Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 2 AL 282/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 30 AL 61/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. April 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höhere Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Zeit vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006.
Der 1981 geborene Kläger wuchs nach der Scheidung seiner Eltern zunächst bei seiner Mutter in B und sodann wegen schulischer Schwierigkeiten seit Ende der achtziger Jahre in einer Pflegeeinrichtung in B, die sich in der Folgezeit auch um seinen beruflichen Werdegang kümmerte, auf. Die Betreuung endete mit dem 21. Lebensjahr. Seit der Zeit in der Pflegeeinrichtung hatte der Kläger zu seiner Mutter keinen Kontakt mehr. Seinen in der Ustraße in S wohnhaften Vater besuchte er alle vier Wochen an den Wochenenden. Der Kläger begann am 01. September 1999 eine Ausbildung zum Elektroinstallateur, die er nicht erfolgreich abschloss. Nach Ableistung seines Wehrdienstes vom 01. Januar 2003 bis 30. September 2003 war der Kläger in der Zeit vom 16. Oktober 2003 bis 20. Dezember 2003 als Kraftfahrer beschäftigt; vom 20. Januar 2004 bis 29. August 2004 war er arbeitslos. Am 30. August 2004 nahm der Kläger eine Berufsausbildung zum Schornsteinfeger bei dem Bezirksschornsteinfegermeister A T in E auf (Berufsausbildungsvertrag vom 16. August 2004), die er 2007 erfolgreich abschloss. In diesem Beruf ist er noch heute tätig und strebt darin eine Meisterausbildung an. Seit dem 22. November 2002 bis 19. April 2004 wohnte der Kläger bei einer von zwei Schwestern in der E Straße in B (Anmeldebestätigung vom 22. November 2002) und vom 20. April 2004 bis 30. August 2004 bei der anderen Schwester in der Petersburger Straße 74b in Berlin (Melderegisterauskunft vom 19. Mai 2010). Ab 30. August 2004 wohnte er im R-S-Ring in F (Anmeldebestätigung vom 02. September 2004).
In Anbetracht der Berufsausbildung zum Schornsteinfeger beantragte der Kläger am 26. August 2004 bei der Beklagten die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe. In dem Antrag gab er an, dass sein Vater in der Ustraße in S wohnhaft, der Aufenthalt seiner Mutter nicht bekannt sei und er während der Ausbildung nicht bei seinen Eltern, sondern bei seiner Schwester in der P Straße in B wohne.
Am 07. Dezember 2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, er wohne derzeit bei seinem Bruder im R in F und werde ab dem 31. Dezember 2004 einen neuen Mietvertrag abschließen.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger BAB vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006 in Höhe von monatlich 116,00 EUR.
Mit Veränderungsmitteilung vom 01. Februar 2005 teilte der Kläger der Beklagten unter Beibringung einer Bestätigung der F Wohnungsbaugenossenschaft e. G. mit, er sei ab 01. Februar 2005 in die D Straße in F verzogen.
Mit Änderungsbescheid vom 21. März 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger BAB für die Zeit vom 30. August 2004 bis 31. Januar 2005 wie bisher unverändert in Höhe von 116,00 EUR monatlich, für die Zeit ab 01. Februar 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von 180,00 EUR monatlich. Bei der Berechnung der Höhe der BAB berücksichtigte die Beklagte jeweils das Einkommen des Vaters des Klägers in Höhe von 99,58 EUR, das sie auf den Gesamtbedarf des Klägers anrechnete.
Seinen bei der Beklagten am 13. April 2005 eingegangenen Widerspruch, mit dem der Kläger höhere BAB aufgrund des Entstehens von Internatskosten aufgrund des Besuchs der Berufsschule in der Stadt B sowie höhere Fahrkosten geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. Juli 2005 zurück.
Am 05. August 2005 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben, mit der er den Anspruch auf höhere BAB nunmehr allein unter Berücksichtigung eines weiteren Freibetrages weiterverfolgt hat. Bei der Anrechnung des Einkommens seines Vaters sei ein zusätzlicher Freibetrag für die notwendige Unterbringung außerhalb des Haushalts der Eltern von 510,00 EUR zu berücksichtigen. Die Ausbildungsstätte sei von der Wohnung des Vaters nicht in zumutbarer Zeit zu erreichen, so dass er sich eine Wohnung in F gesucht habe. Zuvor habe er übergangsweise bei seiner Schwester in B gewohnt, weil er sich dort bessere Chancen für eine Arbeitsuche ausgerechnet habe. Da er sich für den Beruf des Schornsteinfegers interessiert habe, habe er über den Computer der Agentur in B Ausbildungsmöglichkeiten gesucht und eine solche in E gefunden. Hätte eine Möglichkeit bestanden, die Tätigkeit vom Wohnort seines Vaters aus zu erlernen, hätte er diese wahrgenommen, um Kosten zu sparen.
Der Kläger hat beantragt,
den Änderungsbescheid vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006 jeweils unter Berücksichtigung eines Freibetrages gemäß § 71 Abs. 2 Ziffer 2 SGB III zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf ihren Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend vorgetragen, der Kläger habe bereits vor seinem Umzug nach F in B und somit nicht mehr bei den Eltern gewohnt, weshalb die Bewilligung von BAB auch durch die örtlich zuständige Agentur für Arbeit B erfolgt sei. Da der Ausbildungsbetrieb in E, d. h. im B Nahverkehrsbereich, liege, sei ein Umzug nach F nicht erforderlich gewesen. Der Kläger habe sich von vornherein für eine Arbeitsvermittlung bzw. Berufsausbildung außerhalb des Haushalts der Eltern entschieden. Das Berufsausbildungsverhältnis sei auch nicht von der Beklagten vermittelt worden.
Mit bei der Beklagten am 25. Januar 2006 eingegangenem Antrag hat der Kläger die Fortzahlung der BAB beantragt. Mit Bescheid vom 10. Februar 2006 hat die Beklagte den Antrag auf BAB abgelehnt, da dem Kläger die für seinen Lebensunterhalt und für seine Berufsausbildung erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung stünden. Dagegen erhob der Kläger am 21. Februar 2006 (Eingangsdatum) Widerspruch, der in Anbetracht des vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahrens (Sozialgericht Frankfurt [Oder] S 2 AL 282/05) zum Ruhen gebracht worden ist.
