L 13 AS 1986/10 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 3518/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1986/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Februar 2010 aufgehoben und dem Antragsteller unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. D. für das Verfahren S 15 AS 3518/09 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 16. April 2009 für den Kläger und für die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Lebensgefährtin M. R. sowie für deren Sohn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Alg II) für den Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 30. September 2009. Für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 31. Juli 2009 minderte die Beklagte die Leistungen um den Regelsatz für den Kläger (316 EUR). Grundlage hierfür war der Bescheid vom gleichen Tage, mit dem die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Wegfall des Alg II-Regelsatzes gem. § 31 SGB II verfügte und die Leistungen auf die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis zum 31. Juli 2009 beschränkte. Zur Begründung führte sie aus, mit dem Kläger sei vereinbart worden, dass er mit "O." vereinbarte Termine einhalte. Die vereinbarten Termine am 26. März 2009 und 31. März 2009 habe der Kläger unentschuldigt versäumt, er sei auch nicht erreichbar gewesen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2009 zurück. Hierbei bezog sich die Beklagte darauf, dass sich der Kläger mit der abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung vom 19. Januar 2009 verpflichtet habe, er werde die mit dem beauftragten Dritten, der Firma O., Pf., vereinbarten Termine einhalten. Der Kläger habe die vereinbarten Termine am 26. März 2009 und 31. März 2009 nicht wahrgenommen und somit gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten verstoßen. Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe 10. August 2009 Klage erhoben, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt und u.a. vorgetragen, aus den Akten sei nicht ersichtlich, welche Qualifikationen die Mitarbeiter der Firma O. hätten und welchen Inhalt die Maßnahme habe. Im Übrigen sei für eine erfolgreiche Durchführung der Maßnahme ein Vertrauensverhältnis notwendig; dieses könne durch Sanktionen nicht erreicht werden, er habe zu den Mitarbeitern des Maßnahmeträgers keinerlei Vertrauen aufbauen können. Mit Beschluss vom 3. Februar 2010 hat das SG den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt; der Kläger habe weder vorgetragen, noch glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen der Sanktion nicht vorlägen. Eine Erfolgsaussicht der Klage könne nicht bejaht werden. Gegen den am 22. Februar 2010 zugestellten Beschluss hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das SG habe die Erfolgsaussicht zu Unrecht verneint. Die Sanktion sei nur zulässig, wenn diese verhältnismäßig sei, dies sei nicht der Fall. Die Maßnahme sei weder inhaltlich noch qualitativ näher bestimmt worden und könne grundsätzlich nicht zu einer Sanktion führen; im Übrigen sei eine vollständige Reduzierung der Leistungen auf die Kosten der Unterkunft und Heizung verfassungswidrig.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit insgesamt zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet. PKH erhält gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 f. Zivilprozessordnung (ZPO), wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für eine hinreichende Erfolgsaussicht in der Hauptsache ist keine Erfolgsgewissheit erforderlich, es genügt eine Erfolgswahrscheinlichkeit. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (Zöller, Kommentar zu ZPO, 28. 28. Aufl., § 114 ZPO Rdnr.19).

Entgegen der Auffassung des SG kann eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage nicht verneint werden. Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens ist zu klären, ob der mit den Bescheiden vom 16. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2009 verfügte Wegfall des Regelsatzes rechtmäßig ist. Nach der hier gebotenen summarischen Prüfung ist zweifelhaft, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 SGB II, insb. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 Buchst. b SGB II erfüllt sind. Die Absenkung setzt tatbestandlich voraus, dass der erwerbslose Hilfebedürftige sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Ein Pflichtverstoß im genannten Sinne setzt denknotwendig voraus, dass die Verpflichtung rechtmäßig ist. Die Nichtteilnahme an Gesprächsterminen kann nur dann zu Sanktionen führen, wenn der Inhalt der Maßnahme selbst für den Kläger zumutbar ist. Aus den Akten der Beklagten ist nicht ersichtlich, welchen Inhalt die Maßnahme hatte. An keiner Stelle der Eingliederungsvereinbarung wird die Maßnahme, die der Kläger hat durchführen sollen, näher beschrieben. Dies wird das SG aufzuklären haben. Eine Sanktion i. S. d. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b SGB II setzt im Übrigen neben der vorsätzlichen Weigerung der Pflichterfüllung eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung voraus (Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. § 31 Rdnr. 8). Weder aus den Akten der Beklagten, noch aus den Gerichtsakten sind Umstände ersichtlich, die Aufschluss darüber geben, ob der Kläger ordnungsgemäß über die Termine informiert gewesen ist, wenn ja, ob der Kläger vorsätzlich die Termine nicht wahrgenommen hat. Schließlich bestehen Zweifel, ob die in der Eingliederungsvereinbarung enthaltene Rechtsfolgenbelehrung (vgl. Bl. 279/280 der Bekl. Akten - nur als Ausdruck in den Akten) im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausreichend ist, um den genannten Sanktionstatbestand zu erfüllen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Februar 2010, S. 14 AS 53/08 R, veröff. in juris). Danach muss der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret informiert sein. Eine Aussage darüber, welche Rechtsfolge eintritt, wenn einzelne Termine oder mehrere Termine, die der Maßnahmeträger vergibt, vom Kläger nicht wahrgenommen werden, enthält die Rechtsfolgenbelehrung nicht. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage somit nicht verneint werden. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH für das Klageverfahren liegen vor. Daher ist dem Kläger für das Klageverfahren PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. D. zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 127 Abs.4 ZPO.

Die Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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