L 11 KR 4549/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3086/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4549/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine stationäre medizinische Rehabilitationsbehandlung in Ungarn bzw in den Karpaten zu gewähren.

Der am 13. März 1957 geborene Kläger ist als Rentner (Rente wegen voller Erwerbsminderung) bei der Beklagten versichert. Er arbeitete ab Juni 1997 bei dem Zeitarbeitsunternehmen R. Deutschland GmbH & Co. KG in U. und war im März 2000 bei der Firma M. Abbruch-Sanierungs GmbH in E. eingesetzt, die bei der Firma B. I. P. KG in B. an einem Gebäude Entkernungsarbeiten durchführte. Diese Tätigkeit begann der Kläger am 10. März 2000 und beendete sie am 16. März 2000, nachdem er ärztliche Hilfe in Anspruch nahm und sich krank meldete. Der Arbeitgeber zeigte daraufhin der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft L. (BG) im April 2000 einen Unfall an mit der Begründung, der Kläger sei bei der Firma B. I. als Abbrucharbeiter eingesetzt gewesen, wobei der Kläger der Meinung sei, er sei verstrahlt worden. Die BG lehnte die Feststellung einer Berufskrankheit nach der Nr 2402 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ab (Bescheid vom 29. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2001). Die Klage und die Berufung hiergegen blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Ulm [SG] vom 12. Februar 2003, S 6 U 1139/01 und Urteil des Landessozialgerichts [LSG] vom 11. August 2005, L 6 U 1006/03). Das LSG vertrat hierbei die Auffassung, dass es nicht erwiesen sei, dass der Kläger in der Zeit vom 10. bis 15. März 2000 während seiner Mitwirkung bei den Abbrucharbeiten bei der Firma B. I. ionisierenden Strahlen ausgesetzt gewesen sei. Auch ein Überprüfungsverfahren blieb erfolglos (Urteil des SG vom 30. Juli 2007, S 9 U 281/07, Urteil des LSG vom 30. März 2010, L 9 U 5206/07, derzeit anhängig beim Bundessozialgericht [BSG] unter B 2 U 133/10 B).

Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 seit März 2000 anerkannt (Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamtes Ulm vom 14. Mai 2003). Der Kläger erhält zudem Leistungen der Pflegestufe I.

Einen ersten Antrag auf Gewährung einer medizinischen stationären Rehabilitationsmaßnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Januar 2007 ab, nachdem Dr. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in seinem Gutachten vom 11. Januar 2007 die Auffassung vertrat, dass die Notwendigkeit einer komplexen und interdisziplinären Behandlungsmaßnahme nicht gegeben sei. Zunächst sollten die vielfältigen ambulanten Behandlungen vor Ort ausgeschöpft werden. Fraglich sei eine psychische oder psychotherapeutische Mitbehandlung. Auch der Widerspruch hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2007), nachdem Dr. L. in seinem Gutachten vom 20. Februar 2007 die Auffassung vertrat, dass die beim Kläger angegebenen Rehabilitationsdiagnosen (Psychose, Angststörungen/Strahlen) weder eine Indikation für eine stationäre noch für eine ambulante Rehabilitations- oder Vorsorgemaßnahme begründen könnten.

