L 14 R 975/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 47 R 3026/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 975/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ergeben sich im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung deutliche Hinweise auf eine stark eingeschränkte Wegefähigkeit des Antragstellers (Merkzeichen B, G, aG), ist ein Rentenablehnungsbescheid der aufgrund der Weigerung des Antragstellers, sich zu einem ärztlichen Sachverständigen zu begeben, auf eine fehlende Mirwirkung gestützt wird, ermessensfehlerhaft, wenn aus ihm keine Erwägungen hervorgehen, ob eine Untersuchung durch einen ärztlichen Sachverständigen im Rahmen eines Hausbesuchs in Betracht kommt.
I. Unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 17. September 2009 werden der Bescheid der Beklagten vom 5. April 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2006 aufgehoben.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage auf Gewährung von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz als unzulässig verworfen.

III. Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Der im Jahr 1960 geborene Kläger hat nach seinen eigenen Angaben keine Berufsausbildung abgeschlossen. Von 1975 bis 1979 war er als Knopfarbeiter, 1980 als Lagerbuchhalter und im Anschluss daran bis 1987 als Ofenbauhelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Zeiten der selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter war er von 1990 bis 1992 als Lagerist und zuletzt von 1992 bis 1993 als Wareneingangsleiter versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit ab Februar 1993 nahm der Kläger von Juni 1998 bis März 2000 an einer Umschulungsmaßnahme des Arbeitsamtes L. zum Sozialversicherungsfachangestellten teil, die er jedoch nicht erfolgreich beendete. Von Februar 2000 bis Februar 2004 war der Kläger in Haft.

Der Kläger begehrte mit Antrag vom 11. August 2004 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Er machte geltend, seit 1993 u.a. an einer primär chronischen Polyarthritis erkrankt zu sein. Ab dem Jahr 2000 habe sich eine Verschlechterung ergeben.

Der ärztliche Dienst der Beklagten erachtete ein rheumatologisches Gutachten für erforderlich. Mit Schreiben vom 19. Januar 2005 beauftragte die Beklagte den Orthopäden
Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens. In dem Schreiben ist der Wortlaut der §§ 62 und 66 Abs. 1 SGB I als Fußnote abgedruckt. Daraufhin sprach der Kläger am 25. Januar 2005 in der Auskunfts- und Beratungsstelle A-Stadt vor und bat um Einholung eines rheumatologisch-internistischen Gutachtens. Wie sich bereits aus einem im Jahr 1996 durchgeführten Rentenverfahren ergebe, seien aus orthopädischer Sicht niemals Beeinträchtigungen festgestellt worden. Bei ihm bestehe eine rheumatisch-internistische Erkrankung.

Die Beklagte gewährte dem Kläger sodann eine Maßnahme zur stationären medizinischen Rehabilitation. Der Rentenantrag wurde daher zunächst bis zum Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme zurückgestellt. Nachdem der Kläger die ihm bewilligten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation an den vorgesehenen Terminen nicht angetreten und die Beklagte den Reha-Bewilligungsbescheid mit Bescheid vom 29. August 2005 zurückgenommen hatte, nahm die Beklagte das Rentenverfahren wieder auf und zog einen Befundbericht der Benediktinerabtei St. B. vom 3. Juni 2004 sowie den Entlassungsbericht der Reha-Klinik W. vom 18. März 1998 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 10. Februar 1998 bis 3. März 1998 bei. Der ärztliche Dienst der Beklagten hielt nach Auswertung dieser Unterlagen ein rheumatologisches Gutachten nach wie vor für erforderlich.

Die Beklagte beauftragte daraufhin den Internisten Dr. H. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser lud den Kläger für den 26. Oktober 2005 zur Untersuchung vor. Der Kläger machte daraufhin gegenüber Dr. H. geltend, er sei von der Beklagten nicht unterrichtet worden, dass, ggf. bei wem und in welcher Angelegenheit eine Untersuchung stattfinden solle. Auch lasse sein desolater Gesundheitszustand die Wahrnehmung des Untersuchungstermins nicht zu. Er habe einen GdB von 80 und die Merkzeichen B, G und aG. Er benötige ständige Begleitung. Der Weg bis zur Arztpraxis sei ihm allein zu riskant. Es solle bei einem ggf. erforderlichen weiteren Termin ein Fahrdienst sowie eine Begleitperson zur Verfügung gestellt werden. Dr. H. gab daraufhin mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 die Akten mit der Bitte zurück, das weitere Vorgehen zu klären.