Laut Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes E vom 06. Januar 2006 hat der Vater des Klägers im Jahr 2004 über Einkünfte in Höhe von 36 128,00 EUR, laut Einkommenssteuerbescheid vom 08. Dezember 2005 im Jahr 2003 über Einkünfte in Höhe von 47.587,00 EUR verfügt.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2006 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen. Der Kläger berufe sich zu Unrecht darauf, dass die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung außerhalb des Haushalts seines Vaters möglich gewesen sei. Zuzugeben sei dem Kläger, dass zwar ein tägliches Pendeln zwischen dem Wohnort des Vaters in S und der Ausbildungsstätte in E aus Gründen der Entfernung nicht zumutbar gewesen sei. Darauf komme es aber vorliegend nicht an. Denn nach dem Gesetzeszweck diene die Regelung der Förderung der Berufsmobilität von Auszubildenden in der betrieblichen Berufsausbildung und stärke die Ausschöpfung des regional unterschiedlichen Ausbildungsplatzangebotes. Dies setze insoweit zunächst die Prüfung der Ausbildungsmöglichkeiten im Wohnortbereich der Eltern des Ausbildungssuchenden voraus, und zwar durch die örtlich zuständige Arbeitsagentur (Arbeitsagentur B). An diese für den Wohnort des Vaters zuständige Arbeitsagentur habe sich der Kläger mit dem Ansinnen der Vermittlung eines geeigneten Ausbildungsplatzes jedoch offenbar nicht gewandt, so dass von dort auch nicht in ein wohnortfernes Ausbildungsverhältnis vermittelt worden sein könne. Auch habe eine Vermittlung durch die hier beklagte Arbeitsagentur B nicht stattgefunden. Schließlich sei davon auszugehen, dass sich der Kläger in der Zeit vor Aufnahme des in Rede stehenden Berufsausbildungsverhältnisses bereits seit geraumer Zeit aus dem Elternhaus bzw. der Wohnung des Vaters gelöst habe. So lasse die Meldebestätigung des Bezirksamtes L erkennen, dass der Kläger bereits seit dem 22. November 2002 in B gewohnt habe und seither auch nicht mehr zum Wohnort des Vaters in die väterliche Wohnung zurückgekehrt sei. Der Kläger sei nach der Wohnsitznahme in B zwischenzeitlich auch versicherungspflichtig beschäftigt gewesen (vom 16. Januar 2003 bis 20. Dezember 2003) und habe die Zeit der Arbeitslosigkeit (vom 20. Januar 2004 bis 29. August 2004) offenbar auch in B verbracht. Ausgehend von seinem Lebensmittelpunkt in B sei es durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger von dort aus auf Ausbildungssuche gegangen sei und eben nicht eine Vermittlung in Ausbildung am Wohnort des Vaters in Angriff genommen habe. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass auch die für den Wohnsitz des Vaters örtlich zuständige Arbeitsagentur keine bzw. nur in eine wohnortferne Ausbildungsstätte hätte vermitteln können, wäre diese Vermittlung nicht kausal gewesen für die Wohnsitznahme des Klägers außerhalb der väterlichen Wohnung. Im Übrigen sei ein Umzug des seit dem 22. November 2002 in B wohnhaften Klägers aus Gründen der Aufnahme des Ausbildungsverhältnisses in E nach F nicht notwendig gewesen, da ein Pendeln zwischen der Wohnung in B und der Ausbildungsstätte durchaus zumutbar gewesen wäre, denn die Ausbildungsstätte in E befinde sich im Nahbereich (S Bahn Bereich) von B und sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen gewesen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04. Mai 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 01. Juni 2006 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Der Gerichtsbescheid sei insoweit abzuändern, als das Sozialgericht davon abgesehen habe, einen Freibetrag von 510,00 EUR bei dem Einkommen seines Vaters zu berücksichtigen. Das Sozialgericht habe zu Unrecht von Ermittlungen dazu abgesehen, ob in der Nähe der väterlichen Wohnung ein Ausbildungsplatz für den Beruf des Schornsteinfegers zur Verfügung gestanden habe, was nicht der Fall gewesen sei. Ein Kausalitätserfordernis lasse sich weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Dagegen stehe auch Art. 3 Grundgesetz. Personen, die auch aus beruflichen und persönlichen Gründen auswärts untergebracht seien, seien nicht anders zu behandeln als Personen, die nur aus beruflichen Gründen auswärts wohnten. Der Zweck der auswärtigen Unterbringung, Stärkung der Mobilität, werde bei beiden Personengruppen erreicht. Eine Beziehung zum Risikobereich der Beklagten bestehe bei beiden Personengruppen. Weiter spreche dagegen auch § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Der Gesetzgeber habe hier eine Pflicht zur telelogischen und bürgerfreundlichen Interpretation sämtlicher Normen des Sozialgesetzbuchs angeordnet. Diese werde bei Einführung eines im Gesetz nicht vorgesehenen einschränkenden Kausalitätserfordernisses nicht beachtet. Selbst wenn von einem Kausalitätserfordernis auszugehen sei, sei von einer solchen zwischen Ausbildung und auswärtiger Unterbringung jedenfalls auszugehen. Er habe seinen Wohnsitz bei seinem Vater zum Zwecke der Ausbildung verlassen. Hiergegen spreche auch nicht die Ummeldung nach B. Er habe vor Ausbildungsbeginn am Wochenende bei seinem Vater gewohnt. In der Woche habe er sich behelfsmäßig abwechselnd bei seinen zwei Schwestern aufgehalten. Die Anmeldung in B sei zur Suche nach einem Ausbildungsplatz erforderlich gewesen. Ein Pendeln zwischen der Wohnung in B und der Ausbildungsstätte sei in Anbetracht der nur behelfsmäßigen Unterbringung bei den Schwestern nicht möglich gewesen. Auch dürfe er nicht durch Aberkennung von Freibeträgen bestraft werden, wenn er sich eigeninitiativ eine Berufsausbildung suche. Im Übrigen habe er auch keinen Unterhaltsanspruch gegenüber seinem Vater gehabt. Darauf, ob darüber ein Titel vorliege, komme es nicht an.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. April 2006 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006 höhere Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die ihrer Auffassung nach überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid. Ergänzend verweist sie auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen vom 19. April 2006, Az.: L 1 B 142/05 AL ER. Danach setze die besondere Förderung der auswärtigen Unterbringung des Auszubildenden voraus, dass der Auszubildende wegen der beabsichtigten Ausbildung gezwungen sei, außerhalb des zumutbaren Tagespendelbereichs der elterlichen Wohnung eine Unterkunft zu nehmen. Sei der Auszubildende bereits geraume Zeit vor dem Beginn der zu fördernden Ausbildung und ohne Bezug zu ihr umgezogen, habe er grundsätzlich keinen Anspruch auf die erhöhte Förderung. In Anbetracht der vorliegenden Anmeldebestätigungen sei der Kläger bereits seit dem 22. November 2002 nicht mehr in der elterlichen Wohnung gemeldet. Er sei damit lange Zeit vor Beginn der Ausbildung umgezogen. Die auswärtige Unterbringung stehe damit nicht kausal im Zusammenhang mit der Ausbildung, wodurch die Gewährung des zusätzlichen Freibetrags ausgeschlossen sei. Da vorliegend nicht belegt sei, dass ein Unterhaltsanspruch des Klägers gegenüber seinem Vater nicht bestehe, sei das Einkommen des Vaters auch anzurechnen gewesen. Überdies treffe die in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung des OLG Karlsruhe nicht auf den Fall des Klägers zu. Dieser Entscheidung liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Der Kläger dort habe eine Berufsausbildung zum Bauzeichner abgeschlossen und habe im Anschluss daran, nach Erwerb des Fachabiturs, Architektur oder Bauingenieurwesen studieren wollen. Dieser Kläger habe damit eine Ausbildung abgeschlossen, die ihn zur Berufsausübung befähigt habe. Darauf aufbauend habe er eine Weiterbildung absolvieren wollen. Vorliegend habe der Kläger die Ausbildung zum Elektroinstallateur 2001 abgebrochen und habe in diesem Beruf keine abgeschlossene Befähigung zur Berufsausübung erlangt. Mit der Aufnahme der Ausbildung zum Schornsteinfeger ab 01. August 2007 habe der Kläger erst einen Berufsabschluss angestrebt, der ihn zur Ausübung eines Berufs befähige und ihm einen Einstieg ins Berufsleben auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen soll. Es sei mithin keine Weiterbildung nach einer ersten abgeschlossenen Berufsausbildung. Im Übrigen verweist die Beklagte auf die Drucksache des Deutschen Bundestages 14/4731 Seite 44.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten (Kundennummer ) Bezug genommen. Die Akten haben dem Gericht vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes - zur Zeit der Berufungseinlegung im Jahre 2006 - 500,00 Euro übersteigt.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage gegen den Bescheid vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005 abgewiesen, da die Bescheide rechtmäßig sind.
Nicht zu entscheiden war, ob dem Kläger auch für die Zeit ab 01. März 2006 bis 29. August 2007 BAB zusteht. Denn der Bescheid vom 10. Februar 2006 ist nicht gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens S 2 AL 282/05 bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) geworden. In der Erklärung des Prozessbevollmächtigten vom 25. April 2006, das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 10. Februar 2006 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des sozialgerichtlichen Verfahrens ruhen zu lassen, ist eine Beschränkung der Anfechtung auf den Bescheid vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005 zu sehen. Eine solche Beschränkung ist im Rahmen der Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand zulässig (Leitherer in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, § 96 Rn. 11 a). Dieses Ergebnis entspricht auch aktuell noch dem ersichtlichen Interesse der Beteiligten, wenn diese in der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2010 übereinstimmend erklären, der Bescheid vom 10. Februar 2006 bzw. das dazu anhängige Widerspruchsverfahren solle das gleiche Schicksal teilen wie das vorliegende Verfahren.
Der Senat zollt dem Kläger in Anbetracht seiner nicht einfachen Kindheit großen Respekt vor seiner beruflichen Leistung. Höhere BAB für die Zeit vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006 ist ihm aber nicht zuzuerkennen. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, bei der Berechnung der BAB einen Freibetrag von 510,00 EUR bezüglich des Einkommens des Vaters des Klägers zu berücksichtigen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von BAB nach den §§ 59, 63 Abs. 1 Nr. 1 und 64 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 i. V. m. Satz 2 Nr. 1 SGB III in der Fassung von Art. 1 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes - AFRG vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594) sind unstreitig erfüllt. Die Ausbildung des Klägers zum Schornsteinfeger ist förderungsfähig, er ist Deutscher, hat das 18. Lebensjahr vollendet und wohnt außerhalb des Haushalts seiner Eltern.