Am 11. April 2008 beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten formlos die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in Ungarn oder in den Karpaten. Zur Begründung gab er an, er benötige viel Ruhe und gute Luft, da in 400 m Entfernung von seiner Wohnung eine Müllverbrennungsanlage stehe und er deshalb zunehmend an Atembeschwerden leide. Des Weiteren wolle er die deutsche Sprache nicht hören müssen. Dies belaste ihn sehr. Deshalb wolle er seine Kur in Ungarn durchführen, aber in einer Klinik ohne Ärzte in weißen Kitteln. In seiner Selbstauskunft vom 27. April 2008 gab der Kläger an, er begehre eine Kur von bis zu sechs Monaten wegen radioaktiv-toxischer Belastung (Verstrahlung durch Plutonium) als Folge eines Arbeitsunfalles und einer Berufskrankheit. Er erhoffe sich eine Verbesserung seiner zahlreichen seelischen und körperlichen Beschwerden und zugleich die Verhinderung von neuen Erkrankungen. Er gab darüber hinaus an, in den letzten zwölf Monaten keine Behandlungen in irgendeiner Form (zB Massage, Krankengymnastik, Psychotherapie etc) erhalten zu haben. Er brauche Erholung im Mittelmeerraum - "Balkan, Adria, Karpaten usw" - inklusive Bademöglichkeit in "solider, privater Atmosphäre" und "ohne Weißkittel, mit Begleitperson". Zur weiteren Begründung legte er das Schreiben der Hauptabteilung für Strahlenhygiene (ionisierende Strahlungen) der Landeszentrale für Gesundheitswesen beim Landesforschungsinstitut für Strahlenbiologie und Gesundheit Budapest vom 1. Juni 2005 vor. Darin wird ua festgehalten, dass die Ergebnisse zweier Prüfungen auf eine Plutoniumverunreinigung hinwiesen. Des Weiteren legte er die Schreiben des Dr. G. (Institut für Mineralogie an der J. W. G.-Universität F. a. M.) vom 13. September und 4. November 2004 über die Ergebnisse der Plutoniumisotopenuntersuchungen und das Schreiben der Prof. Dr. S.-F. vom 11. November 2007 über zytogenetische Befunde zum Nachweis einer Strahlenbelastung vor. Demnach sei davon auszugehen, dass der Dosisgrenzwert überheblich überschritten werde. Schließlich legte der Kläger ein Schreiben des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F. vom 7. August 2007 vor, wonach aus ärztlicher Sicht ein mehrmonatiger Aufenthalt im Bereich Ungarn oder Karpaten empfohlen werde.

Am 16. Juni 2008 verordnete Dr. F. eine medizinische stationäre Rehabilitation. Als rehabilitationsrelevante Diagnosen gab er "Psychose" und als weitere Diagnose "Zustand nach radioaktiver Belastung" an. Er verneinte eine positive Rehabilitationsprognose hinsichtlich der Schädigungen, der Kontextfaktoren und der Zielaussicht des Patienten; er bejahte hingegen eine positive Rehabilitationsprognose hinsichtlich der Aktivitäten und Teilhabe. Die Rehabilitationsfähigkeit des Klägers bejahte er ebenfalls. Heilmittel oder andere Maßnahmen (zB Psychotherapie) seien in den letzten zwölf Monaten nicht verordnet worden.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2008 wies der Kläger darauf hin, dass er von einer etwaigen Zuzahlungspflicht befreit werden müsse, da es sich um eine Arbeitsunfallfolge handle. Außerdem müssten "strahlenermächtigte Ärzte" zur Beurteilung seines Kurantrags herangezogen werden. Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten des Dr. W. vom MDK vom 24. Juli 2008 ein. Dieser vertrat die Auffassung, eine zwingende medizinische Notwendigkeit für die beantragte Maßnahme sei nicht mit hinreichender Schlüssigkeit gegeben. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, dass ambulante Behandlungsmaßnahmen am Wohnort ausgeschöpft bzw nicht ausreichend seien. Bei der manifesten psychischen Erkrankung sei vorrangig eine psychische Behandlung am Wohnort angezeigt. Die Rehabilitationsfähigkeit diesbezüglich sei nicht dargestellt worden. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 29. Juli 2008 ab.

Mit seinem hiergegen am 7. August 2008 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass seine Erkrankungen unbehandelt zum vorzeitigen Tod führten und damit lebensbedrohlich seien. Eine Kurmaßnahme hätte positive Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf. Wegen des anderen Klimas, der Luftveränderung, der Ernährung und des chlorfreien Badewassers sowie des Fehlens sonstiger negativer Einflüsse sei eine Erholung garantiert. Dies wiederum erhöhe und stabilisiere seine Immunabwehr. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass der MDK-Gutachter über eine Strahlenermächtigung verfüge. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch ohne weitere medizinischen Ermittlungen mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 zurück. Aus den medizinischen Unterlagen sei nicht zu erkennen, dass Vorsorgeleistungen bzw Reha-Leistungen am Wohnort nicht ausreichend oder nicht durchführbar seien. Die antragsrelevanten Erkrankungen seien durch entsprechende ambulante Krankenbehandlung einschließlich Maßnahmen präventiver und rehabilitativer Ausrichtung sowie durch Inanspruchnahme von entlastenden Hilfen am Wohnort zu behandeln. Die medizinischen Voraussetzungen für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in Ungarn seien daher nicht erfüllt.

