L 6 SB 5621/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 SB 9206/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5621/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.11.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1946 geborene Kläger begehrt die Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft ab einem früheren Zeitpunkt.

Der Kläger beantragte am 31.07.2006 unter Vorlage der Arztbriefe des Radiologen Dr. K. vom 23.12.2002 und des Prof. Dr. R., Ärztlicher Direktor in der S.-Herzchirurgische-Klinik-St.-GmbH, vom 13.06.2005, des Entlassungsberichts des Dr. O., Ärztlicher Direktor an der Herz-Kreislauf-Klinik M., vom 14.07.2005 sowie des Arztbriefs des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 26.07.2006 mit Operationsbericht die Feststellung seines Grades der Behinderung (GdB). In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.08.2006 wurden als Behinderungen ein operierter Herzklappenfehler und ein operiertes Aneurysma (Teil-GdB 30), Knorpelschäden an beiden Kniegelenken (Teil-GdB 20) sowie eine Dupuytren’sche Kontraktur (Teil-GdB 10) berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 40 eingeschätzt. Mit Bescheid vom 04.09.2006 stellte das Landratsamt B. den GdB des Klägers mit 40 ab 31.07.2006 fest.

Hiergegen legte der Kläger am 28.09.2006 Widerspruch ein und legte den Arztbrief des Dr. W., Chefarzt des Radiologischen Instituts des Kreiskrankenhauses L., vom 31.07.1998 vor. Das Landratsamt holte den Befundbericht des Dr. K. vom Oktober 2006 ein. Dr. M. hielt in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.11.2006 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2006 wies das Regierungspräsidium St. den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 30.11.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart.

Das Sozialgericht hörte zunächst den Allgemeinarzt Dr. M. und den Facharzt für Innere Medizin Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. M. führte unter dem 29.01.2007 unter Vorlage der Arztbriefe des Facharztes für Urologie Dr. G. vom 08.08.2006 und des Facharztes für (Gefäß-)Chirurgie Dr. S. vom 26.09.2006 aus, er halte im Gegensatz zur bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung für den Gelenkdefekt an beiden Kniegelenken einen GdB von 30 für angemessen. Dr. M. führte unter dem 28.02.2007 aus, im Gegensatz zur bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung seien der operierte Herzklappenfehler und das operierte Aneurysma insgesamt mit einem GdB von 40 zu bewerten. Der Versorgungsarzt D. hielt in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.06.2007 an der bisherigen versorgungsärztlichen Einschätzung fest.

Sodann holte das Sozialgericht von Amts wegen das orthopädische Gutachten des Dr. D. vom 27.08.2007 ein. Der Sachverständige berücksichtigte als Behinderungen auf orthopädischem Fachgebiet eine endgradig eingeschränkte Streckung im rechten Kleinfinger bei Dupuytren’scher Kontraktur (Teil-GdB 0) sowie eine endgradige Beugeeinschränkung in beiden Kniegelenken und eine zusätzliche Streckhemmung im rechten Kniegelenk bei höhergradigen Knorpelschäden beidseits (Teil-GdB 30) und schätzte den Gesamt-GdB ab Juli 2006 mit 50 ein. Der GdB für das rechte Kniegelenk betrage 20, da er einen Kniegelenkserguss habe feststellen können und mithin von anhaltenden Reizerscheinungen auszugehen sei. Der GdB für das linke Kniegelenk betrage 10, da er keinen Kniegelenkserguss habe feststellen können und mithin nicht von anhaltenden Reizerscheinungen auszugehen sei. Wegen der beidseitigen Betroffenheit und der damit fehlenden Kompensierbarkeit seien diese GdB-Werte der Kniegelenke auf 30 zu addieren. Hierzu führte Dr. M. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.11.2007 aus, eine Addition der GdB-Werte für die Kniegelenke sei nicht möglich. Die Funktionseinschränkung beider Kniegelenke sei daher mit einem Teil-GdB von 20 einzustufen.

