L 1 R 346/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 2 R 675/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 346/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. September 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben sich auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) hat.

Die am 1961 geborene Klägerin absolvierte nach dem Besuch der Polytechnischen Oberschule vom 01. September 1978 bis zum 30. April 1980 eine Lehre als Zerspanungsfacharbeiterin (Facharbeiterbrief vom 30. April 1980). Vom 01. Mai 1980 bis zum 30. Juni 1986 war sie als Heimerzieherin im Lehrlingswohnheim der Betriebsberufsschule des VEB W. M tätig und erwarb mit Datum vom 28. November 1984 den Fachschulabschluss Erzieher für Jugendheime. Vom 02. September 1985 bis zum 04. Juli 1986 war die Klägerin an die Bezirksparteischule M. delegiert, an der sie anschließend bis zum 31. Januar 1990 zunächst als Assistentin und später als Lehrerin beschäftigt war. Ab dem 01. Februar 1990 kehrte sie in ihre Tätigkeit als Heimerzieherin beim VEB W. zurück, die sie bis zum 31. Oktober 1990 ausübte. Vom 01. November 1990 an war die Klägerin als Internatsleiterin tätig und wurde mit Ablauf des 31. Dezember 2002 arbeitslos. Sie bezog Arbeitslosengeld bis zum 03. Dezember 2003 und war anschließend (wegen einer Schilddrüsenerkrankung) arbeitsunfähig erkrankt.

Die Klägerin musste sich im Jahre 1998 wegen einer Morbus-Basedow-Erkrankung (Entzündung der Schilddrüse) einer subtotalen Schilddrüsenresektion beidseits unterziehen, am 27. Juli 2004 wurde sie an der Brustwirbelsäule operiert und führte deshalb vom 21. Oktober 2004 bis zum 11. November 2004 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in einer Klinik in durch.

Am 02. März 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung und gab dazu an, dass sie seit 1994 unter Wirbelsäulen-Schmerzen und Blockierungen leide, die seit dem Jahre 2003 zugenommen hätten. Die Beklagte zog verschiedene medizinische Unterlagen bei, darunter den Entlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung in B. vom 22. November 2004. Darin sind als Diagnosen ein Status nach Bandscheibenoperation in Höhe TH 9/10 (Brustwirbelsäule) am 27. Juli 2004, ein bekannter Morbus Basedow mit einer Radiojodtherapie im Jahre 2003 sowie ein polytop vertebragenes (mehrere Stellen der Wirbelsäule betreffendes) Syndrom komplexer Genese aufgeführt. Die Klägerin könne ihren bisherigen Beruf als Internatsleiterin noch sechs Stunden und mehr ausüben. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie noch mittelschwere Arbeiten ebenfalls sechs Stunden und mehr verrichten. Die Klägerin wurde als arbeitsunfähig entlassen. Nach dem Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 06. April 2005 wurde bei der Klägerin anlässlich einer Untersuchung mit dem Magnetresonanztomografen (im Januar 2005) ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule (HWS) mit Tangierung des Myelons diagnostiziert (HWK 5/6).

Sodann ließ die Beklagte den Facharzt für Orthopädie Dr ...P. das Gutachten vom 13. Juli 2005 erstellen. Er diagnostizierte bei der Klägerin ein wiederkehrendes Cervicobrachialsyndrom rechts bei bekanntem Bandscheibenvorfall ohne neurologische Ausfallerscheinungen. Es bestünden mäßiggradige Funktionseinschränkungen der HWS, eine endgradige Funktionseinschränkung der LWS sowie eine Insuffizienz der Rücken- und Bauchmuskulatur. In ihrer letzten Tätigkeit als Internatsleiterin könne sie noch 3 bis unter 6 Stunden arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien Überkopfarbeiten, Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Arbeiten mit Ganzkörpervibrationen und Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr. Bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und in der Wegefähigkeit sei sie nicht eingeschränkt.

