L 5 R 3051/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 4179/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3051/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.6.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle einer Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 1.7.2005 bis 30.09.2007.

Die im Jahre 1947 geborene Klägerin war zuletzt als Krankenschwester tätig. Sie bezog zunächst seit dem 01.01.1999 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, seit dem 01.10.2007 bezieht sie Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragte für diese am 27.07.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er bezog sich auf einen Befundbericht des Kreiskrankenhauses Emmendingen vom 15.06.2005 über eine am 29.04.2005 bei der Klägerin durchgeführte abdominale Hysterektomie mit Adnexe und pelviner Lymphonodektomie, die intra- und postoperativ komplikationslos verlaufen sei.

Die Beklagte zog zunächst einen Befundbericht der behandelnden Gynäkologin Dr. P. bei sowie ein fachorthopädisches Gutachten des Prof. Dr. St. vom 14.10.2005. Dieses war im Rahmen eines von der Klägerin geführten Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 10 U 183/04) zur Frage der Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit und zur Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit eingeholt worden. Der Gutachter diagnostizierte 1. chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der distalen LWS mit ausgeprägter Osteochondrose L4/5 und L5/S1, bei beginnender Osteochondrose L3/4 sowie Spondylose und Spondylarthrose ohne radikuläre Symptomatik, 2. Cervicalsyndrom mit endgradig schmerzhafter Funktionsbeeinträchtigung der HWS bei Osteochondrose und Spondylose C6/7 ohne radikuläre Symptomatik, 3. Haltungsfehler von Brust- und Lendenwirbelsäule mit Hyperkyphose der BWS, Abflachung der Lendenlordose und geringer großbogiger Seitverbiegung von Brust- und Lendenwirbelsäule, 4. schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung rechtes Knie bei Zustand nach wegen Arthrose durchgeführter valgisierender Tibiakopfosteotomie (1993), die unter Beinverkürzung rechts von 1,5 cm einer Valgität von 15 ° und einem Außendrehfehler von 5 ° zur Ausheilung gekommen sei, 5. Beckentiefstand rechts. Als nichtorthopädische Diagnosen stellte er einen Zustand nach operativer Versorgung von beidseitigen Netzhautablösungen (links 1997, rechts 1999) sowie nach Hysterektomie wegen Neoplasma (2005) fest. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass die genannten Gesundheitsstörungen auf die Tätigkeit der Klägerin als Krankenpflegerin von November 1975 bis November 1998 zurückzuführen seien und schätzte die durch die Berufskrankheit bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 20% ein. Die Beklagte beabsichtigte sodann, die Klägerin orthopädisch und gynäkologisch begutachten zu lassen. Dem trat die Klägerin entgegen (Bl. 600, 604 Verwaltungsakte) und ließ über ihren Bevollmächtigten mitteilen, sie halte das Gutachten von Prof. Dr. St. auf orthopädischem Gebiet und den gynäkologischen Befundbericht des Kreiskrankenhauses Emmendingen vom 15.06.2005 auf gynäkologischem Fachgebiet für jeweils ausreichend, um die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu belegen. Ausweislich der beratungsärztlichen Stellungnahme der Frau H. vom 23.12.2005 hielt die Beklagte an ihrer Auffassung, eine orthopädische und eine gynäkologische Fachbegutachtung sei im vorliegenden Verfahren erforderlich, fest, da die letzte Beurteilung des Leistungsvermögens aus dem Jahr 1998 datiere und zur vollschichtigen Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten gelangt sei. In der Folgezeit habe sich eine neue gynäkologische Erkrankung (Endometriumkarzinom im April 2005) ergeben. Aus den Feststellungen im Rahmen des orthopädischen Gutachtens des Prof: Dr. St. vom 14.10.2005 lasse sich nicht auf ein erloschenes Leistungsvermögen schließen.

Nachdem sich die Klägerin der Begutachtung verweigert hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.01.2006 den Rentenantrag ab.

