Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 278/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 163/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 28/09 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
ZVW ans LSG, Az.: L 9 AL 153/10 ZVW
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um einen Gründungszuschuss (GZ) gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB 3) für die Zeit ab 12. Oktober 2007. Die Beklagte bewilligte dem 1968 geborenen Kläger mit Bescheid vom 8. März 2007 Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. Februar 2007 für 240 Tage. Ausweislich eines Beratungsvermerkes sprach der Kläger am 14. Mai 2007 bei der Beklagten vor und wies darauf hin, dass er eine Chance in der Selbständigkeit sehe und nach einer Möglichkeit suche, ein Dönerrestaurant/Türkische Bäckerei aufzumachen. Als Strategie wurde vermerkt: Aufsuchen einer Existenzgründungsberatung, intensive Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, Erneuerung des Gesundheitszeugnisses. Dem Kläger wurde ein Beratungsgutschein und Infomaterial ausgehändigt. Laut Beratungsvermerk vom 26. Juni 2007 hat der Kläger telefonisch mitgeteilt, dass er sein Gewerbe zum 1. oder 2. Juli 2007 anmelden wolle. Bei der persönlichen Vorsprache des Klägers am 29. Juni 2007 wurden laut Vermerk ausführlich die Fördermöglichkeiten des GZ erläutert und Infomaterial erneut ausgehändigt. Da der Beratungsgutschein noch nicht eingelöst worden sei und seine Gültigkeit verloren habe, wurde ein neuer Beratungsgutschein ausgehändigt. Ein Antrag für den GZ wurde ausgehändigt. Das Gewerbe werde zum 2. Juli 2007 angemeldet (wichtig für die 90 Tage Frist). Mit Bescheid vom 4. Juli 2007 wurde die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 2. Juli 2007 aufgehoben (Grund: Aufnahme einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung). Es bestand noch ein Restanspruch von 91 Tagen. Am 18. Juli 2007 ging der ausgefüllte Antrag auf GZ bei der Beklagten ein. Beigefügt waren eine Bescheinigung des Gesundheitsamtes vom 10. Juli 2007, eine positive Stellungnahme der C. – Unternehmensberatungs GmbH zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 17. Juli 2007, ein Mietvertrag über einen Dönerladen mit Bistro in C-Stadt vom 17. Juli 2007 (Mietbeginn 1. August 2007) und Kopie eines Antrags auf Gaststättenerlaubnis sowie einer vorläufigen Erlaubnis vom 16. Juli 2007. Laut Beratungsvermerk vom 23. Juli 2007 legte der Kläger eine vorläufige Gaststätten-Erlaubnis vom 23. Juli 2007 vor. Laut Beratungsvermerk vom 24. Juli 2007 gab der Kläger bei seiner Vorsprache an, am 2. Juli 2007 bei der C-Stadt gewesen zu sein, um das Gewerbe anzumelden. Es hätten jedoch noch Unterlagen wie Gesundheitszeugnis, Führungszeugnis etc. gefehlt. Mit Bescheid vom 25. Juli 2007 hat die Beklagte den Antrag abgelehnt mit der Begründung, dass der Kläger bisher keine Gewerbeanmeldung vorgelegt habe. Hiergegen hat der Kläger am 30. Juli 2007 Widerspruch eingelegt und eine Gewerbeanmeldung zum 23. Juli 2007 beigefügt. Mit Schreiben vom 9. August 2007 hat die Beklagte den Kläger darauf hingewiesen, dass der Mietvertrag zum 1. August 2007 abgeschlossen worden sei und deshalb davon auszugehen sei, dass er frühestens ab diesem Zeitpunkt eine hauptberufliche Tätigkeit ausübe. Es werde um Mitteilung gebeten, ab wann der Kläger den Imbiss in einem zeitlichen Umfang von mindestens 15 Stunden betreibe. Am 15. August 2007 legte der Kläger einen neuen Mietvertrag über den Dönerladen mit einem Mietbeginn ab 1. Juli 2007 vor. Laut Gesprächsnotiz vom 15. August 2008 habe der Kläger erklärt, es sei auch für Juli 2007 Miete gezahlt worden. Die Renovierung habe am 1. Juli 2007 begonnen und nehme seine volle Arbeitskraft in Anspruch. Er sei selbst Fliesenleger. Die Renovierung dauere noch etwa eine Woche. Der Laden laufe bis zum Abschluss noch nicht im geplanten Umfang. Es würden derzeit lediglich Getränke verkauft. Pizza und Döner könnten noch nicht zubereitet werden. Aus einer Gesprächsnotiz eines Beschäftigten der Beklagten mit der Vermieterin vom 17. August 2007 ergibt sich, dass die Räume im Prinzip ab Juli an den Kläger vermietet worden seien, weil er dort noch habe renovieren wollen. Er habe für Juli aber noch keine Miete zahlen müssen. Er habe aber erst ab Mitte Juli 2007 mit der Renovierung angefangen. Als der Kläger von seinen Schwierigkeiten berichtet habe, sei der Mietvertrag für die Zeit ab 1. Juli 2007 abgeschlossen worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2007 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen unter anderem mit der