereich des Brust-Lendenüberganges bei Lockerung des Segmentes LWK 2/3 und einem Zustand nach Verschmelzungsoperation zwischen dem ersten und zweiten LWK wegen einer am 28. Februar 1993 stattgehabten LWK-2- und -3-Fraktur, ein Pseudoradikulärsyndrom nach Spondylodese wegen LWK 2/3 Fraktur vom 28. Februar 1993, eine erhebliche Unterfunktion der Rumpfmuskulatur (Rumpfmuskelinsuffizienz) und eine allergische Kontaktdermatitis. Durch ein konsequentes Training zur Stabilisierung der Rumpfmuskulatur seien eine deutliche Stabilisierung der Wirbelsäule und damit auch eine Reduzierung der Beschwerden zu erreichen. Dies setze allerdings ein hohes Maß an Krankheitseinsicht und starken Willen zur Bekämpfung dieser Beschwerden durch Selbstbeteiligung bei der Klägerin voraus, welches beides momentan nicht sehr ausgeprägt zu sein scheine. Die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen bzw. im Wechsel von Sitzen und Gehen ohne Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, gehäuftes Heben und Tragen von Lasten über fünf kg, Exposition von Kälte, Nässe und Zugluft, ohne Zeitdruck sowie Akkord- und Fließbandarbeit und Arbeiten an laufenden Maschinen vollschichtig zu verrichten.

Darüber hinaus zog die Beklagte die in den medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen berücksichtigten Unterlagen bei. In dem Gutachten des Ärztlichen Dienstes des Arbeitsamtes W., erstellt von Dipl.-Med. S. unter dem 28. Juni 2001 nach einer Untersuchung der Klägerin, wurde ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen beschrieben ohne Heben und Tragen schwerer und mittelschwerer Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ohne Tätigkeiten auf Leitern, Treppen und Gerüsten, überwiegendes Klettern oder Steigen, Zwangshaltungen, erhebliche Witterungseinflüsse und ohne Tätigkeiten, bei denen die Haut im erhöhten Maße physikalischen und insbesondere chemischen Reizen ausgesetzt sei. Der Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie/Physikalische Therapie Dr. A. zeigte in seinem zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eingeholten Gutachten vom 13. April 2005 einen deutlich muskelschwachen Rundrücken und eine Bauchmuskelinsuffizienz auf; neurologische Defizite seien nicht festzustellen. Er berücksichtigte als Diagnosen ein chronisches Lumbalsyndrom bei Zustand nach einer LWK-1- bis -2-Fraktur, eine Adipositas und psychosomatische Störungen. Die Klägerin sei für ihren erlernten Beruf als Facharbeiter in der Anlagentechnik und für ihre letzte Tätigkeit als Stationshilfe sowie für jede andere Tätigkeit (leicht bis mittelschwer) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule vollschichtig erwerbsfähig. Er empfahl eine Reduzierung des Körpergewichts sowie ein aktives Training der Rücken- und Bauchmuskulatur. Die Klägerin sei in der Lage, viermal täglich eine einfache Wegstrecke von mehr als 500 Meter innerhalb 20 Minuten zurückzulegen; auch könne sie einen Pkw fahren.

In dem streitgegenständlichen Rentenverfahren holte die Beklagte zunächst einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Weiße vom 15. Februar 2006 ein, der zwei Arztbriefe des Facharztes für Orthopädie Dr. W. vom 5. Januar 2005 und 28. September 2005 beifügte. Dr. W. diagnostizierte in dem ersten Arztbrief einen Zustand nach Spondylodese L 1/2 sowie eine lumbosacrales Spondylolisthesis und empfahl dringend eine intensive Bauchmuskelkräftigung zur Kompensation der lumbalen Hyperlordose als Langzeitbehandlung. In dem weiteren Arztbrief diagnostizierte er ein Sprunggelenk-Ganglion talocrural rechts und ein Cervicalsyndrom. In der ebenfalls mit übersandten Epikrise der Geburtshilflich-Gynäkologischen Abteilung der Paul Gerhardt Stiftung Lutherstadt W. vom 4. September 2001 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 15. bis zum 28. August 2001 wurden die Durchführung einer Hysterektomia abdominales, Adhäsiolyse und Tubenexstirpation links am 17. August 2001 mitgeteilt.