Die Beklagte hat den Bedarf des Klägers gemäß § 65 Abs. 1 SGB III i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in der vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung des Ausbildungsförderungsreformgesetzes (AföRG) vom 19. März 2001 (BGBl. I Seite 930) für die Zeit vom 30. August 2004 bis 31. Januar 2005 zutreffend auf 506,20 EUR und für die Zeit vom 01. Februar 2005 bis 28. Februar 2006 zutreffend auf 570,20 EUR festgelegt. Es ergibt sich folgende Berechnung:
Zeitraum vom 30. August 2004 bis 31. Januar 2005
310,00 EUR Bedarf gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 BAföG
+ 133,00 EUR höherer Bedarf bei Wohnen außerhalb des elterlichen Haushalts gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG
+ 52,20 EUR Fahrtkosten gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III
+ 11,00 EUR Arbeitskleidung gemäß § 68 Abs. 3 SGB III
506,20 EUR Bedarf
Zeitraum vom 01. Februar 2005 bis 28. Februar 2006
310,00 EUR Bedarf gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 BAföG
+ 133,00 EUR höherer Bedarf bei Wohnen außerhalb des elterlichen Haushalts gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG
+ 64,00 EUR Erhöhungsbetrag gemäß § 13 Abs. 3 BAföG
+ 52,20 EUR Fahrtkosten gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III
+ 11,00 EUR Arbeitskleidung gemäß § 68 Abs. 3 SGB III
570,20 EUR Bedarf
Die Beklagte hat auch die Einkommensanrechnung gemäß § 71 SGB III i. V. m. den §§ 21 ff. BAföG zutreffend vorgenommen. Gemäß § 23 Abs. 3 BAföG ist die Ausbildungsvergütung aus einem Ausbildungsverhältnis voll anzurechnen. Es ergibt sich folgende Berechnung:
4 261,08 EUR Ausbildungsvergütung von 355,09 EUR monatlich x 12
+ 2 414,64 EUR Ausbildungsvergütung von 402,44 EUR monatlich x 6
6 675,72 EUR Zwischensumme
- 1 435,13 EUR Sozialpauschale (21,5 % von 6 675,00 EUR) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 20 Abs. 3 BAföG
5 240,59 EUR: 18 = 291,14 EUR monatlich
Auch das anzurechnende Einkommen des Vaters des Klägers hat die Beklagte - bis auf einen Zahlendreher - überwiegend zutreffend festgelegt. Es ergibt sich folgende Berechnung:
35 813,00 EUR Einkünfte entsprechend dem Einkommenssteuerbescheid für 2002
- 214,80 EUR vermögenswirksame Leistungen gemäß § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG i. V. m. Ziffer 21.4.8 a der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Berufsausbildungs- förderungsgesetz vom 15. Oktober 1991 (GMBl. Seite 770) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung vom 22. Juli 1999 (GMBl. Seite 459), errechnet 17,90 EUR monatlich x 12
35 598,20 EUR Zwischensumme
- 3 734,35 EUR (nicht 3 743,35 EUR) Steuern und Solidaritätszuschlag
31 863,85 EUR Zwischensumme
- 12 459,37 EUR Sozialpauschale gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG (35 % von 35 598,20 EUR)
19 404,48 EUR: 12 = 1 617,04 EUR monatliches Einkommen des Vaters
Von dem monatlichen Einkommen des Vaters hat die Beklagte auch zutreffend die Freibeträge abgesetzt. Es ergibt sich folgende Berechnung:
1 617,04 EUR monatliches Einkommen des Vaters
- 960,00 EUR Grundfreibetrag (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 BAföG)
- 435,00 EUR Freibetrag für ein weiteres Kind (§ 35 Abs. 3 Nr. 2 BAföG)
222,04 EUR zwischensumme
- 122,12 EUR anrechnungsfreier Betrag gemäß § 25 Abs. 4 Nr. 1 und 2 BAföG (55 % von 222,04 EUR)
99,92 EUR monatliches anzurechnendes Einkommen des Vaters
Die zu zahlende BAB ergibt sich wie folgt:
Zeitraum vom 30. August 2004 bis 31. Januar 2005:
506,20 EUR Bedarf
- 291,14 EUR anzurechnendes Einkommen des Klägers
- 99,92 EUR anzurechnendes Einkommen des Vaters
115,14 EUR aufgerundet (116,- EUR) monatlich
Zeitraum vom 01. Februar 2005 bis 28. Februar 2006
570,20 EUR Bedarf
- 291,14 EUR anzurechnendes Einkommen des Klägers
- 99,92 EUR anzurechnendes Einkommen des Vaters
178,94 EUR monatlich
Das Einkommen des Vaters hatte - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht etwa gemäß § 71 Abs. 5 SGB III außer Betracht zu bleiben.
Nach dieser Vorschrift bleibt Einkommen der Eltern außer Betracht, wenn ihr Aufenthaltsort nicht bekannt ist oder sie rechtlich oder tatsächlich gehindert sind, im Inland Unterhalt zu leisten (§ 71 Abs. 5 Satz 1 SGB III). Dass der Vater des Klägers rechtlich oder tatsächlich gehindert ist, dem Kläger nach den §§ 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 1610 BGB (angemessenen) Unterhalt zu leisten, ist nicht ersichtlich.
Nach Satz 2 der Vorschrift ist Einkommen ferner nicht anzurechnen, soweit ein Unterhaltsanspruch nicht besteht oder dieser verwirkt ist. Dass ein Unterhaltsanspruch des volljährigen Klägers gegenüber seinem Vater nicht besteht oder gar verwirkt ist, ist ebenso nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Aufnahme der Ausbildung zum Schornsteinfeger bereits 23 Jahre alt war, d. h. das Erwachsenenalter überschritten hatte, bedeutet nicht, dass ein Unterhaltsanspruch nicht besteht. Gemäß § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie grundsätzlich verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Gemäß § 1601 Abs. 1 BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Letztere Vorschrift betrifft insbesondere den Erwachsenenunterhalt. Zwar hat ein Kind gemäß der seitens des Klägers zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 30. November 1998 (20 UF 55/98, zitiert nach juris) grundsätzlich nur einen Anspruch auf Finanzierung einer Ausbildung. Eine Pflicht der Eltern, eine Zweitausbildung oder Weiterbildung zu finanzieren, kann nur ausnahmsweise angenommen werden. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Seine erste Ausbildung zum Elektroinstallateur hat der Kläger 2001 abgebrochen und damit keine abgeschlossene Befähigung zur Berufsausübung erlangt. Mit der Aufnahme der Ausbildung zum Schornsteinfeger ab 01. August 2007 strebte er erst einen Berufsabschluss an, der ihn zur Ausübung eines Berufs befähigt und ihm einen Einstieg ins Berufsleben auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen sollte. Im Übrigen betrifft Satz 2 des § 71 Abs. 5 SGB III die Konstellationen, in denen die Berechnung nach dem SGB III zwar ein anzurechnendes Einkommen ergibt, von dem Unterhaltsverpflichteten jedoch belegt wird, dass z. B. durch Urteil entschieden ist, dass ein Unterhaltsanspruch nicht besteht (vgl. Bundestagsdrucksache 14/4731). Einen derartigen Titel hat der Kläger nicht vorgelegt.
Zusätzliche Freibeträge nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung des Job AQTIV Gesetzes vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I 3443) sind nicht zu berücksichtigen. § 71 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB III lauten:
"Für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen gelten § 11 Abs. 4 sowie die Vorschriften des Vierten Abschnitts des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend. Abweichend von § 23 Abs. 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bleiben 52,00 EUR der Ausbildungsvergütung und abweichend von § 25 Abs. 1 des Bundes-ausbildungsförderungsgesetzes zusätzlich 510,00 EUR anrechnungsfrei, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils möglich ist."
