L 8 R 369/10 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 19 R 159/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 369/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 4.2.2010 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die in der Rechtsform der GmbH eine Spedition betrieb, wehrt sich gegen eine Beitragsnachforderung der Beklagten in Höhe von 4.566,45 EUR im Anschluss an eine Betriebsprüfung (Bescheid v. 18.5.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 3.6.2009). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin wurde mangels Masse abgelehnt (Beschluss des Amtsgerichts [AG] Bielefeld v. 10.10.2006, 43 IN 1503/05, rkr.). Eine Löschung ist bislang nicht erfolgt, da das Finanzamt C ihr vorerst bis zum 31.12.2010 widersprochen hat (Auskunft des AG Bad Oeynhausen v. 2.3.2010).

Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren abgelehnt (Beschluss v. 4.2.2010). Es hat sinngemäß ausgeführt: Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Die Klägerin sei nach § 60 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) mit Rechtskraft des Beschlusses über die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Sie könne daher nach § 394 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), der Nachfolgevorschrift der vom SG noch herangezogenen Bestimmung des § 141a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG), gelöscht werden. Eine Prozessführungsbefugnis der Klägerin bestehe vor diesem Hintergrund nur für Verfahren aus Forderungen, aus denen sich positives Vermögen ergeben könne. Das sei hier jedoch nicht der Fall.

Gegen den ihr am 23.3.2010 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 13.4.2010 Beschwerde erhoben. Sie trägt vor: Der Antrag auf PKH solle eine rechtsanwaltliche Vertretung ermöglichen. Diese werde zu einem vollen Klageerfolg führen. Die Beklagte tritt der Beschwerde entgegen. Sie teilt die tragenden Gründe des angefochtenen Beschluss in vollem Umfang.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als juristische Person muss die Klägerin darüber hinaus die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erfüllen. Danach müssen neben ihr selbst auch die am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten außerstande sein, die Kosten aufzubringen. Zudem muss die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

1. Entgegen der Ansicht des SG scheitert die Bewilligung von PKH allerdings nicht schon daran, dass die Klägerin durch Beschluss des AG Bielefeld aufgelöst ist.

a) Die Klägerin ist als juristische Person fähig, am Verfahren beteiligt zu sein (§ 70 Nr. 1 SGG). Nicht schon die Auflösung, sondern erst die Vollbeendigung führt zum Verlust der Beteiligtenfähigkeit. Die Vollbeendigung setzt nach zutreffender Auffassung, der sich der Senat anschließt, neben der Vermögenslosigkeit auch die Löschung der GmbH voraus (vgl. BAG, Urteil v. 4.6.2003, 10 AZR 448/02, DB 2003, 2659; OLG Düsseldorf, Urteil v. 14.11.2003, I-16 U 95/98, 16 U 95/98, ZIP 2004, 1956; OLG Koblenz, Urteil v. 9.3.2007, 8 U 228/06, ZIP 2007, 2166; jeweils m.w.N.). Die vom SG für seine gegenteilige Auffassung in Anspruch genommene Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Urteil v. 12.1.1995, 3 Z BR 314/94, NJW-RR 1996, 417) betrifft die Frage, ob eine aufgelöste GmbH durch Gesellschafterbeschluss als werbende Gesellschaft fortgesetzt werden kann. Darum geht es hier jedoch nicht. Die Beteiligtenfähigkeit einer GmbH im sozialgerichtlichen Verfahren setzt eine werbende Tätigkeit der Gesellschaft nicht voraus.

b) Es bestehen gegenwärtig auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Prozessfähigkeit der Klägerin, da die Klage durch den allein vertretungsberechtigten Liquidator erhoben worden ist (§ 71 Abs. 3 SGG i.V.m. §§ 66 Abs. 1, 70 Satz 1 GmbHG) und eine Löschung gemäß § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG, die die Vertretungsbefugnis des Liquidators entfallen lassen würde, bislang nicht stattgefunden hat.

c) Im Hinblick darauf kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach selbst eine gelöschte GmbH als fortbestehend angesehen wird, solange sie gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift (vgl. hierzu und zu den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf das gerichtliche Verfahren BFH, Urteil v. 27.4.2000, I R 65/98, DB 2000, 1799), auch auf Beitragsbescheide gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch übertragbar ist.

2. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten die Verfahrenskosten nicht aufbringen können. Hierzu zählen zumindest die Gesellschafter. Nach Angaben der Klägerin hat diese zwei Gesellschafter, nämlich den Liquidator und dessen Bruder. Der Liquidator der Klägerin hat trotz mehrfacher Aufforderung durch das SG nur Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der GmbH, nicht dagegen zu seinen eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht. Er hat lediglich ohne nähere Substantiierung vorgetragen, er sei von der Mercedes Nutzwagen Sparte im Umfang von ca. 60.000 EUR in Haftung genommen worden und stehe kurz vor dem Antrag auf Privatinsolvenz. Welche Einkünfte er erzielt, hat er demgegenüber nicht mitgeteilt. So ist z.B. offen geblieben, welche Einnahmen er aufgrund seiner Tätigkeit als Prokurist der Spedition B GmbH hat, unter deren Briefkopf er neuerdings firmiert. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des anderen Gesellschafters, seines Bruders, hat er lediglich vorgetragen, er könne hierzu keine Aussagen treffen, "vermute" aber, dass auch dieser nicht leistungsfähig sei. Das reicht für eine Darlegung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH nicht aus.

3. Ebenso ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn die juristische Person ohne die Durchführung des Rechtsstreits behindert würde, der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen, oder wenn von der Durchführung des Prozesses die Existenz eines Unternehmens abhängt, an dessen Erhaltung wegen der großen Zahl der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer ein allgemeines Interesse besteht (BGH, Beschluss v. 20.12.1989, VIII ZR 139/89, DB 1990, 678, 679; BFH, Beschluss v. 16.10.2009, II S 17/09 [PKH]; Senat, Beschluss v. 11.8.2009, L 8 B 8/09 R; jeweils juris). Da die Klägerin nicht mehr werbend tätig ist, ist nicht erkennbar, dass der Bestand von Arbeitsverhältnissen vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens abhängt. Ebenso bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass etwa eine Vielzahl von Kleingläubigern vom Ergebnis des Rechtsstreits betroffen wäre. Anderweitige allgemeine Interessen sind ebenfalls nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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