Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 39 KA 938/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 27/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Erfassung von Praxisbesonderheiten einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis Anästhesist/Hausärztin bei gemischt hausärztlich-typischer und anästhesiologischer Tätigkeit der Hausärztin im Rahmen einer Durchschnittswertprüfung der Sonderleistungen.
I. Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. November 2007 sowie die Bescheide des Beschwerdeausschusses vom 1. August 2007 zu den Quartalen 2/04 bis 2/05 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts über den Widerspruch der Kläger erneut zu entscheiden.
II. Die Kosten beider Rechtszüge trägt der Beklagte zu drei Viertel, die Klägerin zu einem Viertel.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen in der Leistungsgruppe der Sonderleistungen nach Durchschnittswertprüfung (Quartale 2/04 bis 2/05).
Die Klägerin zu 2. ist zugelassene Ärztin ohne Gebietsbezeichnung. Sie nimmt am hausärztlichen Versorgungsbereich teil. Sie ist weitergebildete Anästhesistin. Der Kläger zu 1. ist als Anästhesist zugelassen. Die Kläger üben ihre vertragsärztliche Tätigkeit in Gemeinschaftspraxis aus.
Sie behandelten im 2. Quartal 2004 1.206 Patienten kurativ (713 Originalfälle, 291 Überweisungsfälle, 37 Vertreterfälle, 165 Notfälle). Die Hausarztpauschale wurde in 1.013 Fällen bezahlt. In der Leistungsgruppe Sonderleistungen (= LG 08) wurden rund 1,26 Millionen Punkte angefordert. Im Vergleich zur Gruppe der Allgemeinärzte Bayerns bedeutet dies eine Überschreitung von 717,9 % (gewichtet).
Ca. 475.000 Punkte des Leistungsvolumens der Sonderleistungen entfallen auf Leistungen des Kapitels D I. (Anästhesien zur Schmerztherapie). Zu nennen sind hier insbesondere die GOP 418 EBM (Infusion verschreibungspflichtiger Analgetika; 93.000 P.), und die GOP 443 EBM (Plexusanalgesie; 214.000 P.). Es zeigen sich gravierende Überschreitungen, die jedoch deshalb zu relativieren sind, weil nur wenige Vergleichsgruppenangehörige mindestens einmal diese Positionen in Ansatz gebracht haben (GOP 418 EBM: + 1.476 % Überschreitung, Ansatz in der Vergleichsgruppe 1,04 %; GOP 443 EBM: Überschreitung + 413 %; Ansatz bei 0,35 % der Vergleichsgruppe).
Weitere 663.000 Punkte entfallen auf Leistungen des Kapitels D II. (Anästhesien/Narko-sen bei operativen Eingriffen). Zu erwähnen sind hier die GOP 462 EBM (Plexusanästhesie; 116.000 Punkte; Überschreitung + 190 %; Ansatzhäufigkeit Vergleichsgruppe 0,49 %), die GOP 463 EBM (Fortsetzungsziffer zu GOP 462; 360.000 Punkte; Überschreitung + 434 %; Ansatzhäufigkeit 0,29 %) sowie die GOP 496 EBM (kontinuierliche Überwachung der Vitalfunktionen während eines Eingriffs; 125.000 Punkte; + 43 % Überschreitung, Ansatzhäufigkeit 0,08%).
Auf die Prüfempfehlungen der Kassenverbände und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns vom 8. November 2004 wurden die Kläger gehört. Sie wiesen darauf hin, dass die statistische Überschreitung zum einen auf Grund des Ansatzes ambulanter Anästhesien erfolge, die per Überweisung von operierenden Kollegen aufgetragen würden. Weitere Überschreitungen der Ziffern 415 bis 450 EBM resultierten aus dem speziellen Patientengut der Schmerztherapie bei etwa 200 chronifizierten Patienten. Alle Verfahren seien dokumentiert und könnten vorgelegt werden.
Mit Bescheid vom 7. Juni 2005 kürzte der Prüfungsausschuss Ärzte Bayern das Honorar in der LG 08 um 50 %. Ausgangspunkt war die Überschreitung gegenüber der Leistungsgruppe der Allgemeinärzte. Nur hilfsweise bildete der Prüfungsausschuss einen Spezialvergleich, in dem er die Differenz der Praxisfallzahl und der Fallzahl an bezahlten Hausarztpauschalen als sog. Anästhesiefälle markierte und insoweit (= 193 Patienten) einen auf 1.547,6 Punkte erhöhten Anästhesistenfallwert zu Grunde legte. Trotz des Überschreitungsrückgangs auf + 186,33 % bestehe weiterhin ein offensichtliches Missverhältnis. Der Ausschuss kehrte dann wieder zum Vergleich mit den Allgemeinärzten zurück und beendet die Prüfung auf dieser Grundlage.
Die Kläger brachten im Widerspruchsverfahren vor, dass die vom Ausschuss errechneten Fallzahlen der Patientengruppierungen nicht korrekt seien. Gemäß den erbrachten Leistungen habe man 129 Schmerzpatienten, 213 Anästhesiepatienten und 903 allgemeine Patienten behandelt. Bei 713 Patienten sei die Praxisgebühr eingefordert worden. Somit seien 213 Narkosen nicht berücksichtigt. Diese seien im Auftrag operierender Kollegen durchgeführt worden.
Am 4. Oktober 2006 kam es zu einem Verhandlungstermin vor dem Beschwerdeausschuss. Ausweislich der Sitzungsniederschrift trug die Klägerin zu 2. vor, dass sie nicht wisse, wie sie sich verhalten solle, da die Patienten von den Krankenkassen in ihre Praxis auf Grund ihres Leistungsspektrums gesandt würden. Offensichtlich wurde auch die Abrechnungshäufigkeit des Anästhesiezuschlags der GOP 463 EBM-Ä erörtert. Denn die Ärztin wies darauf hin, dass die Zeitdauer der Anästhesie nicht kontrollierbar sei und nicht beeinflusst werden könne. Ausweislich des Protokolls vertagte der Beschwerdeausschuss die Sitzung im Hinblick auf die Nachreichung von Unterlagen durch die Klägerin und deren Entgegennahme durch den Beklagten.
Mit Bescheid vom 1. August 2007 (Sitzung vom 13. Juni 2007) ermäßigte der Beschwerdeausschuss Ärzte Bayern Kammer Oberbayern die Kürzung in der LG 08 auf 40 %. Grundlage des statistischen Vergleiches des Beschwerdeausschusses war nun nicht mehr die Gruppe der Allgemeinärzte Bayern, sondern ein allgemeinärztlich - anästhesistischer Spezialvergleich anhand von Fallzahlanteilen der Praxis. Diese wurden, wie schon durch den Prüfungsausschuss, dadurch bestimmt, dass von der Gesamtfallzahl der Praxis (1.216 Patienten) die Zahl der Hausarztpauschalen (1.013 Fälle) in Abzug gebracht wurden. Die verbleibenden 193 Patienten wurden als anästhesiologische Patienten eingestuft und insoweit ein Anästhesiepatientenfallwert von 1.547,6 Punkten in Ansatz gebracht. Bei den 1.013 Patienten, für die Hausarztpauschalen bezahlt wurden, verblieb es beim Arztgruppendurchschnitt der Allgemeinärzte (138,8 Punkte je Fall). Dadurch kam es zu einer Reduktion der Überschreitung auf 186,33 %. Auf Grund dessen wurde ein offensichtliches Missverhältnis festgestellt. Praxisbesonderheiten seien nicht erkennbar und nur in Gestalt einer Abweichung des Patientengutes vorgetragen. Die Besonderheiten der fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis seien durch den manuell erstellten Spezialvergleich berücksichtigt. Es seien Behandlungsscheine beispielhaft geprüft worden. Erkennbar sei, dass die hausärztlich bedingten Sonderleistungen deutlich überschritten würden. Im Falle einer 50 %tigen Kürzung ergebe sich eine Restüberschreitung von 43 %, die gerade noch im offensichtlichen Missverhältnis liege. Auf Grund der Praxisausrichtung setze der Beschwerdeausschuss das offensichtliche Missverhältnis jedoch höher an. Durch die nach 40 %tiger Kürzung verbleibende Restüberschreitung im Spezialvergleich von ca. 71 % würden die Besonderheiten der Praxis (fachübergreifende Gemeinschaftspraxis) ausreichend berücksichtigt. Weitere Besonderheiten seien von den Ärzten nicht differenziert dargestellt worden (Kürzungsbetrag 12.255,95 EUR – L 12 KA 27/08).