Der Senat geht - wie auch in seiner Entscheidung vom 10. Mai 2007 mit dem Az.: L 30 AL 1288/05, veröffentlicht in juris - davon aus, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III nur erfüllt sind, wenn der Auszubildende aufgrund der Tatsache, dass eine geeignete Ausbildungsstelle am Wohnort der Eltern nicht vermittelt werden kann, also aus Gründen, die in den Risikobereich der Beklagten fallen (z. B. Mangel an Ausbildungsplätzen), außerhalb des Haushalts der Eltern untergebracht werden muss (so auch Fuchsloch in Gagel, SGB III, § 71 Rn. 111). In der Entscheidung heißt es:
"Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Mit dieser sollten, wie sich aus der Bundestagsdrucksache 13/4941 zu § 71 (Seite 167) ergibt, nach dem Willen des Gesetzgebers aus arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Gründen im Wesentlichen die Regelungen des geltenden Anordnungsrechts zur Förderung der beruflichen Mobilität von Auszubildenden in der betrieblichen Berufsausbildung und zur stärkeren Ausschöpfung des regional unterschiedlichen Ausbildungsplatz-angebotes übernommen werden. Daraus ergibt sich, dass Zweck der Vorschrift sein soll, einen Anreiz zur Aufnahme einer Ausbildung in größerer Entfernung vom Elternhaus (Förderung der beruflichen Mobilität) bei schlechtem Ausbildungsangebot in der Region (Ausschöpfung des regional unterschiedlichen Ausbildungsplatzangebots) zu schaffen (so auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 19. April 2006, Az.: L 1 B 142/05 AL ER, juris -Ausdruck Rn. 37, 38).
Wie sich aus der zitierten Bundestagsdrucksache ergibt, wollte der Gesetzgeber das früher geltende Recht (§ 16 Abs. 4 der vom Verwaltungsrat der Beklagten erlassenen "Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung" A Ausbildung ) "im Wesentlichen" übernehmen. Zu der genannten Vorschrift hatte das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 28. November 1985 (Az.: 11 b/7 RAr 103/84 - dokumentiert in juris - weitere Fundstellen: SozR 4440 § 16 Nr. 4 sowie MDR 1986, 699) entschieden, dass, wenn die Ausbildung in generell geeigneter Weise überhaupt am Wohnort der Eltern erfolgen kann, der Gesamtfreibetrag nicht erhöht wird, selbst wenn eine auswärtige Unterbringung des Auszubildenden aus sonstigen Gründen geboten wäre. Die auswärtige Unterbringung muss aus Gründen erfolgen, die in den Risiko- und Aufgabenbereich der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt Bundesagentur für Arbeit) fallen."
Nach Auffassung des Senats ergibt sich daher aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: 1. muss die Ausbildung außerhalb des Tagespendelbereichs des Wohnorts der Eltern oder eines Elternteils notwendig sein, weil innerhalb des Tagespendelbereiches geeignete Ausbildungsstellen nicht zur Verfügung stehen; 2. muss die Aufnahme der zu fördernden Ausbildung kausal sein für den Auszug, da sonst der Zweck der Vorschrift, nämlich die Schaffung eines Anreizes zum Verlassen des elterlichen Haushalts, nicht erfüllt wird.
Da sich der Kläger an die für den Wohnort des Vaters zuständige Arbeitsagentur B mit dem Ansinnen der Vermittlung eines geeigneten Ausbildungsplatzes offenbar gar nicht gewandt hat, konnte von dort auch nicht in ein wohnortfernes Ausbildungsverhältnis vermittelt werden. Der Kläger hatte seinen Lebensmittelpunkt in B eingerichtet. Es ist insoweit durchaus nachvollziehbar, dass er von dort aus auf Ausbildungssuche gegangen ist und eben nicht eine Vermittlung in Ausbildung am Wohnort des Vaters in Angriff genommen hat. Seit Ende der achtziger Jahre bis zu seinem 21. Lebensjahr hat sich der Kläger in einer Pflegeeinrichtung aufgehalten und bereits zu diesem Zeitpunkt zu seiner Mutter keinen und zu seinem Vater nur noch alle vier Wochen an den Wochenenden Kontakt gehabt, wie er in der mündlichen Verhandlung vorträgt. Selbst wenn der Kläger nach seinem Auszug aus der Pflegeeinrichtung mit Eintritt des 21. Lebensjahres (1. Mai 2002) zunächst kurzfristig wieder zu seinem Vater nach S gezogen sein sollte, hatte er seinen Wohnsitz ausweislich der Meldebestätigungen zum 22. November 2002 in der E Sin B, Stadtteil und zum 20. April 2004 in der P Sin B, Stadtteil F, jeweils bei seinen Schwestern, angemeldet, folglich dort gewohnt. Seither ist er offensichtlich auch nicht mehr zum Wohnort seines Vaters zurückgekehrt. Denn nach der Wohnsitznahme in B war der Kläger zwischenzeitlich versicherungspflichtig beschäftigt, nämlich vom 16. Januar 2003 bis 20. Dezember 2003. Darüber hinaus verbrachte er die Zeit einer Arbeitslosigkeit vom 20. Januar 2004 bis 29. August 2004 offensichtlich in B.
Dem Vortrag des Klägers, das Gericht hätte von Amts wegen ermitteln müssen, ob in der Nähe der väterlichen Wohnung Ausbildungsplätze für den Beruf eines Schornsteinfegers zur Verfügung gestanden haben, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Denn selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass auch die für den Wohnsitz des Vaters örtlich zuständige Arbeitsagentur keine bzw. nur in eine wohnortferne Ausbildungsstätte hätte vermitteln können, fehlt es insoweit an dem Vorliegen der zweiten Voraussetzung für die Berücksichtigung der genannten Freibeträge. Diese Vermittlung wäre - wie auch das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - nicht kausal gewesen für die Wohnsitznahme des Klägers außerhalb der väterlichen Wohnung. Auch insoweit hätten nicht arbeitsmarktbezogene Gründe die auswärtige Unterbringung des Klägers bedingt, sondern allein dessen bereits im November 2002 vollzogener Umzug in eine eigene Wohnung. Der Zweck des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III, nämlich die Schaffung eines zusätzlichen Anreizes zum Verlassen des elterlichen Haushalts, um überhaupt eine Ausbildung zu ermöglichen, konnte gar nicht mehr erreicht werden. Selbst wenn er vor Ausbildungsbeginn noch an den Wochenenden bei seinem Vater gewohnt haben will, wie der Kläger schriftsätzlich vorträgt, hat er damit keine dauerhafte Rückkehr zur väterlichen Wohnung angestrebt, wie letztlich die Meldebescheinigungen bestätigen. Der zum maßgeblichen Zeitpunkt 23 jährige Kläger hatte sich folglich bereits seit geraumer Zeit aus dem Elternhaus bzw. der Wohnung des Vaters gelöst.
Auch die Berücksichtigung der Argumentation in dem von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in Bezug genommenen Urteil des 10. Senats des Landessozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2004 (Az.: L 10 AL 55/03), zitiert nach juris, ändert nichts an dem gefundenen Ergebnis. In dem dort entschiedenen Fall lagen besondere Umstände in der Person des Klägers vor (Möglichkeit der Gewährleistung des Erfolgs einer beruflichen Bildung nicht ohne gleichzeitige Stabilisierung der Persönlichkeit). Der 10. Senat des LSG Berlin hatte angenommen, dass es im Risikobereich der Beklagten liege, dass ein entsprechender Ausbildungsplatz für den Kläger, der diesem gleichzeitig Stabilisierung gewährleistete, am Wohnort der Eltern des dortigen Klägers nicht vorhanden war. Das LSG Berlin folgte damit der oben zitierten Rechtsprechung des BSG, eine Divergenz zwischen dem 10. Senat des LSG Berlin und dem erkennenden Senat in der vorliegenden Sache ist damit bezüglich der o. g. ersten Voraussetzung für die Berücksichtigung des Freibetrages nicht gegeben. Allerdings folgt der erkennende Senat dem 10. Senat des Landessozialgerichts Berlin insoweit nicht, als dieser angenommen hat, dass es nicht relevant sei, dass sich der dortige Kläger schon seit längerer Zeit vor Aufnahme der Ausbildung am Ort der Ausbildungsstelle aufgehalten hat. Entgegen der dort genannten Auffassung geht es bei § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III nicht um die Deckung des durch die auswärtige Unterbringung verursachten erhöhten Bedarfs. Dieser ist, wie oben bereits erläutert, bereits berücksichtigt worden (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG i. V. m. § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Zweck des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III ist die Schaffung eines zusätzlichen Anreizes zum Verlassen des elterlichen Haushalts, um überhaupt eine Ausbildung zu ermöglichen.
Ein Umzug des seit dem 22. November 2002 in B wohnhaften Klägers nach F aus Gründen der Aufnahme des Ausbildungsverhältnisses in E war im Übrigen auch nicht notwendig, da ein Pendeln zwischen der Wohnung in Berlin und der Ausbildungsstätte durchaus zumutbar gewesen wäre. Denn die Ausbildungsstätte in E befindet sich im Nahbereich (S Bahn Bereich) von B und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höhere Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Zeit vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006.