Daraufhin hörte das Sozialgericht Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser führte unter dem 29.01.2008 unter Vorlage seines Arztbriefs vom 01.02.2008 mit Operationsbericht aus, der GdB für das rechte und das linke Kniegelenk sei jeweils mit 20 einzuschätzen, da es sich beidseits um eine schwere Gonarthrose mit Bewegungseinschränkung und rezidivierenden Reizzuständen handle. Daraufhin schätzte Dr. K. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.05.2008 wegen des neu beschriebenen klinischen Befundes den Teil-GdB für die Knorpelschäden und die Funktionsbehinderung an beiden Kniegelenken mit 30 und den Gesamt-GdB mit 50 ab Januar 2008 ein. Das hierauf gerichtete Vergleichsangebot des Beklagten nahm der Kläger nicht an.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.11.2008 verurteilte das Sozialgericht unter Abänderung des Bescheides vom 04.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2006 den Beklagten, den GdB des Klägers mit 50 ab Januar 2008 anzuerkennen und wies die Klage im Übrigen ab. Der Teil-GdB für die Folgen des operierten Herzklappenfehlers und des operierten Aneurysmas betrage 30. Der Teil-GdB für die Funktionsbehinderung beider Kniegelenke betrage 30 ab Januar 2008. Im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. D. habe eine Funktionsbehinderung vorgelegen, die einen GdB für das rechte Kniegelenk mit 20 und für das linke Kniegelenk mit 10 rechtfertige. Diese GdB-Werte könnten nicht miteinander addiert werden. Erst mit der nun beschriebenen Gonarthrose links mit Beugedefizit und endgradigem Streckdefizit und rezidivierenden Reizzuständen sei nachweisbar dokumentiert, dass der Kläger auch am linken Kniegelenk unter einer Funktionsbeeinträchtigung leide, die insgesamt mit einem GdB zu bewerten sei. Maßgeblich für die Bewertung seien das Ausmaß und die Dauer der Reizerscheinungen. Der Sachverständige habe gerade keine andauernden Reizerscheinungen beschrieben. Zu beachten sei, dass mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen alleine noch nicht die Annahme eines GdB-Wertes rechtfertigten. Ferner sei die Dupuytren’sche Kontraktur nicht mit einem höheren GdB als 10 zu bewerten. Nach alledem betrage der Gesamt-GdB des Klägers 50 ab Januar 2008.

Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger am 03.12.2008 Berufung eingelegt.

Mit Bescheid vom 05.12.2008 hat das Landratsamt in Ausführung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts vom 25.11.2008 den GdB des Klägers mit 50 ab 01.01.2008 festgestellt.

Der Kläger hat zunächst den Arztbrief des Radiologen Dr. St. vom 21.07.2008 und den Operationsbericht des Prof. Dr. K., Chefarzt am Klinikum S.-B., vom 31.07.2008 vorgelegt.

Sodann hat der Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das orthopädische Gutachten des Prof. Dr. K. vom 05.05.2009 eingeholt. Der Sachverständige hat den Teil-GdB ab dem 31.07.2006 für das rechte Kniegelenk mit 20, für das linke Kniegelenk mit 10 und für die Dupuytren’sche Kontraktur mit 0 und den Gesamt-GdB mit 40 sowie ab Januar 2008 für das rechte Kniegelenk mit 20, für das linke Kniegelenk mit 20, für die Rotatorenmanschettenruptur im linken Schultergelenk mit 10, für den Spreizfuß beidseits mit 0, für die beginnende Coxarthrose beidseits mit unter 10 und für die Dupuytren’sche Kontraktur mit 0 und den Gesamt-GdB mit 50 eingeschätzt. Nach Aktenlage sowie anhand der Befunde lasse sich nicht nachweisen, dass am linken Kniegelenk bereits vor Juli 2006 rezidivierende Ergussbildungen aufgetreten seien.

Sodann hat der Kläger den Operationsbericht des Chirurgen Dr. E. vom 01.07.1997 sowie die Arztbriefe des Radiologen Dr. H. vom 18.08.2000, des Dr. K. vom 25.01.2001, 19.07.2001 und 17.01.2003 und des Chirurgen Dr. F. vom 03.04.2001 vorgelegt.

