L 1 R 83/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 12 RA 159/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 83/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
AAÜG, fiktive Einbeziehung, betriebliche Voraussetzung, VEB Dienstleistungskombinat Weißenfels
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 22. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob zugunsten des Klägers Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) festzustellen sind.

Der 1939 geborene Kläger schloss am 15. Juli 1971 ein Studium als Ingenieur-Ökonom in der Fachrichtung Maschinenbau ab. Vom Mai 1966 bis einschließlich August 1968 gehörte er dem Sonderversorgungssystem der NVA an. Im Zeitraum vom Juli 1969 bis zum April 1975 war er beim VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung der Schuhindustrie, dem Rechtsnachfolger des Ingenieurbüros für Rationalisierung der VVB Schuhe W., als Rationalisierungsökonom und Rationalisierungsingenieur tätig. Vom April 1975 bis 30. Juni 1990 war er beim VEB (K) Dienstleistungskombinat Weißenfels bzw. nach Umbenennung im VE Dienstleistungsbetrieb Weißenfels beschäftigt. Eine Zusatzversorgungszusage erhielt er während des Bestehens der DDR nicht.

Mit Bescheid vom 27. März 2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 27. März 2000 auf Feststellung der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem mit der Begründung ab, die Beschäftigung im VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung und im VE Dienstleistungsbetrieb hätte zwar der technischen Qualifikation entsprochen, sei jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden. Am 18. April 2002 erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, die im VE Dienstleistungsbetrieb durchzuführenden Aufgaben hätten nur zum Teil in der Serviceleistung bestanden, die durch die komplexen Annahmestellen realisiert worden seien. Im Betrieb seien folgende Produktionsbereiche vorhanden gewesen: Abteilung Elektromontagen, Abteilung orthopädische Schuhproduktion, Abteilung Damenbekleidung und Jugendmodeboutique, Abteilung Projektierung sowie das WTZ (Wissenschaftlich Technisches Zentrum). Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Am 20. Februar 2003 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und ergänzend darauf verwiesen, die Aufgaben im VE Dienstleistungsbetrieb Weißenfels hätten hauptsächlich in produktionstechnischen Leistungen bestanden. Es seien Elektromontagen z. B. durch die Neuinstallation von elektronischen Anlagen in mittleren volkseigenen Betrieben beim Bau privater Eigenheime vorgenommen worden. Im Jahre 1975 sei die orthopädische Schuhproduktion angegliedert worden und im Jahre 1983 das WTZ. Auch sei der Betrieb Versorgungsgruppenleitbetrieb im Bezirk Halle sowie Leitbetrieb der Nutzergemeinschaft in der Republik für orthopädische Schuhherstellung und Mitglied der Versorgungsgruppen Elektromontagen gewesen. Der VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung der Schuhindustrie sei für die Projektierung von technologischen Projekten für die gesamte Schuhindustrie zuständig gewesen.

Das SG hat das Statut des VEB (St) Dienstleistungskombinat Weißenfels vom 20. April 1971 beigezogen. Außerdem hat es eine Auskunft des Bundesarchivs veranlasst, wonach der VE Dienstleistungsbetrieb Weißenfels der Wirtschaftsgruppe "Reparaturkombinate" zugeordnet wurde, und zudem eine Auskunft der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben vom 21. März 2005 eingeholt. Darüber hinaus hat das SG die Registerakte des VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung der Schuhindustrie Weißenfels vom Amtsgericht Halle-Saalkreis beigezogen.

Alsdann hat das SG mit Urteil vom 22. Dezember 2005 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung der Schuhindustrie Weißenfels und der VE Dienstleistungsbetrieb Weißenfels seien jeweils kein Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen. Der Hauptzweck des VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung habe nicht in der industriellen Sachgüterproduktion oder in der Massenproduktion von Bauwerken gelegen. Auch der VE Dienstleistungsbetrieb Weißenfels sei kein Produktionsbetrieb gewesen, zumal seine Hauptaufgabe in der Erbringung von Dienstleistungen auf kommunaler Basis bestanden habe.

Gegen das ihm am 24. Januar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Februar 2006 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, Hauptzweck des VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung der Schuhindustrie sei die industrielle Sachgüterproduktion gewesen. Gleiches gelte für den VEB (K) Dienstleistungskombinat Weißenfels, in dem verschiedenartige Konsumgüter hergestellt worden seien. Der Kläger ist der Ansicht, der Anwendungsbereich des AAÜG sei aufgrund seiner Einbeziehung in das Sonderversorgungssystem der NVA eröffnet. Von daher sei auch nicht zwingend auf die Sachlage am 30. Juni 1990 abzustellen und könne vielmehr auch der vorherige Zeitraum mit in die Prüfung einbezogen werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 22. Dezember 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 15. Juli 1971 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem mit den während dieses Zeitraums erzielten Arbeitsentgelten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Mit Schriftsätzen vom 16. März 2006 und 11. April 2006 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf deren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die das Begehren des Klägers ablehnenden Bescheide der Beklagten und das sie bestätigende Urteil des SG sind rechtmäßig und nicht zu beanstanden, so dass der Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert ist.