Die Klägerin wandte sich hiergegen mit Widerspruch vom 15.02.2006. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, dass es weder eines weiteren orthopädischen Gutachtens bedürfe noch einer gynäkologischen Begutachtung, die eine körperliche Befunderhebung umfasse (Bl. 621 Verwaltungsakte). Die Beklagte zog im Widerspruchsverfahren Befundberichte der behandelnden Orthopädin Dr. D. vom 14.12.2006 sowie der behandelnden Gynäkologin Dr. P. vom 03.09.2006 bei. Sie beabsichtigte nunmehr, ein orthopädisches Gutachten sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten zu erheben. Die Klägerin verweigerte erneut die orthopädische Begutachtung (Bl. 670 Verwaltungsakte), unterzog sich aber der neurologisch-psychiatrischen Begutachtung durch Dr. D ... Dieser kam in seinem Gutachten vom 12.03.2007 zur Diagnose einer leichtgradig depressiven Erschöpfung (F 48.0 G) sowie des Zustands nach abdominaler Hysterektomie mit Adnexexstirpation bei Endometriumskarzinom (05/05). Der Gutachter führte aus, im Rahmen der Belastungen durch die Diagnose und Operation des bösartigen Uterusgewächses im Jahre 2005 sei es offenbar zu einer vorübergehenden Belastungsreaktion bei der Klägerin gekommen. Außer einer nur wenige Sitzungen umfassenden Psychotherapie habe aber deshalb keine Behandlung, insbesondere keine spezifische nervenärztliche Behandlung stattgefunden. Infolge der durch die Krebserkrankung nachvollziehbar ausgelösten Lebenskrise bestünden noch gewisse Restsymptome im Sinne einer leichteren Erschöpfbarkeit und Mattigkeit, die Dimension einer depressiven Episode sei aber nicht erreicht. Die Klägerin könne auch weiterhin einer Tätigkeit im Krankenpflegebereich nicht nachkommen, aber Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes weiterhin vollschichtig ausüben mit Ausnahme des Hebens und Tragens schwerer Lasten sowie von Arbeiten, die differenzierte Motorik erforderten.

Auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. D. wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2007 zurück.

Die Klägerin erhob am 01.08.2007 Klage vor dem Sozialgericht Freiburg. Sie ließ zur Begründung vortragen, allein aus internistischer und gynäkologischer Betrachtung bedürfe es heraus eigentlich keiner Diskussion, dass bei der Schwere der Erkrankung zumindest eine Zeitrente im Hinblick auf die volle Erwerbsminderung denkbar sein müsse. Das Prozedere um eine Begutachtung sei nicht verständlich. Die Klägerin ließ erneut den Bericht des Kreiskrankenhauses Emmendingen vom 15.06.2005 über die abdominale Hysterektomie vorlegen.

Das Sozialgericht befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Die Orthopädin Dr. D. führte in ihrer Stellungnahme vom 28.07.2008 aus, bei der Klägerin hätten in der Zeit vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2007 rezidivierende WS-Blockaden, Lumbalgien, Gonarthrosebeschwerden rechts, eine Endometrium-CA sowie reaktive Depression bestanden. Die Klägerin hätte wahrscheinlich im genannten Zeitraum ca. zwei Stunden täglich eine leichte körperliche Tätigkeit verrichten können. Nach April 2005 sei die Klägerin psychisch und physisch nicht in der Lage gewesen, auch nur stundenweise eine Tätigkeit aufzunehmen.

Die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. W. gab in ihrer Stellungnahme vom 11.08.2008 an, die Klägerin habe in der Zeit zwischen Juni und Oktober 2005 bei ihr insgesamt acht psychotherapeutische Sitzungen absolviert. Sie habe angegeben, keine Gefühle zeigen zu können, und depressiv gewirkt. Während des Behandlungszeitraumes sei sie zu einer sechsstündigen Arbeit nicht in der Lage gewesen. Die Zeit danach entziehe sich der Beurteilung der behandelnden Ärztin.

