L 2 AS 948/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 7/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 948/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Am 04.01.2010 ging beim Sozialgericht Reutlingen (SG) das als Klage behandelte Schreiben des Klägers vom 31.12.2009 ein, mit dem er das Gericht um Beratung und Hilfe bat. Er habe nach Erkundigungen beim Arbeitsgericht Reutlingen und bei einem Anwalt erfahren, dass die Möglichkeit einer Klage bestehe. Sinngemäß teilte er mit, dass er seit 2 Jahren Hartz IV beziehe und seit Jahren ständig Probleme mit dem Arbeitsamt Balingen habe. Entgegen einer anders lautenden Auskunft würden ihm seit September 240 EUR aus einem Nebenverdienst als Einkommen auf den Leistungsanspruch angerechnet, was ihn in eine finanzielle Notlage gebracht habe.

Aus der Verwaltungsakte der Beklagten ergibt sich der folgende zu Grunde liegende Sachverhalt: Der am in Polen geborene Kläger bezieht seit 01.01.2005 mit Unterbrechungen durch Arbeitsaufnahmen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten. Während des Leistungsbezugs wurde der Beklagten durch einen Datenabgleich vom 26.03.2009 bekannt, dass der Kläger seit 01.10.2008 bis 31.12.2008 bei der Firma J. Gerüstbau GmbH geringfügig beschäftigt ist. Der Arbeitgeber teilte Einkommen in Höhe von 400 EUR monatlich für Oktober und November und für Dezember 2008 in Höhe von 314 EUR mit (Bl. 223 VA). Dies führte zum Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 27.04.2009. Für den Folgezeitraum vom 01.04. bis 30.09.2009 bewilligte die Beklagte Leistungen ohne Anrechnung von Einkommen in Höhe von 682,65 EUR weiter (Bescheid vom 13.03.2009). Im Weitergewährungsantrag vom 01.10.2009 gab der Kläger kein Einkommen an. Die Beklagte forderte ihn mit Schreiben vom 02.10.2009 auf, alle Lohnabrechnungen ab 01.01.2009 von der Firma Jetter Gerüstbau und der Firma L. GmbH, wo er als Getränkeauslieferer gearbeitet hat, vorzulegen. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 05.10.2009 sinngemäß mit, dort nur stundenweise gearbeitet und außerdem die Information erhalten zu haben, 165 EUR hinzuverdienen zu dürfen. Die Lohnabrechnungen könne er momentan nicht sofort bekommen. Auch erhalte er teilweise nur Getränkegutscheine. Er verwies auf seine schwierige finanzielle Situation und bat um Überweisung des Geldes. Mit Bescheid vom 08.10.2009 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 Leistungen nur noch in Höhe von 450,65 EUR weiter, wobei sie Einkommen von der Fa. J. Gerüstbau in Höhe von 400 EUR anrechnete, was zu einem zu berücksichtigenden Gesamteinkommen in Höhe von 240 EUR führte. Widerspruch hat der Kläger dagegen nicht eingelegt. Der Kläger wies darauf hin, dass er nur ab und zu gearbeitet habe, um seine Schulden aus Unterhaltspflichten zu begleichen. Von den 420 EUR/450 EUR könne er nicht leben (Bl. 266 folgende VA). Die Beklagte forderte den Kläger erneut mit Schreiben vom 17.11.2009 auf, Lohnabrechnungen von der Fa. J. Gerüstbau und Kontoauszüge vorzulegen. Der Kläger legte vereinzelte Kontoauszüge von Januar bis November 2009 und von November und Dezember 2008 vor. Lohnzahlungen sind danach nicht nachzuvollziehen. Bei einer persönlichen Beratung am 30.11.2009 blieb unklar, ob er sich in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis befindet (Bl. 293 VA). Die Beklagte ermittelte durch telefonische Nachfrage bei der Firma J. Gerüstbau am 08.12.2009 das Einkommen für die Zeit von April bis September 2009 in Höhe von 400 EUR, für Oktober 2009 in Höhe von 395,66 EUR und für November 2009 in Höhe von 399,76 EUR (Bl. 299 VA). Unter Berücksichtigung des ermittelten Einkommens gewährte sie mit Änderungsbescheid vom 09.12.2009 im Bewilligungszeitraum geringfügig höhere Leistungen (in Höhe von 454,12 EUR für Oktober, 450,84 EUR für November 2009 und ab 01.12.2009 bis 31.03.2010 in Höhe von monatlich 451,87 EUR). Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17.12.2009 hob sie die Bewilligungsentscheidung vom 13.03.2009 über die Bewilligung von Leistungen in der Zeit vom 01.03.2009 bis 30.09.2009 teilweise in Höhe von 2.099 EUR wegen der Erzielung von Nebeneinkommen auf.