Der 1981 geborene Kläger wuchs nach der Scheidung seiner Eltern zunächst bei seiner Mutter in B und sodann wegen schulischer Schwierigkeiten seit Ende der achtziger Jahre in einer Pflegeeinrichtung in B, die sich in der Folgezeit auch um seinen beruflichen Werdegang kümmerte, auf. Die Betreuung endete mit dem 21. Lebensjahr. Seit der Zeit in der Pflegeeinrichtung hatte der Kläger zu seiner Mutter keinen Kontakt mehr. Seinen in der Ustraße in S wohnhaften Vater besuchte er alle vier Wochen an den Wochenenden. Der Kläger begann am 01. September 1999 eine Ausbildung zum Elektroinstallateur, die er nicht erfolgreich abschloss. Nach Ableistung seines Wehrdienstes vom 01. Januar 2003 bis 30. September 2003 war der Kläger in der Zeit vom 16. Oktober 2003 bis 20. Dezember 2003 als Kraftfahrer beschäftigt; vom 20. Januar 2004 bis 29. August 2004 war er arbeitslos. Am 30. August 2004 nahm der Kläger eine Berufsausbildung zum Schornsteinfeger bei dem Bezirksschornsteinfegermeister A T in E auf (Berufsausbildungsvertrag vom 16. August 2004), die er 2007 erfolgreich abschloss. In diesem Beruf ist er noch heute tätig und strebt darin eine Meisterausbildung an. Seit dem 22. November 2002 bis 19. April 2004 wohnte der Kläger bei einer von zwei Schwestern in der E Straße in B (Anmeldebestätigung vom 22. November 2002) und vom 20. April 2004 bis 30. August 2004 bei der anderen Schwester in der Petersburger Straße 74b in Berlin (Melderegisterauskunft vom 19. Mai 2010). Ab 30. August 2004 wohnte er im R-S-Ring in F (Anmeldebestätigung vom 02. September 2004).
In Anbetracht der Berufsausbildung zum Schornsteinfeger beantragte der Kläger am 26. August 2004 bei der Beklagten die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe. In dem Antrag gab er an, dass sein Vater in der Ustraße in S wohnhaft, der Aufenthalt seiner Mutter nicht bekannt sei und er während der Ausbildung nicht bei seinen Eltern, sondern bei seiner Schwester in der P Straße in B wohne.
Am 07. Dezember 2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, er wohne derzeit bei seinem Bruder im R in F und werde ab dem 31. Dezember 2004 einen neuen Mietvertrag abschließen.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger BAB vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006 in Höhe von monatlich 116,00 EUR.
Mit Veränderungsmitteilung vom 01. Februar 2005 teilte der Kläger der Beklagten unter Beibringung einer Bestätigung der F Wohnungsbaugenossenschaft e. G. mit, er sei ab 01. Februar 2005 in die D Straße in F verzogen.
Mit Änderungsbescheid vom 21. März 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger BAB für die Zeit vom 30. August 2004 bis 31. Januar 2005 wie bisher unverändert in Höhe von 116,00 EUR monatlich, für die Zeit ab 01. Februar 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von 180,00 EUR monatlich. Bei der Berechnung der Höhe der BAB berücksichtigte die Beklagte jeweils das Einkommen des Vaters des Klägers in Höhe von 99,58 EUR, das sie auf den Gesamtbedarf des Klägers anrechnete.
Seinen bei der Beklagten am 13. April 2005 eingegangenen Widerspruch, mit dem der Kläger höhere BAB aufgrund des Entstehens von Internatskosten aufgrund des Besuchs der Berufsschule in der Stadt B sowie höhere Fahrkosten geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. Juli 2005 zurück.
Am 05. August 2005 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben, mit der er den Anspruch auf höhere BAB nunmehr allein unter Berücksichtigung eines weiteren Freibetrages weiterverfolgt hat. Bei der Anrechnung des Einkommens seines Vaters sei ein zusätzlicher Freibetrag für die notwendige Unterbringung außerhalb des Haushalts der Eltern von 510,00 EUR zu berücksichtigen. Die Ausbildungsstätte sei von der Wohnung des Vaters nicht in zumutbarer Zeit zu erreichen, so dass er sich eine Wohnung in F gesucht habe. Zuvor habe er übergangsweise bei seiner Schwester in B gewohnt, weil er sich dort bessere Chancen für eine Arbeitsuche ausgerechnet habe. Da er sich für den Beruf des Schornsteinfegers interessiert habe, habe er über den Computer der Agentur in B Ausbildungsmöglichkeiten gesucht und eine solche in E gefunden. Hätte eine Möglichkeit bestanden, die Tätigkeit vom Wohnort seines Vaters aus zu erlernen, hätte er diese wahrgenommen, um Kosten zu sparen.
Der Kläger hat beantragt,
den Änderungsbescheid vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006 jeweils unter Berücksichtigung eines Freibetrages gemäß § 71 Abs. 2 Ziffer 2 SGB III zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf ihren Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend vorgetragen, der Kläger habe bereits vor seinem Umzug nach F in B und somit nicht mehr bei den Eltern gewohnt, weshalb die Bewilligung von BAB auch durch die örtlich zuständige Agentur für Arbeit B erfolgt sei. Da der Ausbildungsbetrieb in E, d. h. im B Nahverkehrsbereich, liege, sei ein Umzug nach F nicht erforderlich gewesen. Der Kläger habe sich von vornherein für eine Arbeitsvermittlung bzw. Berufsausbildung außerhalb des Haushalts der Eltern entschieden. Das Berufsausbildungsverhältnis sei auch nicht von der Beklagten vermittelt worden.
Mit bei der Beklagten am 25. Januar 2006 eingegangenem Antrag hat der Kläger die Fortzahlung der BAB beantragt. Mit Bescheid vom 10. Februar 2006 hat die Beklagte den Antrag auf BAB abgelehnt, da dem Kläger die für seinen Lebensunterhalt und für seine Berufsausbildung erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung stünden. Dagegen erhob der Kläger am 21. Februar 2006 (Eingangsdatum) Widerspruch, der in Anbetracht des vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahrens (Sozialgericht Frankfurt [Oder] S 2 AL 282/05) zum Ruhen gebracht worden ist.