Die behandelnde Gynäkologin Dr. P. berichtete in ihrer Stellungnahme vom 18.08.2008, bei der Klägerin bestünden organpathologisch keine abnormen Befunde. In der gesamten Nachsorgephase nach der Hysterektomie habe die Klägerin fortdauernd über Unterleibsempfindlichkeiten sowie über ihr schlechtes psychisches Befinden geklagt. Der Schwerpunkt der Beeinträchtigungen liege nach Auffassung der behandelnden Ärztin eher im psychosomatischen Bereich. Es sei schwer zu beurteilen, welche der körperlichen Beschwerden durch die Krebsoperation bedingt seien. Eine leichte körperliche Erwerbstätigkeit erscheine im Rückblick denkbar gewesen zu sein, jedoch nicht in einem Stundenumfang von sechs Stunden. In der Zeit zwischen der Diagnosestellung im März 2005 bis etwa drei Monate postoperativ habe eine absolute Arbeitsunfähigkeit bestanden.

Das Sozialgericht erhob ferner ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. M. von der Universitätsklinik Freiburg zu der Frage, über welches Leistungsvermögen die Klägerin in der Zeit vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2007 verfügt habe. In seinem Gutachten vom 23.12.2008 gelangte Prof. M. nach Auswertung der Vorgutachten zu der Diagnose, dass bei der Klägerin eine reaktive depressive Erschöpfung nach Endometriumkarzinom ED 04/05 bei Zustand nach abdominaler Hysterektomie mit Adnexexstirpation 04/2005 und kompletter Remission seit 05/2005 vorliege, ferner eine Osteochondrose sowie Gonarthrose beidseits bei Zustand nach Tibiakopfosteotomie rechts 1993 und schließlich chronischer Lumbago bestehe. Eine regelmäßige Erwerbstätigkeit mit leichten körperlichen Arbeiten, zeitweise im Stehen, Gehen und Sitzen in Tagschicht erscheine möglich. Bei eingeschränkter geistig-psychischer Belastbarkeit seien Arbeiten mit Publikumsverkehr nicht möglich. Ferner sei die Gebrauchsfähigkeit der Hände eingeschränkt, das Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über vier kg sei nicht möglich, ebenso wie Arbeiten in Zwangshaltung. Entsprechend dieses Leistungsbildes sei eine vollschichtige Erwerbstätigkeit möglich. Es sollten geeignete Pausen, z.B. alle zwei Stunden für 15 Minuten eingehalten werden. Von der Leistungsbeurteilung durch Dr. D. in dessen Gutachten vom 21.03.2007 sei nicht abzuweichen.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.06.2009 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin sei im entscheidungserheblichen Zeitraum bis zur Gewährung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.10.2007 nicht voll erwerbsgemindert, sondern lediglich teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit gewesen. Sie sei noch in der Lage gewesen, im entscheidungserheblichen Zeitraum mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Dies ergebe sich aufgrund des Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. M ... Aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. St. vom 14.10.2005 stehe zwar fest, dass die Klägerin auf somatischem Gebiet an orthopädischen Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule im entscheidungserheblichen Zeitraum gelitten habe. Eine nachträgliche Einschätzung dessen, wie weit sich diese Beeinträchtigungen auf ihre frühere Leistungsfähigkeit ausgewirkt hätten, sei aber daran gescheitert, dass sich die Klägerin der ihr zumutbaren Begutachtung im Verwaltungsverfahren bei der Beklagten nicht unterzogen habe. Belegt sei zwar der Zustand nach Hysterektomie wegen eines Corpus-Karzinoms. Der Verlauf der Operation sei aber komplikationslos gewesen, es