Am 18.12.2009 ging bei der Beklagten ein Schreiben vom Kläger ein, das mit Widerspruch überschrieben ist. Inhaltlich wandte er sich sinngemäß dagegen, dass er seit drei Monaten nur 450 EUR bekomme. Dies reiche zur Bezahlung seiner Rechnungen nicht aus und mache das Leben unmöglich. Der Kläger verwies auf seine psychisch angespannte Situation. Hierauf folgte das oben benannte Schreiben des Klägers vom 31.12.2009 an das SG (Klage). Mit einem weiteren Schreiben an die Beklagte, das am 04.01.2010 einging, wiederholte der Kläger seinen Widerspruch und benannte die Bescheide vom 09.12.2009 und 17.12.2009. Die Beklagte hat den Widerspruch vom 18.12.2009 als solchen gegen den Bescheid vom 09.12.2009 behandelt und mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2010 zurückgewiesen. Darin hat die Beklagte u.a. zur Begründung ausgeführt, das erzielte Einkommen sei nach Maßgabe von § 11 SGB II auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts anzurechnen. Die Freibeträge hierzu seien korrekt berücksichtigt worden. Mit Schreiben vom 08.01.2010, das am 11.01.2010 bei der Beklagten einging, hat sich für den Kläger Rechtsanwalt K. legitimiert und Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17.12.2009 eingelegt. Diesen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2010 zurückgewiesen. Klage wurde dagegen nicht erhoben.

Die Beklagte ist der Klage vom 04.01.2010, die sie nicht für zulässig gehalten hat, entgegengetreten. Der Streitgegenstand sei nicht ersichtlich, die Klage unbestimmt und nicht konkretisiert. Sofern sich die Klage möglicherweise gegen den Bescheid vom 17.12.2009 richte, mit dem die Rückerstattung von Leistungen wegen verschwiegener Nebentätigkeit und daraus erzieltem Einkommen gefordert werde, habe bereits der vom Kläger beauftragte Anwalt am 08.01.2010 dagegen Widerspruch eingelegt, über den - zu dem Zeitpunkt - noch nicht entschieden worden sei.

Mit Schreiben vom 14.01.2010 hat das SG den Kläger unter Fristsetzung bis 10.02.2010 aufgefordert, eine Kopie des mit der Klage angefochtenen Bescheids ggf. auch des angefochtenen Widerspruchsbescheids vorzulegen, damit die Klage nicht als unzulässig abzuweisen sei. Die Klage müsse den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Soweit dies wie vorliegend nicht erkennbar sei, habe das Gericht die Klägerseite zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern, die mit ausschließender Wirkung gesetzt werden könne. Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid behalte es sich nach Fristablauf vor. Sofern die Klage sich gegen den Bescheid vom 17.12.2009 richte, sei sie derzeit noch bis zur Widerspruchserteilung nach dem Widerspruch des Anwalts unzulässig. Der Kläger hat sinngemäß mit Schreiben vom 13.01.2010 mitgeteilt, dass es um die Anrechnung von Nebenverdienst gehe. Nach der erneuten Antragstellung letztes Jahr im September seien ihm sofort 240 EUR abgezogen worden, was verboten sei.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.02.2010 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Klage unzulässig sei, da der Kläger trotz Aufforderung nach § 92 Abs. 2 SGG bis zum Ablauf der ihm gesetzten Frist den angefochtenen Bescheid/Widerspruchsbescheid nicht konkret bezeichnet habe. Soweit in Betracht komme, dass er den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17.12.2009 angreifen wolle, sei ihm mit der Klagerwiderung bereits mitgeteilt worden, dass der von ihm beauftragte Rechtsanwalt hiergegen bereits am 08.01.2010 Widerspruch eingelegt habe und diesbezüglich eine Klage erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens mit Erlass des Widerspruchsbescheids zulässig werde. Es bestehe auch keine Veranlassung von einer Untätigkeitsklage auszugehen, nachdem die Klage bereits am 04.01.2010 erhoben und der Widerspruch erst am 08.10.2010 (richtig am 08.01.2010) eingelegt worden sei, da dieser gem. § 88 Abs. 2 SGG erst nach Ablauf von drei Monaten zulässig sei. Dem Kläger sei es bei der aufgeworfenen Fragestellung durchaus zumutbar den Erlass des Widerspruchsbescheids abzuwarten, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehme. Sofern es dem Kläger darum gehe, bezüglich der Erstattungs-Forderung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 17.12.2009 zu erreichen, wäre die Anrufung des Gerichts ebenfalls verfrüht und ein Rechtsschutzbedürfnis nicht anzuerkennen, da dieses Anliegen zunächst gegenüber der Beklagten im Zusammenhang mit dem am 08.01.2010 eingelegten Widerspruch geltend zu machen wäre. Der Kläger werde darauf hingewiesen, dass das SG nicht befugt sei allgemeine Rechtsauskünfte zu erteilen, sondern seine Aufgabe sei die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen zu überprüfen.