Die Beklagte bat den medizinischen Dienst um Stellungnahme. Dieser hielt an seiner Einschätzung fest, dass ein internistisch-rheumatologisches Gutachten notwendig sei. Eine Taxifahrt zur Begutachtung sei medizinisch begründet erforderlich.

Die Beklagte zog sodann die Schwerbehindertenakten beim Versorgungsamt A-Stadt sowie ein Gutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom
12. September 2005 des MDK in Bayern bei. Daraus geht hervor, dass beim Kläger keine erhebliche Pflegebedürftigkeit vorliegt. Mit Schreiben vom 14. Februar 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei die Erstellung eines rheumatologischen Gutachtens durch Dr. H. erforderlich. Die notwendigen Kosten für eine Taxifahrt zum Untersuchungsort würden erstattet. Die Zahlung eines Vorschusses könne nicht erfolgen. Es werde um Mitteilung innerhalb von 3 Wochen gebeten, ob unter diesen Voraussetzungen der Untersuchungstermin wahrgenommen werde. Andernfalls müsse der Rentenantrag nach Aktenlage weiter bearbeitet werden.

Nachdem keine Reaktion des Klägers erfolgte, lehnte die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom 5. April 2006 den Antrag auf Zahlung einer Versichertenrente wegen Erwerbsminderung nach § 66 SGB I ab. Der Rentenversicherungsträger habe den Sachverhalt zu ermitteln, der zu einer Rentenzahlung führen könne. Hierbei habe der Antragsteller in verschiedener Form mitzuwirken (§ 60-62, 65 SGB I). Komme er seinen Mitwirkungspflichten nicht in angemessener Frist nach, könne der Rentenversicherungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistungen ganz oder teilweise versagen bzw. ablehnen, soweit ihre Voraussetzungen nicht nachgewiesen sind. Der Kläger sei trotz der Aufforderung vom 4. Februar 2006 seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und habe die Bereiterklärung zur medizinischen Begutachtung nicht erteilt. Die für die Rentenbewilligung erforderlichen Voraussetzungen hätten deshalb nicht geklärt werden können. Der Rentenversicherungsträger habe aus diesem Grunde keine andere Möglichkeit, als den Rentenantrag abzulehnen. Würde die Mitwirkung nachgeholt und lägen die Leistungsvoraussetzungen vor, könne der Rentenversicherungsträger die Leistung nachträglich ganz oder teilweise erbringen.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 4. Mai 2006 Widerspruch. Das notwendige Bearbeitungskennzeichen sei nicht angegeben worden. Eine Zuordnung sei daher unmöglich. Außerdem sei es erlogen, dass er seine Einwilligung zu einer medizinischen Begutachtung nicht erteilt habe. Es seien mehrfach hinreichende Begründungen mitgeteilt worden, weshalb unter den gegebenen Voraussetzungen eine Untersuchung nicht möglich sei.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2006 wies die Beklagte den Kläger auf die Mitwirkungspflichten nach §§ 60 bis 62, 65 SGB I hin. Komme der Antragsteller dieser Verpflichtung in angemessener Frist nicht nach, habe die Beklagte das Recht, über den Rentenantrag nach Lage der Sache zu entscheiden. Eine Entscheidung über den Rentenantrag vom 1. August 2004 sei ohne weitere Begutachtung nicht möglich. Es sei eine internistisch-rheumatologische Begutachtung bei Dr. H. vorgesehen worden. Eine entsprechende Mitteilung sei auch mit Datum 13. Oktober 2005 an den Kläger ergangen. Warum diese beim Kläger nicht eingegangen sei, sei nicht nachvollziehbar. Mit Schreiben vom 14. Februar 2006 sei der Kläger nochmals über die Notwendigkeit der Begutachtung unterrichtet worden. Gleichzeitig sei die Übernahme der Fahrtkosten zugesichert worden. Dieser Bitte sei der Kläger nach Erinnerung vom 14. März 2006 nicht nachgekommen. Die für eine Rentengewährung erforderlichen Voraussetzungen hätten nicht geklärt werden können. Der Antrag hätte aus diesem Grund abgelehnt werden müssen. Würde die Mitwirkung nachgeholt und lägen die Leistungsvoraussetzungen vor, könne die Beklagte die Leistung ggf. unter Beachtung der Verjährungsvorschriften ganz oder teilweise erbringen. Es werde um Mitteilung gebeten, ob der Kläger nunmehr bereit sei, die für erforderlich gehaltene Begutachtung durchführen zu lassen, ggf. welche Gründe dem entgegenstünden. Antwort werde bis 30. Juni 2006 erwartet. Sollten medizinische Gründe für eine Ablehnung der Begutachtung vorliegen, werde um Vorlage entsprechender medizinischer Unterlagen gebeten.