Laut Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes E vom 06. Januar 2006 hat der Vater des Klägers im Jahr 2004 über Einkünfte in Höhe von 36 128,00 EUR, laut Einkommenssteuerbescheid vom 08. Dezember 2005 im Jahr 2003 über Einkünfte in Höhe von 47.587,00 EUR verfügt.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2006 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen. Der Kläger berufe sich zu Unrecht darauf, dass die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung außerhalb des Haushalts seines Vaters möglich gewesen sei. Zuzugeben sei dem Kläger, dass zwar ein tägliches Pendeln zwischen dem Wohnort des Vaters in S und der Ausbildungsstätte in E aus Gründen der Entfernung nicht zumutbar gewesen sei. Darauf komme es aber vorliegend nicht an. Denn nach dem Gesetzeszweck diene die Regelung der Förderung der Berufsmobilität von Auszubildenden in der betrieblichen Berufsausbildung und stärke die Ausschöpfung des regional unterschiedlichen Ausbildungsplatzangebotes. Dies setze insoweit zunächst die Prüfung der Ausbildungsmöglichkeiten im Wohnortbereich der Eltern des Ausbildungssuchenden voraus, und zwar durch die örtlich zuständige Arbeitsagentur (Arbeitsagentur B). An diese für den Wohnort des Vaters zuständige Arbeitsagentur habe sich der Kläger mit dem Ansinnen der Vermittlung eines geeigneten Ausbildungsplatzes jedoch offenbar nicht gewandt, so dass von dort auch nicht in ein wohnortfernes Ausbildungsverhältnis vermittelt worden sein könne. Auch habe eine Vermittlung durch die hier beklagte Arbeitsagentur B nicht stattgefunden. Schließlich sei davon auszugehen, dass sich der Kläger in der Zeit vor Aufnahme des in Rede stehenden Berufsausbildungsverhältnisses bereits seit geraumer Zeit aus dem Elternhaus bzw. der Wohnung des Vaters gelöst habe. So lasse die Meldebestätigung des Bezirksamtes L erkennen, dass der Kläger bereits seit dem 22. November 2002 in B gewohnt habe und seither auch nicht mehr zum Wohnort des Vaters in die väterliche Wohnung zurückgekehrt sei. Der Kläger sei nach der Wohnsitznahme in B zwischenzeitlich auch versicherungspflichtig beschäftigt gewesen (vom 16. Januar 2003 bis 20. Dezember 2003) und habe die Zeit der Arbeitslosigkeit (vom 20. Januar 2004 bis 29. August 2004) offenbar auch in B verbracht. Ausgehend von seinem Lebensmittelpunkt in B sei es durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger von dort aus auf Ausbildungssuche gegangen sei und eben nicht eine Vermittlung in Ausbildung am Wohnort des Vaters in Angriff genommen habe. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass auch die für den Wohnsitz des Vaters örtlich zuständige Arbeitsagentur keine bzw. nur in eine wohnortferne Ausbildungsstätte hätte vermitteln können, wäre diese Vermittlung nicht kausal gewesen für die Wohnsitznahme des Klägers außerhalb der väterlichen Wohnung. Im Übrigen sei ein Umzug des seit dem 22. November 2002 in B wohnhaften Klägers aus Gründen der Aufnahme des Ausbildungsverhältnisses in E nach F nicht notwendig gewesen, da ein Pendeln zwischen der Wohnung in B und der Ausbildungsstätte durchaus zumutbar gewesen wäre, denn die Ausbildungsstätte in E befinde sich im Nahbereich (S Bahn Bereich) von B und sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen gewesen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04. Mai 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 01. Juni 2006 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Der Gerichtsbescheid sei insoweit abzuändern, als das Sozialgericht davon abgesehen habe, einen Freibetrag von 510,00 EUR bei dem Einkommen seines Vaters zu berücksichtigen. Das Sozialgericht habe zu Unrecht von Ermittlungen dazu abgesehen, ob in der Nähe der väterlichen Wohnung ein Ausbildungsplatz für den Beruf des Schornsteinfegers zur Verfügung gestanden habe, was nicht der Fall gewesen sei. Ein Kausalitätserfordernis lasse sich weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Dagegen stehe auch Art. 3 Grundgesetz. Personen, die auch aus beruflichen und persönlichen Gründen auswärts untergebracht seien, seien nicht anders zu behandeln als Personen, die nur aus beruflichen Gründen auswärts wohnten. Der Zweck der auswärtigen Unterbringung, Stärkung der Mobilität, werde bei beiden Personengruppen erreicht. Eine Beziehung zum Risikobereich der Beklagten bestehe bei beiden Personengruppen. Weiter spreche dagegen auch § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Der Gesetzgeber habe hier eine Pflicht zur telelogischen und bürgerfreundlichen Interpretation sämtlicher Normen des Sozialgesetzbuchs angeordnet. Diese werde bei Einführung eines im Gesetz nicht vorgesehenen einschränkenden Kausalitätserfordernisses nicht beachtet. Selbst wenn von einem Kausalitätserfordernis auszugehen sei, sei von einer solchen zwischen Ausbildung und auswärtiger Unterbringung jedenfalls auszugehen. Er habe seinen Wohnsitz bei seinem Vater zum Zwecke der Ausbildung verlassen. Hiergegen spreche auch nicht die Ummeldung nach B. Er habe vor Ausbildungsbeginn am Wochenende bei seinem Vater gewohnt. In der Woche habe er sich behelfsmäßig abwechselnd bei seinen zwei Schwestern aufgehalten. Die Anmeldung in B sei zur Suche nach einem Ausbildungsplatz erforderlich gewesen. Ein Pendeln zwischen der Wohnung in B und der Ausbildungsstätte sei in Anbetracht der nur behelfsmäßigen Unterbringung bei den Schwestern nicht möglich gewesen. Auch dürfe er nicht durch Aberkennung von Freibeträgen bestraft werden, wenn er sich eigeninitiativ eine Berufsausbildung suche. Im Übrigen habe er auch keinen Unterhaltsanspruch gegenüber seinem Vater gehabt. Darauf, ob darüber ein Titel vorliege, komme es nicht an.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. April 2006 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006 höhere Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die ihrer Auffassung nach überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid. Ergänzend verweist sie auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen vom 19. April 2006, Az.: L 1 B 142/05 AL ER. Danach setze die besondere Förderung der auswärtigen Unterbringung des Auszubildenden voraus, dass der Auszubildende wegen der beabsichtigten Ausbildung gezwungen sei, außerhalb des zumutbaren Tagespendelbereichs der elterlichen Wohnung eine Unterkunft zu nehmen. Sei der Auszubildende bereits geraume Zeit vor dem Beginn der zu fördernden Ausbildung und ohne Bezug zu ihr umgezogen, habe er grundsätzlich keinen Anspruch auf die erhöhte Förderung. In Anbetracht der vorliegenden Anmeldebestätigungen sei der Kläger bereits seit dem 22. November 2002 nicht mehr in der elterlichen Wohnung gemeldet. Er sei damit lange Zeit vor Beginn der Ausbildung umgezogen. Die auswärtige Unterbringung stehe damit nicht kausal im Zusammenhang mit der Ausbildung, wodurch die Gewährung des zusätzlichen Freibetrags ausgeschlossen sei. Da vorliegend nicht belegt sei, dass ein Unterhaltsanspruch des Klägers gegenüber seinem Vater nicht bestehe, sei das Einkommen des Vaters auch anzurechnen gewesen. Überdies treffe die in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung des OLG Karlsruhe nicht auf den Fall des Klägers zu. Dieser Entscheidung liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Der Kläger dort habe eine Berufsausbildung zum Bauzeichner abgeschlossen und habe im Anschluss daran, nach Erwerb des Fachabiturs, Architektur oder Bauingenieurwesen studieren wollen. Dieser Kläger habe damit eine Ausbildung abgeschlossen, die ihn zur Berufsausübung befähigt habe. Darauf aufbauend habe er eine Weiterbildung absolvieren wollen. Vorliegend habe der Kläger die Ausbildung zum Elektroinstallateur 2001 abgebrochen und habe in diesem Beruf keine abgeschlossene Befähigung zur Berufsausübung erlangt. Mit der Aufnahme der Ausbildung zum Schornsteinfeger ab 01. August 2007 habe der Kläger erst einen Berufsabschluss angestrebt, der ihn zur Ausübung eines Berufs befähige und ihm einen Einstieg ins Berufsleben auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen soll. Es sei mithin keine Weiterbildung nach einer ersten abgeschlossenen Berufsausbildung. Im Übrigen verweist die Beklagte auf die Drucksache des Deutschen Bundestages 14/4731 Seite 44.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten (Kundennummer ) Bezug genommen. Die Akten haben dem Gericht vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes - zur Zeit der Berufungseinlegung im Jahre 2006 - 500,00 Euro übersteigt.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage gegen den Bescheid vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005 abgewiesen, da die Bescheide rechtmäßig sind.
Nicht zu entscheiden war, ob dem Kläger auch für die Zeit ab 01. März 2006 bis 29. August 2007 BAB zusteht. Denn der Bescheid vom 10. Februar 2006 ist nicht gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens S 2 AL 282/05 bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) geworden. In der Erklärung des Prozessbevollmächtigten vom 25. April 2006, das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 10. Februar 2006 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des sozialgerichtlichen Verfahrens ruhen zu lassen, ist eine Beschränkung der Anfechtung auf den Bescheid vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005 zu sehen. Eine solche Beschränkung ist im Rahmen der Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand zulässig (Leitherer in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, § 96 Rn. 11 a). Dieses Ergebnis entspricht auch aktuell noch dem ersichtlichen Interesse der Beteiligten, wenn diese in der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2010 übereinstimmend erklären, der Bescheid vom 10. Februar 2006 bzw. das dazu anhängige Widerspruchsverfahren solle das gleiche Schicksal teilen wie das vorliegende Verfahren.
Der Senat zollt dem Kläger in Anbetracht seiner nicht einfachen Kindheit großen Respekt vor seiner beruflichen Leistung. Höhere BAB für die Zeit vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006 ist ihm aber nicht zuzuerkennen. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, bei der Berechnung der BAB einen Freibetrag von 510,00 EUR bezüglich des Einkommens des Vaters des Klägers zu berücksichtigen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von BAB nach den §§ 59, 63 Abs. 1 Nr. 1 und 64 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 i. V. m. Satz 2 Nr. 1 SGB III in der Fassung von Art. 1 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes - AFRG vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594) sind unstreitig erfüllt. Die Ausbildung des Klägers zum Schornsteinfeger ist förderungsfähig, er ist Deutscher, hat das 18. Lebensjahr vollendet und wohnt außerhalb des Haushalts seiner Eltern.