Gegen den ihm am 12.02.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.02.2010 schriftlich beim SG Berufung eingelegt, mit der er sinngemäß geltend gemacht hat, er habe die Nebenbeschäftigung gemeldet und von einem Mitarbeiter des Arbeitsamts sei ihm gesagt worden, dass er dies dürfe. Nur später habe sich das geändert und ihm sei vorgeworfen worden, den Nebenjob nicht gemeldet zu haben. Das sei zu viel Erniedrigung und unmenschlich. Seit 2006 mache ihm die Agentur das Leben schwer. 2006 habe er einen 1,50 EUR Job beim städtischen Bauhof Rosenfeld gemacht, wo man mit seiner Leistung sehr zufrieden gewesen sei und die Aussicht auf Übernahme bestanden habe. Nur leider habe die Agentur das gesperrt. Er wolle auch noch mitteilen, dass er wegen der Behandlung durch die Agentur in eine psychische Depression gefallen sei. Er bitte sehr um Verständnis und Hilfe. Er habe seit September eine kritische Situation. Der Kläger erwähnte eine Rückzahlung von ca. 2100 EUR. Seine Kfz-Steuer und-Versicherung habe er nicht bezahlt. Er sei am Ende. Der Kläger legte das ärztliche Attest vom Arzt für Psychiatrie H. vom 13.01.2010 vor, wonach er unter einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung leide und deswegen häufiger mit Sozialpartnern in Konflikt komme. In einem weiteren Schreiben, das am 08.03.2010 beim LSG einging, beschrieb der Kläger noch einmal seine Situation und benannte auf Nachfrage den ihn vertretenden Rechtsanwalt. Auf telefonische Nachfrage der Berichterstatterin teilte dieser am 08.03.2010 mit, dass er den Kläger zwar im Widerspruchsverfahren gegen die Anrechnung von Nebeneinkommen vertrete, nicht aber im Klageverfahren. Ein Widerspruchsbescheid liege noch nicht vor. Im Erörterungstermin am 06.05.2010 ist der Kläger krankheitsbedingt entschuldigt nicht erschienen. Mittlerweile hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2010 den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.12.2009 zurückgewiesen (siehe oben).

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Februar 2010 aufzuheben sowie den Bescheid vom 9. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2010 abzuändern und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Anrechnung von Nebeneinkommen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten (zwei Bd.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 30.06.2010 auch ohne den Kläger über den Rechtsstreit entscheiden, weil der Kläger ausdrücklich - auch ohne Einhaltung einer Ladungsfrist - einer Entscheidung ohne ihn zugestimmt hat.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Denn die Klage ist zwar entgegen der Auffassung des SG zulässig, jedoch unbegründet.