Im Wesentlichen gleiche Kürzungsentscheidungen wurden in der gleichen Sitzung auch zu den Folgequartalen erlassen (alle Bescheide vom 1. August 2007):
Im 3. Quartal 2004 kam es zu einer 40 %tigen Honorarkürzung der Sonderleistungen. Überschreitung nach allgemeinärztlich - anästhesiologischem Spezialvergleich + 169 % (173 Anästhesiepatienten, 995 Allgemeinpatienten; Restüberschreitung 62 %). Durch die Restüberschreitung seien die Besonderheiten der Praxis ausreichend berücksichtigt worden (Kürzungsbetrag 19.180,15 EUR – L 12 KA 51/08).
Im 4. Quartal 2004 kam es zu einer 55 %tigen Honorarkürzung bei den Sonderleistungen. Die Überschreitung im Spezialvergleich errechnete sich mit 197 %, wobei 1.054 Allgemeinpatienten und 173 Anästhesiepatienten ermittelt worden waren. Durch die Restüberschreitung von 65 % seien die Besonderheiten der Praxis ausreichend gewürdigt (Kürzungsbetrag 26.772,77 EUR – L 12 KA 52/08).
Quartal 1/05: 15 % Kürzung in LG 08; Überschreitung Spezialvergleich 89,6 %; Restüberschreitung 62 % (Kürzungsbetrag 7.708,09 EUR – L 12 KA 53/08).
Auch im 2. Quartal 2005, in dem erstmals der neue Einheitliche Bewertungsmaßstab 2000 Plus galt, kürzte der Beschwerdeausschuss das Sonderleistungshonorar um 40 % (Bescheid ebenfalls vom 1. August 2007 auf Grund der Sitzung vom 13. Juni 2007). Statistisch zeigt sich das gleiche Leistungsbild der Praxis, wobei die Leistungen unter veränderter Leistungsnummerierung abgerechnet werden (771 Originalfälle, 195 Überweisungsfälle, 28 Vertreterfälle, 97 Notfälle). Bereits im Vorquartal zeichnete sich ein Rückgang der Originalfälle bzw. der Zahl der angesetzten Hausarztpauschalen ab. Bei Ansatz von 769 Allgemeinpatienten und 322 Anästhesiepatienten im Rahmen des Spezialvergleichs ergab sich eine Überschreitung von 174,85 %. Das Leistungsvolumen in der Leistungsgruppe 08 stieg auf 1,47 Millionen Punkte. Erstmals wurde die Leistung der pre-anästhesiologischen Untersuchung bei einer ambulanten und belegärztlichen Operation (Abschnittes 31.2, GOP 05310 EBMÄ) abgerechnet. Das Volumen anästhesiologischer Leistungen betrug rund 600.000 Punkte, dasjenige der Schmerztherapieleistungen ca. 539.000 Punkte.
Gegen die Entscheidungen der Beklagten haben die Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben. Sie tragen vor, dass die Behandlungsscheine durch den Ausschuss nicht wirklich überprüft worden seien. Man habe alle Narkoseprotokolle, Chronifizierungsprotokolle, Schmerztherapieberichte vorgelegt. Damit habe sich der Ausschuss nicht beschäftigt. Man habe die Unterlagen als "Papierkram" bezeichnet. Auch der Spezialvergleich werde so, wie er durchgeführt worden sei, den Praxisverhältnissen nicht gerecht.
Das Sozialgericht wies nach Verbindung der Streitsachen mit Urteil vom 29. November 2007 die Klagen ab. In den Gründen wird auf die Gründe der Beschwerdeausschussentscheidungen Bezug genommen, die die Kammer als zutreffend bezeichnet hat (§ 136 Abs.3 SGG).
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger zum Bayerischen Landessozialgericht. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin zu 2. sich als Ärztin ohne Gebietsbezeichnung niedergelassen habe, um sowohl auf ihrem Fachgebiet der Schmerztherapie und Narkose als auch ergänzend als Allgemeinmedizinerin Leistungen anzubieten. Der Kläger zu 1. erbrächte nur ambulante Anästhesieleistungen sowie Schmerztherapieleistungen und sei nicht allgemeinmedizinisch tätig. Angesichts der Fallwertrelationen liege, selbst wenn man nur 193 Anästhesiepatienten zu Grunde legen würde, aufgrund des zehnfach höheren Fallwertes der Schwerpunkt der Abrechnung auf anästhesiologischem Gebiet. Deshalb sei die Vergleichsgruppe der Anästhesisten zu wählen. Ihren ursprünglichen auf Aufhebung sämtlicher Prüfungs- und Beschwerdeausschussbescheide gerichteten Antrag haben die Kläger zuletzt nicht mehr aufrechterhalten.
Die Kläger beantragen, das Ersturteil vom 29. November 2007 und die Bescheide des Beschwerdeausschusses vom 1. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zur Neuverbescheidung zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 2. und 6. beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die weiteren Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, der beigezogenen Streitakte des Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung erweist sich im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Verpflichtung zur Neubescheidung gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts als begründet, da sich die angefochtenen Entscheidungen als beurteilungsfehlerhaft darstellen. Aus diesem Grunde war das Urteil des Sozialgerichts vom 29. November 2007 aufzuheben.
Rechtsgrundlage für die vom Beklagten angewandte Form der arztbezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung der Behandlungsweise nach Durchschnittswerten ist § 106 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2180), konkretisiert durch § 47 Bundesmantelvertrag Ärzte-Primär-kassen vom 19. Dezember 1994 sowie § 43 Bundesmantelvertrag Ärzte-Ersatzkassen vom 07.06.1994 sowie die gesamtvertragliche Prüfvereinbarung vom 15. November 2000 nebst der Umsetzungsvereinbarung vom 27. Januar 2004.
Die arztbezogene Prüfung nach Durchschnittswerten basiert auf einer Gegenüberstellung der durchschnittlichen Fallkosten des geprüften Arztes einerseits und einer Gruppe vergleichbarer Ärzte andererseits. Eine Unwirtschaftlichkeit ist anzunehmen, wenn der Fallwert des geprüften Arztes so erheblich über dem Vergleichsgruppendurchschnitt liegt, dass sich die Mehrkosten nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und in Behandlungsnotwendigkeiten erklären lasen und deshalb zuverlässig auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise als Ursache der erhöhten Aufwendungen geschlossen werden kann. Die statistische Vergleichsprüfung beruht – unter der Voraussetzung ausreichender Vergleichbarkeit – auf der Annahme, dass die Ärzte der herangezogenen Vergleichsgruppe sich wirtschaftlich verhalten haben, d.h. sowohl den nötigen und erforderlichen Behandlungsumfang nicht unterschritten, andererseits jedoch keinen höheren als den notwendigen und angemessenen Behandlungsaufwand veranlassten. Wird eine Überschreitung des Gruppendurchschnitts in einem offensichtlichen Missverständnis festgestellt, bei dessen Festlegung die Praxisstruktur und die üblichen statistischen Zufälligkeiten bereits zu berücksichtigen sind, so begründet dies den Anschein der Unwirtschaftlichkeit, der durch den Nachweis des Vorliegens von Praxisbesonderheiten oder kausalen Einsparungen entkräftet werden muss, um die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit auszuräumen. Eine Erschütterung der Beweisvermutung reicht nicht aus. Kann der Beweis von Besonderheiten/Einsparungen nicht erbracht werden, trägt der geprüfte Arzt die Folgen der Nichterweislichkeit mit der Folge, dass sich die Beweisvermutung zum Beweis der Unwirtschaftlichkeit verdichtet. Praxisbesonderheiten und Einsparungen sind wiederum bei der Beurteilung der Schwelle des offensichtlichen Missverhältnisses zu berücksichtigen, indem der Fallwert des Arztes um die anerkannten Praxisbesonderheiten und kausalen Einsparungen zu bereinigen ist, um dann zu prüfen, ob (nach wie vor) ein offensichtliches Missverhältnis festgestellt werden kann. Ist dies der Fall, folgen die Feststellung des unwirtschaftlichen Mehraufwands und die Maßnahmenentscheidung (BSG vom 09.03.1994, 6 RKa 9/92, KSK 94121; BSG vom 21.06.1995, 6 RKa 35/94, NZS 1996, 583).
Bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes der "Wirtschaftlichkeit" im Allgemeinen, damit bei der Anwendung des statistischen Vergleichs, der Feststellung des offensichtlichen Missverhältnisses und bei der Frage des Vorliegens von Einsparungen/Besonderheiten im Besonderen kommt den Prüfungsgremien, die ihre Aufgabe im Rahmen gemeinsamer Selbstverwaltung wahrnehmen, ein gewisser Einschätzungsspielraum zu, der von den Sozialgerichten nur in beschränktem Umfang überprüfbar ist. Eine gerichtliche Überprüfung der Beurteilung des Beklagten beschränkt sich darauf, ob Fehler bei der Abwägungsentscheidung selbst vorliegen, etwa ob der Beurteilung ein richtig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, der Beklagte die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes sich ergebenden Grenzen eingehalten hat und ob er die Erwägungen, die zur Entscheidung geführt haben, so verdeutlicht und begründet hat, dass im Einzelfall die Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl. BSG USK 85190; BSG SozR 2200 § 368n Nrn. 31, 36, 42 und 54). Im Übrigen ist eine Kontrolle der Beurteilung nur möglich, wenn das Ergebnis außerhalb eines Bereiches "ungefährer Richtigkeit" liegt.
Die Prüfungsgremien sind dabei nach § 20 SGB X verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Die Pflicht zur Ermittlung kann nur so weit gehen, wie ihnen Sachverhaltsumstände bekannt oder erkennbar sind, die eine Ermittlung naheliegend erscheinen lassen und diese Ermittlung möglich ist. In diesem Rahmen kommt der Mitwirkungspflicht des Arztes eine besondere Bedeutung zu. Er ist verpflichtet, alle Umstände und Tatsachen, die in seinem Rechtskreis liegen, wie die Umstände der Praxis und die Zusammensetzung des Patientengutes, substanziiert vorzubringen. Denn die zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten der Prüfgremien enden dort, wo Tatsachen beurteilungsrelevant werden, die mit den von außen nicht erkennbaren, individuellen Praxisumständen des Arztes verknüpft sind, soweit diese nicht ausnahmsweise aufgrund statistischen Materials oder anderweitig erkennbar sind. Im Ergebnis handelt es sich um eine individuelle Prüfung, wobei ein statistisches Element als Aufgreifkriterium dient.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist es nicht zu beanstanden, wenn Ausgangspunkt einer Auffälligkeitsprüfung nach Durchschnittswerten die Arztgruppe 800/1 (hausärztliche Allgemeinärzte/ Internisten, prakt. Ärzte) ist. Denn nach § 11 der Prüfvereinbarung in Verbindung mit ihrer Nr. 3 Anlage 4 werden fachübergreifende Gemeinschaftspraxen derjenigen Vergleichsgruppe zugeordnet, die ihrer überwiegenden Tätigkeit entspricht. Angesichts der Zulassung der Klägerin als Ärztin ohne Gebietsbezeichnung und ihrer Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung und dem Umstand, dass die überwiegende Mehrheit der Patienten, ablesbar an der Zuerkennung der Hausarztpauschale von der Hausärztin betreut bzw. mitbetreut wird, sowie verbunden mit dem Umstand, dass Leistungen des Kapitels DI. und D II. EBMÄ auch hausärztliche Leistungen sein können, ist die Anknüpfung an die Vergleichsgruppe 800/1 (Allgemeinärzte und praktische Ärzte hausärztlich tätig) nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung, ob ein verfeinerter Vergleich durchgeführt wird, obliegt dem Beurteilungsspielraum der Prüfinstanzen (BSG, Urteil vom 8. Mai 1996 SozR 3-2500 § 106 Nr. 36). Entschließt sich der Beklagte, diese Vergleichsgruppe als Prüfungsgrundlage zu wählen, muss die intellektuelle Prüfung in Gestalt der Erkennung und Bewertung von Praxisbesonderheiten und eventuellen kausalen Einsparungen auf dieser Grundlage, mithin bezogen auf eine typische hausärztliche Praxis erfolgen.
Gleichwohl hat hier der Beklagte zur Erfassung der Besonderheiten der Gemeinschaftspraxis gegenüber einer durchschnittlichen Hausarzt(gemeinschafts)praxis einen Spezialvergleich gewählt, mit dem offensichtlich versucht worden ist, anhand vorhandener statistischer Kriterien die nicht hausärztlich betreuten Fälle (des Klägers zu 1.) von den Hausarztfällen der Klägerin zu 2. zu trennen. Als Differenzierungsgesichtspunkt hat der Beklagte die Zahl der abgerechneten Hausarztpauschalen angesetzt. Dies ist jedenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere war der Beklagte entgegen der klägerischen Ansicht nicht verpflichtet, an die Überweisungsfallzahl als Maß der Anästhesiefälle bzw. der nicht typischen Hausarztfälle anzuknüpfen.
In der Tat sind damit die Besonderheiten derjenigen Patienten, für die keine Hausarztpauschale gewährt worden ist, und der für diese als wirtschaftlich anzuerkennende Mehraufwand als erfasst und abgegolten anzusehen. Soweit hingegen seitens der geprüften Ärzte dargelegt oder seitens des Beschwerdeausschusses erkennbar ist, dass die mehraufwandsbedingenden Besonderheiten des Patientenklientels durch den Spezialvergleich nur zum Teil erfasst sind, weil darüber hinaus eine mehraufwandbedingende Patientengruppe betreut worden ist, muss insoweit der zusätzlich anzuerkennende Mehraufwand im Rahmen der intellektuellen Prüfung und Bewertung von Praxisbesonderheiten erfolgen.
Die Durchsicht der Abrechnungsstatistik sowie die Praxisstruktur gibt zur Prüfung Anlass, ob der Spezialvergleich allein die vorhandenen Praxisbesonderheiten in ausreichendem Umfang berücksichtigt haben. Denn dieser kann allenfalls für sich in Anspruch nehmen, die allein durch den Nichthausarzt und Kläger zu 1. behandelten Patienten von den durch die Hausärztin und Klägerin zu 2. behandelten Versicherten getrennt zu haben, um dann die durch den Anästhesisten versorgten Patienten mit einem entsprechenden Anästhesiepatientenfallwert zu bewerten. Da die Hausarztpauschale weder bezahlt werden darf in Fällen, in denen allein der Kläger zu 1. die Behandlung im Quartal übernommen hatte, noch in Fällen, in denen (auch) durch die Klägerin zu 2. ausschließlich Auftragsleistungen, Vertreterleistungen, Notfallbehandlungen erbracht wurden, nimmt der Ausschuss einerseits in Kauf, dass unter die auf Grund Nichtleistung der Hausarztpauschale dem Kläger zu 1. zugerechneten Patienten sich auch hausärztliche Vertretungsfälle und Notfallbehandlungsfälle befinden.
Auf der anderen Seite berücksichtigt der Spezialvergleich zu Ungunsten der Kläger nicht die evtl. von beiden Ärzten behandelten Versicherten, für die aufgrund der Behandlungstätigkeit der Klägerin zu 2. die Hausarztpauschale (Originalfälle) ausgelöst worden ist. Er berücksichtigt ferner nicht evtl. Patienten, in denen - für frühere "typische" Hausarzttätigkeit im Quartal- die Klägerin zu 2. eine Hausarztpauschale zugestanden bekommen hat, obwohl Schmerztherapieleistungen (die nach den Schilderungen der Kläger durch die Hausärztin als Originalfälle behandelt werden) oder aufgrund Überweisung Operationsanästhesien erbracht wurden. Beispielsweise mag sich ein Patient wegen Magenbeschwerden zur Klägerin zu 2. begeben haben (Hausarztpauschale). Der weitere Kontakt kam (ohne Überweisung) zur Erbringung von Schmerztherapieleistungen oder mit Überweisung zur Erbringung von Operationsanästhesieleistungen zu Stande. Diese sog. Mischfälle vermag der Spezialvergleich auf Grund der gewählten statistischen Kriterien nicht zu erfassen. Aber selbst bei anderer statistischer Anknüpfung, zu der der Beklagte keineswegs verpflichtet ist und die große Unwägbarkeiten auch aufgrund künstlicher Steuerungsmöglichkeiten mit sich bringt, in Gestalt einer Anknüpfung an die Zahl der Überweisungsfälle (290 Mitbehandlungen, ein Zielauftrag), werden Mischfälle (Anästhesieleistungen + Hausarztleistungen) möglicherweise überberücksichtigt und überweisungslose Anästhesieleistungen der Klägerin zu 2. (Schmerztherapie) bzw. Direktkonsultationen des Klägers zu 1. nicht befriedigend erfasst.
Durch den Spezialvergleich sind mithin erfasst die Patienten, in denen ausschließlich der Kläger zu 1. fachärztlich anästhesistische Leistungen erbracht hat, sowie die typischen hausärztlichen Patienten, die untypische hausärztliche Leistungen wie Schmerztherapieleistungen und Operationsanästhesien nicht bedurften.