Der Kläger teilte hierzu mit, er sei seinen Mitwirkungspflichten stets im vertretbaren Umfang nachgekommen. Im übrigen verwies er auf einen Schreibfehler (falsches Bescheidsdatum).

Mit Schreiben vom 30. Juni 2006 bat die Beklagte nochmals unter Übersendung des Wortlautes der §§ 60 bis 67 ff. SGB I um Mitteilung, ob der Kläger nunmehr bereit sei, die für erforderlich gehaltene Begutachtung durchzuführen zu lassen, ggf. welche Gründe dem entgegenstünden bzw. um Vorlage entsprechender medizinischer Unterlagen. Sollte innerhalb von vier Wochen kein Eingang zu verzeichnen sein, werde der Vorgang an die zentrale Widerspruchsstelle weitergeleitet.

Hierzu hat der Kläger mit Schreiben vom 27. Juli 2006 unsubstantiiert Stellung genommen. Die Beklagte wies darauf hin mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2006 den Widerspruch zurück. Mit dem Widerspruch werde die Zahlung einer Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung begehrt. Dem Begehren könne nicht entsprochen werden. Nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 60-62, 65 SGB I verwies die Beklagte darauf, dass der Antrag abzulehnen sei, wenn der berechtigte Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme. Der medizinische Sachverhalt habe nicht ausreichend geklärt werden können. Die bewilligten Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation seien vom Kläger nicht angetreten worden. Zu einer Untersuchung bei
Dr. H. sei der Kläger nicht bereit gewesen. Der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage und sei daher nicht zu beanstanden.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage unter dem Az. S 47 R 3026/06 begehrt der Kläger rückwirkend ab Beginn des Monats der Antragstellung Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung nebst gesetzlichen Zinsen. Er sei seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen und habe zu keiner Zeit einer ärztlichen Untersuchung nicht zugestimmt. Diese sei lediglich daran gescheitert, dass keine Begleitperson vorhanden sei, die aus versorgungsärztlicher Sicht für notwendig erachtet werde, da der Kläger einen elektrischen Rollstuhl benutze und außer dem Autobus kein öffentliches Verkehrsmittel nutzen könne. Mit etwaigen Taxikosten könne er nicht in Vorlage treten, da er Sozialhilfe beziehe. Auch könne keine Erstattung durch die Beklagte erfolgen, da er kein Bankkonto habe.

Mit Urteil vom 17. September 2009 wurden die Klagen abgewiesen. Soweit der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung begehre, sei die Klage unzulässig. Streitgegenstand des Bescheides vom 5. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2006 sei allein die Versagung der Leistung wegen mangelhafter Mitwirkung des Klägers. Über den geltend gemachten Anspruch auf Rente habe die Beklagte nicht entschieden. Diese Klage sei daher mangels Beschwer unzulässig. Die Klage auf Aufhebung des Versagensbescheides sei zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Rentengewährung gemäß §§ 62, 66 SGB I zu versagen. Die der Beklagten vorliegenden Befundberichte hätten keine ausreichende Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erlaubt. Eine persönliche Untersuchung des Klägers sei für die Entscheidung über den Rentenantrag erforderlich gewesen. Die vorliegenden medizinischen Befunde hätten auch keinerlei Anhalt dafür geboten, dass der Kläger die Begleitung einer Person benötige bzw. er nicht öffentliche Verkehrsmittel hätte beanspruchen können. Eine Versagungsentscheidung setze zwar grundsätzlich eine Ermessensausübung voraus. Es sei jedoch eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten. Der Kläger habe sich beharrlich geweigert, sich einer Untersuchung durch Dr. H. zu unterziehen. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers habe deshalb nicht geklärt werden können. Es sei daher nur eine einzige Maßnahme infrage gekommen, nämlich die Versagung der Leistung. Schließlich habe die Beklagte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens die in § 66 Abs. 3 SGB I geforderte Anhörung nachgeholt.

