S 33 AL 2536/04

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 33 AL 2536/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 22/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 22/09 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger macht die Übernahme der ihm für eine Ausbildung als Fahrlehrer entstehenden bzw. bereits entstandenen Kosten durch die Beklagte geltend.

Der 1950 geborene Kläger ist – nach seinen Angaben – ausgebildeter Diplom-Pädagoge. Er war von 1992 bis 1998 als – teilweise selbständiger – Taxifahrer und Dolmetscher tätig. Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit arbeitete er – mit Unterbrechungen – von 2000 bis 2004 wiederum als Taxifahrer. Dabei war er zuletzt vom 01.05.2001 bis zum 29.02.2004 bei dem Taxiunternehmen S., XS., beschäftigt.

Am 02.03.2004 meldete er sich zum 01.03.2004 arbeitslos; die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 26.03.2004 Arbeitslosengeld für 660 Tage ab dem 01.03.2004.

Spätestens im Rahmen einer Vorsprache am 22.03.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Förderung einer Ausbildung zum Fahrlehrer.

Er begann die Ausbildung dann am 05.04.2004.

Nachdem er noch ein Schreiben der O. Fahrschule P, XS., vom 20.04.2004 eingereicht hatte, in dem ihm bestätigt wurde, dass die Fahrschule die Absicht habe, ihn nach abgeschlossener Ausbildung zum Fahrlehrer der Klasse BE fest einzustellen, lehnte die Beklagte die begehrte Förderung mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.05.2004 ab, da die Maßnahme nicht den Zielen der Weiterbildungsförderung entspreche.

Die Beklagte setzte allerdings die Gewährung von Arbeitslosengeld trotz der ihr bekannten Ausbildung fort, da sie – wegen der erklärten Bereitschaft des Klägers zum jederzeitigen Abbruch der Ausbildung – davon ausging, der Kläger sei weiterhin verfügbar.

Der Widerspruch des Klägers vom 16.05.2004 gegen die Ablehnung seines hier streitigen Antrags, den er namentlich auf die nach seiner Auffassung bestehende Eignung der Maßnahme für die Weiterbildungsförderung stützte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23.06.2004). Mit seiner Klage vom 21.07.2004, eingegangen bei Gericht am 22.07.2004, verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, er sei bereits vor Beginn der Ausbildung an die Beklagte herangetreten und habe um die Förderung der Ausbildung nachgesucht: Das erste Mal habe er mit seiner Ehefrau etwa im Dezember 2003 bei der Beklagten in XY-Stadt vorgesprochen, wobei er meine, die Dame, mit der sie gesprochen hätten, habe H. geheißen. Im Februar habe er dann noch einen weiteren Termin bei Frau H. gehabt. Es sei ihm dann gesagt worden, er müsse eine Bescheinigung einer Fahrschule vorlegen, dass man bereit sei, ihn einzustellen, wenn er die Ausbildung beendet hätte. Er habe dann eine entsprechende Bescheinigung vorgelegt und dann nochmals gefragt, wie denn nun mit der Förderung des Arbeitsamtes verfahren werde. Erst dann sei ihm gesagt worden, er müsse einen Arbeitsvertrag vorlegen. Die Ausbildung im engeren Sinne habe von April 2004 bis zum September 2004 gedauert. Zum Zeitpunkt des Erörterungstermins im Mai 2007 sei aber die mündliche Prüfung noch offen gewesen. Das habe u.a. daran gelegen, dass er zwischendrin auch noch den LKW-Führerschein haben machen müssen. Die Ausbildung habe er mit Hilfe von Freunden finanziert. Die Ausbildungskosten erreichten etwa den Betrag von 5.500,00 EUR. Hinzu kämen Lehrmittel und zudem habe er ja den Führerschein für den LKW, der etwa 4.000,00 EUR gekostet habe, noch erwerben müssen. Mit Prüfungsgebühren und Ähnlichem rechne er damit, dass eine Summe von etwa 11.500.00 EUR zusammenkomme. Er ist der Auffassung, auf Grund des von ihm geschilderten Geschehensablaufs habe er vor Beginn der Maßnahme davon ausgehen dürfen, alles seinerseits Erforderliche unternommen zu haben, um in den Genuss der Förderung zu kommen, so dass ihm zumindest unter dem Gesichtspunkt des so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ein Anspruch auf Förderung zustehe.

Er hat dementsprechend beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2004 zu verpflichten, seine berufliche Weiterbildung zum Fahrlehrer gemäß §§ 77ff. SGB III zu fördern.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält daran fest, dass die Maßnahme unter arbeitsmarktlicher Sicht nicht förderungsfähig sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der zum Kläger geführten Leistungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 22.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2004 ist nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Förderung seiner Ausbildung zum Fahrlehrer beziehungsweise auch nur auf erneute Bescheidung seines entsprechenden Antrags nicht zu.