Hiergegen hat der Kläger am 2. September 2008 beim SG Klage erhoben (Az: S 5 KR 3086/08) und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Letzterer wurde mit Beschluss vom 25. September 2008 mit der Begründung abgelehnt, die Anordnung scheitere bereits an dem Grundsatz "keine Vorwegname der Hauptsache" (Az: S 5 KR 3087/08 ER). Darüber hinaus fehle es auch an einem Anordnungsanspruch. Die hiergegen beim LSG erhobene Beschwerde blieb erfolglos (Beschluss vom 23. Oktober 2008, L 11 KR 4809/08 ER-B). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht sei, da vorrangig eine psychiatrische Behandlung am Wohnort angezeigt sei.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte müsse ihn von Zuzahlungen befreien. Er leide an einer nachgewiesenen Strahlenkrankheit als Folge eines Arbeitsunfalls. Sein Hausarzt Dr. F. habe die Kurgebiete geographisch eingegrenzt. Die Kur sei zur Abwendung von lebensbedrohlichen Folgeerkrankungen zu gewähren, auch um zu vermeiden, dass die bereits bestehenden Krankheiten sich noch weiter verschlimmerten. Zudem müsse gegebenenfalls festgestellt werden, wer die dringend benötigte Bade- bzw Erholungskur erbringen müsse. Seiner Ansicht nach kämen die Berufsgenossenschaft, die Pflegekasse, die Rentenversicherungsträger, das Sozialamt sowie das Umweltministerium Baden-Württemberg in Betracht. Zur weiteren Begründung hat der Kläger die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen nochmals eingereicht sowie Videotextausdrucke hinsichtlich der Auswahl von Rehabilitationskliniken und der Behandlung von Strahlengeschädigten sowie einen Artikel über eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen LSG hinsichtlich der Kostenübernahme von Immunglobinen bei der Behandlung von MS.

Mit Urteil vom 24. Juli 2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe das gesetzlich vorgeschriebene Stufensystem nicht ausgeschöpft, da er keinerlei ambulante Maßnahmen ergriffen habe. Auch wenn Dr. F. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme verordnet habe, so könne dies nicht zu einer Gewährung der beantragten Maßnahme führen. Zunächst habe - wie dies der MDK auch festgestellt habe - vorrangig eine psychiatrische Behandlung am Wohnort zu erfolgen. Die vom Kläger geltend gemachten Argumente, er benötige dringend Ruhe und Erholung, welche nur in den gewünschten Gegenden möglich seien, rechtfertige keine andere Entscheidung. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger gewünschte Erholung ohne "Weißkittel" im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme nicht gewährleistet werden könne. Denn Sinn und Zweck einer solchen sei gerade eine ärztliche Betreuung. Daher könne das vom Kläger gewünschte Ziel nur mittels Erholungsurlaub verwirklicht werden. Dies falle jedoch nicht in die Leistungspflicht der Beklagten.