Mit der hiergegen erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er habe der Beklagten mehrfach angeboten, eine Untersuchung in häuslicher Umgebung durchzuführen. Dies sei von der Beklagten jedoch ignoriert worden. Es bestehe auch aufgrund des versorgungsärztlich festgestellten Grads der Behinderung von 80 (bis März 2009, danach 100) sowie mit den Merkzeichen B (Notwendigkeit ständiger Begleitung), G (gehbehindert) und aG (außergewöhnlich gehbehindert) kein Zweifel, dass er eine ständige Begleitung benötige. Schließlich sei zu prüfen, ob Ansprüche nach dem BVG bestünden. Der Kläger sei ohne Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils in Haft gewesen. Durch Ingewahrsamnahme von mindestens vier Jahren erlösche die allgemeine Wartezeiterfüllung in der Rentenversicherung. Diese Voraussetzung sei erfüllt. Deswegen bestünde Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Ob die Leistung durch die Beklagte zu erbringen sei oder ob versorgungsrechtliche Ansprüche bestünden, habe das Gericht zu entscheiden.

Zudem begehrte er die Verbindung der Verfahren L 14 R 974/09 und L 14 R 975/09. Streitgegenstand des Verfahrens L 14 R 974/09 ist der Rücknahmebescheid vom
29. August 2005.

In der mündlichen Verhandlung am 17. Juni 2009 ist der Kläger nicht erschienen.

Er beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 17. September 2009 sowie des Bescheides der Beklagten vom 5. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2006 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsminderung nach den gesetzlichen Bestimmungen nebst Zinsen zu gewähren, hilfsweise Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz zuzusprechen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Klage ist insoweit begründet, als sie auf die Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2006 gerichtet ist. Soweit der Kläger jedoch die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, Zinsen oder von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz begehrt, ist die Klage unzulässig.

Die vom Kläger begehrte Verbindung der Verfahren L 14 R 974/09 und L 14 R 975/09 kommt nicht in Betracht, da unterschiedliche Streitgegenstände (Rente wegen Erwerbsminderung auf der einen und Leistungen zur Teilhabe in Form der stationären Maßnahme der Rehabilitation auf der anderen Seite) vorliegen, die keine derartig enge Verknüpfung aufweisen, dass eine Verbindung der Verfahren sinnvoll wäre (vgl. §§ 153 Abs. 1, 113 Abs. 1 SGG).

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 5. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2006.

Die streitgegenständlichen Bescheide werden vom Kläger mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angegriffen (vgl. § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz). Hierbei handelt es sich nicht um eine einheitliche Klage, sondern um die Verbindung zweier Klagen, über die vom Gericht gesondert entschieden werden kann (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, § 54 Rn. 38).

Die in ihrem ersten Antrag zulässige Klage auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide ist begründet. Die Bescheide verstoßen gegen § 66 Abs. 3, 1 SGB I. Sie sind damit rechtswidrig und daher aufzuheben.