Mit Bescheid vom 29. Juli 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit der Begründung ab, sie könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen noch Tätigkeiten im Umfang von täglich sechs Stunden und mehr verrichten und sie sei deswegen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Auf den dagegen am 24. August 2005 eingelegten Widerspruch der Klägerin zog die Beklagte die Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Magdeburg vom 30. März 2005, 27. Mai 2005 und 22. Juni 2005 bei. Nach dem Gutachten vom 30. März 2005 war die Klägerin vollschichtig einsetzbar während nach dem Gutachten vom 22. Juni 2005 wegen eines zurzeit akuten Bandscheibenvorfalls im Bereich der Halswirbelsäule ein Leistungsvermögen von täglich weniger als drei Stunden bestanden haben soll. Ferner holte sie Befundberichte der behandelnden Nervenärztin Dr ... vom 11. September 2005 ein, die Berichte der Klinik für Neurochirurgie der Universität M. vom 21. Juli 2005 und des Facharztes für Radiologie Dr ... vom 06. September 2005 beifügte, sowie der Fachärztin für Innere Medizin Dr ... vom 12. September 2005 ein, die ebenfalls weitere medizinische Unterlagen beifügte.

Im Auftrage der Beklagten erstellte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. G. das Gutachten vom 14. Oktober 2005. Diese diagnostizierte bei der Klägerin einen Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls BWK 9/10 links im Jahre 2004, Bandscheibenvorfälle BWK 9/10 rechts und BWK 8/9 links, eine diffuse Bandscheibenprotrusion (-vorwölbung) bei C 5/6, den Verdacht auf eine psychogene Überlagerung der objektiven Beschwerden (Somatisierungsstörung) und den Verdacht auf eine Agoraphobie und eine soziale Phobie. Als Internatsleiterin könne die Klägerin noch sechs Stunden und mehr tätig sein. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien leichte bis mittelschwere Tätigkeiten für sechs Stunden und mehr möglich. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten in Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten. – Vom 15. März 2006 bis zum 12. April 2006 führte die Klägerin eine weitere stationäre Rehabilitationsmaßnahme durch. Nach dem Abschlussbericht des Reha-Zentrums S in T vom 16. Mai 2006 lagen bei der Klägerin neben den bekannten Diagnosen eine somatoforme Schmerzstörung und eine Eisenmangelanämie vor. Sie könne als Internatsleiterin noch und mehr sechs Stunden täglich tätig sein. Dies gelte auch für mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Wegefähigkeit und das Durchhaltevermögen seien wegen somatoform-ängstlicher Beschwerden leicht eingeschränkt. – Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2006 zurück. Sie sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, da sie nach der im Rentenverfahren getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung noch regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche tätig sein könne. Auch in ihrem bisherigen Beruf könne sie noch arbeiten.

Am 14. November 2006 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und einen Bericht der sie behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr ...G vom 07. November 2006 vorgelegt. Das SG hat einen Befundbericht dieser Ärztin vom 13. Juli 2007 eingeholt und anschließend den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr ...W das Sachverständigengutachten vom 13. Mai 2008 erstatten lassen. Der Sachverständige hat folgende Diagnosen gestellt: Somatisierungsstörung; gürtelförmige Schmerzen im Bereich der BWS und HWS, Verspannungen der Schulter-Nackenmuskulatur mit Einstrahlung in die Arme, Missempfindungen und Schwäche im rechten Arm nach Operation eines Bandscheibenvorfalles BWK 9/10; Schmerzen im Bereich der unteren LWS, in beide Gesäßhälften einstrahlend, zeitweise auch in das rechte Bein mit Missempfindungen, Schwäche beim Gehen und Gangunsicherheit; Störung der Schilddrüsenfunktion mit Totaloperation 1998 und Radiojodtherapie 2003 bei bestehenden Morbus Basedow; Adipositas (104 kg bei 178 cm Körpergröße); labiler Hypertonus; Multiallergie; sensibles Defizit am Rumpf im Dermatom D8/D9 und ein radikuläres sensibles Reizsyndrom L 5 rechts, beides ohne motorische Auswirkungen. Die Klägerin könne einer leichten körperlichen Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch für mindestens sechs Stunden täglich nachgehen. Sie sollte in geschlossenen Räumen und nicht an laufenden Maschinen, nicht in Akkordarbeit, nicht am Fließband, nicht in einem Schichtsystem oder unter Zeitdruck arbeiten. Auch Tätigkeiten mit häufigem Publikumsverkehr sollten vermieden werden. Das Zurücklegen einer Strecke von 500 Metern vier mal am Tage sei möglich. Auch öffentliche Verkehrsmittel könne sie benutzen. Mit Urteil vom 17. September 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Zwar sei das Leistungsvermögen durch eine Erkrankung der Wirbelsäule und eine somatoforme Störung eingeschränkt. Sie könne jedoch noch leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten regelmäßig ausüben. Das Gutachten von Dr ...W. sei überzeugend und stimme mit den Einschätzungen von Dr ...P ... , Dipl.-Med. G ... und den Rehabilitationsentlassungsberichten überein. Die Einschätzung der behandelnden Nervenärztin, das Leistungsvermögen sei aufgehoben, könne demgegenüber nicht überzeugen.