Die Beklagte hat den Bedarf des Klägers gemäß § 65 Abs. 1 SGB III i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in der vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung des Ausbildungsförderungsreformgesetzes (AföRG) vom 19. März 2001 (BGBl. I Seite 930) für die Zeit vom 30. August 2004 bis 31. Januar 2005 zutreffend auf 506,20 EUR und für die Zeit vom 01. Februar 2005 bis 28. Februar 2006 zutreffend auf 570,20 EUR festgelegt. Es ergibt sich folgende Berechnung:
Zeitraum vom 30. August 2004 bis 31. Januar 2005
310,00 EUR Bedarf gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 BAföG
+ 133,00 EUR höherer Bedarf bei Wohnen außerhalb des elterlichen Haushalts gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG
+ 52,20 EUR Fahrtkosten gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III
+ 11,00 EUR Arbeitskleidung gemäß § 68 Abs. 3 SGB III
506,20 EUR Bedarf
Zeitraum vom 01. Februar 2005 bis 28. Februar 2006
310,00 EUR Bedarf gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 BAföG
+ 133,00 EUR höherer Bedarf bei Wohnen außerhalb des elterlichen Haushalts gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG
+ 64,00 EUR Erhöhungsbetrag gemäß § 13 Abs. 3 BAföG
+ 52,20 EUR Fahrtkosten gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III
+ 11,00 EUR Arbeitskleidung gemäß § 68 Abs. 3 SGB III
570,20 EUR Bedarf
Die Beklagte hat auch die Einkommensanrechnung gemäß § 71 SGB III i. V. m. den §§ 21 ff. BAföG zutreffend vorgenommen. Gemäß § 23 Abs. 3 BAföG ist die Ausbildungsvergütung aus einem Ausbildungsverhältnis voll anzurechnen. Es ergibt sich folgende Berechnung:
4 261,08 EUR Ausbildungsvergütung von 355,09 EUR monatlich x 12
+ 2 414,64 EUR Ausbildungsvergütung von 402,44 EUR monatlich x 6
6 675,72 EUR Zwischensumme
- 1 435,13 EUR Sozialpauschale (21,5 % von 6 675,00 EUR) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 20 Abs. 3 BAföG
5 240,59 EUR: 18 = 291,14 EUR monatlich
Auch das anzurechnende Einkommen des Vaters des Klägers hat die Beklagte - bis auf einen Zahlendreher - überwiegend zutreffend festgelegt. Es ergibt sich folgende Berechnung:
35 813,00 EUR Einkünfte entsprechend dem Einkommenssteuerbescheid für 2002
- 214,80 EUR vermögenswirksame Leistungen gemäß § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG i. V. m. Ziffer 21.4.8 a der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Berufsausbildungs- förderungsgesetz vom 15. Oktober 1991 (GMBl. Seite 770) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung vom 22. Juli 1999 (GMBl. Seite 459), errechnet 17,90 EUR monatlich x 12
35 598,20 EUR Zwischensumme
- 3 734,35 EUR (nicht 3 743,35 EUR) Steuern und Solidaritätszuschlag
31 863,85 EUR Zwischensumme
- 12 459,37 EUR Sozialpauschale gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG (35 % von 35 598,20 EUR)
19 404,48 EUR: 12 = 1 617,04 EUR monatliches Einkommen des Vaters
Von dem monatlichen Einkommen des Vaters hat die Beklagte auch zutreffend die Freibeträge abgesetzt. Es ergibt sich folgende Berechnung:
1 617,04 EUR monatliches Einkommen des Vaters
- 960,00 EUR Grundfreibetrag (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 BAföG)
- 435,00 EUR Freibetrag für ein weiteres Kind (§ 35 Abs. 3 Nr. 2 BAföG)
222,04 EUR zwischensumme
- 122,12 EUR anrechnungsfreier Betrag gemäß § 25 Abs. 4 Nr. 1 und 2 BAföG (55 % von 222,04 EUR)
99,92 EUR monatliches anzurechnendes Einkommen des Vaters
Die zu zahlende BAB ergibt sich wie folgt:
Zeitraum vom 30. August 2004 bis 31. Januar 2005:
506,20 EUR Bedarf
- 291,14 EUR anzurechnendes Einkommen des Klägers
- 99,92 EUR anzurechnendes Einkommen des Vaters
115,14 EUR aufgerundet (116,- EUR) monatlich
Zeitraum vom 01. Februar 2005 bis 28. Februar 2006
570,20 EUR Bedarf
- 291,14 EUR anzurechnendes Einkommen des Klägers
- 99,92 EUR anzurechnendes Einkommen des Vaters
178,94 EUR monatlich
Das Einkommen des Vaters hatte - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht etwa gemäß § 71 Abs. 5 SGB III außer Betracht zu bleiben.
Nach dieser Vorschrift bleibt Einkommen der Eltern außer Betracht, wenn ihr Aufenthaltsort nicht bekannt ist oder sie rechtlich oder tatsächlich gehindert sind, im Inland Unterhalt zu leisten (§ 71 Abs. 5 Satz 1 SGB III). Dass der Vater des Klägers rechtlich oder tatsächlich gehindert ist, dem Kläger nach den §§ 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 1610 BGB (angemessenen) Unterhalt zu leisten, ist nicht ersichtlich.
Nach Satz 2 der Vorschrift ist Einkommen ferner nicht anzurechnen, soweit ein Unterhaltsanspruch nicht besteht oder dieser verwirkt ist. Dass ein Unterhaltsanspruch des volljährigen Klägers gegenüber seinem Vater nicht besteht oder gar verwirkt ist, ist ebenso nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Aufnahme der Ausbildung zum Schornsteinfeger bereits 23 Jahre alt war, d. h. das Erwachsenenalter überschritten hatte, bedeutet nicht, dass ein Unterhaltsanspruch nicht besteht. Gemäß § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie grundsätzlich verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Gemäß § 1601 Abs. 1 BGB bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Letztere Vorschrift betrifft insbesondere den Erwachsenenunterhalt. Zwar hat ein Kind gemäß der seitens des Klägers zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 30. November 1998 (20 UF 55/98, zitiert nach juris) grundsätzlich nur einen Anspruch auf Finanzierung einer Ausbildung. Eine Pflicht der Eltern, eine Zweitausbildung oder Weiterbildung zu finanzieren, kann nur ausnahmsweise angenommen werden. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Seine erste Ausbildung zum Elektroinstallateur hat der Kläger 2001 abgebrochen und damit keine abgeschlossene Befähigung zur Berufsausübung erlangt. Mit der Aufnahme der Ausbildung zum Schornsteinfeger ab 01. August 2007 strebte er erst einen Berufsabschluss an, der ihn zur Ausübung eines Berufs befähigt und ihm einen Einstieg ins Berufsleben auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen sollte. Im Übrigen betrifft Satz 2 des § 71 Abs. 5 SGB III die Konstellationen, in denen die Berechnung nach dem SGB III zwar ein anzurechnendes Einkommen ergibt, von dem Unterhaltsverpflichteten jedoch belegt wird, dass z. B. durch Urteil entschieden ist, dass ein Unterhaltsanspruch nicht besteht (vgl. Bundestagsdrucksache 14/4731). Einen derartigen Titel hat der Kläger nicht vorgelegt.
Zusätzliche Freibeträge nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung des Job AQTIV Gesetzes vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I 3443) sind nicht zu berücksichtigen. § 71 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB III lauten:
"Für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen gelten § 11 Abs. 4 sowie die Vorschriften des Vierten Abschnitts des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend. Abweichend von § 23 Abs. 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bleiben 52,00 EUR der Ausbildungsvergütung und abweichend von § 25 Abs. 1 des Bundes-ausbildungsförderungsgesetzes zusätzlich 510,00 EUR anrechnungsfrei, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils möglich ist."