Allerdings hat das SG seine Entscheidung zu Unrecht auf § 92 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG -i.d.F. des SGG ArbGG ÄndG vom 26.03.2008, BGBl I Seite 444) gestützt. Danach muss der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung der Klageschrift innerhalb einer bestimmten Frist auffordern, wenn die Klage den Anforderungen des Abs. 1 nicht entspricht (§ 92 Abs. 2 Satz 1 SGG). Sanktionen für den Fall, dass der Kläger einer nach Abs. 2 Satz 1 gesetzten Frist nicht nachkommt, sind nicht vorgesehen, insbesondere kann die Nichtbeachtung nicht zur Unzulässigkeit der Klage führen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 92 Rn. 16). Darüber hinaus kann er (§ 92 Abs. 2 Satz 2 SGG) dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Abs. 1 Satz 1 genannten zwingenden Erfordernisse fehlt - hier nach Auffassung des SG an der Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens. Diese Entscheidung ist in das Ermessen des Vorsitzenden gestellt, das er pflichtgemäß unter Beachtung der Grundsätze der Barriere- und Formfreiheit auszuüben hat. Ein Vorgehen nach Abs. 2 Satz 2 dürfte allerdings unter Beachtung der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens nur in Fällen in Betracht kommen, in denen der Vorsitzende seine Aufklärungs- und Hinweispflichten gem. § 106 Abs. 1 SGG vollständig erfüllt hat. In den Gesetzesmaterialien heißt es in diesem Zusammenhang, das Gericht sei verpflichtet, eine am Einzelfall orientierte, sachgerechte und begründete Entscheidung zu treffen, die etwa das Vorhandensein oder Fehlen anwaltlicher Vertretung oder die intellektuellen Möglichkeiten eines unvertretenen Klägers berücksichtigt. Insofern wird eine Fristsetzung schon zu Beginn des Verfahrens und ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung voraussichtlich nur in wenigen Fällen sinnvoll sein (Leitherer a.a.O. Rn. 18 unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/7716 S. 22; s.a. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 28.01.2010 - L 10 U 4843/09). Ein solches Ermessen hat das Sozialgericht nicht ausgeübt. Es hat vielmehr, wie sich aus dem Aufklärungsschreiben und dem angefochtenen Gerichtsbescheid ergibt, die unzutreffende Auffassung vertreten, die fruchtlose Fristsetzung nach § 92 Abs. 2 Satz 1 SGG führe bereits zur ausschließenden Wirkung des Satzes 2 der Regelung.

Offen bleiben kann, ob das SG den der deutschen Sprache nur unzureichend mächtigen, rechtsunkundigen und auch nicht rechtskundig vertretenen Kläger mit der erforderlichen Deutlichkeit darauf hingewiesen hat, dass eine Fristsetzung "mit ausschließender Wirkung" erfolge und welche Konsequenzen dies haben werde. Jedenfalls hätte das SG bei der gegebenen Sachlage nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheides nur dann möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Nachdem die Ausschlusswirkung nach § 92 Abs. 2 Satz 2 SGG mangels Ermessensausübung nicht eingetreten war, hätte das SG entsprechend der auch im Rahmen des § 92 SGG geltenden Aufklärungspflicht nach § 106 SGG die nach seiner Ansicht noch offenen Fragen nach dem Begehren des Klägers klären müssen. Insoweit war der Sachverhalt keineswegs geklärt und hätte eine Ergänzung durch den Kläger im Rahmen einer mündlichen Verhandlung stattfinden können. Darüber hinaus hat das SG den Kläger vor Erlass des Gerichtsbescheides nicht ordnungsgemäß angehört. Im Hinweisschreiben vom 14.01.2010 hat sich das SG nach Fristablauf lediglich eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid vorbehalten, ohne später darauf hinzuweisen, dass diese Vorgehensweise beabsichtigt sei.

Von der nach § 159 Abs. 1 SGG eingeräumten Möglichkeit, die Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen, macht der Senat im Rahmen seines ihm danach eingeräumten Ermessens keinen Gebrauch, da dies vorliegend nicht sachgerecht ist.