Begründung, der Kläger habe nicht am 2. Juli 2007 eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit aufgenommen. Nach den Unterlagen hätte er die Gaststätte auch frühestens am 23. Juli 2007 eröffnen dürfen. Dies sei nach Angaben des Klägers aber nicht der Fall gewesen. Die Renovierungsarbeiten und Behördengänge stellten Vorbereitungshandlungen dar, nicht aber die evtl. zu fördernde selbständige Tätigkeit. Dem Kläger sei bedeutet worden, er solle bis 2. Juli 2007 eine Gewerbeanmeldung vorlegen, er sei aber lange vorher darüber unterrichtet worden, dass dafür andere Bescheinigungen erforderlich seien, die er dann erst am 2. Juli 2007 beantragt habe. Der Kläger hat am 12. September 2007 Klage erhoben. Die Klage wurde nicht begründet. Die Beklagte hat auf den zugrunde liegenden Widerspruchsbescheid verwiesen. Mit Urteil vom 12. Juni 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen damit begründet, die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 SGB 3 seien am 2. Juli 2007 nicht erfüllt gewesen, da der Kläger an diesem Tag die selbständige Tätigkeit nicht aufgenommen habe. An diesem Tage seien die Räumlichkeiten nicht einmal renoviert gewesen. Nach den Angaben der Vermieterin habe der Kläger mit der Renovierung erst Mitte Juli begonnen. Auch die Gewerbeerlaubnis sei dem Kläger erst am 23. Juli 2007 erteilt worden. Vor diesem Zeitpunkt wäre die Aufnahme des Geschäftsbetriebes nicht zulässig gewesen. Ein Anspruch auf GZ ab 2. Juli 2007 ergebe sich auch nicht aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (wird näher ausgeführt).
Gegen das am 10. September 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Oktober 2008 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, zunächst sei der Gewerberaum mit Wirkung ab 1. August 2007 angemietet worden. Auf Anraten der Beklagten sei der Mietvertrag dann auf den 1. Juli 2007 geändert worden. Am 12. Oktober 2007 habe er sein Geschäft eröffnet und dann Getränke und Speisen verkauft. Bei der Beratung am 29. Juni 2007 sei ihm von Frau D. gesagt worden, dass er einen Anspruch auf den Zuschuss habe, wenn er noch 90 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld übrig habe und es sei dabei egal, wann das so weit wäre. Bei der Gründerberatung sei sein Vorhaben unter der Voraussetzung als tragfähig bezeichnet worden, wenn der streitbefangene GZ auch tatsächlich geleistet würde. Im Vertrauen auf die Zusage des GZ habe er seine Lebensversicherung beliehen. Sein Geschäft habe er am 8. August 2008 wieder aufgeben müssen, da sich der Betrieb mangels verweigerter Zuschüsse nicht getragen habe. Er habe sich durch die Gründungsmaßnahme erheblich verschuldet. Die Voraussetzung des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 sei von ihm erfüllt, da er bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch dem Grunde nach gehabt habe; eine zeitliche Eingrenzung ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht. Das Sozialgericht hätte sich auch näher mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu seinen Gunsten auseinandersetzen müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. Juni 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss ab 12. Oktober 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, hätte der Kläger die selbständige Tätigkeit am 2. Juli 2007 aufgenommen, hätte er noch über einen Anspruch von mindestens 90 Tagen verfügt. Er habe am 2. Juli 2007 jedoch erst begonnen, sich wegen der erforderlichen Erlaubnisse zu erkundigen bzw. diese einzuholen. Diese Vorbereitungshandlungen stellten jedoch noch nicht die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit dar. Da er ausdrücklich GZ ab 2. Juli 2007 beantragt habe, sei der Antrag abzulehnen gewesen. Die Voraussetzungen für den Gründungszuschuss hätte der Kläger nur dann erfüllen können, wenn er sich unmittelbar vor der tatsächlichen Eröffnung des Imbisses für einen Tag arbeitslos gemeldet und der Restanspruch von 91 Tagen infolge der Aufhebung der Arbeitslosengeld-Bewilligung dann noch bestanden hätte. Die Überlegungen in der internen Anfrage an die Fachabteilung änderten an der getroffenen Entscheidung nichts. Nach dem Gesetzeswortlaut sei von einem nahtlosen Wechsel auszugehen (so auch Winkler in Gagel SGB III § 57 RdNr. 13, B. Schmidt in Beck´scher Online Kommentar Sozialrecht SGB III § 57 RdNr 5). Das LSG Baden-Württemberg habe mit Urteil vom 28. November 2008 (L 8 AL 589/08) ebenfalls entschieden, dass der eindeutige Gesetzeswortlaut einen zeitlichen Abstand des Bezuges einer Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der Tätigkeit nicht mehr