Der Senat geht - wie auch in seiner Entscheidung vom 10. Mai 2007 mit dem Az.: L 30 AL 1288/05, veröffentlicht in juris - davon aus, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III nur erfüllt sind, wenn der Auszubildende aufgrund der Tatsache, dass eine geeignete Ausbildungsstelle am Wohnort der Eltern nicht vermittelt werden kann, also aus Gründen, die in den Risikobereich der Beklagten fallen (z. B. Mangel an Ausbildungsplätzen), außerhalb des Haushalts der Eltern untergebracht werden muss (so auch Fuchsloch in Gagel, SGB III, § 71 Rn. 111). In der Entscheidung heißt es:
"Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Mit dieser sollten, wie sich aus der Bundestagsdrucksache 13/4941 zu § 71 (Seite 167) ergibt, nach dem Willen des Gesetzgebers aus arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Gründen im Wesentlichen die Regelungen des geltenden Anordnungsrechts zur Förderung der beruflichen Mobilität von Auszubildenden in der betrieblichen Berufsausbildung und zur stärkeren Ausschöpfung des regional unterschiedlichen Ausbildungsplatz-angebotes übernommen werden. Daraus ergibt sich, dass Zweck der Vorschrift sein soll, einen Anreiz zur Aufnahme einer Ausbildung in größerer Entfernung vom Elternhaus (Förderung der beruflichen Mobilität) bei schlechtem Ausbildungsangebot in der Region (Ausschöpfung des regional unterschiedlichen Ausbildungsplatzangebots) zu schaffen (so auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 19. April 2006, Az.: L 1 B 142/05 AL ER, juris -Ausdruck Rn. 37, 38).
Wie sich aus der zitierten Bundestagsdrucksache ergibt, wollte der Gesetzgeber das früher geltende Recht (§ 16 Abs. 4 der vom Verwaltungsrat der Beklagten erlassenen "Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung" A Ausbildung ) "im Wesentlichen" übernehmen. Zu der genannten Vorschrift hatte das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 28. November 1985 (Az.: 11 b/7 RAr 103/84 - dokumentiert in juris - weitere Fundstellen: SozR 4440 § 16 Nr. 4 sowie MDR 1986, 699) entschieden, dass, wenn die Ausbildung in generell geeigneter Weise überhaupt am Wohnort der Eltern erfolgen kann, der Gesamtfreibetrag nicht erhöht wird, selbst wenn eine auswärtige Unterbringung des Auszubildenden aus sonstigen Gründen geboten wäre. Die auswärtige Unterbringung muss aus Gründen erfolgen, die in den Risiko- und Aufgabenbereich der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt Bundesagentur für Arbeit) fallen."
Nach Auffassung des Senats ergibt sich daher aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: 1. muss die Ausbildung außerhalb des Tagespendelbereichs des Wohnorts der Eltern oder eines Elternteils notwendig sein, weil innerhalb des Tagespendelbereiches geeignete Ausbildungsstellen nicht zur Verfügung stehen; 2. muss die Aufnahme der zu fördernden Ausbildung kausal sein für den Auszug, da sonst der Zweck der Vorschrift, nämlich die Schaffung eines Anreizes zum Verlassen des elterlichen Haushalts, nicht erfüllt wird.
Da sich der Kläger an die für den Wohnort des Vaters zuständige Arbeitsagentur B mit dem Ansinnen der Vermittlung eines geeigneten Ausbildungsplatzes offenbar gar nicht gewandt hat, konnte von dort auch nicht in ein wohnortfernes Ausbildungsverhältnis vermittelt werden. Der Kläger hatte seinen Lebensmittelpunkt in B eingerichtet. Es ist insoweit durchaus nachvollziehbar, dass er von dort aus auf Ausbildungssuche gegangen ist und eben nicht eine Vermittlung in Ausbildung am Wohnort des Vaters in Angriff genommen hat. Seit Ende der achtziger Jahre bis zu seinem 21. Lebensjahr hat sich der Kläger in einer Pflegeeinrichtung aufgehalten und bereits zu diesem Zeitpunkt zu seiner Mutter keinen und zu seinem Vater nur noch alle vier Wochen an den Wochenenden Kontakt gehabt, wie er in der mündlichen Verhandlung vorträgt. Selbst wenn der Kläger nach seinem Auszug aus der Pflegeeinrichtung mit Eintritt des 21. Lebensjahres (1. Mai 2002) zunächst kurzfristig wieder zu seinem Vater nach S gezogen sein sollte, hatte er seinen Wohnsitz ausweislich der Meldebestätigungen zum 22. November 2002 in der E Sin B, Stadtteil und zum 20. April 2004 in der P Sin B, Stadtteil F, jeweils bei seinen Schwestern, angemeldet, folglich dort gewohnt. Seither ist er offensichtlich auch nicht mehr zum Wohnort seines Vaters zurückgekehrt. Denn nach der Wohnsitznahme in B war der Kläger zwischenzeitlich versicherungspflichtig beschäftigt, nämlich vom 16. Januar 2003 bis 20. Dezember 2003. Darüber hinaus verbrachte er die Zeit einer Arbeitslosigkeit vom 20. Januar 2004 bis 29. August 2004 offensichtlich in B.
Dem Vortrag des Klägers, das Gericht hätte von Amts wegen ermitteln müssen, ob in der Nähe der väterlichen Wohnung Ausbildungsplätze für den Beruf eines Schornsteinfegers zur Verfügung gestanden haben, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Denn selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass auch die für den Wohnsitz des Vaters örtlich zuständige Arbeitsagentur keine bzw. nur in eine wohnortferne Ausbildungsstätte hätte vermitteln können, fehlt es insoweit an dem Vorliegen der zweiten Voraussetzung für die Berücksichtigung der genannten Freibeträge. Diese Vermittlung wäre - wie auch das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - nicht kausal gewesen für die Wohnsitznahme des Klägers außerhalb der väterlichen Wohnung. Auch insoweit hätten nicht arbeitsmarktbezogene Gründe die auswärtige Unterbringung des Klägers bedingt, sondern allein dessen bereits im November 2002 vollzogener Umzug in eine eigene Wohnung. Der Zweck des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III, nämlich die Schaffung eines zusätzlichen Anreizes zum Verlassen des elterlichen Haushalts, um überhaupt eine Ausbildung zu ermöglichen, konnte gar nicht mehr erreicht werden. Selbst wenn er vor Ausbildungsbeginn noch an den Wochenenden bei seinem Vater gewohnt haben will, wie der Kläger schriftsätzlich vorträgt, hat er damit keine dauerhafte Rückkehr zur väterlichen Wohnung angestrebt, wie letztlich die Meldebescheinigungen bestätigen. Der zum maßgeblichen Zeitpunkt 23 jährige Kläger hatte sich folglich bereits seit geraumer Zeit aus dem Elternhaus bzw. der Wohnung des Vaters gelöst.
Auch die Berücksichtigung der Argumentation in dem von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in Bezug genommenen Urteil des 10. Senats des Landessozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2004 (Az.: L 10 AL 55/03), zitiert nach juris, ändert nichts an dem gefundenen Ergebnis. In dem dort entschiedenen Fall lagen besondere Umstände in der Person des Klägers vor (Möglichkeit der Gewährleistung des Erfolgs einer beruflichen Bildung nicht ohne gleichzeitige Stabilisierung der Persönlichkeit). Der 10. Senat des LSG Berlin hatte angenommen, dass es im Risikobereich der Beklagten liege, dass ein entsprechender Ausbildungsplatz für den Kläger, der diesem gleichzeitig Stabilisierung gewährleistete, am Wohnort der Eltern des dortigen Klägers nicht vorhanden war. Das LSG Berlin folgte damit der oben zitierten Rechtsprechung des BSG, eine Divergenz zwischen dem 10. Senat des LSG Berlin und dem erkennenden Senat in der vorliegenden Sache ist damit bezüglich der o. g. ersten Voraussetzung für die Berücksichtigung des Freibetrages nicht gegeben. Allerdings folgt der erkennende Senat dem 10. Senat des Landessozialgerichts Berlin insoweit nicht, als dieser angenommen hat, dass es nicht relevant sei, dass sich der dortige Kläger schon seit längerer Zeit vor Aufnahme der Ausbildung am Ort der Ausbildungsstelle aufgehalten hat. Entgegen der dort genannten Auffassung geht es bei § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III nicht um die Deckung des durch die auswärtige Unterbringung verursachten erhöhten Bedarfs. Dieser ist, wie oben bereits erläutert, bereits berücksichtigt worden (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG i. V. m. § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Zweck des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III ist die Schaffung eines zusätzlichen Anreizes zum Verlassen des elterlichen Haushalts, um überhaupt eine Ausbildung zu ermöglichen.
Ein Umzug des seit dem 22. November 2002 in B wohnhaften Klägers nach F aus Gründen der Aufnahme des Ausbildungsverhältnisses in E war im Übrigen auch nicht notwendig, da ein Pendeln zwischen der Wohnung in Berlin und der Ausbildungsstätte durchaus zumutbar gewesen wäre. Denn die Ausbildungsstätte in E befindet sich im Nahbereich (S Bahn Bereich) von B und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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