Die Entscheidung zur Nichtanerkennung weiterer Praxisbesonderheiten, die durch die Spezialvergleichsgrundlage nicht abgegolten sind, in Gestalt eines abweichenden Patientenklientels hat der Beklagte beurteilungsfehlerhaft vorgenommen. In der ersten Anhörung vor dem Beschwerdeausschuss am 4. Oktober 2006 hat er offenbar auf entsprechenden Vortrag der anwesenden Klägerin zu 2. Praxis- und Behandlungsunterlagen entgegengenommen. Der Bescheid vom 1. August 2007 führt aber zur Prüfung weiterer Praxisbesonderheiten aus, dass solche seitens der geprüften Ärzte nicht vorgetragen seien und auch sonst nicht erkennbar seien. Man habe eine summarische Sichtung der Behandlungsscheine vorgenommen, die Unwirtschaftlichkeiten bei den typischen hausärztlichen Leistungen vermuten ließen. Eine begründete Würdigung der Durchsicht der am 4. Oktober 2006 übergebenen Unterlagen, ob diese und ggf. in welchem Ausmaß auf ein weiteres besonderes Patientengut schließen lassen, wird nicht vorgenommen. Der Senat weiß nicht, um welche Unterlagen es sich gehandelt hat. Je nach Sachlage mag die Begründung auch darlegen, warum aus den Behandlungsunterlagen ein abweichendes Patientengut nicht abgeleitet werden kann. Insbesondere ist es Aufgabe des geprüften Arztes, die eigenen Behandlungsunterlagen zur Darstellung des abweichenden Patientengutes entsprechend aufzubereiten. Die Auswertung eines auf den Tisch gestellten "Karteikastens" ist dem Ausschuss so nicht zumutbar.
Auch die Begründung zur Höhe der Kürzungsentscheidung weist in die gleiche Richtung. Es wird, für sich betrachtet nicht zu beanstanden, ausgeführt, dass das offensichtliche Missverhältnis auf Grund der Praxisausrichtung höher angesetzt werde. Dann folgt die Aussage, dass durch die belassene Restüberschreitung die Besonderheiten der Praxis (fachübergreifende Gemeinschaftspraxis) ausreichend berücksichtigt würden. Dieser Vortrag legt nahe, dass man weitere Praxisbesonderheiten vermutet, deren Ermittlung und Quantifizierung jedoch durch Großzügigkeit bei der Höhe der Kürzungsentscheidung entfallen konnte. Es ist nicht zulässig, der Ermittlung und Quantifizierung möglicherweise vorhandener Praxisbesonderheiten durch einen "Rabatt" bei der Kürzungsentscheidung aus dem Wege zu gehen. Ob die belassene Restüberschreitung wirklich großzügig bemessen ist, kann der Beklagte erst dann beantworten, wenn er unter Ausübung seines Beurteilungsspielraumes die Frage nach dem Bestehen von Praxisbesonderheiten und der Höhe des als wirtschaftlich anzuerkennenden Mehraufwandes geprüft hat, weil danach auf der ersten Stufe der Durchschnittswertprüfung die Überschreitung entsprechend zu bereinigen ist und möglicherweise dann wegen Nichterreichens des offensichtlichen Missverhältnisses eine Kürzung nicht mehr stattfinden darf.
Aus diesem Grund waren die angefochtenen Entscheidungen des Beklagten aufzuheben und dieser zur Neuentscheidung zu verpflichten. Vor dem Hintergrund, dass die geschilderten Begründungsmängel im Rahmen der Neuentscheidung leicht vermieden werden können, weist der Senat die Kläger eindringlich auf ihre Pflicht zur substanziierten Darlegung des abweichenden Patientengutes hin. Auf der Grundlage des bisherigen klägerischen Vortrages könnte der Beklagte bei verbesserter Begründung die bisherige Entscheidung im finanziellen Ergebnis halten.
Den Klägern ist nahe zu legen, das Vorliegen eines auch gegenüber dem Spezialvergleich evtl. noch bestehenden besonderen Patientengutes, das nicht durch den 20 %tigen Streubereich abgegolten ist, substanziiert herauszuarbeiten und darzustellen. Diese Pflicht ist letztlich Folge dessen, dass die Klägerin zu 2. als Hausärztin zugelassen ist, aber insoweit untypische Leistungen für ein, was sie darzustellen hat, besonderes, diese zwingend benötigendes Patientengut erbringen muss. Aus der Gestaltung, nicht als Anästhesistin, sondern als hausärztlich tätige Ärztin vertragsärztlich tätig zu sein, erhält sie gegenüber zugelassenen Anästhesisten Vorteile in Gestalt des (zur damaligen Zeit ) höheren Hausarztpunktwertes und – bei Vorliegen der Voraussetzungen – Hausarztpauschalen. Der Senat weist zwar ausdrücklich darauf hin, dass die Partner der gemeinsamen Sicherstellung den hausärztlich tätigen Allgemeinärzten, praktischen Ärzten oder Ärzten ohne Gebietsbezeichnung die Erbringung operationsanästhesistischer bzw. schmerztherapeutischer Leistungen erlaubt hat. Wenn man die zusätzlichen Vorteile hieraus (Punktwert, Hausarztpauschale) nicht zuerkennen möchte, wäre es Aufgabe der Partner der Sicherstellung auf Bundes- oder Landesebene, die entsprechenden Regelungen zu verändern. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung darf eine Abschöpfung allein auf Grund vorhandener Unwirtschaftlichkeiten erfolgen. Jedoch bleibt es andererseits Aufgabe der Gemeinschaftspraxis, ausgehend von dem allgemeinärztlich-hausärztlichen Status das Vorliegen eines besonderen Patientengutes zu substanziieren.
Ausgehend von dem in den hier streitigen Verfahren gewählten Spezialvergleich könnte die substantiierte Darlegung zum Beispiel dadurch erfolgen, dass die sog. Mischfälle – Patienten, für die sowohl eine Hausarztpauschale als auch eine Auftragsbehandlung durchgeführt wurde, bzw. Patienten der gemeinsamen Behandlung Kläger zu 1. und zu 2. (hier Haushaltspauschale) mit Namen, Kassennummern, Diagnoseleistungen und Leistungspositionen - gelistet werden. Eine entsprechende Listung könnte auch vorgelegt werden für die allein durch die Klägerin zu 2. betreuten Patienten, in denen eine Auftragsbehandlung nicht geschah, jedoch trotzdem Leistungen des Kapitels D (Schmerztherapie) erbracht wurden.
Hat man so die Patienten, die sowohl Leistungen des Kapitels D als auch eine Haushaltspauschale vereinigen, herausgearbeitet, ist seitens des Ausschusses keineswegs automatisch der gesamte auf Anästhesieleistungen entfallene Mehraufwand anzuerkennen. Gleichsam in einem weiteren Schritt ist dann zu prüfen, ob und inwieweit diese Leistungen den Grundsätzen der wirtschaftlichen Erbringung entsprechen. An dieser Stelle kann der Ausschuss beispielsweise der Frage nachgehen, ob der Umfang der Zuschlagsziffern zu den Operationsanästhesieleistungen, wie im Protokoll vom 4. Oktober 2006 angeklungen, als wirtschaftlich gelten kann. Hier mögen hilfsweise Vergleiche mit Ärzten anderer Fachgebiete herangezogen werden, die entsprechende Operationsanästhesieleistungen erbringen. Zu diesem Zwecke sollte die Klägerin die Anästhesieprotokolle vorlegen und gleichzeitig den Art des Eingriffes (Gebührenordnungsposition) mit anführen. Auch die Wirtschaftlichkeit der erbrachten Schmerztherapieleistungen wird entsprechend zu prüfen sein.
Den Beteiligten ist es unbenommen, bestimmte Quartale (Alt-/Neuquartale) zum Zwecke umfassender substanziierter Darlegung herauszugreifen und zu vereinbaren, dass dieses Ergebnis auf eine bestimmte Anzahl nachfolgender Quartale übertragen wird.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO und ist Ausfluss des überwiegenden Obsiegens der Kläger. Die Teilkostentragung der Kläger war deshalb veranlasst, weil zunächst die Aufhebung aller Bescheide des Beschwerdeausschusses und auch des Prüfungsausschusses beantragt worden war. Gerichtlicher Prüfungsgegenstand im Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren ist ausschließlich der Bescheid des Beschwerdeausschusses. Darüber hinaus wurde eine Aufhebung ohne Neubescheidungsverpflichtung, damit im Ergebnis eine Anerkennung der Wirtschaftlichkeit, verlangt, was mit dem Ermessens- und Beurteilungsspielraum des Beklagten kollidiert.