Daraufhin ließ die Beklagte den Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin und Chefarzt der Orthopädie der Rehabilitationsklinik Eisenmoorbad Dr. M. das Gutachten vom 1. August 2006 erstatten. Dieser stellte bei der Untersuchung am 12. Juli 2006 ein situationsadäquates Verhalten der Klägerin ohne ein Verhalten für einen psychosomatischen Symptomenkomplex fest. Er diagnostizierte ein posttraumatisches Vertebralsyndrom nach einer Wirbelkörperfraktur LWK 2/3, eine durch die vermehrte Brustkyphose bedingte sekundäre Thoraxdeformierung, eine posttraumatische Funktionseinschränkung des rechten Sprunggelenkes nach Fraktur, eine allergische Kontaktdermatitis bei Typ 4-Sensibilisierung und eine Beckenbodeninsuffizienz nach Hysterektomie 2001. Bei der Klägerin bestünden deutliche sekundäre Veränderungen infolge der LWK-2- und -3-Fraktur von 1993 mit mehrfachen operativen Revisionen und dem Versuch einer Spondylodese. Trotz der operativen Behandlung sei es zu einer zunehmenden kyphotischen Fehlstellung im Lendenwirbelsäulen (LWS)- und sich daran anschließenden Brustwirbelsäulen (BWS)- Bereich gekommen. Außerdem hätten sich sowohl klinisch als auch röntgenologisch Instabilitäten im unteren BWS- und oberen LWS-Bereich gezeigt. Die Klägerin habe schon bei leichten bis mittelschweren Tätigkeiten im Haushalt deutliche und nachvollziehbare Beschwerden angegeben. Durch die starke Brustkyphose sei es zu sekundären Thoraxveränderungen gekommen, die im rechtsseitigen Bereich zwischen Thorax und Skapula ein schmerzhaftes Schnappen bedingten und somit die Schulterfunktion besonders bei Überkopfarbeiten einschränkten. Im Bereich des rechten oberen Sprunggelenkes liege eine posttraumatische Arthrose Stadium I – II vor, die bei längerem Stehen und besonders beim Gehen Beschwerden verursache. Die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen für alle leichten Tätigkeiten unter Meidung von schwerem Heben und Tragen und Zwangshaltungen sowie unter Ausschluss von allergisierenden Stoffen für sechs Stunden und mehr täglich leistungsfähig.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2007 den Rentenantrag der Klägerin ab. Die Klägerin verfüge über ein Leistungsvermögen für sechs Stunden und mehr täglich für leichte Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Hiergegen hat die Klägerin am 27. März 2007 Klage beim Sozialgericht Dessau erhoben. Sie hat vorgetragen, sie leide an schmerzvollen wirbelsäulenbedingten ganzkörperlichen Bewegungseinschränkungen, einem ständig stechenden Schmerz im Rückenbereich, akuten Schlafstörungen und einem stark herabgesetzten Konzentrationsvermögen bei Dauermüdigkeit. Bereits bei den geringsten täglichen Verrichtungen im Haushalt seien längere Ruhepausen zur Schmerzlinderung und Erholung erforderlich. Ferner habe die Beklagte die depressive Verstimmung nicht in die Entscheidung mit einbezogen. Allergiebedingt sei die Gebrauchsfähigkeit beider Hände sehr stark herabgesetzt. Ihre Wegefähigkeit sei nicht mehr gegeben.

Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Herr W. hat unter dem 19. Oktober 2007 als Diagnosen eine posttraumatische Arthrose rechts und eine Synovialitis des rechten Sprunggelenks benannt und dies als einen Dauerzustand beurteilt. Ausweislich der beigefügten Epikrise des Fachkrankenhauses für Orthopädie der MediClin Waldkrankenhaus Bad D. über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 12. bis zum 18. September 2007 ist am 13. September 2007 eine Arthroskopie des rechten oberen Sprunggelenkes durchgeführt worden. In dem ferner mit übersandten Arztbrief vom 10. Oktober 2007 hat Dr. W. als klinischen Befund eine mäßige Kapselschwellung talocrural rechts, verschorfte Arthroskopie-Eintrittstellen sowie ein rechts betontes Gangbild an zwei Unterarmstützen beschrieben.

Sodann hat das Sozialgericht den stellvertretenden Klinikdirektor der Orthopädischen Universitätsklinik der Ottovon-Guericke-Universität M. Prof. Dr. G. das Gutachten vom 7. Juli 2008 erstatten lassen. Die Klägerin habe bei der Untersuchung über ständige Rückenschmerzen, besonders im LWS-Bereich, ein Taubheitsgefühl im Gesäßbereich rechts sowie über Nacken-Schulter-Beschwerden links mehr als rechts mit einem Einschlafen der Hände beidseits sowie zusätzliche Schmerzen im Bereich des rechten Sprunggelenkes bei Belastung, die sich nach der Arthroskopie jedoch gebessert hätten, geklagt. Bei längerem Gehen und Stehen trage sie ein Stützkorsett, welches sie auch bei der Untersuchung benutzt habe. Prof. Dr. G. hat einen Zustand nach Fraktur des zweiten und dritten Lendenwirbels mit Ausheilung durch Blockwirbelbildung in leichter Fehlstellung und posttraumatischem vertebragenem lokalem Schmerzsyndrom, eine vermehrte Kyphose der BWS mit leichter Fehlstellung der rechten Scapula und eine posttraumatische Funktionseinschränkung des rechtes Sprunggelenkes nach einer Fraktur mit einer arthroskopisch nachgewiesenen posttraumatischen Arthrose als Diagnosen benannt. Im Hinblick auf die Diskrepanz zwischen den geschilderten Symptomen und den objektiv nachweisbaren Veränderungen sowie unter Berücksichtigung der laufenden psychologischen Betreuung der Klägerin müsse an das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung gedacht werden. – Die Klägerin sei aus orthopädischer Sicht noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen auch im Freien unter Witterungsschutz mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten unter Zeitdruck, in Wechselschicht, in Zwangshaltungen, Arbeiten mit häufigem Bücken, Heben und Tragen und unter Exposition von Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht eingeschränkt. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich an fünf Wochentagen arbeiten. Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden sei eine zusätzliche Pause von 30 Minuten einzulegen. Die Frage, ob die Klägerin noch in der Lage sei, eine leichte Beschäftigung – z. B. leichte Sortierarbeiten oder Büroarbeiten – überwiegend im Sitzen mit den üblichen Ruhepausen mehr als sechs Stunden auszuüben, hat der Gutachter dahingehend beantwortet, dass sie eine leichte Beschäftigung, wie z.B. Sortier- oder Büroarbeiten, in wechselnder Körperhaltung ausführen könne. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei aufgrund der posttraumatischen Sprunggelenksarthrose rechts beeinträchtigt, jedoch könnten noch mehr als 500 Meter ohne unzumutbare Beschwerden ohne lange Pausen viermal täglich zu Fuß zurückgelegt werden. Ferner sei aufgrund der körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen die Leistungsfähigkeit der Klägerin herabgesunken, sodass im Rahmen einer Erwerbstätigkeit häufiger mit krankheitsbedingten Ausfallzeiten zu rechnen sei. Da auch der Verdacht auf ein psychosomatisches Geschehen bestehe, sei eine Begutachtung durch dieses Fachgebiet zu empfehlen.