zulasse. Vielmehr müsse der Anspruch unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit bestehen. Beim Bundessozialgericht (BSG) sei ein Verfahren anhängig, ob bei dem Anspruch auf GZ ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit und dem Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a SGB 3 ausreichend sei oder ob ein nahtloser Übergang vorliegen müsse (B 11 AL 11/09 R). Der Kläger habe vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Ende Juli/Anfang August 2007 keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistung gehabt (die Anspruchsvoraussetzungen hätten nach dem 2. Juli 2007 nicht mehr vorgelegen), deshalb habe auch zu einem späteren Zeitpunkt kein GZ bewilligt werden können.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG) eingelegte sowie auch ansonsten zulässige (§§ 143, 144 SGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. Juni 2008 ist zu Recht ergangen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2007 ist nicht zu beanstanden.
Dabei war nach dem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag nicht mehr die Zeit ab 2. Juli 2007 streitbefangen, sondern durch den in zweiter Instanz gestellten Antrag erst die Zeit ab 12. Oktober 2007. Es handelt es sich insoweit jedoch nicht um eine Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG, die entweder der Einwilligung der übrigen Beteiligten bedarf oder die das Gericht für sachdienlich halten muss. Vielmehr liegt nur eine Beschränkung des Klageantrages im Sinne des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG vor.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von GZ gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB 3) auf der Grundlage der am 12. Oktober 2007 eröffneten Gaststätte. Nach § 57 Abs. 1 SGB 3 haben Arbeitnehmer, die durch die Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen GZ. Ein GZ wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer
1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit
a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hat oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buch gefördert worden ist,
2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt,
3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB 3 ist ein Antrag erforderlich, der gemäß § 324 Abs 1 Satz 1 SGB 3 grundsätzlich vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses (die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit) zu stellen ist (vgl. Brandts in Niesel, SGB III, § 421l, RdNr. 38). Nur zur Vermeidung unbilliger Härten kann die Beklagte eine Antragstellung nach Aufnahme der Selbständigkeit zulassen (vgl. LSG Ba-Wü 23. April 2004 – L 8 AL 4489/03 – bei Antrag drei Tage nach Beginn der Selbständigkeit). Der Kläger hat den Antrag vor dem 12. Oktober 2007 gestellt, nämlich am 18. Juli 2007.
Der Kläger hat auch die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nrn. 2. bis 4. SGB 3 erfüllt, denn er verfügte am 12. Oktober 2007 noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen (nämlich 91 Tagen), er hat durch das Testat der C.-Unternehmungsberatungs GmbH vom 10. Juli 2007 die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachgewiesen und auch seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt, und zwar im Rahmen der Darstellung des Gründungsvorhabens. Der Kläger hat jedoch die Voraussetzung des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 nicht erfüllt, da er bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB 3 hatte. Dabei scheidet die Auslegung nach dem Wortlaut, wie vom Kläger für richtig gehalten, aus. Danach würde das Bestehen des Stammrechts (wie beim Kläger nur noch vorhanden) genügen, unabhängig davon, ob auch die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld erfüllt sind (wie z. B. Verfügbarkeit gemäß § 119 Abs. 5 SGB 3, die beim Kläger ab 2. Juli 2007 nicht mehr gegeben war, da er sich in die Selbständigkeit abgemeldet hatte). Denn es wäre mit Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und systematischem Zusammenhang der Vorschrift nicht vereinbar, den GZ auch dann zu gewähren, wenn zwar ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen besteht, aber überhaupt kein zeitlicher Zusammenhang mit dem tatsächlichen Bezug von Entgeltersatzleistungen mehr bestünde. In diesem Fall hätte die Vorschrift des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 keinen eigenständigen Regelungsgehalt neben der Vorschrift des § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3. Denn immer dann, wenn bei Beginn der Selbständigkeit noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen bestünde, wäre bei wortgetreuer Auslegung auch bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Anspruch (dem Grunde nach als fortbestehendes Stammrecht) auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB 3 gegeben. Die Vorschrift des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 wäre neben § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 schlicht überflüssig. Nach der Gesetzesbegründung zu § 57 n. F. SGB 3 (Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. 