L 6 VK 4321/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 V 4863/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VK 4321/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 04.08.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Senat entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Der Kläger erstrebt die Erhöhung der ihm gewährten Beschädigtenrente und Pflegezulage nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen einer Verschlimmerung bereits anerkannter sowie wegen in der Vergangenheit nicht anerkannter Schädigungsfolgen.

Der im Jahre 1915 geborene Kläger erlitt am 11.04.1945 bei Ausübung seines Dienstes als Soldat der deutschen Wehrmacht eine Verletzung des rechten Hüftgelenks mit Abbruch eines Stücks der Gelenkpfanne. Mit Bescheid vom 16.07.1947 erkannte das Kriegsversehrtenfürsorgeamt F. einen Zustand nach Verrenkung im rechten Hüftgelenk mit Abbruch eines Stückes der Gelenkpfanne als Wehrdienstbeschädigung an und gewährte dem Kläger Versehrtengeld. Ab dem 01.10.1950 wurde dem Kläger Grundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um zunächst 50 v. H. (Umanerkennungsbescheid vom 08.01.1952), später 60 v. H. (Ausführungsbescheid vom 23.05.1980) bewilligt.

Mit Bescheid vom 08.07.1988 erkannte das Versorgungsamt F. als Schädigungsfolge eine unvollständige Versteifung im rechten Hüftgelenk in Beugestellung und Adduktion bei erheblicher Verformung des Hüftgelenkes sowie den Abbruch eines Stückes der Gelenkpfanne mit einer MdE um 70 v. H. an und gewährte auf dieser Grundlage erhöhte Beschädigtenrente sowie einen Pauschbetrag für Kleider- oder Wäscheverschleiß. Nachdem die beteiligten Ärzte einen Ursachenzusammenhang verneint hatten, unterblieb ebenso wie bereits in der vorangegangenen Zeit die vom Kläger begehrte zusätzliche Anerkennung von Schädigungsfolgen im Bereich der Wirbelsäule. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Landesversorgungsamt B.-W. mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.1989 zurück. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die MdE für die anerkannten Schädigungsfolgen betrage 70 v. H.; auf die Entwicklung des Wirbelsäulenleidens hätten schädigende Einwirkungen keinen wesentlichen Einfluss gehabt.

Am 30.08.2007 beantragte der Kläger die Erhöhung der MdE und der Grundrente sowie die Gewährung einer Pflegezulage. Das Landratsamt B.-H. holte daraufhin den Befundbericht des behandelnden Internisten Dr. W. vom 10.01.2008 sowie das versorgungsärztliche Gutachten von Obermedizinalrat Dr. L. (annähernde Gleichwertigkeit der Schädigungsfolgen und der Nichtschädigungsleiden in Pflegezulage Stufe I, von isolierter Verschlechterung der anerkannten Schädigungsfolgen nicht auszugehen) ein.

Mit Bescheid vom 18.06.2008 stellte das Landratsamt B.-H. den Anspruch des Klägers auf Versorgung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unter Aufhebung der bisherigen Entscheidung wegen Änderung im Grundlagebereich neu fest und bewilligte dem Kläger Grundrente nach einer MdE um 70 v. H., eine Pflegezulage nach Stufe I ab dem 01.08.2007 sowie daneben einen Pauschbetrag für Kleider- und Wäscheverschleiß und einen Ehegattenzuschlag.

Den vom Kläger unter Hinweis auf die von ihm auch begehrte Erhöhung der MdE sowie die ihm entstehenden Pflegekosten erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium St. nach Einholung der gutachterlichen Stellungnahme der Versorgungsärztin K. vom 11.08.2008 (keine Änderung der Leidensbezeichnung und des Grades der Schädigungsfolgen [GdS], Voraussetzungen für eine höhere Pflegezulagestufe nach dem BVG nicht erfüllt) mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2008 zurück. Neben den anerkannten Schädigungsfolgen lägen beim Kläger weitere schwerwiegende nichtschädigungsbedingte Leiden, insbesondere im Bereich des Verdauungsapparates, des gesamten Stütz- und Bewegungsapparates sowie des Herzens vor. Das jetzige Ausmaß der Hilflosigkeit oder Pflegebedürftigkeit werde ganz wesentlich durch Nichtschädigungsfolgen verursacht. Eine Anerkennung der Pflegebedürftigkeit nach dem BVG könne daher nur anteilig entsprechend dem durch die anerkannten Schädigungsfolgen verursachten Pflegebedarf erfolgen, weshalb eine annähernde Gleichwertigkeit der Schädigungsfolgen und der Nichtschädigungsfolgen in Pflegezulage Stufe I festgestellt werden könne. Bei einer höheren Stufe der Pflegezulage wäre eine annähernde Gleichwertigkeit nicht mehr gegeben.

Am 01.10.2008 erhob der Kläger beim Sozialgericht Freiburg Klage und machte geltend, seine Hilflosigkeit sei ausschließlich bzw. ganz überwiegend durch den Hüftschaden verursacht.