Gem. § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Der in § 66 Abs 3 SGB 1 vorgesehene vorherige Hinweis ist eine zwingende Voraussetzung der Versagung. Er soll sicherstellen, dass der Betroffene in Kenntnis der ihm drohenden Folgen seine Haltung überdenkt und durch die spätere Entscheidung nach § 66 SGB I nicht überrascht wird. Der Hinweis darf sich daher, wie vom BSG bereits entschieden wurde, nicht auf die Wiederholung des Gesetzeswortlauts oder Belehrungen allgemeiner Art beschränken (BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1). Er muss vielmehr anhand der dem Leistungsträger durch § 66 Abs 1 und 2 SGB 1 eingeräumten Entscheidungsmöglichkeiten unmissverständlich und konkret die Entscheidung bezeichnen, die im Einzelfall beabsichtigt ist, wenn der Betroffene dem Mitwirkungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommt (vgl. BSG a.a.O., m.w.N.). Im vorliegenden Falle hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass sie die Rente gemäß § 66 SGB I ganz versagen wird, wenn der Kläger sich nicht innerhalb einer gesetzten Nachfrist einer Untersuchung unterzieht. Das ist hier nicht geschehen. Vor Erlass des angefochtenen Bescheids hat der Kläger keinerlei konkrete Belehrung über die Folgen seiner Weigerung, sich einer Untersuchung bei Dr. H. zu unterziehen, erhalten. Eine Nachholung dieser ordnungsgemäßen Belehrung ist auch nicht im Widerspruchsverfahren erfolgt. Auch hier ist dem Kläger nicht verdeutlich worden, dass er mit einer Versagung der Leistung zu rechnen hat. Der Hinweis, dass bei Verstreichenlassen der Frist zur Äußerung die Akte an die Widerspruchsstelle weitergeleitet wird, genügt dazu nicht. Denn daraus geht nicht unmissverständlich die konkrete Absicht der Beklagten hervor, dass nach Ablauf der Frist die Leistung gemäß § 66 SGB I ganz oder teilweise versagt wird. Schließlich ist auch eine andere Entscheidung der Widerspruchsstelle als die Zurückweisung des Widerspruchs denkbar.

Die angefochtenen Bescheide sind darüber hinaus rechtswidrig, weil sie in ihrem Verfügungssatz den Rentenantrag ablehnen, und nicht nur Rentenleistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung versagen. Ein Rentenablehnungsbescheid, der wie hier auf fehlende Mitwirkung gestützt wird, enthält keine Entscheidung über die materiellrechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs und wirkt nur bis zur Nachholung der Mitwirkung. Dies ist im Verfügungssatz des Bescheids auszusprechen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg 1. Senat, Urteil vom 16. Mai 1990, Az: L 1 J 1789/89, in juris). Grund hierfür ist das unterschiedliche Ausmaß der Bestandskraft. Anders als die Ablehnung einer Leistung wegen des Fehlens einer Anspruchsvoraussetzung ist die Versagung nämlich nach § 66 Abs 1 Satz 1 SGB 1 ausdrücklich "bis zur Nachholung der Mitwirkung" begrenzt und, weil der Leistungsträger versagte Leistungen nach Mitwirkung nachträglich erbringen kann (§ 67 SGB I), auch für die Zeit bis zur Nachholung vorläufiger Natur. In den hier streitgegenständlichen Bescheiden wird der Rentenantrag jedoch ohne jede diesbezügliche Einschränkung abgelehnt. Damit hat die Beklagte ihr Ermessen überschritten. Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I "kann" der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung nur bis zur Nachholung der Mitwirkung versagen bzw. ganz oder teilweise entziehen. Die Beklagte hat jedoch in dem Verfügungssatz des angefochtenen Bescheids die Rentengewährung ohne diese Einschränkung abgelehnt und damit gegen das (keinen Entscheidungsspielraum lassende) Verbot verstoßen, eine vom Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge zu setzen (Verbot der Ermessensüberschreitung); die einschränkungslose Ablehnung der Leistungsgewährung ist in § 66 Abs 1 Satz 1 SGB I nicht vorgesehen, nur eine solche "bis zur Nachholung der Mitwirkung". Eine derartige Klarstellung erfolgte auch im Widerspruchsbescheid nicht. In diesem ist vielmehr erneut ohne Einschränkung von einer Ablehnung des Rentenantrags die Rede.