7.2006. BGBl. I, 1706) werden die Nrn. 1 und 3 des Absatzes 2 als notwendige und bewährte Voraussetzungen der bisherigen Regelung übernommen (BT-Drs. 16, 1696, S. 31, zu § 57 Abs. 2). In § 57 Abs. 2 a. F. musste der Arbeitnehmer "in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit"."Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen".haben oder er hätte "einen Anspruch darauf" haben müssen. Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur ist aus der Gesetzesänderung zu folgern, dass nunmehr ein enger zeitlicher Zusammenhang nicht mehr genügt, sondern Nahtlosigkeit zwischen Entgeltersatzleistungsanspruch und Existenzgründung bestehen muss (so Winkler in Gagel SGB III, § 57 RdNr. 15, vgl. Link in Eicher/Schlegel, SGB III RdNr. 54, Kruse in LPK-SGB III 1. Aufl. § 57 nF RdNr. 9, Petzold in Hauck/Noftz SGB III, §57 RdNr. 14 spricht zwar nicht von Nahtlosigkeit, aber davon, dass keine zeitliche Lücke entstehen dürfe, XP. in NK-SGB III § 57 RdNrn. 34 bis 44 scheint eine bis zu 12-wöchige Unterbrechung von Arbeitslosengeld – maximale Dauer einer Sperrzeit – unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung zu akzeptieren, RdNr. 41). Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob dabei die geforderte Nahtlosigkeit (s. o.) durch das Vorliegen von Ruhenstatbeständen erhalten bleibt, da im vorliegenden Fall kein Ruhenstatbestand gegeben ist. Es kann nach Auffassung des erkennenden Senates auch dahingestellt bleiben, ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, dass bei (beliebig langer) Unterbrechung des Bezuges von Arbeitslosengeld (etwa zur Vorbereitung der Selbständigkeit) eine nur formale Arbeitslosmeldung für einen Tag vor Beginn der selbständigen Tätigkeit ausreichen würde, die Voraussetzung gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 zu erfüllen, da der Kläger hiervon keinen Gebrauch gemacht hat, obwohl er trotz dieses weiteren Tages des Bezugs von Arbeitslosengeld noch den gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 erforderlichen Mindestanspruch von 90 Tagen erfüllt haben würde. Jedenfalls dann, wenn der sich selbständig machende Arbeitslose noch einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von 91 Tagen hat, eine Unterbrechung des Leistungsbezuges von wenigen Wochen in Kauf nimmt, die Selbständigkeit in dieser Zeit intensiv vorbereitet und sich theoretisch am Tag vor der Geschäftseröffnung erneut arbeitslos melden könnte, um für einen Tag Arbeitslosengeld zu beziehen, hat er nach Auffassung des erkennenden Senates die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 (in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 2006 – BGBl. I, 1706) erfüllt. Dabei würde sich die oben angegebene Zeitspanne von wenigen Wochen an die Rechtsprechung zu den §§ 57 a. F., 421l Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB 3 anschließen, die einen engen zeitlichen bzw. einen engen Zusammenhang zwischen dem Ende der Entgeltersatzleistung und dem Beginn der Selbständigkeit vorausgesetzt haben, ohne jedoch eine feste zeitliche Grenze zu definieren (Urteil des erkennenden Senats vom 2. Juni 2008 - L 9 AL 90/06), wie sie die Beklagte mit einem Monat vorgesehen hat (DA 421l, 15 [1] – Stand: 24.08.2004; so auch für die Auslegung des "engen zeitlichen Zusammenhangs" in § 57 Link in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 421l Rdnr. 21). Vorliegend hat der Kläger diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt, da er zum einen nicht schlüssig dargelegt hat, dass er die Zeit zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges und dem Beginn der Selbständigkeit (2. Juli 2007 bis zum 11. Oktober 2007) intensiv mit Vorbereitungsarbeiten für die Selbständigkeit genutzt hat und nach Auffassung des erkennenden Senates jedenfalls eine Gesamtdauer über 12 Wochen (maximale Sperrzeitdauer gemäß § 144 Abs. 3 SGB 3) zur Verneinung der Voraussetzung des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 führt. Hinsichtlich der fehlenden Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da der Frage der Auslegung des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 