Gegen das dem Kläger am 24. September 2009 zugestellte Urteil hat dieser am 28. September 2009 beim SG Berufung zum LSG eingelegt (Az: L 11 KR 4549/09). Zur Begründung trägt er vor, er erhalte Leistungen der Pflegestufe I und es sei ein GdB von 50 festgestellt. Er leide weiterhin an radioaktiv-toxischen Belastungen. Gegen diese Leiden gebe es keine geeignete Therapie, man könne nur die aktuellen Leiden lindern. Diese Leistungen würde die Beklagte ihm vorenthalten. Durch die Verstrahlung benötige er warmes Meerwasser bzw chlorfreies Heilwasser, da das Chlor ansonsten seine Lunge schädigen würde. Ein warmes Klima benötige er deshalb, weil er kaum noch Kleidung am Körper ertragen könne, da er unter Brennen und Jucken leide. Die Mittelmeer- und Balkankost verhindere zudem Krebs, dessen Ausbruch er dadurch verzögern könne. Schließlich dürften ihn auch nur strahlenermächtigte Ärzte begutachten. Es sei nicht ersichtlich, dass der MDK-Gutachter über eine entsprechende Ermächtigung verfüge. Schließlich sei eine Kur im EU-Ausland generell möglich. Die bisherige Verweigerung der Beklagten habe zu nicht wiedergutmachenden Folgeschäden geführt. Ihm stünden daher wahrscheinlich Leistungen nach der Pflegestufe II zu. Darüber hinaus gebe es kein Stufensystem, da es keine Behandlung und keine Therapie gebe, Strahlenunfallverletzte zu heilen und zu behandeln. Seine begehrte Rehabilitationskur werde unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung stattfinden. Zur weiteren Begründung hat der Kläger ua die Rechnung des Wellness-Hotels AQUA-LUX (Ungarn) vom 12. Oktober 2009 über einen Aufenthalt vom 8. bis 14. Oktober 2009, den Arztbrief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 2. November 2009, das ärztliche Attest des Dr. F. vom 2. November 2009, eine Apothekenrechnung über die Verordnung von Tamiflu, eine Broschüre des Heil- und Freibades C., den Arztbrief (Auszug) der Prof. Dr. S.-K. vom 19. November 2003, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. F. vom 19. Januar 2001, die Überweisung an einen Psychiater durch Dr. F. vom 14. Juni 2002, den Arztbrief des Internisten Dr. S. vom 11. November 2004, den Arztbrief des Internisten Dr. W. vom 18. April 2005, den Arztbrief des Orthopäden Dr. A. vom 28. Februar 2007, Auszüge des Arztbriefes der U.-Klinik U. vom 19. Januar 2007, Verordnungen über zehnmal Krankengymnastik im Oktober 2002 und die Auskunft des Dr. F. vom 7. Mai 2009 vorgelegt. Am 30. Dezember 2009 und 22. Februar 2010 hat der Kläger zudem einen "Klageerweiterungsantrag" gestellt, wonach das LSG feststellen solle, welcher Leistungsträger ("Sozialkasse", "Berufsgenossenschaft") die Kosten der Kur tragen müsse, falls die Beklagte "freigesprochen" werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2008 zu verurteilen, ihm stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Ungarn bzw den Karpaten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend. Vorrangig sei eine psychiatrische Behandlung am Wohnort.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz (einschließlich der Akten des einstweiligen Rechtsschutzes) und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs 1, 151 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme entsprechend der Verordnung des Dr. F. vom 16. Juni 2008.

Der Senat geht davon aus, dass die BG trotz der beiden "Klageerweiterungsanträge" des Klägers nicht neue Beklagte in der Berufungsinstanz werden sollte. Denn bei den beiden Anträgen vom 30. Dezember 2009 und 22. Februar 2010 handelt es sich nicht um einen konkreten Antrag des Klägers, die BG als neue Beklagte im Rahmen der Klageänderung (§ 99 Abs 1 SGG) in das Verfahren mit einzubeziehen. Nach § 99 Abs 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Ob eine Klageänderung begehrt ist, ist im Wege der Auslegung der entsprechenden Schriftsätze und der sonst vorliegenden Unterlagen zu entscheiden. Dabei sind, wie auch sonst bei der Auslegung von Prozesserklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen, die dem Gericht bekannt sind. Als Prozesserklärung muss ein Klageerweiterungsantrag sinnvoll und unter Beachtung des Willens des Erklärenden ausgelegt werden, wie er in äußerlich in Erscheinung getretenen Umständen üblicherweise zu entnehmen ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 151 Nr 3; SozR 4-1500 § 151 Nr 2 Rndr 7). Unter Beachtung dieser Grundsätze geht der Senat davon aus, dass der Kläger keine Klageänderung im Sinne des § 99 Abs 1 SGG angestrebt hat, sondern vielmehr die Prüfung begehrt, welcher Leistungsträger für die von ihm beantragte medizinische stationäre Rehabilitationsmaßnahme in Betracht kommt. Diesem Begehren wird jedoch bereits dadurch entsprochen, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger (hierzu sogleich) anhand aller Rechtsgrundlagen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind, zu prüfen hat, ob ein Anspruch des Klägers in Betracht kommt. Dies bedeutet, dass die Leistungspflicht der Beklagten nicht nur anhand der Regelungen des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) zu prüfen ist, sondern auch erwogen werden muss, ob nach den Vorschriften der anderen Rehabilitationsträger Leistungen in Betracht kommen.