Die Klägerin hat sich mit diesem Gutachten nicht einverstanden erklärt und insbesondere angeführt, die Gebrauchsfähigkeit ihrer Hände, vor allem die Feinmotorik bei einem gleichzeitigen Taubheitsgefühl, sei erheblich eingeschränkt. Zudem müsse sie nach einem Weg von 50 Metern zur Schmerzlinderung eine Pause einlegen. Ihre Leistungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt sei auf unter drei Stunden gesunken.

Das Sozialgericht hat sodann einen Befundbericht der Psychologischen Psychotherapeutin und Psychologischen Schmerztherapeutin DGSS Dipl.-Psych. P. vom 28. November 2008 eingeholt. Einen vollständigen Befund habe diese nicht erheben können, da die Klägerin den ausgehändigten Schmerzfragebogen nicht bearbeitet habe. Die Klägerin fühle sich in der Opferrolle, durch Leistungsschwäche sei ein Selbstwertverlusterleben zu verzeichnen; sie bringe aber kaum Anstrengungsbereitschaft auf, um aktiv zu Lösungen zu gelangen. Die Schmerzschilderung und das Schmerzverhalten differierten in der Praxis erheblich. Es bestünde kein Anhalt für Depressivität oder Suizidalität. Dipl.-Psych. P. hat als Diagnosen eine biopsychosoziale Störung aufgrund anderer Erkrankungen, eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen und den Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mitgeteilt. Sie hat einen an sich gerichteten Arztbrief der Fachärztin für Anästhesiologie und Oberärztin des Fachkrankenhauses für Orthopädie der MediClin Waldkrankenhaus Bad Düben Dr. T. vom 9. April 2008 beigefügt, in welchem diese um Übernahme der psychologischen Mitbehandlung gebeten hat. Dr. T. hat berichtet, die Klägerin habe auf der VAS-Skala 1 bis 10 eine Schmerzstärke bei Belastung im Durchschnitt von 8 und in Ruhe von 2 bis 4 angegeben. Hochgradig auffällig sei das Erreichen von 55 Punkten im affektiven Bereich nach der Schmerzempfindungsskala nach Geissner und von 43 Punkten nach der Depressivitätsskala nach Zerssen. In ihrem an Dr. T. gerichteten Arztbrief vom 29. Juli 2008 hat Dipl.-Psych. P. aufgezeigt, weniger eine anhaltende Depressivität als eher ein persönlichkeitsbedingter Mangel an Selbstreflektion, Antrieb sowie Anstrengungs- und Durchhaltebereitschaft seien auffällig. Die Klägerin betreibe ferner einen Nikotin- und Kaffeeabusus und halte ihr therapeutisches Sportprogramm nicht ein. Da mit ihr derzeit kein tragfähiges eigenes Anliegen an psychologischen Interventionen (Beratung sei erfolgt) habe herausgearbeitet werden können, sei keine weiterführende Therapievereinbarung getroffen worden.