n. F. grundsätzliche Bedeutung zukommt, § 160 Abs. 2 Nr.1 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um einen Gründungszuschuss (GZ) gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB 3) für die Zeit ab 12. Oktober 2007. Die Beklagte bewilligte dem 1968 geborenen Kläger mit Bescheid vom 8. März 2007 Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. Februar 2007 für 240 Tage. Ausweislich eines Beratungsvermerkes sprach der Kläger am 14. Mai 2007 bei der Beklagten vor und wies darauf hin, dass er eine Chance in der Selbständigkeit sehe und nach einer Möglichkeit suche, ein Dönerrestaurant/Türkische Bäckerei aufzumachen. Als Strategie wurde vermerkt: Aufsuchen einer Existenzgründungsberatung, intensive Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, Erneuerung des Gesundheitszeugnisses. Dem Kläger wurde ein Beratungsgutschein und Infomaterial ausgehändigt. Laut Beratungsvermerk vom 26. Juni 2007 hat der Kläger telefonisch mitgeteilt, dass er sein Gewerbe zum 1. oder 2. Juli 2007 anmelden wolle. Bei der persönlichen Vorsprache des Klägers am 29. Juni 2007 wurden laut Vermerk ausführlich die Fördermöglichkeiten des GZ erläutert und Infomaterial erneut ausgehändigt. Da der Beratungsgutschein noch nicht eingelöst worden sei und seine Gültigkeit verloren habe, wurde ein neuer Beratungsgutschein ausgehändigt. Ein Antrag für den GZ wurde ausgehändigt. Das Gewerbe werde zum 2. Juli 2007 angemeldet (wichtig für die 90 Tage Frist). Mit Bescheid vom 4. Juli 2007 wurde die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 2. Juli 2007 aufgehoben (Grund: Aufnahme einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung). Es bestand noch ein Restanspruch von 91 Tagen. Am 18. Juli 2007 ging der ausgefüllte Antrag auf GZ bei der Beklagten ein. Beigefügt waren eine Bescheinigung des Gesundheitsamtes vom 10. Juli 2007, eine positive Stellungnahme der C. – Unternehmensberatungs GmbH zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 17. Juli 2007, ein Mietvertrag über einen Dönerladen mit Bistro in C-Stadt vom 17. Juli 2007 (Mietbeginn 1. August 2007) und Kopie eines Antrags auf Gaststättenerlaubnis sowie einer vorläufigen Erlaubnis vom 16. Juli 2007. Laut Beratungsvermerk vom 23. Juli 2007 legte der Kläger eine vorläufige Gaststätten-Erlaubnis vom 23. Juli 2007 vor. Laut Beratungsvermerk vom 24. Juli 2007 gab der Kläger bei seiner Vorsprache an, am 2. Juli 2007 bei der C-Stadt gewesen zu sein, um das Gewerbe anzumelden. Es hätten jedoch noch Unterlagen wie Gesundheitszeugnis, Führungszeugnis etc. gefehlt. Mit Bescheid vom 25. Juli 2007 hat die Beklagte den Antrag abgelehnt mit der Begründung, dass der Kläger bisher keine Gewerbeanmeldung vorgelegt habe. Hiergegen hat der Kläger am 30. Juli 2007 Widerspruch eingelegt und eine Gewerbeanmeldung zum 23. Juli 2007 beigefügt. Mit Schreiben vom 9. August 2007 hat die Beklagte den Kläger darauf hingewiesen, dass der Mietvertrag zum 1. August 2007 abgeschlossen worden sei und deshalb davon auszugehen sei, dass er frühestens ab diesem Zeitpunkt eine hauptberufliche Tätigkeit ausübe. Es werde um Mitteilung gebeten, ab wann der Kläger den Imbiss in einem zeitlichen Umfang von mindestens 15 Stunden betreibe. Am 15. August 2007 legte der Kläger einen neuen Mietvertrag über den Dönerladen mit einem Mietbeginn ab 1. Juli 2007 vor. Laut Gesprächsnotiz vom 15. August 2008 habe der Kläger erklärt, es sei auch für Juli 2007 Miete gezahlt worden. Die Renovierung habe am 1. Juli 2007 begonnen und nehme seine volle Arbeitskraft in Anspruch. Er sei selbst Fliesenleger. Die Renovierung dauere noch etwa eine Woche. Der Laden laufe bis zum Abschluss noch nicht im geplanten Umfang. Es würden derzeit lediglich Getränke verkauft. Pizza und Döner könnten noch nicht zubereitet werden. Aus einer Gesprächsnotiz eines Beschäftigten der Beklagten mit der Vermieterin vom 17. August 2007 ergibt sich, dass die Räume im Prinzip ab Juli an den Kläger vermietet worden seien, weil er dort noch habe renovieren wollen. Er habe für Juli aber noch keine Miete zahlen müssen. Er habe aber erst ab Mitte Juli 2007 mit der Renovierung angefangen. Als der Kläger von seinen Schwierigkeiten berichtet habe, sei der Mietvertrag für die Zeit ab 1. Juli 2007 abgeschlossen worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2007 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen unter anderem mit der Begründung, der Kläger habe nicht am 2. Juli 2007 eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit aufgenommen. Nach den Unterlagen hätte er die Gaststätte auch frühestens am 23. Juli 2007 