Gegen das am 09. Oktober 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03. November 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hält das Urteil des SG für unzutreffend. Sie sei aus beiden Rehabilitationsmaßnahmen arbeitsunfähig entlassen worden. Auch aus den MDK-Gutachten ergebe sich, dass sie keine regelmäßige Tätigkeit mehr ausüben könne. Dies habe auch der Arzt der Agentur für Arbeit in seinem Gutachten vom 22. Juni 2005 so gesehen. Der gerichtliche Sachverständige habe ihre organischen Befunde immer wieder auf die psychische Ebene gestellt und verharmlost.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. September 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2006 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 01. März 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise, wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. September 2008 zurückzuweisen.

Das Urteil des Sozialgerichts sei in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Das Gericht hat Befundberichte eingeholt von der Fachärztin für Innere Medizin Dr ...L. vom 28. Oktober 2009 und von der Nervenärztin Dr ...G. vom 29. Oktober 2009. Frau Dr ...L. hat mitgeteilt, dass sich die erhobenen Befunde nur unwesentlich verändert hätten. Es habe lediglich eine unzureichende Blutdruckeinstellung bei einer zweijährigen Konsultationspause gegeben. Nach Frau Dr ...G. hat sich das Krankheitsbild seit 2007 nicht verbessert.

Mit Schriftsätzen vom 07. Januar 2010 und 01. Februar 2010 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich beide Beteiligte damit einverstanden erklärt haben.

Die gemäß § 143 SGG statthafte und auch in der Form und Frist des § 151 SGG eingelegte Berufung ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung noch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das diese Entscheidung bestätigende Urteil des SG ist deshalb nicht zu beanstanden.

1. Gemäß § 43 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, dann einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist derjenige teilweise erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarklage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Absatz 3 zweiter Halbsatz SGB VI).

Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin in dem zu beurteilenden Zeitraum seit März 2005 bis heute noch in der Lage war und ist, mindestens sechs Stunden täglich zumindest einer körperlich leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Nicht möglich sind dabei Arbeiten in Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Arbeiten mit Ganzkörpervibration, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr und an laufenden Maschinen, Arbeiten im Akkord, am Fließband, im Schichtsystem oder unter Zeitdruck. Nach der Aussage des Sachverständigen Dr ...W. sollten die Arbeiten in geschlossenen Räumen ohne häufigen Publikumsverkehr durchgeführt werden.