Mit Urteil vom 16. Februar 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von Zwangshaltungen, Wechselschichten, Zeitdruck, häufigem Bücken, Heben und Tragen in einem zeitlichen Umfang von täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen ergebe sich aus orthopädischer Sicht aus dem ausführlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. G. vom 7. Juli 2008 sowie dem Gutachten von Dr. M. vom 1. August 2006. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Gegen das ihr am 13. März 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. April 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und geltend gemacht, ihre behandelnde Orthopädin Dipl.-Med. W. sei nicht gehört worden. Ferner sei der Tatbestand der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erfüllt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 16. Februar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. April 2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte von der Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. W. vom 5. Oktober 2009 und von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Weiße vom 28. Oktober 2009 eingeholt. Dipl.-Med. W. hat seit April 2007 auf unveränderte Befunde verwiesen. Im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) liege eine verspannte Schulter-Nacken-Muskulatur ohne motorische oder sensible Ausfälle bei einem röntgenologisch altersgerechten Befund vor. Die LWS zeige degenerative Veränderungen in Höhe L 5/S 1 sowie einen engen Spinalkanal; motorische oder sensible Störungen seien nicht zu verzeichnen. Dipl.-Med. W. hat Berichte der Fachärztin für diagnostische Radiologie Dr. H. über die Auswertung von Magnetresonanztomographien (MRT.) der HWS vom 11. Dezember 2008 und LWS vom 2. Januar 2009 beigefügt. Ausweislich eines ebenfalls mit übersandten Arztbriefes vom 20. Januar 2009 über eine ambulante Behandlung der Klägerin am 4. Januar 2009 in der Universitätsklinik und Poliklinik für Orthopädie und Physikalische Medizin des Universitätsklinikums H. lägen röntgenologisch ein insgesamt altersgerechter Befund der HWS sowie auch in der MRT keine dem Alter vorauseilende Degeneration vor. Die Röntgenaufnahme der LWS zeige aber eine Degeneration des Segmentes L 5/S 1; in der MRT werde der segmental enge lumbale Spinalkanal bestätigt. Nach einem weiteren Schreiben vom 2. April 2009 der Universitätsklinik habe sich die Symptomatik unter konservativer Therapie völlig zurückgebildet; die mögliche Operationsindikation werde nicht mehr gestellt. Herr W. hat schließlich unter dem 28. Oktober 2009 eine Verschlechterung seit Oktober 2007 und als neuen Befund eine Arthrose des rechten Sprunggelenks mitgeteilt.

Die Beteiligten haben sich im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 24. März 2010 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten und der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senates waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit entscheiden, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da sich die Beteiligten übereinstimmend hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte sowie gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Klägerin kein Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. April 2006 zusteht. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).

Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Klägerin war bei der Beklagten versichert und hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung am 29. Januar 2004 die allgemeine Wartezeit nach § 50 Abs. 1 SGB VI von fünf Jahren (60 Monaten) erfüllt. Ausweislich der in der Verwaltungsakte enthaltenen Wartezeitaufstellung lagen bis zu diesem Zeitpunkt 268 Monate mit Beitragszeiten vor. Im maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor dem Rentenantrag sind 57 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt, sodass auch die so genannte Drei-Fünftel-Belegung erfüllt ist.

Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsbemindert. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert, weil sie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Die Klägerin ist noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Arbeiten mit Zwangshaltungen, häufigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten mehr als zehn kg, Überkopfarbeiten sowie Arbeiten unter Exposition von Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sind zu meiden. Ferner ist die Klägerin Arbeiten unter Zeitdruck sowie in Wechselschicht nicht mehr gewachsen. Zudem sind nur noch Arbeiten unter Ausschluss von allergisierenden Substanzen möglich. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist darüber hinaus nicht eingeschränkt. Die Klägerin verfügt über ein normales Seh- und Hörvermögen und ist zumindest einfachen Anforderungen an geistige und mnestische Fähigkeiten gewachsen.

Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat insbesondere aus der Einschätzung von Prof. Dr. G. in seinem Gutachten vom 7. Juli 2008 sowie den insoweit übereinstimmenden Feststellungen von Dr. M. in dem Gutachten vom 11. August 2006 und Dr. A. in dem Gutachten vom 13. April 2005.

Die Klägerin leidet vorrangig auf orthopädischem Gebiet an einem posttraumatischen Vertebralsyndrom nach einer im Jahr 1993 erlittenen Wirbelkörperfraktur im Bereich LWK 2 bis 3 mit einer nachfolgenden operativen Spondylose, einer Metallentfernung 1994 und einer Respondylose L 1 bis L 3 1995 und einer erneuten Metallentfernung im Jahr 1997. Die Fraktur des zweiten bis dritten Lendenwirbelkörpers ist zwar verheilt, jedoch ist eine Blockwirbelbildung in leichter Fehlstellung verblieben. Ferner bestehen eine ausgeprägte Rundrückenbildung besonders im lumbodorsalen Übergang sowie eine geringe Links-Rechts-Linkskoliose. Motorische und sensible Störungen waren nicht nachweisbar. Zum Auftrainieren des muskelschwachen Rundrückens und auch zur Reduzierung der Beschwerden haben sämtliche Gutachter ein konsequentes Training empfohlen, welches die Klägerin jedoch nicht durchführt. Es bestehen sowohl klinische als auch röntgenologische Instabilitäten der untere BWS und oberen LWS. Ausweislich der MRT der LWS vom 2. Januar 2009 war ein segmental enger lumbaler Spinalkanal nachweisbar. Unter konservativer Therapie hat sich diese Symptomatik jedoch vollständig zurückgebildet.