eröffnen dürfen. Dies sei nach Angaben des Klägers aber nicht der Fall gewesen. Die Renovierungsarbeiten und Behördengänge stellten Vorbereitungshandlungen dar, nicht aber die evtl. zu fördernde selbständige Tätigkeit. Dem Kläger sei bedeutet worden, er solle bis 2. Juli 2007 eine Gewerbeanmeldung vorlegen, er sei aber lange vorher darüber unterrichtet worden, dass dafür andere Bescheinigungen erforderlich seien, die er dann erst am 2. Juli 2007 beantragt habe. Der Kläger hat am 12. September 2007 Klage erhoben. Die Klage wurde nicht begründet. Die Beklagte hat auf den zugrunde liegenden Widerspruchsbescheid verwiesen. Mit Urteil vom 12. Juni 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen damit begründet, die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 SGB 3 seien am 2. Juli 2007 nicht erfüllt gewesen, da der Kläger an diesem Tag die selbständige Tätigkeit nicht aufgenommen habe. An diesem Tage seien die Räumlichkeiten nicht einmal renoviert gewesen. Nach den Angaben der Vermieterin habe der Kläger mit der Renovierung erst Mitte Juli begonnen. Auch die Gewerbeerlaubnis sei dem Kläger erst am 23. Juli 2007 erteilt worden. Vor diesem Zeitpunkt wäre die Aufnahme des Geschäftsbetriebes nicht zulässig gewesen. Ein Anspruch auf GZ ab 2. Juli 2007 ergebe sich auch nicht aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (wird näher ausgeführt).
Gegen das am 10. September 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Oktober 2008 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, zunächst sei der Gewerberaum mit Wirkung ab 1. August 2007 angemietet worden. Auf Anraten der Beklagten sei der Mietvertrag dann auf den 1. Juli 2007 geändert worden. Am 12. Oktober 2007 habe er sein Geschäft eröffnet und dann Getränke und Speisen verkauft. Bei der Beratung am 29. Juni 2007 sei ihm von Frau D. gesagt worden, dass er einen Anspruch auf den Zuschuss habe, wenn er noch 90 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld übrig habe und es sei dabei egal, wann das so weit wäre. Bei der Gründerberatung sei sein Vorhaben unter der Voraussetzung als tragfähig bezeichnet worden, wenn der streitbefangene GZ auch tatsächlich geleistet würde. Im Vertrauen auf die Zusage des GZ habe er seine Lebensversicherung beliehen. Sein Geschäft habe er am 8. August 2008 wieder aufgeben müssen, da sich der Betrieb mangels verweigerter Zuschüsse nicht getragen habe. Er habe sich durch die Gründungsmaßnahme erheblich verschuldet. Die Voraussetzung des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 sei von ihm erfüllt, da er bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch dem Grunde nach gehabt habe; eine zeitliche Eingrenzung ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht. Das Sozialgericht hätte sich auch näher mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu seinen Gunsten auseinandersetzen müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. Juni 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss ab 12. Oktober 2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, hätte der Kläger die selbständige Tätigkeit am 2. Juli 2007 aufgenommen, hätte er noch über einen Anspruch von mindestens 90 Tagen verfügt. Er habe am 2. Juli 2007 jedoch erst begonnen, sich wegen der erforderlichen Erlaubnisse zu erkundigen bzw. diese einzuholen. Diese Vorbereitungshandlungen stellten jedoch noch nicht die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit dar. Da er ausdrücklich GZ ab 2. Juli 2007 beantragt habe, sei der Antrag abzulehnen gewesen. Die Voraussetzungen für den Gründungszuschuss hätte der Kläger nur dann erfüllen können, wenn er sich unmittelbar vor der tatsächlichen Eröffnung des Imbisses für einen Tag arbeitslos gemeldet und der Restanspruch von 91 Tagen infolge der Aufhebung der Arbeitslosengeld-Bewilligung dann noch bestanden hätte. Die Überlegungen in der internen Anfrage an die Fachabteilung änderten an der getroffenen Entscheidung nichts. Nach dem Gesetzeswortlaut sei von einem nahtlosen Wechsel auszugehen (so auch Winkler in Gagel SGB III § 57 RdNr. 13, B. Schmidt in Beck´scher Online Kommentar Sozialrecht SGB III § 57 RdNr 5). Das LSG Baden-Württemberg habe mit Urteil vom 28. November 2008 (L 8 AL 589/08) ebenfalls entschieden, dass der eindeutige Gesetzeswortlaut einen zeitlichen Abstand des Bezuges einer Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der Tätigkeit nicht mehr zulasse. Vielmehr müsse der Anspruch unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit bestehen. Beim Bundessozialgericht (BSG) sei ein Verfahren anhängig, ob bei dem Anspruch auf GZ ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit und dem Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a SGB 3 ausreichend sei oder ob ein nahtloser Übergang vorliegen müsse (B 11 AL 11/09 R). Der Kläger habe vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Ende Juli/Anfang August 2007 keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistung gehabt (die Anspruchsvoraussetzungen hätten nach dem 2. Juli 2007 nicht mehr vorgelegen), deshalb habe auch zu einem späteren Zeitpunkt kein GZ bewilligt werden können.