hätten sich keine Metastasen gebildet und Nachbarorgane seien nicht betroffen gewesen. Mit diesem Befund lasse sich daher eine rentenrechtlich erhebliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit ohne erneute Begutachtung nicht begründen. Eine solche habe die Klägerin jedoch ebenfalls mit Hinweis auf ihre seelische Befindlichkeit verweigert. Die durch Dr. D. erfolgte Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet habe ausweislich des Gutachtens vom 21.03.2007 keine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin ergeben. Aus dem eingeholten Gutachten des Prof. Dr. M., der um eine zusammenfassende Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin im zurückliegenden Zeitraum unter Auswertung aller erhobenen Gutachten und Vorbefunde ersucht worden sei, ergebe sich ebenfalls in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise, dass die Klägerin im entscheidungserheblichen Zeitraum mit Einschränkungen des qualitativen Leistungsbildes noch vollschichtig habe erwerbstätig sein können. Eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung betreffend den zurückliegenden Zeitraum sei nicht möglich gewesen. Etwa verbleibende Zweifel müsse die Klägerin aufgrund der von ihr selbst verursachten Beweisvereitelung selbst tragen.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 23.06.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 06.07.2009 Berufung eingelegt. Sie lässt zur Begründung vortragen, im Gutachten von Dr. D. sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass die gynäkologisch orientierte karzinogene Erkrankung, mit der sie überraschend konfrontiert worden sei, eine traumatisierende Wirkung für sie gehabt habe. Allein deshalb sei sie, wie auch ihre behandelnden Ärzte bestätigten, eine gewisse Zeit voll erwerbsunfähig gewesen. Das onkologische Gutachten von Prof. Dr. M. sei internistisch orientiert und vernachlässige die psychiatrische Seite ihres Falles. Gerade der Umstand, dass sie Begutachtungstermine im Verwaltungsverfahren abgesagt habe, belege ihre Antriebsschwäche und ihre psychische Belastung. Mit dem Hinweis auf eine Beweisvereitelung habe das Sozialgericht dieses Verhalten der Klägerin nur unangemessen gewürdigt. Diese Urteilsfindung sei im Ergebnis von Verständnislosigkeit gegenüber der Erkrankung der Klägerin geprägt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.06.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr bis zum 30.09.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die behandelnde Hausärztin der Klägerin, Frau Dr. D., wurde erneut als sachverständige Zeugin befragt. In ihrer Stellungnahme vom 21.08.2009 führte Frau Dr. D. aus, in der Zeit von April 2005 bis Oktober 2007 habe die Klägerin nach der CA-Diagnose 4/05 vor allem an einer psychosomatisch bedingten Verschlechterung ihres Allgemeinzustandes gelitten, es sei zu häufigen Behandlungen wegen Panikattacken gekommen, eine psychotherapeutische Behandlung habe stattgefunden, die LWS- und HWS-Beschwerden hätten zugenommen. Die Klägerin sei gehäuft mit beruhigenden Gesprächen behandelt worden, sowie mit physikalischen Therapien wegen der Wirbelsäulenbeschwerden. Die Klägerin sei in diesem Zeitraum psychisch sehr labil gewesen, sodass sie in diesem Zustand ihrer Arbeit nicht habe nachgehen können. Hinsichtlich der Leistungseinschätzung verwies Dr. D. auf ihre Stellungnahme vom 28.07.2008.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß den §§ 153Abs.1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch.