Darüber hinaus bestehen bei der Klägerin eine posttraumatische Funktionseinschränkung des rechten Sprunggelenks sowie noch leichte Beweglichkeitseinschränkungen nach der im September 2007 durchgeführten Arthroskopie. Ferner leidet die Klägerin an einer vermehrten Kyphosierung der BWS mit beginnenden degenerativen Veränderungen und einer leichten Fehlstellung des rechten Schulterblattes. Diese Einschränkungen der Klägerin auf orthopädischem Gebiet begründen keine quantitativ verminderte Leistungsfähigkeit. Sämtliche Gutachter zeigen einen Dauerzustand in Anbetracht der Folgen der Wirbelkörperfraktur LWK 2 bis 3 auf und bestätigen übereinstimmend ein noch mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen der Klägerin. Allerdings ist die Klägerin in qualitativer Hinsicht in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Sie kann nur noch körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen ohne Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Heben und Tragen von Lasten mehr als zehn kg, Bücken und unter Meidung von Temperaturschwankungen, Nässe und Zugluft verrichten.

Des Weiteren leidet die Klägerin auf dermatologischem Gebiet an einer allergischen Kontaktdermatitis, die nur noch Arbeiten ohne Kontakt mit den Allergenen Thiuram-Mix und der darin enthaltenen Substanz Tetraethylthiuramdisulfit, Nickel (II)-Sulfat, Chlormethylisothiazolon (Kathon CG) und Polyvidon-Jod zulässt. Eine Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der Hände resultiert daraus allerdings nicht. Diese Stoffe treten in der allgemeinen Arbeitswelt nicht häufig auf. Die Klägerin kann sich zudem auch durch das Tragen von Baumwollhandschuhen ausreichend schützen.

Zudem besteht aus gynäkologischer Sicht ein Zustand nach Entfernung der Gebärmutter, woraus jedoch keine weiteren Leistungseinschränkungen für die Erwerbsfähigkeit resultieren.

Auf psychiatrischem Fachgebiet liegen eine biopsychosoziale Störung, eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen sowie der Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor. Insoweit hat Dipl.-Psych. P. die von Prof. Dr. G. gestellte Verdachtsdiagnose des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht bestätigt, sondern unter Hinweis auf die Diskrepanzen zwischen den objektiven Befunden und der Beschwerdeschilderung der Klägerin eine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung, insbesondere eine anhaltende Depressivität, nicht aufzeigen können. Der von ihr dargestellte psychische Befund eines mangelnden Antriebs, einer eingeschränkten Selbstreflexion sowie einer fehlenden Anstrengungs- und Durchhaltebereitschaft der Klägerin steht im Einklang mit der von allen Gutachtern geschilderten fehlende Compliance der Klägerin, begründet aber keine quantitative Leistungseinschränkung. Insbesondere sind keine objektiven Befunde für die von der Klägerin geklagten Einschränkungen des Konzentrationsvermögens ersichtlich. Da Dipl.-Psych. P. keine neuen Gesichtspunkte aufgezeigt hat, die nicht durch die eingeholten Gutachten sowie Befund- und Behandlungsberichte geklärt sind, sah der Senat keine Veranlassung, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Er geht davon aus, dass die Klägerin beim Aufbringen der ihr zumutbaren Anstrengungsbereitschaft Arbeiten mit zumindest einfachen Anforderungen an geistige und mnestische Fähigkeiten gewachsen ist.