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG) eingelegte sowie auch ansonsten zulässige (§§ 143, 144 SGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. Juni 2008 ist zu Recht ergangen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2007 ist nicht zu beanstanden.
Dabei war nach dem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag nicht mehr die Zeit ab 2. Juli 2007 streitbefangen, sondern durch den in zweiter Instanz gestellten Antrag erst die Zeit ab 12. Oktober 2007. Es handelt es sich insoweit jedoch nicht um eine Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG, die entweder der Einwilligung der übrigen Beteiligten bedarf oder die das Gericht für sachdienlich halten muss. Vielmehr liegt nur eine Beschränkung des Klageantrages im Sinne des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG vor.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von GZ gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB 3) auf der Grundlage der am 12. Oktober 2007 eröffneten Gaststätte. Nach § 57 Abs. 1 SGB 3 haben Arbeitnehmer, die durch die Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen GZ. Ein GZ wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer
1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit
a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hat oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buch gefördert worden ist,
2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt,
3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB 3 ist ein Antrag erforderlich, der gemäß § 324 Abs 1 Satz 1 SGB 3 grundsätzlich vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses (die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit) zu stellen ist (vgl. Brandts in Niesel, SGB III, § 421l, RdNr. 38). Nur zur Vermeidung unbilliger Härten kann die Beklagte eine Antragstellung nach Aufnahme der Selbständigkeit zulassen (vgl. LSG Ba-Wü 23. April 2004 – L 8 AL 4489/03 – bei Antrag drei Tage nach Beginn der Selbständigkeit). Der Kläger hat den Antrag vor dem 12. Oktober 2007 gestellt, nämlich am 18. Juli 2007.
Der Kläger hat auch die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nrn. 2. bis 4. SGB 3 erfüllt, denn er verfügte am 12. Oktober 2007 noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen (nämlich 91 Tagen), er hat durch das Testat der C.-Unternehmungsberatungs GmbH vom 10. Juli 2007 die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachgewiesen und auch seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt, und zwar im Rahmen der Darstellung des Gründungsvorhabens. Der Kläger hat jedoch die Voraussetzung des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 nicht erfüllt, da er bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB 3 hatte. Dabei scheidet die Auslegung nach dem Wortlaut, wie vom Kläger für richtig gehalten, aus. Danach würde das Bestehen des Stammrechts (wie beim Kläger nur noch vorhanden) genügen, unabhängig davon, ob auch die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld erfüllt sind (wie z. B. Verfügbarkeit gemäß § 119 Abs. 5 SGB 3, die beim Kläger ab 2. Juli 2007 nicht mehr gegeben war, da er sich in die Selbständigkeit abgemeldet hatte). Denn es wäre mit Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und systematischem Zusammenhang der Vorschrift nicht vereinbar, den GZ auch dann zu gewähren, wenn zwar ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen besteht, aber überhaupt kein zeitlicher Zusammenhang mit dem tatsächlichen Bezug von Entgeltersatzleistungen mehr bestünde. In diesem Fall hätte die Vorschrift des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 keinen eigenständigen Regelungsgehalt neben der Vorschrift des § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3. Denn immer dann, wenn bei Beginn der Selbständigkeit noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen bestünde, wäre bei wortgetreuer Auslegung auch bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Anspruch (dem Grunde nach als fortbestehendes Stammrecht) auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB 3 gegeben. Die Vorschrift des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 wäre neben § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 schlicht überflüssig. Nach der Gesetzesbegründung zu § 57 n. F. SGB 3 (Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. 