Das Sozialgericht holte das schriftliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie, Physikalische Medizin und Rehamedizin Dr. K. vom 22.11.2008 (schädigungsbedingte unvollständige Versteifung im rechten Hüftgelenk mit Beugestellung und Adduktionsstellung bei erheblicher Verformung des Hüftgelenkes und Abbruch eines Stückes der Gelenkpfanne; keine weiteren Schädigungsfolgen - GdS 70, Pflegezulage Stufe I) sowie auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG das schriftliche Sachverständigengutachten des Internisten Dr. W. vom 13.04.2009 (Zustand nach Rippenfrakturen bei rezidivierenden Stürzen ab 12/2000, Zustand nach pertrochantärer Fraktur rechts 12/2000, AO-Winkelplatte 02.01.2001 mit mehrfachen Schrauben im proximalen Femur, Hüftgelenksteilversteifung rechts in Beuge- und Adduktionsstellung nach Hüftluxation 1945, schwerste symptomatische Coxarthrose rechts, linkskonvexe Skoliose der LWS bei Beckenschiefstand, ausgeprägte symptomatische Spondylose und Osteochondrose der BWS/LWS, Schwäche im rechten Bein als Folge von Inaktivität im schmerzbedingt minderbenutzten Körperteil, jeweils schädigungsbedingt - GdS 80, Pflegezulage Stufe II) ein.

Der Kläger schloss sich der Einschätzung von Dr. W. an und wandte gegen das Gutachten von Dr. K. ein, die Schädigungsfolgen seien bereits im Jahre 1988 mit 70 eingeschätzt worden; seither habe sich sein Gesundheitszustand nachhaltig verschlechtert. Insbesondere sei er fast ständig auf den Rollstuhl angewiesen und könne er seinen Alltag ohne die Hilfe seiner polnischen Pflegerin, die 24 Stunden am Tag für ihn da sei, nicht mehr bestreiten.

Der Beklagte trug unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 05.05.2009 im Wesentlichen vor, Dr. W. habe keine eindeutige Trennung von Schädigungsfolgen und Nachschäden vorgenommen. Dr. K. habe ausdrücklich ausgeführt, dass die degenerativen Wirbelsäulenveränderungen keine Schädigungsfolge darstellten. Danach lasse sich ein GdS von 80 nicht begründen. Die Schädigungsfolgen am rechten Hüftgelenk stellten allenfalls im Hinblick auf einen Pflegeaufwand, welcher der Stufe I entspreche, eine noch annähernd gleichwertige Bedingung dar.

Mit Gerichtsbescheid vom 04.08.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Zustand der Lendenwirbelsäule gehe nicht auf die Schädigung im Jahre 1945 zurück. Dies ergebe sich aus dem Gutachten von Dr. K., der von altersbedingten Behinderungen spreche. Das Gutachten von Dr. W. gehe zwar von einem ursächlichen Zusammenhang aus, begründe diesen aber nicht. Die Ansicht von Dr. K. werde durch in der Vergangenheit vom Beklagten veranlasste, der Entstehung der Erkrankung zeitlich deutlich näher liegende Begutachtungen gestützt. So ergebe sich bereits aus dem Gutachten vom 08.10.1979 (Regierungsmedizinalrätin Dr. M.-B.) eine Seitverbiegung der Wirbelsäule im Lendenbereich bei ausgeprägter Rundrückenbildung und Hyperlordose der Halswirbelsäule und seien seinerzeit sowohl an der Halswirbelsäule als auch an der Lendenwirbelsäule hochgradige Umbauveränderungen anzutreffen gewesen. Daher sei bereits damals der Schluss gezogen worden, dass die Wirbelsäulenerkrankung nicht als mittelbare Folge der Schädigung des rechten Beines aufgefasst werden könne. Diese Einschätzung werde durch das Gutachten vom 09.06.1988 (Facharzt für Chirurgie Dr. H.) bestätigt. In diesem Gutachten sei festgestellt worden, dass das Wirbelsäulenleiden bereits zu einem Zeitpunkt entstanden sei, als das rechte Hüftgelenk noch relativ gut beweglich gewesen sei. Die Hüftbeschwerden seien mit einem GdS von 70 zutreffend eingestuft. Auch sei die Pflegezulage Stufe I angemessen. Für einen darüber hinausgehenden Pflegeaufwand, der wohl insbesondere auch durch die Harn- und Stuhlinkontinenz bedingt sei, könnte der Schädigung keine annähernd gleichwertige Bedeutung mehr beigemessen werden. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 11.08.2009 zugestellt.

Am 09.09.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, seine schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen seien nicht zur Gänze und nicht in vollem Ausmaße berücksichtigt. Zur Begründung legt er das Attest des behandelnden Orthopäden Dr. W. vom 10.01.2010 vor.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 04.08.2009 aufzuheben sowie den Bescheid des Landratsamts B.-H. vom 18.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums St. vom 03.09.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm Grundrente nach einem GdS von mindestens 80 sowie eine Pflegezulage nach Stufe II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Freiburg sowie die beigezogenen Versorgungsakten und Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts B.-H. vom 18.06.2008 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums St. vom 03.09.2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn er hat weder Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenrente nach einem GdS von mehr als 70 noch auf Bewilligung einer gegenüber der gewährten Pflegezulage nach Stufe I erhöhten Pflegezulage im Sinne des § 35 Abs. 1 BVG. Dies hat das Sozialgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid vom 04.08.2009 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Die Hüftgelenksbeschwerden des Klägers sind jedenfalls nicht zu seinen Lasten fehlerhaft eingestuft. Denn nach Teil B Nr. 18.14 (Seite 115) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) ist die Versteifung eines Hüftgelenks in - wie hier - ungünstiger Stellung mit einem GdS von 50 bis 60 zu bewerten. Der beim Kläger in Ansatz gebrachte GdS von 70 ist danach auch bei über das Normalmaß hinausgehenden Schmerzen ausreichend.

Das vorgelegte Attest des Orthopäden Dr. W. vom 10.01.2010 rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Denn Dr. W. schließt sich den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. zur körperlichen Situation des Klägers ausdrücklich an. Die im genannten Attest aufgeführten nicht schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen rechtfertigen eine Erhöhung des GdS nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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