Daraufhin hat der Senat Dr. M. und den Orthopäden K. von der Gemeinschaftspraxis Dres. H./R./K. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. M. hat unter dem 23.11.2009 ausgeführt, er würde den GdB für das linke Kniegelenk mit 20 bereits ab Januar 2003 annehmen. Ohne einen erheblichen Leidensdruck wäre niemand bereit, sich - wie der Kläger - viermal einer Kniegelenksspiegelung mit Vollnarkose sowie allen Risiken und Nebenwirkungen auszusetzen. Der Orthopäde K. hat unter dem 16.12.2009 ausgeführt, im Verlauf des Zeitraumes der durchgeführten Arthroskopien in den Jahren 2001 und 2003 sei es zu einer deutlichen Befundverschlechterung im linken Kniegelenk gekommen, so dass davon auszugehen sei, dass schon deutlich vor dem 01.01.2008 ein GdB von 20 bezüglich des linken Kniegelenks und damit ein Teil-GdB von 30 für das Funktionssystem "Beine" vorgelegen habe. Das linke Kniegelenk sei letztmalig im Januar 2003 Gegenstand der Behandlung gewesen. Hierzu hat Dr. G. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.02.2010 ausgeführt, die Befunderhebung durch Dr. D. stütze die Einschätzung des Orthopäden K. nicht, da Dr. D. zum damaligen Zeitpunkt für das linke Kniegelenk eine regelgerechte Gelenkssilhouette ohne Anhalt für eine Ergussbildung festgestellt und entsprechend von keinen anhaltenden Reizerscheinungen am linken Kniegelenk ausgegangen sei. Daher sei ein Teil-GdB von 30 für beide Kniegelenke zum Begutachtungszeitpunkt nicht begründet.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.11.2008, den Bescheid des Landratsamts B. vom 04.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums St. vom 16.11.2008 und den Bescheid des Landratsamts B. vom 05.12.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den GdB mit 50 bereits ab 31.07.2006 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung seines GdB mit 50 bereits vor dem 01.01.2008.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.

Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (VG Teil A Nr. 3 a). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG Teil A Nr. 3 c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Teil-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG Teil A Nr. 3 d ee).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 40 für die Zeit vor dem 01.01.2008 in Betracht.

Der Gesundheitsschaden für das Funktionssystem "Beine" ist für die Zeit vor Januar 2008 mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten, da die einen Teil-GdB von 30 rechtfertigende Gesundheitsverschlechterung im linken Kniegelenk nicht vor diesem Zeitpunkt festgestellt werden kann.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14, S. 117 beträgt bei einer einseitigen Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis 0-0-90 Grad) der GdB 0 bis 10, mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung 0-10-90 Grad) der GdB 20 sowie stärkeren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung 0-30-90 Grad) der GdB 30 und beträgt bei einseitigen ausgeprägten Knorpelschäden der Kniegelenke (zum Beispiel Chondromalacia patellae Stadium II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen ohne Bewegungseinschränkung der GdB 10 bis 30 und mit Bewegungseinschränkung der GdB 20 bis 40.