Der Klägerin wurde Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aufgrund von Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bewilligt. Einen darüberhinausgehenden Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für den streitgegenständlichen Zeitraum von April 2005 bis zur Bewilligung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen am 01.10.2007 hat die Klägerin nicht, denn sie hat nicht nachgewiesen, dass sie in dieser Zeit voll erwerbsgemindert war.

Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht erfüllt. Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid vom 12.06.2009 richtig erkannt und zutreffend begründet, dass die Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Senat teilt die Würdigung des Sozialgerichts, dass für den maßgeblichen Zeitraum vom 1.7.2005 bis zum 30.09.2007 eine volle Erwerbsminderung bei der Klägerin nicht belegt ist.

Anhaltspunkte für eine volle Erwerbsminderung der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum bestehen aufgrund der vorliegenden Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen nicht. Die neurologisch-psychiatrische Begutachtung durch Dr. Dittmer hat solche Anhaltspunkte ebenso wenig ergeben wie die Begutachtung nach Aktenlage durch Prof. Dr. M ... Beide Gutachter sind überzeugend und nachvollziehbar zu einem Restleistungsvermögen der Klägerin von sechs und mehr Stunden für leichte Tätigkeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen gelangt. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren beanstandet hat, die psychische Belastung durch ihre Krebserkrankung mit der erforderlichen Hysterektomie im April 2005 sei nicht ausreichend gewürdigt worden, kann sie mit dieser Argumentation ihrem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen. Der Gutachter Dr. D. hat sich im Rahmen seiner Begutachtung gerade ausführlich mit den geklagten Belastungen der Klägerin auseinandergesetzt und diese umfassend gewürdigt. Er hat dargelegt, dass die Klägerin ihre Beschwerdesymptomatik lebhaft geschildert habe, wobei sich eine leichte Einengung der emotionalen Schwingungsfähigkeit in den depressiven Bereich hinein habe feststellen lassen, nicht jedoch eine schwerwiegende Angstsymptomatik oder nennenswerte depressive Herabstimmung. Aufgrund der psychomotorisch lebhaften Darstellung und bei gutem Sprachfluss in der Untersuchungssituation sei auch eine geschilderte Antriebsstörung nicht nachzuvollziehen. Der Gutachter ging vielmehr davon aus, dass es sich lediglich um eine vorübergehende Belastungsreaktion auf die Diagnose und Operation des bösartigen Uterusgewächses im Jahr 2005 gehandelt habe. Gegen die Annahme, dass die psychischen Beeinträchtigungen bei der Klägerin so gravierend gewesen wären, dass sie auf die Erwerbsfähigkeit nachhaltigen Einfluss gehabt hätten, spricht auch der Umstand, dass sich die Klägerin, mit Ausnahme einer nur kurzfristigen psychotherapeutischen Behandlung, deshalb nicht in fachärztlicher Behandlung befunden hat. Aus der im Berufungsverfahren eingeholten Stellungnahme der Hausärztin der Klägerin, Dr. D., vom 21.08.2009 ergibt sich vielmehr, dass sich die Klägerin darauf beschränkt hat, ihre Beschwerden der Hausärztin gegenüber zu äußern. Auch die Hausärztin hat offenbar gehäufte beruhigende Gespräche, deren Anzahl und Frequenz sie jedoch nicht benannt hat, für ausreichend erachtet, um auf den von ihr als labil bezeichneten psychischen Zustand der Klägerin zu reagieren. Eine nervenfachärztliche Behandlung oder sonstige weitergehende psychotherapeutische Intervention sind von Seiten der Hausärztin aber offenbar nicht veranlasst worden.

Auch aufgrund der nachgewiesenen Hysterektomie vom April 2005 sowie der durch das Gutachten von Dr. St. vom 14.10.2005 belegten orthopädischen Beschwerden der Klägerin ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine volle Erwerbsminderung der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum. Zu einer gutachterlichen Beurteilung der Auswirkungen dieser Erkrankungen auf das Leistungsvermögen der Klägerin ist es mangels Mitwirkung seitens der Klägerin nicht gekommen. Die Klägerin war insoweit mit Schreiben der Beklagten vom 02.06.2006 an ihren Bevollmächtigten auf ihre Mitwirkungspflicht hingewiesen worden. Ungeachtet dessen hat sie eine orthopädische Begutachtung nicht für erforderlich gehalten und eine gynäkologische Begutachtung aus persönlichen Gründen abgelehnt. Sie muss sich deshalb entgegenhalten lassen, dass eine abschließende Aufklärung ihres Leistungsvermögens im maßgeblichen Zeitraum aufgrund ihrer fehlenden Mitwirkung nicht erfolgen konnte. Eine - im Übrigen nicht beantragte und sich auch nicht aufdrängende- nachträgliche Untersuchung während des Berufungsverfahrens (und damit ca. zwei Jahre nach dem Ende des hier streitigen Zeitraums) wäre nicht geeignet gewesen, zweifelsfreie Rückschlüsse auf das damalige Leitungsvermögen zu ziehen. Da die Klägerin den Nachweis einer vollen Erwerbsminderung nicht erbracht hat, steht ihr der geltend gemachte Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente für den maßgeblichen Zeitraum nicht zu.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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