Insoweit folgt der Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen in den Entlassungsberichten der Reha-Klinik B. vom 22. November 2004 und des Reha-Zentrums S vom 16. Mai 2006, den Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr ...P ... vom 13. Juli 2005 und der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. G ... vom 14. Oktober 2005 sowie dem gerichtlichen Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr ...W vom 13. Mai 2008. In allen diesen ärztlichen Stellungnahme wird der Klägerin ein zumindest noch sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten bescheinigt. Ob die Klägerin darüber hinaus auch noch mittelschwere körperliche Arbeiten verrichten kann, die nur Dr ...W ausgeschlossen hat, kann offen bleiben. Nach diesen ärztlichen Unterlagen liegt bei der Klägerin ein Morbus Basedow (Schilddrüsenfunktionsstörung) vor, der im Jahre 1998 zu einer Schilddrüsentotaloperation führte, und weswegen im Jahre 2003 eine Radiojodtherapie durchgeführt wurde. Ferner liegt bei ihr ein Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls im Bereich BWK 9/10 im Jahre 2004 vor. Hinzu kommen Probleme im Bereich der Lendenwirbelsäule, die zu ausstrahlenden Schmerzen in das Gesäß und zeitweise in das rechte Bein führen. Darüber hinaus bestehen eine Übergewichtigkeit, ein labiler Bluthochdruck, eine Multiallergie bei bestimmten Lebensmitteln und Medikamenten und ein sensibles Defizit am Rumpf. Dazu hat sich eine Somatisierungsstörung mit ausgeprägter Verdeutlichungstendenz entwickelt, wodurch die Klägerin erheblich auf ihre körperlichen Beschwerden fixiert ist. Sie meint, was aber durch die klinischen und radiologischen Befunde nicht belegt ist, an einem schweren Wirbelsäulenleiden erkrankt zu sein. Der Sachverständige Dr ...W hat dazu ausgeführt, dass sich – wie auch schon die Ärzte des Reha-Zentrums S. gemeint hätten – weder das Ausmaß der von der Klägerin angegebenen Schmerzen, das Ausmaß des Harndranges und der geschilderten Schwindelattacken sowie die Gangunsicherheiten hätten objektivieren lassen. Deshalb sei von einer Aggravation auszugehen. Diesem schlüssig und fundiert dargelegten Urteil schließt sich der erkennende Senat an.

Nicht anschließen kann sich der Senat dem Urteil der behandelnden Ärztinnen Dr ...L und Dr ...G. , weil sie für ihre Auffassung, das Leistungsvermögen der Klägerin auch für leichte körperliche Arbeiten sei aufgehoben, keine tragfähige Begründung liefern. Dies gilt auch für das Gutachten des Arztes der Arbeitsagentur Magdeburg vom 22. Juni 2005, das auch im Gegensatz zu den anderen in diesem zeitlichen Zusammenhang eingeholten Gutachten steht.

Danach ergibt sich das eingangs geschilderte Leistungsbild. Mit einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich ist die Klägerin aber nicht teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Absatz 1 Satz 2 SGB VI. Eine weitere gutachterliche Sachverhaltsaufklärung durch den erkennenden Senat war nicht erforderlich, da die behandelnden Ärzte im Berufungsverfahren angegeben haben, der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich nicht wesentlich verändert.

2. Ist die Klägerin danach schon nicht teilweise erwerbsgemindert, so ist sie erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Denn dies erfordert gemäß § 43 Absatz 2 Satz 2 SGB VI, dass eine Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Da die Klägerin, wie dargelegt, noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, erfüllt sie dieses Kriterium nicht.

Die Klägerin ist auch nicht deshalb voll erwerbsgemindert, weil sie wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann.

Der Klägerin ist der Arbeitsmarkt auch nicht deshalb verschlossen, weil sie nicht wegefähig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt Erwerbsfähigkeit grundsätzlich die Fähigkeit einer Versicherten voraus, vier mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand (bis 20 Minuten) bewältigen und zwei mal täglich während der Hauptverkehrszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (Urteil vom 28. August 2002 – B 5 RJ 8/02 R –, dokumentiert in juris). Bei der Beurteilung der Mobilität der Versicherten sind alle ihr zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Nach dem überzeugenden Urteil des Sachverständigen Dr ...W. kann die Klägerin viermal täglich einen Fußweg von 500 Metern bewältigen. Dabei benötigt sie nur unwesentlich mehr Zeit (10 bis 30 %) als ein gesunder altersgleicher Mensch. Auch das Reha-Zentrum S ist zu der Einschätzung gelangt, dass bei der Wegefähigkeit der Klägerin nur leichte Einschränkungen vorliegen.

3. Da die Klägerin nach dem Stichtag (dem 01. Januar 1961), nämlich am. 1961, geboren ist, war eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI nicht zu diskutieren.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Absatz 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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