Die Revision war mangels Grundsätzlichkeit nicht zuzulassen, da hier nicht die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, sondern die korrekte Anwendung der durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Durchschnittswertprüfung im Vordergrund stand.
II. Die Kosten beider Rechtszüge trägt der Beklagte zu drei Viertel, die Klägerin zu einem Viertel.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen in der Leistungsgruppe der Sonderleistungen nach Durchschnittswertprüfung (Quartale 2/04 bis 2/05).
Die Klägerin zu 2. ist zugelassene Ärztin ohne Gebietsbezeichnung. Sie nimmt am hausärztlichen Versorgungsbereich teil. Sie ist weitergebildete Anästhesistin. Der Kläger zu 1. ist als Anästhesist zugelassen. Die Kläger üben ihre vertragsärztliche Tätigkeit in Gemeinschaftspraxis aus.
Sie behandelten im 2. Quartal 2004 1.206 Patienten kurativ (713 Originalfälle, 291 Überweisungsfälle, 37 Vertreterfälle, 165 Notfälle). Die Hausarztpauschale wurde in 1.013 Fällen bezahlt. In der Leistungsgruppe Sonderleistungen (= LG 08) wurden rund 1,26 Millionen Punkte angefordert. Im Vergleich zur Gruppe der Allgemeinärzte Bayerns bedeutet dies eine Überschreitung von 717,9 % (gewichtet).
Ca. 475.000 Punkte des Leistungsvolumens der Sonderleistungen entfallen auf Leistungen des Kapitels D I. (Anästhesien zur Schmerztherapie). Zu nennen sind hier insbesondere die GOP 418 EBM (Infusion verschreibungspflichtiger Analgetika; 93.000 P.), und die GOP 443 EBM (Plexusanalgesie; 214.000 P.). Es zeigen sich gravierende Überschreitungen, die jedoch deshalb zu relativieren sind, weil nur wenige Vergleichsgruppenangehörige mindestens einmal diese Positionen in Ansatz gebracht haben (GOP 418 EBM: + 1.476 % Überschreitung, Ansatz in der Vergleichsgruppe 1,04 %; GOP 443 EBM: Überschreitung + 413 %; Ansatz bei 0,35 % der Vergleichsgruppe).
Weitere 663.000 Punkte entfallen auf Leistungen des Kapitels D II. (Anästhesien/Narko-sen bei operativen Eingriffen). Zu erwähnen sind hier die GOP 462 EBM (Plexusanästhesie; 116.000 Punkte; Überschreitung + 190 %; Ansatzhäufigkeit Vergleichsgruppe 0,49 %), die GOP 463 EBM (Fortsetzungsziffer zu GOP 462; 360.000 Punkte; Überschreitung + 434 %; Ansatzhäufigkeit 0,29 %) sowie die GOP 496 EBM (kontinuierliche Überwachung der Vitalfunktionen während eines Eingriffs; 125.000 Punkte; + 43 % Überschreitung, Ansatzhäufigkeit 0,08%).
Auf die Prüfempfehlungen der Kassenverbände und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns vom 8. November 2004 wurden die Kläger gehört. Sie wiesen darauf hin, dass die statistische Überschreitung zum einen auf Grund des Ansatzes ambulanter Anästhesien erfolge, die per Überweisung von operierenden Kollegen aufgetragen würden. Weitere Überschreitungen der Ziffern 415 bis 450 EBM resultierten aus dem speziellen Patientengut der Schmerztherapie bei etwa 200 chronifizierten Patienten. Alle Verfahren seien dokumentiert und könnten vorgelegt werden.
Mit Bescheid vom 7. Juni 2005 kürzte der Prüfungsausschuss Ärzte Bayern das Honorar in der LG 08 um 50 %. Ausgangspunkt war die Überschreitung gegenüber der Leistungsgruppe der Allgemeinärzte. Nur hilfsweise bildete der Prüfungsausschuss einen Spezialvergleich, in dem er die Differenz der Praxisfallzahl und der Fallzahl an bezahlten Hausarztpauschalen als sog. Anästhesiefälle markierte und insoweit (= 193 Patienten) einen auf 1.547,6 Punkte erhöhten Anästhesistenfallwert zu Grunde legte. Trotz des Überschreitungsrückgangs auf + 186,33 % bestehe weiterhin ein offensichtliches Missverhältnis. Der Ausschuss kehrte dann wieder zum Vergleich mit den Allgemeinärzten zurück und beendet die Prüfung auf dieser Grundlage.
Die Kläger brachten im Widerspruchsverfahren vor, dass die vom Ausschuss errechneten Fallzahlen der Patientengruppierungen nicht korrekt seien. Gemäß den erbrachten Leistungen habe man 129 Schmerzpatienten, 213 Anästhesiepatienten und 903 allgemeine Patienten behandelt. Bei 713 Patienten sei die Praxisgebühr eingefordert worden. Somit seien 213 Narkosen nicht berücksichtigt. Diese seien im Auftrag operierender Kollegen durchgeführt worden.
Am 4. Oktober 2006 kam es zu einem Verhandlungstermin vor dem Beschwerdeausschuss. Ausweislich der Sitzungsniederschrift trug die Klägerin zu 2. vor, dass sie nicht wisse, wie sie sich verhalten solle, da die Patienten von den Krankenkassen in ihre Praxis auf Grund ihres Leistungsspektrums gesandt würden. Offensichtlich wurde auch die Abrechnungshäufigkeit des Anästhesiezuschlags der GOP 463 EBM-Ä erörtert. Denn die Ärztin wies darauf hin, dass die Zeitdauer der Anästhesie nicht kontrollierbar sei und nicht beeinflusst werden könne. Ausweislich des Protokolls vertagte der Beschwerdeausschuss die Sitzung im Hinblick auf die Nachreichung von Unterlagen durch die Klägerin und deren Entgegennahme durch den Beklagten.
Mit Bescheid vom 1. August 2007 (Sitzung vom 13. Juni 2007) ermäßigte der Beschwerdeausschuss Ärzte Bayern Kammer Oberbayern die Kürzung in der LG 08 auf 40 %. Grundlage des statistischen Vergleiches des Beschwerdeausschusses war nun nicht mehr die Gruppe der Allgemeinärzte Bayern, sondern ein allgemeinärztlich - anästhesistischer Spezialvergleich anhand von Fallzahlanteilen der Praxis. Diese wurden, wie schon durch den Prüfungsausschuss, dadurch bestimmt, dass von der Gesamtfallzahl der Praxis (1.216 Patienten) die Zahl der Hausarztpauschalen (1.013 Fälle) in Abzug gebracht wurden. Die verbleibenden 193 Patienten wurden als anästhesiologische Patienten eingestuft und insoweit ein Anästhesiepatientenfallwert von 1.547,6 Punkten in Ansatz gebracht. Bei den 1.013 Patienten, für die Hausarztpauschalen bezahlt wurden, verblieb es beim Arztgruppendurchschnitt der Allgemeinärzte (138,8 Punkte je Fall). Dadurch kam es zu einer Reduktion der Überschreitung auf 186,33 %. Auf Grund dessen wurde ein offensichtliches Missverhältnis festgestellt. Praxisbesonderheiten seien nicht erkennbar und nur in Gestalt einer Abweichung des Patientengutes vorgetragen. Die Besonderheiten der fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis seien durch den manuell erstellten Spezialvergleich berücksichtigt. Es seien Behandlungsscheine beispielhaft geprüft worden. Erkennbar sei, dass die hausärztlich bedingten Sonderleistungen deutlich überschritten würden. Im Falle einer 50 %tigen Kürzung ergebe sich eine Restüberschreitung von 43 %, die gerade noch im offensichtlichen Missverhältnis liege. Auf Grund der Praxisausrichtung setze der Beschwerdeausschuss das offensichtliche Missverhältnis jedoch höher an. Durch die nach 40 %tiger Kürzung verbleibende Restüberschreitung im Spezialvergleich von ca. 71 % würden die Besonderheiten der Praxis (fachübergreifende Gemeinschaftspraxis) ausreichend berücksichtigt. Weitere Besonderheiten seien von den Ärzten nicht differenziert dargestellt worden (Kürzungsbetrag 12.255,95 EUR – L 12 KA 27/08).