Rehabilitationsträger kann nur der gemäß § 14 Abs 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) erstangegangene oder der im Wege der Weiterleitung zweitangegangene Rehabilitationsträger sein. Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs 4 SGB V. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX unverzüglich fest. Die Zuständigkeit nach § 14 Abs 1 und 2 SGB IX ist gegenüber dem behinderten Menschen eine ausschließliche Zuständigkeit. § 14 SGB IX zielt darauf ab, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern die Zuständigkeit schnell und dauerhaft zu klären. Der zuständige Träger hat deshalb den Anspruch des Leistungsberechtigten an Hand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen ist, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind (BSG, Urteile vom 26. Juni 2007, B 1 KR 36/06 R, SozR 4-2500 § 40 Nr 4; und vom 26. Oktober 2004, B 7 AL 16/04 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 1).

Nach diesen Vorschriften ist die beklagte Krankenkasse zuständiger Rehabilitationsträger. Der Kläger hat die Rehabilitationsmaßnahme bei der Beklagten am 11. April 2008 beantragt und diese hat den Antrag nicht an einen anderen Rehabilitationsträger weitergleitet. Die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte zur Leistung verpflichtet ist, ergeben sich aus dem SGB V (vgl § 7 Satz 2 SGB IX).

Nach § 11 Abs 1 Nr 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Nach § 11 Abs 2 SGB V haben Versicherte auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltsichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu vermindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit werden von den Pflegekassen erbracht. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach Satz 1 werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist. Nach § 40 Abs 1 SGB V, der hier in der ab 01. April 2007 geltenden Fassung des Gesetzes vom 26. März 2007, BGBl I S 378, anzuwenden ist, gilt für die ambulante Rehabilitation: Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, durch wohnortnahe Einrichtungen. Leistungen nach Satz 1 sind auch in stationären Pflegeeinrichtungen nach § 72 Abs 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) zu erbringen. Reicht eine Leistung der ambulanten Rehabilitation wiederum nicht aus, erbringt die Krankenkasse nach § 40 Abs 3 SGB V stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a SGB IX zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Wählt der Versicherte eine andere zertifizierte Einrichtung, mit der kein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, so hat er die dadurch entstehenden Mehrkosten zu tragen (Satz 1 und 2 der Vorschrift). Die Krankenkasse bestimmt nach § 40 Abs 3 Satz 1 SGB V nach den medizinischen Erfordernissen im Einzelfall Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach den Abs 1 und 2 sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Leistungen nach Abs 1 (ambulante Rehabilitation) sollen für längstens 20 Behandlungstage, Leistungen nach Abs 2 (stationäre Rehabilitation) für längstens drei Wochen erbracht werden, es sei denn, eine Verlängerung der Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich (Satz 2 der Vorschrift).

Die genannten Vorschriften machen - wie auch vom SG zutreffend angenommen - ein Stufenverhältnis der verschiedenen Maßnahmen der Krankenbehandlung deutlich, das bereits aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V folgt, wonach die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Daraus folgt, dass eine stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung nur dann in Betracht kommt, wenn weder eine ambulante Krankenbehandlung, eine ambulante Rehabilitation in einer wohnortnahen Einrichtung noch eine ambulante Rehabilitationsleistung in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, ausreichend sind (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl Urteil vom 20. April 2010, L 11 KR 5047/09; vom 23. März 2010, L 11 KR 4085/08; vom 28. April 2009, L 11 KR 4828/08).

In diesem Zusammenhang ist vorab darauf hinzuweisen, dass der Kostenübernahme durch die Beklagte nicht bereits entgegensteht, dass die von Dr. F. verordnete stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in Ungarn bzw im Bereich der Karpaten, also im Ausland, stattfinden soll. Durch § 18 Abs 1 SGB V bzw § 18 Satz 1 SGB IX ist eine solche Behandlung nämlich nicht ausgeschlossen, wenn die Behandlung nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nur dort und nicht im Inland möglich ist. Dies ist hier aber nicht der Fall, da der Kläger wegen seiner Psychose im Inland ambulant ausreichend behandelt werden kann (hierzu sogleich).