Der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG, in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I S. 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz – AVItech (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte. 1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, zitiert nach Juris, Rdnr. 19).

Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.

Der Senat schließt sich nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG an, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (nachfolgend 2.). Im Ergebnis kommt es darauf aber nicht an, da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen hier nicht vorliegen (nachfolgend 3.).

2. Der Senat ist zum Einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potentiell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber: BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O.). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme (erweiternde) Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum Anderen ist der Senat der Ansicht, dass – wenn die Ansicht des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist – zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das BSG wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde, über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Auslegung vornehmen dürfen, sondern durch Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eine konkrete Normenkontrolle veranlassen müssen. Denn die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R –, zitiert nach Juris, Rdnr. 19). Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie fehlt es – wie noch auszuführen sein wird – an der erforderlichen Regelungslücke.

a) In den Gesetzesmaterialien finden sich keine Hinweise dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BT-Drs. 12/405, S. 113, 146; BT-Drs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BT-Drs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dort dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BT-Drs. 12/405, S. 113). Jedoch ist aus der weiteren Gesetzesbegründung ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelfallprüfung und der Kostenerstattungen durch den Bund beziehen (a.a.O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Zur Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (a.a.O., S. 146).

Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlauf von § 1 Abs. 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a.a.O., S. 12), den Terminus "Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BT-Drs. 12/826, S. 21).

Der Gesetzgeber ging auch – soweit erkennbar – nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Personengruppen eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BT-Drs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BT-Drs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BT-Drs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.

b) Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 12).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 – u. a., dokumentiert in Juris, Rdnr. 36).

Hier ist für den Senat bereits nicht nachvollziehbar, wieso das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a. a. O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 –, dokumentiert in Juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990, jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten. Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a. a. O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BT-Drs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einen Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

Aus diesen Gründen liegt auch keine Gesetzeslücke vor, die möglicherweise im Wege der Analogie zu schließen gewesen wäre.

Das AAÜG ist aus Sicht des Senats auch nicht deshalb auf den Kläger anwendbar, weil im Zeitraum vom 01. Mai 1966 bis einschließlich August 1968 eine Zuordnung zum Sonderversorgungssystem der ehemaligen NVA bestand. Eine Bindungswirkung hinsichtlich weiterer Zeiträume besteht für den Senat nicht, zumal es sich bei der AVItech um ein völlig anderes Versorgungssystem als die Sonderversorgung der ehemaligen NVA handelt. Zudem ist hier auch nicht die Frage im Streit, ob der Anwendungsbereich des AAÜG grundsätzlich eröffnet ist, sondern ob für bestimmte Beschäftigungszeiträume Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem mit den entsprechenden Entgelten festzustellen sind. Dies hat der Senat auf der Grundlage seines Rechtsstandpunktes zu prüfen, wonach für derartige Feststellungen eine entsprechende Versorgungszusage notwendig ist.

3.

Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für (1.) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und (2.) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar (3.) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 AAÜG keinen Anspruch auf die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 15. Juli 1971 bis 30. Juni 1990, da er während dieser Zeit die betrieblichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem nicht erfüllte. Eine Versorgungsanwartschaft konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (oder in einem gleichgestellten Betrieb) erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 5, S. 30). Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nur solche Betriebe, die auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sind und denen die Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gegeben hat (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 47; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R –, dokumentiert in Juris). Inwieweit die Massenproduktion von Sachgütern dem jeweiligen VEB das Gepräge gegeben hat, kann allein aufgrund der konkreten tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen VEB beurteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R –; BSG, Urteil vom 06. Mai 2004 – B 4 RA 44/03 R –).