Im Wesentlichen gleiche Kürzungsentscheidungen wurden in der gleichen Sitzung auch zu den Folgequartalen erlassen (alle Bescheide vom 1. August 2007):
Im 3. Quartal 2004 kam es zu einer 40 %tigen Honorarkürzung der Sonderleistungen. Überschreitung nach allgemeinärztlich - anästhesiologischem Spezialvergleich + 169 % (173 Anästhesiepatienten, 995 Allgemeinpatienten; Restüberschreitung 62 %). Durch die Restüberschreitung seien die Besonderheiten der Praxis ausreichend berücksichtigt worden (Kürzungsbetrag 19.180,15 EUR – L 12 KA 51/08).
Im 4. Quartal 2004 kam es zu einer 55 %tigen Honorarkürzung bei den Sonderleistungen. Die Überschreitung im Spezialvergleich errechnete sich mit 197 %, wobei 1.054 Allgemeinpatienten und 173 Anästhesiepatienten ermittelt worden waren. Durch die Restüberschreitung von 65 % seien die Besonderheiten der Praxis ausreichend gewürdigt (Kürzungsbetrag 26.772,77 EUR – L 12 KA 52/08).
Quartal 1/05: 15 % Kürzung in LG 08; Überschreitung Spezialvergleich 89,6 %; Restüberschreitung 62 % (Kürzungsbetrag 7.708,09 EUR – L 12 KA 53/08).
Auch im 2. Quartal 2005, in dem erstmals der neue Einheitliche Bewertungsmaßstab 2000 Plus galt, kürzte der Beschwerdeausschuss das Sonderleistungshonorar um 40 % (Bescheid ebenfalls vom 1. August 2007 auf Grund der Sitzung vom 13. Juni 2007). Statistisch zeigt sich das gleiche Leistungsbild der Praxis, wobei die Leistungen unter veränderter Leistungsnummerierung abgerechnet werden (771 Originalfälle, 195 Überweisungsfälle, 28 Vertreterfälle, 97 Notfälle). Bereits im Vorquartal zeichnete sich ein Rückgang der Originalfälle bzw. der Zahl der angesetzten Hausarztpauschalen ab. Bei Ansatz von 769 Allgemeinpatienten und 322 Anästhesiepatienten im Rahmen des Spezialvergleichs ergab sich eine Überschreitung von 174,85 %. Das Leistungsvolumen in der Leistungsgruppe 08 stieg auf 1,47 Millionen Punkte. Erstmals wurde die Leistung der pre-anästhesiologischen Untersuchung bei einer ambulanten und belegärztlichen Operation (Abschnittes 31.2, GOP 05310 EBMÄ) abgerechnet. Das Volumen anästhesiologischer Leistungen betrug rund 600.000 Punkte, dasjenige der Schmerztherapieleistungen ca. 539.000 Punkte.
Gegen die Entscheidungen der Beklagten haben die Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben. Sie tragen vor, dass die Behandlungsscheine durch den Ausschuss nicht wirklich überprüft worden seien. Man habe alle Narkoseprotokolle, Chronifizierungsprotokolle, Schmerztherapieberichte vorgelegt. Damit habe sich der Ausschuss nicht beschäftigt. Man habe die Unterlagen als "Papierkram" bezeichnet. Auch der Spezialvergleich werde so, wie er durchgeführt worden sei, den Praxisverhältnissen nicht gerecht.
Das Sozialgericht wies nach Verbindung der Streitsachen mit Urteil vom 29. November 2007 die Klagen ab. In den Gründen wird auf die Gründe der Beschwerdeausschussentscheidungen Bezug genommen, die die Kammer als zutreffend bezeichnet hat (§ 136 Abs.3 SGG).
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger zum Bayerischen Landessozialgericht. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin zu 2. sich als Ärztin ohne Gebietsbezeichnung niedergelassen habe, um sowohl auf ihrem Fachgebiet der Schmerztherapie und Narkose als auch ergänzend als Allgemeinmedizinerin Leistungen anzubieten. Der Kläger zu 1. erbrächte nur ambulante Anästhesieleistungen sowie Schmerztherapieleistungen und sei nicht allgemeinmedizinisch tätig. Angesichts der Fallwertrelationen liege, selbst wenn man nur 193 Anästhesiepatienten zu Grunde legen würde, aufgrund des zehnfach höheren Fallwertes der Schwerpunkt der Abrechnung auf anästhesiologischem Gebiet. Deshalb sei die Vergleichsgruppe der Anästhesisten zu wählen. Ihren ursprünglichen auf Aufhebung sämtlicher Prüfungs- und Beschwerdeausschussbescheide gerichteten Antrag haben die Kläger zuletzt nicht mehr aufrechterhalten.
Die Kläger beantragen, das Ersturteil vom 29. November 2007 und die Bescheide des Beschwerdeausschusses vom 1. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zur Neuverbescheidung zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 2. und 6. beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die weiteren Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, der beigezogenen Streitakte des Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung erweist sich im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Verpflichtung zur Neubescheidung gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts als begründet, da sich die angefochtenen Entscheidungen als beurteilungsfehlerhaft darstellen. Aus diesem Grunde war das Urteil des Sozialgerichts vom 29. November 2007 aufzuheben.
Rechtsgrundlage für die vom Beklagten angewandte Form der arztbezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung der Behandlungsweise nach Durchschnittswerten ist § 106 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2180), konkretisiert durch § 47 Bundesmantelvertrag Ärzte-Primär-kassen vom 19. Dezember 1994 sowie § 43 Bundesmantelvertrag Ärzte-Ersatzkassen vom 07.06.1994 sowie die gesamtvertragliche Prüfvereinbarung vom 15. November 2000 nebst der Umsetzungsvereinbarung vom 27. Januar 2004.
Die arztbezogene Prüfung nach Durchschnittswerten basiert auf einer Gegenüberstellung der durchschnittlichen Fallkosten des geprüften Arztes einerseits und einer Gruppe vergleichbarer Ärzte andererseits. Eine Unwirtschaftlichkeit ist anzunehmen, wenn der Fallwert des geprüften Arztes so erheblich über dem Vergleichsgruppendurchschnitt liegt, dass sich die Mehrkosten nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und in Behandlungsnotwendigkeiten erklären lasen und deshalb zuverlässig auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise als Ursache der erhöhten Aufwendungen geschlossen werden kann. Die statistische Vergleichsprüfung beruht – unter der Voraussetzung ausreichender Vergleichbarkeit – auf der Annahme, dass die Ärzte der herangezogenen Vergleichsgruppe sich wirtschaftlich verhalten haben, d.h. sowohl den nötigen und erforderlichen Behandlungsumfang nicht unterschritten, andererseits jedoch keinen höheren als den notwendigen und angemessenen Behandlungsaufwand veranlassten. Wird eine Überschreitung des Gruppendurchschnitts in einem offensichtlichen Missverständnis festgestellt, bei dessen Festlegung die Praxisstruktur und die üblichen statistischen Zufälligkeiten bereits zu berücksichtigen sind, so begründet dies den Anschein der Unwirtschaftlichkeit, der durch den Nachweis des Vorliegens von Praxisbesonderheiten oder kausalen Einsparungen entkräftet werden muss, um die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit auszuräumen. Eine Erschütterung der Beweisvermutung reicht nicht aus. Kann der Beweis von Besonderheiten/Einsparungen nicht erbracht werden, trägt der geprüfte Arzt die Folgen der Nichterweislichkeit mit der Folge, dass sich die Beweisvermutung zum Beweis der Unwirtschaftlichkeit verdichtet. Praxisbesonderheiten und Einsparungen sind wiederum bei der Beurteilung der Schwelle des offensichtlichen Missverhältnisses zu berücksichtigen, indem der Fallwert des Arztes um die anerkannten Praxisbesonderheiten und kausalen Einsparungen zu bereinigen ist, um dann zu prüfen, ob (nach wie vor) ein offensichtliches Missverhältnis festgestellt werden kann. Ist dies der Fall, folgen die Feststellung des unwirtschaftlichen Mehraufwands und die Maßnahmenentscheidung (BSG vom 09.03.1994, 6 RKa 9/92, KSK 94121; BSG vom 21.06.1995, 6 RKa 35/94, NZS 1996, 583).
Bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes der "Wirtschaftlichkeit" im Allgemeinen, damit bei der Anwendung des statistischen Vergleichs, der Feststellung des offensichtlichen Missverhältnisses und bei der Frage des Vorliegens von Einsparungen/Besonderheiten im Besonderen kommt den Prüfungsgremien, die ihre Aufgabe im Rahmen gemeinsamer Selbstverwaltung wahrnehmen, ein gewisser Einschätzungsspielraum zu, der von den Sozialgerichten nur in beschränktem Umfang überprüfbar ist. Eine gerichtliche Überprüfung der Beurteilung des Beklagten beschränkt sich darauf, ob Fehler bei der Abwägungsentscheidung selbst vorliegen, etwa ob der Beurteilung ein richtig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, der Beklagte die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes sich ergebenden Grenzen eingehalten hat und ob er die Erwägungen, die zur Entscheidung geführt haben, so verdeutlicht und begründet hat, dass im Einzelfall die Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl. BSG USK 85190; BSG SozR 2200 § 368n Nrn. 31, 36, 42 und 54). Im Übrigen ist eine Kontrolle der Beurteilung nur möglich, wenn das Ergebnis außerhalb eines Bereiches "ungefährer Richtigkeit" liegt.