Anders als das SG sieht der Senat den Gegenstand des Klagebegehrens als vom Kläger hinreichend bezeichnet an. Gegenstand des Klagebegehrens meint nicht den technisch-juristischen Begriff des Streitgegenstandes (§ 95 SGG). Der Kläger muss nur sein Begehren angeben. Die zwingenden Anforderungen des Abs. 1 Satz 1 zum Klagebegehren können schon dann erfüllt sein, wenn der Sachverhalt, über den das Gericht entscheiden soll, angegeben oder wenigstens umrissen ist (Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. Rn. 8). Bei einer Anfechtungsklage erfordert die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens, das dem Vorbringen entnommen werden kann, welche Verwaltungsentscheidung angegriffen werden soll. Wird ein Verwaltungsakt nicht konkret bezeichnet, kann sich dennoch aus dem gesamten Vorbringen ergeben, dass der Kläger den Verwaltungsakt anfechten will, der nach Sachlage angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu gelangen (Leitherer a.a.O. Rn. 9; Binder HK SGG, 3. Aufl. § 92 Rn. 6).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist dem schriftlichen Vorbringen des Klägers gegenüber dem SG sowohl im Schreiben vom 31.12.2009 als auch in dem vom 14.01.2010 klar zu entnehmen, dass er mit der neu erfolgten Anrechnung des Hinzuverdienstes in Höhe von 240 EUR nicht einverstanden ist, weil er meint, auf seine Frage zum Hinzuverdienst zu Beginn des Leistungsbezugs eine anders lautende Antwort von der Beklagten erhalten zu haben. Dies lässt sich auch nach dem Ablauf im Verwaltungsverfahren, wie er sich aus der Verwaltungsakte ergibt, nachvollziehen. Inhaltlich geregelt wird die Anrechnung des Nebenverdienstes im vom Kläger aufgezeigten zeitlichen Zusammenhang mit September bzw. "seit 3 Monaten" im Bewilligungsbescheid vom 08.10.2009. Durch die Berücksichtigung des Nebeneinkommens bei der Firma Jetter Gerüstbau in Höhe von 400 EUR ergibt sich ein bereinigtes zu berücksichtigendes Gesamteinkommen in Höhe von 240 EUR, um den der Leistungsanspruch des Klägers von ursprünglich 682,65 EUR auf 450,65 EUR geschmälert wird. Das Begehren des Klägers kann daher nur dahin gehend ausgelegt werden, dass er sich im Ergebnis gegen die generelle Anrechnung von Nebeneinkommen auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Ausgangsbescheid vom 08.10.2009, die nochmals im Änderungsbescheid vom 09.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2010 vorgenommen worden ist, wendet. Nachdem er von der Möglichkeit der Klage durch Einholung von Auskünften erfahren hat, hat er in Unkenntnis der prozessualen Voraussetzungen sich hilfesuchend an das SG gewandt. So wird man weiter in dem Begehren auf "große Hilfe von ihnen und gute Beratung das kann ich gegen Agentur Klage stellen" ein Klagebegehren annehmen müssen. Diese Klage - als Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Bescheid vom 08.10.2009 bzw. Änderungsbescheid vom 09.12.2009 - zwar zunächst unzulässig, da das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Die Klage wurde aber nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2010 zulässig. Gegenstand dieser Klage war des weiteren auch nicht nur insoweit die "Neuberechnung" hinsichtlich der Berücksichtigung des Nebeneinkommens, sondern vielmehr die Anrechnung von Nebeneinkommen insgesamt dem Grunde nach, nachdem die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 05.01.2010 ausdrücklich auch die Rechtmäßigkeit der Anrechnung von Nebeneinkommen auf die Leistungen zum Lebensunterhalt nochmals geprüft und bestätigt hatte.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die Beklagte hat zutreffend auf der Grundlage der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen in §§ 11, 30 SGB II ausgehend von den Einkommensmitteilungen des Arbeitgebers unter Berücksichtigung der Freibeträge (Grundfreibetrag 100 EUR zuzüglich 20 % des 100 EUR übersteigenden Einkommens) das anzurechnende Einkommen des Klägers auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Ausgangsbescheid vom 08.10.2009 bzw. im Änderungsbescheid vom 09.12.2009 in Höhe von ursprünglich 240 EUR bzw. 236,53 EUR für Oktober 2009, 239,81 EUR für November 2009 und 238,78 EUR für die Monate Dezember 2009 bis März 2010 berechnet.

Der Kläger wird im Übrigen nochmals darauf hingewiesen, dass der Vertreter der Beklagten dem Kläger Hilfestellung anbietet, sofern er sich bei diesem meldet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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