S 164 SF 7005/10 E

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
164
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 164 SF 7005/10 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Erinnerung wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.08.2010 (S 87 AS./09) aufgehoben und der Kostenfestsetzungsantrag vom 30.06.2010 wird zurückgewiesen. Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger des dem Kostenrechtsstreit zugrundeliegenden Ausgangsverfahrens und nunmehrige Erinnerungsgegner erhob am 23.10.2009 Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Berlin mit dem Begehren, den Beklagten und nunmehrigen Erinnerungsführer zu verurteilen, den Antrag auf Überprüfung vom 24.02.2009 des Bescheides vom 28.08.2008 zu verbescheiden. Überdies beantragte der Erinnerungsgegner die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Mit Bescheid vom 27.01.2010 beschied der Beklagte den Antrag vom 24.02.2009 und teilte dem Gericht mit Schriftsatz vom gleichen Tage mit, dass dem Begehren des Klägers entsprochen worden sei. Überdies erklärte sich der Beklagte für den Fall der Beendigung des Verfahrens durch den Kläger bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu tragen. Das Gericht forderte den Kläger daraufhin auf, mitzuteilen, ob das anhängige Verfahren als erledigt betrachtet werde. Der Kläger erbat unverzügliche Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe. Unter dem 22.02.2010 reichte der Kläger die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zur Gerichtsakte. Mit Beschluss vom 24.06.2010 lehnte die 87. Kammer des Sozialgerichts Berlin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab, da die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich sei. Die Untätigkeitsklage sei bereits vor Vervollständigung des PKH-Antrages in der Hauptsache erledigt gewesen, überdies habe sich der Beklagte zur Kostentragung dem Grunde nach verpflichtet, so dass auch diesbezüglich eine schwierige Sach- oder Rechtslage nicht bestünde. Unter dem 02.07.2010 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der sich für den Kläger im gerichtlichen Verfahren erstmals am 30.04.2010 gemeldet hatte, Erledigung des Verfahrens und Annahme des Anerkenntnisses, und er stellte Antrag auf Kostenfestsetzung in Höhe der Mindestgebühren aus den Gebührentatbeständen der Nrn. 3102, 3106 VV RVG zzgl. Auslagenpauschale aus Nr. 7002 VV RVG und Umsatzsteuer aus Nr. 7008 VV RVG, insgesamt 85,68 EUR brutto. Der Beklagte wandte dagegen ein, dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes schon nicht notwendig gewesen sei, da zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich. Die Erledigungserklärung sei notwendig gewesen, um einer Klageabweisung wegen des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses zu entgehen. Der Kläger hätte die Erledigungserklärung bereits vor dem 30.04.2010 abgeben können, dazu hätte es eines Rechtsanwaltes nicht bedurft.

Mit Beschluss vom 20.08.2010 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle antragsgemäß fest. Dagegen richtet sich die am 24.08.2010 erhobene Erinnerung, mit der der Beklagte sein Begehren weiter verfolgt hat. Er wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Kostenfestsetzungsverfahren. Er beantragt, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.08.2010 aufzuheben und den Kostenfestsetzungsantrag zurückzuweisen.

Der Erinnerungsgegner hatte Gelegenheit, sich zu äußern.

II.

Die zulässige Erinnerung ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 20.08.2010 und Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrages vom 30.06.2010.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruches ist § 193 Abs. 3 SGG, wonach die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistandes stets erstattungsfähig ist. Einer Feststellung, dass die entstandenen Kosten notwendig iSd § 193 Abs. 2 SGG waren, bedarf es bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt grundsätzlich nicht.

Der Grundsatz der Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Kosten gilt aber nicht uneingeschränkt. Es sind Fallkonstellationen denkbar, in denen ausnahmsweise keine Erstattung anwaltlicher Vergütung stattfindet. Diese Fälle werden in Literatur und Rechtsprechung überwiegend mit der Formel umschrieben, die anwaltliche Vertretung müsse offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan sein, dem Prozessgegner Kosten zu verursachen (OVG Berlin, Beschluss vom 04.01.2001 – 3 K 9/00, NVwZ-RR 2001, 614 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 10.07.1970 – 15 W 149/70, NJW 1970, 2217). Diese Ansicht beruht auf dem Vorwurf eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben bzw. eines offensichtlichen Verstoßes gegen die Kostenminderungspflicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 193 Rdnr. 9 m. w. N.). Letzterer entstammt dem Grundsatz des gesamten Kostenrechts, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, welcher dogmatisch aus § 193 Abs. 2 SGG herzuleiten ist, denn Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder –verteidigung notwendigen Aufwendungen. Der Verstoß gegen die Kostenminderungspflicht muss offensichtlich sein, er muss sich aus der Sicht eines verständigen Beteiligten geradezu aufdrängen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten, der sich im Verfahren erstmals am 30.04.2010 gemeldet hat, war objektiv nutzlos. Dies musste auch dem Kläger und Erinnerungsgegner zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sein. Der Kläger wurde im Ausgangsverfahren mehrfach durch die Vorsitzende der 87. Kammer dahingehend aufgeklärt, dass nach Erlass des begehrten, von der Verwaltung bislang unterlassenen Bescheides der Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt werden sollte, was dem Kläger im Übrigen auch bereits aus einer Vielzahl bereits geführter Untätigkeitsklageverfahren ohne anwaltlichen Beistand bekannt ist. Unter dem Namen des Klägers sind bei Sozialgericht Berlin ca. 435 gerichtliche Verfahren unterschiedlichster Art erfasst, welche teils erledigt sind, teils noch anhängig. Eine beträchtliche Anzahl dieser Verfahren machen Untätigkeitsklagen aus. Dem Kläger war das Prozedere des § 88 Abs. 1 SGG aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt. Überdies muss die Kammer anmerken, dass es dem Kläger gelungen ist, das Verfahren der Untätigkeitsklage bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses, nämlich des Erlasses des begehrten Bescheides, selbst zu betreiben, wobei unklar bleibt, weshalb für die Abgabe der Erledigungserklärung ein Rechtsanwalt beauftragt worden ist. Zwar hatte der Kläger bereits mit Erhebung der Klage die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes beantragt, diesen Antrag jedoch nicht vollständig gestellt, so dass diesbezüglich Entscheidungsreife erst zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem Prozesskostenhilfe nicht mehr bewilligt werden konnte. Überdies hat der Kläger durch die Beauftragung des Rechtsanwalts nach Abgabe des Kostengrundanerkenntnisses durch den Beklagten am 27.01.2010 die Höhe der zu erstattenden Kosten bewusst vermehrt, was ein Ausnutzen der abgegebenen Erklärung des Beklagten in treuwidriger Absicht darstellt.

Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG), vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 09.11.2007, L 6 B 139/07 SF – www.sozialgerichtsbarkeit.de.
Rechtskraft
Aus
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