Die Prüfungsgremien sind dabei nach § 20 SGB X verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Die Pflicht zur Ermittlung kann nur so weit gehen, wie ihnen Sachverhaltsumstände bekannt oder erkennbar sind, die eine Ermittlung naheliegend erscheinen lassen und diese Ermittlung möglich ist. In diesem Rahmen kommt der Mitwirkungspflicht des Arztes eine besondere Bedeutung zu. Er ist verpflichtet, alle Umstände und Tatsachen, die in seinem Rechtskreis liegen, wie die Umstände der Praxis und die Zusammensetzung des Patientengutes, substanziiert vorzubringen. Denn die zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten der Prüfgremien enden dort, wo Tatsachen beurteilungsrelevant werden, die mit den von außen nicht erkennbaren, individuellen Praxisumständen des Arztes verknüpft sind, soweit diese nicht ausnahmsweise aufgrund statistischen Materials oder anderweitig erkennbar sind. Im Ergebnis handelt es sich um eine individuelle Prüfung, wobei ein statistisches Element als Aufgreifkriterium dient.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist es nicht zu beanstanden, wenn Ausgangspunkt einer Auffälligkeitsprüfung nach Durchschnittswerten die Arztgruppe 800/1 (hausärztliche Allgemeinärzte/ Internisten, prakt. Ärzte) ist. Denn nach § 11 der Prüfvereinbarung in Verbindung mit ihrer Nr. 3 Anlage 4 werden fachübergreifende Gemeinschaftspraxen derjenigen Vergleichsgruppe zugeordnet, die ihrer überwiegenden Tätigkeit entspricht. Angesichts der Zulassung der Klägerin als Ärztin ohne Gebietsbezeichnung und ihrer Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung und dem Umstand, dass die überwiegende Mehrheit der Patienten, ablesbar an der Zuerkennung der Hausarztpauschale von der Hausärztin betreut bzw. mitbetreut wird, sowie verbunden mit dem Umstand, dass Leistungen des Kapitels DI. und D II. EBMÄ auch hausärztliche Leistungen sein können, ist die Anknüpfung an die Vergleichsgruppe 800/1 (Allgemeinärzte und praktische Ärzte hausärztlich tätig) nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung, ob ein verfeinerter Vergleich durchgeführt wird, obliegt dem Beurteilungsspielraum der Prüfinstanzen (BSG, Urteil vom 8. Mai 1996 SozR 3-2500 § 106 Nr. 36). Entschließt sich der Beklagte, diese Vergleichsgruppe als Prüfungsgrundlage zu wählen, muss die intellektuelle Prüfung in Gestalt der Erkennung und Bewertung von Praxisbesonderheiten und eventuellen kausalen Einsparungen auf dieser Grundlage, mithin bezogen auf eine typische hausärztliche Praxis erfolgen.
Gleichwohl hat hier der Beklagte zur Erfassung der Besonderheiten der Gemeinschaftspraxis gegenüber einer durchschnittlichen Hausarzt(gemeinschafts)praxis einen Spezialvergleich gewählt, mit dem offensichtlich versucht worden ist, anhand vorhandener statistischer Kriterien die nicht hausärztlich betreuten Fälle (des Klägers zu 1.) von den Hausarztfällen der Klägerin zu 2. zu trennen. Als Differenzierungsgesichtspunkt hat der Beklagte die Zahl der abgerechneten Hausarztpauschalen angesetzt. Dies ist jedenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere war der Beklagte entgegen der klägerischen Ansicht nicht verpflichtet, an die Überweisungsfallzahl als Maß der Anästhesiefälle bzw. der nicht typischen Hausarztfälle anzuknüpfen.
In der Tat sind damit die Besonderheiten derjenigen Patienten, für die keine Hausarztpauschale gewährt worden ist, und der für diese als wirtschaftlich anzuerkennende Mehraufwand als erfasst und abgegolten anzusehen. Soweit hingegen seitens der geprüften Ärzte dargelegt oder seitens des Beschwerdeausschusses erkennbar ist, dass die mehraufwandsbedingenden Besonderheiten des Patientenklientels durch den Spezialvergleich nur zum Teil erfasst sind, weil darüber hinaus eine mehraufwandbedingende Patientengruppe betreut worden ist, muss insoweit der zusätzlich anzuerkennende Mehraufwand im Rahmen der intellektuellen Prüfung und Bewertung von Praxisbesonderheiten erfolgen.
Die Durchsicht der Abrechnungsstatistik sowie die Praxisstruktur gibt zur Prüfung Anlass, ob der Spezialvergleich allein die vorhandenen Praxisbesonderheiten in ausreichendem Umfang berücksichtigt haben. Denn dieser kann allenfalls für sich in Anspruch nehmen, die allein durch den Nichthausarzt und Kläger zu 1. behandelten Patienten von den durch die Hausärztin und Klägerin zu 2. behandelten Versicherten getrennt zu haben, um dann die durch den Anästhesisten versorgten Patienten mit einem entsprechenden Anästhesiepatientenfallwert zu bewerten. Da die Hausarztpauschale weder bezahlt werden darf in Fällen, in denen allein der Kläger zu 1. die Behandlung im Quartal übernommen hatte, noch in Fällen, in denen (auch) durch die Klägerin zu 2. ausschließlich Auftragsleistungen, Vertreterleistungen, Notfallbehandlungen erbracht wurden, nimmt der Ausschuss einerseits in Kauf, dass unter die auf Grund Nichtleistung der Hausarztpauschale dem Kläger zu 1. zugerechneten Patienten sich auch hausärztliche Vertretungsfälle und Notfallbehandlungsfälle befinden.
Auf der anderen Seite berücksichtigt der Spezialvergleich zu Ungunsten der Kläger nicht die evtl. von beiden Ärzten behandelten Versicherten, für die aufgrund der Behandlungstätigkeit der Klägerin zu 2. die Hausarztpauschale (Originalfälle) ausgelöst worden ist. Er berücksichtigt ferner nicht evtl. Patienten, in denen - für frühere "typische" Hausarzttätigkeit im Quartal- die Klägerin zu 2. eine Hausarztpauschale zugestanden bekommen hat, obwohl Schmerztherapieleistungen (die nach den Schilderungen der Kläger durch die Hausärztin als Originalfälle behandelt werden) oder aufgrund Überweisung Operationsanästhesien erbracht wurden. Beispielsweise mag sich ein Patient wegen Magenbeschwerden zur Klägerin zu 2. begeben haben (Hausarztpauschale). Der weitere Kontakt kam (ohne Überweisung) zur Erbringung von Schmerztherapieleistungen oder mit Überweisung zur Erbringung von Operationsanästhesieleistungen zu Stande. Diese sog. Mischfälle vermag der Spezialvergleich auf Grund der gewählten statistischen Kriterien nicht zu erfassen. Aber selbst bei anderer statistischer Anknüpfung, zu der der Beklagte keineswegs verpflichtet ist und die große Unwägbarkeiten auch aufgrund künstlicher Steuerungsmöglichkeiten mit sich bringt, in Gestalt einer Anknüpfung an die Zahl der Überweisungsfälle (290 Mitbehandlungen, ein Zielauftrag), werden Mischfälle (Anästhesieleistungen + Hausarztleistungen) möglicherweise überberücksichtigt und überweisungslose Anästhesieleistungen der Klägerin zu 2. (Schmerztherapie) bzw. Direktkonsultationen des Klägers zu 1. nicht befriedigend erfasst.
Durch den Spezialvergleich sind mithin erfasst die Patienten, in denen ausschließlich der Kläger zu 1. fachärztlich anästhesistische Leistungen erbracht hat, sowie die typischen hausärztlichen Patienten, die untypische hausärztliche Leistungen wie Schmerztherapieleistungen und Operationsanästhesien nicht bedurften.