Der VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung der Schuhindustrie war kein Produktionsbetrieb der Industrie, denn diesem Betrieb hat die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern nicht das Gepräge gegeben. Ausweislich des Statuts des Ingenieurbüros für Rationalisierung der VVB Schuhe vom 03. Dezember 1968 lag die Hauptaufgabe des Betriebes nicht in der industriellen Fabrikation von Sachgütern, sondern vielmehr in der dieser Tätigkeit vorgelagerten Planung, Organisation und Rationalisierung des Produktionsablaufes. Gemäß § 2 des Statuts umfassten die Aufgaben des Ingenieurbüros insbesondere die Betriebs- und Verwaltungsorganisation, die Planung der technischen Vorbereitung und Produktionsdurchführung sowie die konstruktive und technologische Vorbereitung, wobei das Ziel dieser Tätigkeit des Ingenieurbüros gemäß § 3 des Statuts in einer rationellen Nutzung der vorhandenen Produktionsfonds lag. Der sich aus dem Statut ergebende Betriebszweck veränderte sich auch nicht durch die Umbenennung des Betriebes in "VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung der Schuhindustrie", da das Statut des Betriebes in der Folgezeit keine Änderung erfahren hat. Auch die Einordnung des Betriebes im Statistischen Betriebsregister der DDR spricht dagegen, dass es sich beim Beschäftigungsbetrieb um einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens handelte. Denn der VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung der Schuhindustrie wurde bis zum 31. Dezember 1980 in der Wirtschaftsgruppe 62280 und damit als Ingenieurbüro für Rationalisierung geführt. Damit erfolgte gerade keine Zuordnung in eine für einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens vorgesehene Wirtschaftsgruppe.

Der VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung der Schuhindustrie war auch kein Produktionsbetrieb des Bauwesens. Im Bereich des Bauwesens erfasst der Begriff des Produktionsbetriebes nur solche Betriebe, deren Hauptzweck in der Massenproduktion von Bauwerken liegt, die dabei standardisierte Produkte massenhaft ausstoßen und eine komplette Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand haben (BSG, Urteil vom 08. Juni 2004 – B 4 RA 57/03 R –, zitiert nach Juris). Die planende und vorbereitende Tätigkeit des Ingenieurbüros war ersichtlich nicht auf die massenhafte Fertigung von gleichartigen Bauwerken ausgerichtet, ohne dass es hierzu weiterer Ausführungen bedarf.

Der VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung der Schuhindustrie war auch kein gleichgestelltes Konstruktionsbüro nach § 1 der 2. DB. Ob ein Konstruktionsbüro vorliegt, ist nach dem rechtlichen und hilfsweise allgemeinen Sprachgebrauch der DDR zu bestimmen. Eine Legaldefinition dieses Begriffs ist im Recht der DDR nicht bekannt (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08. September 2004 – L 4 RA 45/03 -). Erkennbar ist allerdings, dass das Konstruktionsbüro in verschiedenen Vorschriften einem Projektierungsbüro gegenübergestellt und insoweit sprachlich unterschieden wird (GBl. 1951, S. 1138; GBl. II 1956, S. 378; GBl. I 1959, S. 71). In dem Ökonomischen Lexikon der DDR (Verlag "Die Wirtschaft", Berlin) wird als Konstruktionsbüro eine Einrichtung bezeichnet, die die Aufgabe hat, im Prozess der technischen Vorbereitung der Produktion die konstruktive Gestaltung der Erzeugnisse auszuarbeiten, die Konstruktionszeichnungen anzufertigen, die Materialstücklisten aufzustellen und die Funktion der Neukonstruktion zu erproben. Der Hauptzweck des VEB Ingenieurbüro für Rationalisierung der Schuhindustrie war ersichtlich nicht auf die Erfüllung dieser Aufgaben gerichtet, weshalb es sich beim Beschäftigungsbetrieb des Klägers nicht um ein Konstruktionsbüro handelte. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Urteil des SG vom 22. Dezember 2005 Bezug genommen.

Der VEB (K) Dienstleistungskombinat Weißenfels war ebenfalls kein Produktionsbetrieb der Industrie, denn diesem Betrieb hat die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern nicht das Gepräge gegeben. Ausweislich des Statuts des VEB (K) Dienstleistungskombinat Weißenfels vom 20. April 1971 lag die Hauptaufgabe des Betriebes in der Ausführung von Reparaturen und Dienstleistungen. Dagegen finden sich im Statut keinerlei Hinweise darauf, dass die industrielle Massenproduktion von Sachgütern die Hauptaufgabe des VEB (K) Dienstleistungskombinat Weißenfels gewesen ist und ihm deshalb das Gepräge gegeben hat. Die Einordnung des Betriebes in die Beschäftigungsgruppe 66610 (Reparaturkombinate) des Statistischen Betriebsregisters spricht ebenfalls dafür, dass die Ausführung von Dienstleistungen und nicht die industrielle Massenproduktion die Hauptaufgabe dieses Betriebes gewesen ist. Dieses Ergebnis wird durch das Konzept des Nachfolgebetriebes – der Service GmbH i. G. – bestätigt, wonach es die Hauptaufgabe des Vorgängerbetriebes gewesen war, der Bevölkerung Dienstleistungen aller Art auf kommunaler Basis anzubieten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.
Rechtskraft
Aus
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