Bei der Klägerin liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würde. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.). Die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände ist nicht eingeschränkt. Die Klägerin muss lediglich bei der Ausführung der genannten Verrichtungen ihre Hände durch das Tragen von (Baumwoll-) Handschuhen vor Kontakt mit den oben angeführten allergisierenden Stoffen schützen.

Auch liegt im Fall der Klägerin kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, GS, a.a.O. = S. 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße einschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß erreichbar, zum Beispiel mit dem eigenen Kraftfahrzeug bzw. mit einem Fahrrad, ist der Arbeitmarkt ebenfalls nicht verschlossen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10). Nach übereinstimmender Auffassung sämtlicher Gutachter kann die Klägerin mehr als 500 Meter viermal täglich zu Fuß innerhalb maximal 20 Minuten bewältigen.

Darüber hinaus kann die Klägerin nicht nur unter betriebsunüblichen Bedingungen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn neben den betriebsüblichen Pausen weitere Pausen erforderlich sind. Benötigt die Versicherte Pausen, die im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 6. Juni 1994 (BGBl. I 1994, 1170, 1171) nicht vorgesehen sind, ist zu prüfen, ob die Versicherte unter solchen Bedingungen eingestellt werden würde (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 49/97 - juris). Nach § 4 ArbZG ist die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden. Da Prof. Dr. G. ausdrücklich in seinem Gutachten aufgezeigt hat, hinsichtlich der erhobenen Befunde und der gestellten Diagnosen sowie der Leistungsbeurteilung nicht von dem Gutachten von Dr. M. abzuweichen, und er zudem nicht angegeben hat, aufgrund welcher Befunde die Klägerin zusätzlich eine Pause von 30 Minuten bei einer mehr als sechsstündigen Tätigkeit soll, erschließt sich für den Senat die Notwendigkeit einer zusätzlichen Pause nicht. Hinzu kommt, dass Prof. Dr. G. die Klägerin als in der Lage erachtet hat, noch Sortier- und Büroarbeiten mit den üblichen Ruhepausen mehr als sechs Stunden zu bewältigen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass neben den eigentlichen Pausen im Sinne des § 4 ArbZG in der Arbeitswirklichkeit so genannte persönliche Verteilzeiten existieren, die nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen im Rechtssinne anzusehen sind. So gelten Arbeitszeitunterbrechungen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden beispielsweise im Bereich des Öffentlichen Dienstes nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen (vgl. Böhm/Spiertz, Kommentar zum BAT, Anm. 10 zum § 15 und Anzinger/Koberski, Kommentar zum ArbZG, 2. Aufl. § 4 Rdnr. 9), sodass ohne weiteres für die Klägerin die Möglichkeit zur Einhaltung von weiteren Pausen bestünde.

Schließlich ist die Klägerin zur Überzeugung des Senates in der Lage, ohne eine längere als insgesamt sechs Monate (pro Jahr) währende Arbeitsunfähigkeitszeit zu arbeiten. Bei der Angabe von Prof. Dr. G., es sei unter Hinweis auf körperliche und psychische Beeinträchtigungen häufiger mit krankheitsbedingten Arbeitsausfallzeiten zu rechnen, handelt es sich um eine Prognose ohne nähere medizinische Begründung. Der von Dipl.-Psych. P. aufgezeigte Mangel an Antrieb, Anstrengungs- und Durchhaltebereitschaft bei einer Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen sowie des Verdachts auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung dürfte zwar mit einiger Wahrscheinlichkeit auch bei der Aufnahme einer Tätigkeit auftreten. Allerdings wären Arbeitsunfähigkeiten bei einer leidensgerechten Arbeit und einer von der Klägerin abzuverlangenden Anstrengungsbereitschaft krankheitsbedingt nicht gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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