Die Entscheidung zur Nichtanerkennung weiterer Praxisbesonderheiten, die durch die Spezialvergleichsgrundlage nicht abgegolten sind, in Gestalt eines abweichenden Patientenklientels hat der Beklagte beurteilungsfehlerhaft vorgenommen. In der ersten Anhörung vor dem Beschwerdeausschuss am 4. Oktober 2006 hat er offenbar auf entsprechenden Vortrag der anwesenden Klägerin zu 2. Praxis- und Behandlungsunterlagen entgegengenommen. Der Bescheid vom 1. August 2007 führt aber zur Prüfung weiterer Praxisbesonderheiten aus, dass solche seitens der geprüften Ärzte nicht vorgetragen seien und auch sonst nicht erkennbar seien. Man habe eine summarische Sichtung der Behandlungsscheine vorgenommen, die Unwirtschaftlichkeiten bei den typischen hausärztlichen Leistungen vermuten ließen. Eine begründete Würdigung der Durchsicht der am 4. Oktober 2006 übergebenen Unterlagen, ob diese und ggf. in welchem Ausmaß auf ein weiteres besonderes Patientengut schließen lassen, wird nicht vorgenommen. Der Senat weiß nicht, um welche Unterlagen es sich gehandelt hat. Je nach Sachlage mag die Begründung auch darlegen, warum aus den Behandlungsunterlagen ein abweichendes Patientengut nicht abgeleitet werden kann. Insbesondere ist es Aufgabe des geprüften Arztes, die eigenen Behandlungsunterlagen zur Darstellung des abweichenden Patientengutes entsprechend aufzubereiten. Die Auswertung eines auf den Tisch gestellten "Karteikastens" ist dem Ausschuss so nicht zumutbar.
Auch die Begründung zur Höhe der Kürzungsentscheidung weist in die gleiche Richtung. Es wird, für sich betrachtet nicht zu beanstanden, ausgeführt, dass das offensichtliche Missverhältnis auf Grund der Praxisausrichtung höher angesetzt werde. Dann folgt die Aussage, dass durch die belassene Restüberschreitung die Besonderheiten der Praxis (fachübergreifende Gemeinschaftspraxis) ausreichend berücksichtigt würden. Dieser Vortrag legt nahe, dass man weitere Praxisbesonderheiten vermutet, deren Ermittlung und Quantifizierung jedoch durch Großzügigkeit bei der Höhe der Kürzungsentscheidung entfallen konnte. Es ist nicht zulässig, der Ermittlung und Quantifizierung möglicherweise vorhandener Praxisbesonderheiten durch einen "Rabatt" bei der Kürzungsentscheidung aus dem Wege zu gehen. Ob die belassene Restüberschreitung wirklich großzügig bemessen ist, kann der Beklagte erst dann beantworten, wenn er unter Ausübung seines Beurteilungsspielraumes die Frage nach dem Bestehen von Praxisbesonderheiten und der Höhe des als wirtschaftlich anzuerkennenden Mehraufwandes geprüft hat, weil danach auf der ersten Stufe der Durchschnittswertprüfung die Überschreitung entsprechend zu bereinigen ist und möglicherweise dann wegen Nichterreichens des offensichtlichen Missverhältnisses eine Kürzung nicht mehr stattfinden darf.
Aus diesem Grund waren die angefochtenen Entscheidungen des Beklagten aufzuheben und dieser zur Neuentscheidung zu verpflichten. Vor dem Hintergrund, dass die geschilderten Begründungsmängel im Rahmen der Neuentscheidung leicht vermieden werden können, weist der Senat die Kläger eindringlich auf ihre Pflicht zur substanziierten Darlegung des abweichenden Patientengutes hin. Auf der Grundlage des bisherigen klägerischen Vortrages könnte der Beklagte bei verbesserter Begründung die bisherige Entscheidung im finanziellen Ergebnis halten.
Den Klägern ist nahe zu legen, das Vorliegen eines auch gegenüber dem Spezialvergleich evtl. noch bestehenden besonderen Patientengutes, das nicht durch den 20 %tigen Streubereich abgegolten ist, substanziiert herauszuarbeiten und darzustellen. Diese Pflicht ist letztlich Folge dessen, dass die Klägerin zu 2. als Hausärztin zugelassen ist, aber insoweit untypische Leistungen für ein, was sie darzustellen hat, besonderes, diese zwingend benötigendes Patientengut erbringen muss. Aus der Gestaltung, nicht als Anästhesistin, sondern als hausärztlich tätige Ärztin vertragsärztlich tätig zu sein, erhält sie gegenüber zugelassenen Anästhesisten Vorteile in Gestalt des (zur damaligen Zeit ) höheren Hausarztpunktwertes und – bei Vorliegen der Voraussetzungen – Hausarztpauschalen. Der Senat weist zwar ausdrücklich darauf hin, dass die Partner der gemeinsamen Sicherstellung den hausärztlich tätigen Allgemeinärzten, praktischen Ärzten oder Ärzten ohne Gebietsbezeichnung die Erbringung operationsanästhesistischer bzw. schmerztherapeutischer Leistungen erlaubt hat. Wenn man die zusätzlichen Vorteile hieraus (Punktwert, Hausarztpauschale) nicht zuerkennen möchte, wäre es Aufgabe der Partner der Sicherstellung auf Bundes- oder Landesebene, die entsprechenden Regelungen zu verändern. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung darf eine Abschöpfung allein auf Grund vorhandener Unwirtschaftlichkeiten erfolgen. Jedoch bleibt es andererseits Aufgabe der Gemeinschaftspraxis, ausgehend von dem allgemeinärztlich-hausärztlichen Status das Vorliegen eines besonderen Patientengutes zu substanziieren.
Ausgehend von dem in den hier streitigen Verfahren gewählten Spezialvergleich könnte die substantiierte Darlegung zum Beispiel dadurch erfolgen, dass die sog. Mischfälle – Patienten, für die sowohl eine Hausarztpauschale als auch eine Auftragsbehandlung durchgeführt wurde, bzw. Patienten der gemeinsamen Behandlung Kläger zu 1. und zu 2. (hier Haushaltspauschale) mit Namen, Kassennummern, Diagnoseleistungen und Leistungspositionen - gelistet werden. Eine entsprechende Listung könnte auch vorgelegt werden für die allein durch die Klägerin zu 2. betreuten Patienten, in denen eine Auftragsbehandlung nicht geschah, jedoch trotzdem Leistungen des Kapitels D (Schmerztherapie) erbracht wurden.
Hat man so die Patienten, die sowohl Leistungen des Kapitels D als auch eine Haushaltspauschale vereinigen, herausgearbeitet, ist seitens des Ausschusses keineswegs automatisch der gesamte auf Anästhesieleistungen entfallene Mehraufwand anzuerkennen. Gleichsam in einem weiteren Schritt ist dann zu prüfen, ob und inwieweit diese Leistungen den Grundsätzen der wirtschaftlichen Erbringung entsprechen. An dieser Stelle kann der Ausschuss beispielsweise der Frage nachgehen, ob der Umfang der Zuschlagsziffern zu den Operationsanästhesieleistungen, wie im Protokoll vom 4. Oktober 2006 angeklungen, als wirtschaftlich gelten kann. Hier mögen hilfsweise Vergleiche mit Ärzten anderer Fachgebiete herangezogen werden, die entsprechende Operationsanästhesieleistungen erbringen. Zu diesem Zwecke sollte die Klägerin die Anästhesieprotokolle vorlegen und gleichzeitig den Art des Eingriffes (Gebührenordnungsposition) mit anführen. Auch die Wirtschaftlichkeit der erbrachten Schmerztherapieleistungen wird entsprechend zu prüfen sein.
Den Beteiligten ist es unbenommen, bestimmte Quartale (Alt-/Neuquartale) zum Zwecke umfassender substanziierter Darlegung herauszugreifen und zu vereinbaren, dass dieses Ergebnis auf eine bestimmte Anzahl nachfolgender Quartale übertragen wird.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO und ist Ausfluss des überwiegenden Obsiegens der Kläger. Die Teilkostentragung der Kläger war deshalb veranlasst, weil zunächst die Aufhebung aller Bescheide des Beschwerdeausschusses und auch des Prüfungsausschusses beantragt worden war. Gerichtlicher Prüfungsgegenstand im Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren ist ausschließlich der Bescheid des Beschwerdeausschusses. Darüber hinaus wurde eine Aufhebung ohne Neubescheidungsverpflichtung, damit im Ergebnis eine Anerkennung der Wirtschaftlichkeit, verlangt, was mit dem Ermessens- und Beurteilungsspielraum des Beklagten kollidiert.
Die Revision war mangels Grundsätzlichkeit nicht zuzulassen, da hier nicht die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, sondern die korrekte Anwendung der durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Durchschnittswertprüfung im Vordergrund stand.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
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