Schließlich hat die Beklagte auch das ihr zustehende Ermessen, ob sie weitere Ermittlungen anstellt oder die Versagungsentscheidung trifft, nicht ausgeübt. Es mag zwar sein, dass die Erfüllung der dem Kläger von der Beklagten angesonnenen Mitwirkungspflicht für ihn nicht aus einem wichtigen Grund unzumutbar im Sinne des § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I war. Insoweit bestehen schon gewisse Bedenken. Denn der Kläger hat - ausweislich des der Beklagten bereits bei Antragstellung vorliegenden Schwerbehindertenausweises - seit Oktober 1997 einen GdB von 80. Bei ihm ist die Notwendigkeit ständiger Begleitung nachgewiesen; außerdem wurden die Merkzeichen G und aG anerkannt. Angesichts dessen ist der Vortrag des Klägers nachvollziehbar, er sei nicht in der Lage, ohne Begleitung den Untersuchungstermin wahrzunehmen, so dass ein zumutbarer Grund vorläge, die Untersuchung bei Dr. H. zu verweigern, falls eine Begleitung nicht sichergestellt ist. Geht man davon aus, ein solcher zumutbarer Grund liege nicht vor, weil die Beklagte sich zur Übernahme der Taxikosten bereiterklärt hat und der Taxifahrer die nötige Begleitung des Klägers zum Sachverständigen und zurück übernehmen kann, so bieten jedoch diese gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers jedenfalls hinreichend Anlass, Ermessenserwägungen dahingehend anzustellen, ob nicht eine Untersuchung im Wege des Hausbesuchs möglich ist. Eine Ermessensreduzierung auf Null kann angesichts dieser Umstände nach Auffassung des Senats nicht angenommen werden. Ein Hausbesuch wurde von Dr. H. als möglich bezeichnet, wenn ein solcher auch naturgemäß mit bestimmten Einschränkungen in Bezug auf die medizinische Aufklärung verbunden ist. Derartige Erwägungen, ob ein Hausbesuch in Betracht kommt, wurden von der Beklagten jedoch ausweislich des angefochtenen Bescheids und des Widerspruchsbescheids in keiner Weise angestellt. Die Beklagte hielt sich vielmehr zu einer Ablehnung der Leistung verpflichtet. Dies ist ein rechtswidriger Nichtgebrauch des Ermessens.

Nach alledem sind die streitbefangenen Bescheide aufzuheben.

Im Übrigen war die Berufung jedoch zurückzuweisen. Die auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung gerichtete Klage ist - wie das SG zutreffend entschieden hat - unzulässig. Dies gilt auch für die auf Gewährung von Zinsen gerichtete Klage.

Ein Leistungsantrag auf Gewährung der begehrten Rente wegen Erwerbsminderung setzt nämlich voraus, dass die Verwaltung gerade über die begehrte Leistung entschieden hat, hier also über die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung sowie Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Davon kann keine Rede sein, wenn die Verwaltung einen Rentenantrag zwar unzutreffenderweise im Verfügungssatz ablehnt, dies ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide jedoch nicht aus materiellen Gründen, sondern weil der Kläger seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hat. Im Rahmen ihrer Entscheidung hat die Beklagte nicht festgestellt, dass die Anspruchsvoraussetzungen der geltend gemachten Sozialleistung nicht erfüllt sind. Mit der Ablehnung einer Rentenleistung mangels Mitwirkung hat die Beklagte eine Entscheidung getroffen, die sich ihrem Wesen nach von der Ablehnung des Leistungsanspruchs wegen des Fehlens einer Anspruchsvoraussetzung unterscheidet. Die Anfechtung einer Versagung einer Rentenleistung kann daher nicht zulässigerweise zusätzlich mit einer Leistungsklage verbunden werden, die Versagung ist vielmehr allein mit der Anfechtungsklage anzugreifen.

Mangels Vorliegens einer Entscheidung der Verwaltung über die Anspruchsvoraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung ist die Klage in ihrem zweiten Antrag damit unzulässig (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 54
Rn. 39 a). Dasselbe gilt für den im Rahmen des Klageverfahrens geltend gemachten und mit der Berufung weiterverfolgten Zinsanspruch. Auch insoweit liegt keine Entscheidung der Beklagten vor.

Soweit der Kläger "Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz" begehrt, ist er gehalten, einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Behörde zu stellen. Die erst im Berufungsverfahren hierauf erhobene Klage ist mangels vorliegender Entscheidung des zuständigen Verwaltungsträgers unzulässig. Eine notwendige Beiladung des Freistaats Bayern gem. § 75 Abs. 2 SGG und Verurteilung des Beigeladenen scheidet aus, da sich hier nicht ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts der Freistaat Bayern als leistungspflichtig in Betracht kommt. Dies schon deshalb, weil über die Frage, ob tatsächlich ein Rentenanspruch des Klägers gegen die Beklagte besteht, mit dieser Entscheidung nicht im Sinne einer Ablehnung befunden wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183,193 Sozialgerichtsgesetz und berücksichtigt den Umstand, dass der Kläger zum Teil erfolgreich war.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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