7.2006. BGBl. I, 1706) werden die Nrn. 1 und 3 des Absatzes 2 als notwendige und bewährte Voraussetzungen der bisherigen Regelung übernommen (BT-Drs. 16, 1696, S. 31, zu § 57 Abs. 2). In § 57 Abs. 2 a. F. musste der Arbeitnehmer "in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit"."Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen".haben oder er hätte "einen Anspruch darauf" haben müssen. Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur ist aus der Gesetzesänderung zu folgern, dass nunmehr ein enger zeitlicher Zusammenhang nicht mehr genügt, sondern Nahtlosigkeit zwischen Entgeltersatzleistungsanspruch und Existenzgründung bestehen muss (so Winkler in Gagel SGB III, § 57 RdNr. 15, vgl. Link in Eicher/Schlegel, SGB III RdNr. 54, Kruse in LPK-SGB III 1. Aufl. § 57 nF RdNr. 9, Petzold in Hauck/Noftz SGB III, §57 RdNr. 14 spricht zwar nicht von Nahtlosigkeit, aber davon, dass keine zeitliche Lücke entstehen dürfe, XP. in NK-SGB III § 57 RdNrn. 34 bis 44 scheint eine bis zu 12-wöchige Unterbrechung von Arbeitslosengeld – maximale Dauer einer Sperrzeit – unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung zu akzeptieren, RdNr. 41). Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob dabei die geforderte Nahtlosigkeit (s. o.) durch das Vorliegen von Ruhenstatbeständen erhalten bleibt, da im vorliegenden Fall kein Ruhenstatbestand gegeben ist. Es kann nach Auffassung des erkennenden Senates auch dahingestellt bleiben, ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, dass bei (beliebig langer) Unterbrechung des Bezuges von Arbeitslosengeld (etwa zur Vorbereitung der Selbständigkeit) eine nur formale Arbeitslosmeldung für einen Tag vor Beginn der selbständigen Tätigkeit ausreichen würde, die Voraussetzung gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 zu erfüllen, da der Kläger hiervon keinen Gebrauch gemacht hat, obwohl er trotz dieses weiteren Tages des Bezugs von Arbeitslosengeld noch den gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 erforderlichen Mindestanspruch von 90 Tagen erfüllt haben würde. Jedenfalls dann, wenn der sich selbständig machende Arbeitslose noch einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von 91 Tagen hat, eine Unterbrechung des Leistungsbezuges von wenigen Wochen in Kauf nimmt, die Selbständigkeit in dieser Zeit intensiv vorbereitet und sich theoretisch am Tag vor der Geschäftseröffnung erneut arbeitslos melden könnte, um für einen Tag Arbeitslosengeld zu beziehen, hat er nach Auffassung des erkennenden Senates die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 (in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 2006 – BGBl. I, 1706) erfüllt. Dabei würde sich die oben angegebene Zeitspanne von wenigen Wochen an die Rechtsprechung zu den §§ 57 a. F., 421l Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB 3 anschließen, die einen engen zeitlichen bzw. einen engen Zusammenhang zwischen dem Ende der Entgeltersatzleistung und dem Beginn der Selbständigkeit vorausgesetzt haben, ohne jedoch eine feste zeitliche Grenze zu definieren (Urteil des erkennenden Senats vom 2. Juni 2008 - L 9 AL 90/06), wie sie die Beklagte mit einem Monat vorgesehen hat (DA 421l, 15 [1] – Stand: 24.08.2004; so auch für die Auslegung des "engen zeitlichen Zusammenhangs" in § 57 Link in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 421l Rdnr. 21). Vorliegend hat der Kläger diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt, da er zum einen nicht schlüssig dargelegt hat, dass er die Zeit zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges und dem Beginn der Selbständigkeit (2. Juli 2007 bis zum 11. Oktober 2007) intensiv mit Vorbereitungsarbeiten für die Selbständigkeit genutzt hat und nach Auffassung des erkennenden Senates jedenfalls eine Gesamtdauer über 12 Wochen (maximale Sperrzeitdauer gemäß § 144 Abs. 3 SGB 3) zur Verneinung der Voraussetzung des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 führt. Hinsichtlich der fehlenden Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 153 Abs. 2 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da der Frage der Auslegung des § 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB 3 n. F. grundsätzliche Bedeutung zukommt, § 160 Abs. 2 Nr.1 SGG.
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