Die Voraussetzungen für die Gewährung einer stationären Rehabilitation sind beim Kläger jedoch deshalb nicht erfüllt, weil der Senat - wie schon das SG - davon überzeugt ist, dass ambulante Krankenbehandlungsmaßnahmen am Wohnort des Klägers ausreichend sind. Der Kläger leidet zwar an einer Psychose, an einer leichte depressiven Verstimmung und an einer paranoiden Entwicklung mit erheblicher Somatisierung und Coenästhesien. Dies entnimmt der Senat zum einen der ärztlichen Verordnung des Dr. F. vom 16. Juni 2008 und zum anderen dem Arztbrief des Dr. L. vom 2. November 2009. Aus dem Arztbrief des Dr. L. folgt auch, dass der neurologische Befund unauffällig ist. Ob der Kläger darüber hinaus an einer Strahlenkrankheit leidet, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn Dr. F. hat in der ärztlichen Verordnung vom 16. Juni 2008 als rehabilitationsrelevante Diagnose an erster Stelle die Psychose genannt.

In den letzten zwölf Monaten vor der Antragstellung (11. April 2008) hat der Kläger jedoch nach seinen eigenen Angaben keinerlei ambulante Behandlungen (zB Psychotherapie) wegen der Psychose in Anspruch genommen. Dies hat auch der behandelnde Arzt Dr. F. in seiner Verordnung vom 16. Juni 2008 bestätigt. Daraus folgt für den Senat jedoch eindeutig, dass der Kläger die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung nicht wahrnimmt. Es liegen daher bereits die Voraussetzungen des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht vor. Der Senat teilt insoweit auch die Auffassung des Dr. W. vom MDK, dass beim Kläger eine psychiatrische Behandlung am Wohnort vorrangig angezeigt ist. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass Dr. F. am 14. Juli 2002 eine Überweisung an einen Psychiater ausgestellt hat. Denn unabhängig davon, ob der Kläger eine psychiatrische Behandlung im Jahr 2002 durchgeführt hat, hat er in den letzten zwölf Monaten vor Antragstellung jedenfalls keine ambulante psychiatrische Behandlung in Anspruch genommen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aktuell an einer psychiatrischen Behandlung teilnimmt, sind weder ersichtlich noch hat der Kläger Entsprechendes vorgetragen. Aus dem Arztbrief des Dr. L. folgt lediglich, dass er dort im Oktober 2009 einmalig vorstellig war.

Ein Primärleistungsanspruch nach Leistungsgesetzen anderer Rehabilitationsträger kommt ebenfalls nicht in Betracht. Rehabilitationsträger für Leistungen der medizinischen Rehabilitation können gemäß § 6 SGB IX neben der Beklagten noch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Nr 3), die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (Nr 4), die Träger der Kriegsopferversorgung (Nr 5), die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Nr 6) und die Träger der Sozialhilfe (Nr 7) sein. Gründe, warum ein Anspruch gegenüber einem dieser Träger erfolgreich sein könnte, wurden weder geltend gemacht noch sind solche Gründe ersichtlich. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die Voraussetzungen, unter denen die BG als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung - unabhängig davon, dass ein Leistungsfall nach dem Siebten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VII) nicht nachgewiesen ist (vgl Urteile des LSG vom 11. August 2005, L 6 U 1006/03 und vom 30. März 2010, L 9 U 5206/07) medizinische stationäre Rehabilitationsleistungen erbringen müsste, nicht erfüllt sind. Denn aus §§ 27 Abs 1 Nr 7, 33 Abs 1 Satz 1 SGB VII folgt, dass stationäre Behandlungen in Rehabilitationseinrichtungen nur dann erbracht werden, wenn die Aufnahme erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht anders erreicht werden kann. Wir bereits dargelegt, kann die Psychose aber ambulant behandelt werden.

Die Beiladung der anderen möglichen Träger der Rehabilitation war nicht erforderlich. Eine solche ist nur dann notwendig vorzunehmen, wenn der Versicherte auch andere Rehabilitationsträger angegangen hat oder der Antrag weitergeleitet wurde. Denn die Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers schließt im Außenverhältnis diejenige aller anderen vom behinderten Menschen angegangenen Rehabilitationsträger aus, so dass der Rechtsstreit ihnen gegenüber nur einheitlich entschieden werden kann (vgl BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009, B 5 R 5/07 R, veröffentlicht in Juris; BSG, Urteil vom 21. August 2008, B 13 R 33/07 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 7). Vorliegend hat der Kläger jedoch weder weitere Rehabilitationsträger angegangen, noch ist der Antrag von einem anderen Rehabilitationsträger an die Beklagte weitergeleitet worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen gemäß § 160 Abs 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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