Die von Dr. D. und Prof. Dr. K. in ihren Gutachten dokumentierten Bewegungsmaße von 0/0/110 Grad (Gutachten des Dr. D.) beziehungsweise 5/0/130 Grad (Gutachten des Prof. Dr. K.) bedingen im Vergleich zum Normalmaß 5-10/0/120-150 Grad keine GdB-relevante Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk und rechtfertigen daher für sich gesehen keinen GdB. Die sich aus dem aufgrund einer kernspintomographischen Untersuchung erstellten Arztbrief des Dr. K. vom 23.12.2002 ergebende Knorpelschädigung im Sinne einer Chondromalazie im Stadium III bis IV rechtfertigt erst ab Januar 2008 einen GdB von 20, da für die Zeit davor anhaltende Reizerscheinungen im Sinne der VG nicht festgestellt sind. Nichts anderes ergibt sich aus den Arztbriefen des Radiologen Dr. H. vom 18.08.2000 (Gelenkerguss und Baker-Zyste), des Dr. K. vom 25.01.2001 (schwere Synovialitis), 19.07.2001 (schwere Synovialitis) und 17.01.2003 (hyperthrophe Synovialitis), des Chirurgen Dr. F. vom 03.04.2001 (intraartikuläre Ergussbildung) und des Dr. K. vom 23.12.2002 (minimaler Flüssigkeitsnachweis) sowie den Arztauskünften des Dr. M. vom 23.11.2009 und des Orthopäden K. von der Gemeinschaftspraxis Dres. H./R./K. vom 16.12.2009. Zwar ergibt sich den dort beschriebenen Befunden, dass beim Kläger in den Jahren 2000 bis 2003 Gelenkergüsse beziehungsweise -entzündungen im Bereich des linken Kniegelenks vorlagen. Für die Jahre 2004 bis 2007 sind jedoch keine Reizerscheinungen dokumentiert. Insbesondere hat Dr. D. in seinem aufgrund ambulanter Untersuchung vom 20.08.2007 erstellten Gutachten eine regelgerechte Gelenkssilhouette ohne Anhalt für eine Ergussbildung festgestellt. Mithin kann erst aufgrund der Angaben des Dr. K. in seiner Arztauskunft vom 29.01.2008 auch für das linke Kniegelenk von rezidivierenden und damit anhaltenden Reizzuständen im Sinne der VG ausgegangen werden. Für das linke Kniegelenk betrug daher bis Dezember 2007 der GdB 10 und beträgt ab Januar 2008 der GdB 20. Für das rechte Kniegelenk beträgt ausweislich des insoweit überzeugenden Gutachtens des Dr. D. jedenfalls seit Antragstellung im Juli 2006 der GdB 20. Entgegen der Einschätzung des Dr. D. können die GdB-Werte für das linke und das rechte Kniegelenk nicht addiert werden, was sich aus den VG, Teil A, Nr. 3 a Satz 1 ergibt. Daher ist der GdB für das Funktionssystem "Beine" bis Dezember 2007 mit 20 und ab Januar 2008 mit 30 zu bewerten.

Der Gesundheitsschaden für das Funktionssystem "Herz-Kreislauf" ist wegen der Folgen des operierten Herzklappenfehlers und des operierten Aneurysmas mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Diesbezüglich stützt sich der Senat auf die von Prof. Dr. R. in seinem Arztbrief vom 13.06.2005 und von Dr. O. in seinem Entlassungsbericht vom 14.07.2005 beschriebenen Befunde.

Der Gesundheitsschaden für das Funktionssystem "Arme" ist wegen der Dupuytren’schen Kontraktur des rechten Kleinfingers und der von Prof. Dr. K. in seinem Gutachten für die Zeit ab Januar 2008 beschriebenen Rotatorenmanschettenruptur im linken Schultergelenk allenfalls mit 10 zu bewerten.

Unter Berücksichtigung dieser Einzel-GdB-Werte (Teil-GdB 20 bis Dezember 2007 und Teil-GdB 30 ab Januar 2008 für das Funktionssystem "Beine", Teil-GdB 30 für das Funktionssystem "Herz-Kreislauf", Teil-GdB 10 ab Januar 2008 für das Funktionssystem "Arme") kommt nach Überzeugung des Senats für die Zeit vor Januar 2008 kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht. Der Senat stützt sich bei der Beurteilung des Gesamt-GdB auf die schlüssigen und gut nachvollziehbaren versorgungsärztlichen Beurteilungen.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Gesamt-GdB von 50 beispielsweise nur angenommen werden kann, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung, bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung. Ein vergleichbares Ausmaß erreichten die vom Senat festgestellten Funktionsbehinderungen des Klägers für die Zeit vor Januar 2008 nicht.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 für die Zeit vor Januar 2008.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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