I. Die Klage ist dabei statthaft und auch im Übrigen zulässig.

1. Der Kläger hat seinen Klageantrag im Sinne einer auf die unmittelbare Verpflichtung zur Leistung gerichteten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage formuliert. Auch wenn die Beklagte über den geltend gemachten Anspruch auf Weiterbildungsförderung nach §§ 77ff. SGB III nach Ermessen zu entscheiden hat, macht dies den Klageantrag nicht unzulässig. Gründe, die zu einer für eine Ermessensreduzierung auf Null und damit zu einer Verpflichtung der Beklagten nicht nur zur Neubescheidung, sondern zur Leistungsbewilligung führen könnten, sind zwar nach Auffassung der Kammer im Ergebnis nicht ersichtlich. Dennoch bleibt es dem Kläger unbenommen, hierzu – wie etwa im Rahmen der Klageschrift vorgetragen – eine andere Rechtsauffassung zu vertreten und in deren Konsequenz unmittelbar eine Verpflichtung der Beklagten zur Leistung zu verlangen. Sofern der Erfolg eines derartigen Antrags nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint, ist die Klage zulässig (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. z. SGG, 8. Aufl., § 54, Rn. 21). Im Falle einer Reduzierung des Ermessens auf Null wäre die entsprechende Verpflichtung der Beklagten zum Erlass des entsprechenden Verwaltungsaktes auszusprechen (§ 131 Abs. 2 SGG), nicht aber ein Leistungsurteil zu erlassen, so dass – wie beantragt – eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG) statthaft ist. In diesem unmittelbar auf die Leistungsbewilligung gerichteten Klageantrag ist nach Auffassung der Kammer ein Antrag auf Neubescheidung als so genannten minus enthalten, so dass das sachliche Begehren des Klägers (auch) unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen ist.

2. Das Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld nach dem SGB III durch den Kläger führt im vorliegenden Fall nicht zur Unzulässigkeit (oder Unbegründetheit) einer gegen die hiesige Beklagte gerichteten Klage; auch sonstige prozessuale Konsequenzen waren nicht zu ziehen. Konkret ist nämlich ein Wechsel in der Zuständigkeit für Leistungen der Weiterbildungsförderung mit dem Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld nicht ersichtlich. Der Kläger hat danach wieder Arbeit aufgenommen, ist somit nicht SGB II-Leistungsempfänger geworden. Die Zuständigkeit der entsprechenden Träger zur Erbringung der hier streitigen Leistungen (nach § 16 SGB II) beschränkt sich jedoch auf erwerbsfähige Hilfebedürftige, zu denen der Kläger somit nicht gehört (und niemals gehört hat). Für Personen, die – wie der Kläger – keine Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II bzw. überhaupt keine Lohnersatzleistungen erhalten, verbleibt vielmehr bei der Zuständigkeit der hier in Anspruch genommenen Beklagten.

Es kann daher vorliegend offen bleiben, welche Konsequenzen für ein anhängiges Gerichtsverfahren aus einem während des laufenden Verfahrens erfolgenden Wechsel aus dem Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB III in den von Arbeitslosengeld II zu ziehen sind, namentlich ob wegen des damit verbundenen Wechsels der Zuständigkeit für die Weiterbildungsförderung eine Auswechslung des Beklagten oder die Beiladung des nunmehr zuständigen Trägers zu erfolgen hat.

3. Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage. Namentlich ist die Klage form- und fristgerecht sowie nach Durchführung des notwendigen Vorverfahrens beim zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 8, 78 Abs. 1 S. 1, 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 90 SGG).

II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der geltend gemachte Anspruch auf Weiterbildungsförderung – auch als Anspruch auf Neubescheidung des entsprechenden Antrags – steht dem Kläger nicht zu.

1. Für die Beurteilung des Klagebegehrens sind dabei § 77ff. SGB III in der bei Maßnahmebeginn im Jahre 2004 geltenden Fassung heranzuziehen. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen zwar grundsätzlich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der jeweiligen Tatsacheninstanz. § 422 Abs. 1 Nr. 3 SGB III führt allerdings zu einer Durchbrechung dieses Grundsatzes hinsichtlich der anzuwendenden Fassung der Rechtsnormen. Nach der genannten Vorschrift sind nämlich auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung – um die es sich hier handelt, § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 6 SGB III – bei einer Änderung des SGB III bis zum Ende der Maßnahme bzw. der Leistungen die Vorschriften in ihrer alten, vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn die Maßnahme begonnen hat und die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist. Das ist hier der Fall: Wie sich aus dem von der Beklagten im Erörterungstermin zu den Akten gereichten Vermerk vom 22.03.2004 ergibt, hat der Kläger an diesem Tage und damit vor Beginn der Ausbildung im April 2004 vorgesprochen und seinen Wunsch nach Förderung zum Ausdruck gebracht. Da ein Formerfordernis für einen Antrag auf die hier streitigen Leistungen nicht existiert, der Antrag also wie üblich formlos gestellt werden kann (vgl. für viele Krasney, in: Kasseler Kommentar, § 18 SGB X, Rn. 9), ist die (notwendige) Antragstellung vor Maßnahmebeginn belegt.

Soweit tatsächliche Umstände maßgeblich sind, ist zu beachten, dass hier eine Prognose- und Ermessensentscheidung zu prüfen ist und jedenfalls insofern Veränderungen nach Erteilung des Widerspruchsbescheides keine Auswirkungen mehr haben können.

2. Die inhaltlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch aus § 77 SGB III – in der nach den obigen Ausführungen maßgeblichen, vom 01.01.2004 bis 31.01.2004 geltenden Fassung – liegen nicht vor. Der Kläger hat nach eigenen Angaben einen Berufsabschluss hat. Er hat jedoch bei Beginn der Weiterbildung bereits seit über vier Jahre an- bzw. ungelernt als Taxifahrer gearbeitet; der Arbeitsmarkt für Tätigkeiten entsprechend seiner Ausbildung als Diplom-Pädagoge ist ihm angesichts seines beruflichen Werdegangs erkennbar verschlossen. Der Kläger gehört danach grundsätzlich zum förderungsfähigen Personenkreis; ein Anspruch auf Förderung der konkret begehrten Maßnahme käme jedoch nur in Betracht, wenn die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen wären, § 77 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 SGB III.

Letzteres ist jedoch nicht der Fall. Die Beklagte hat – und dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig – die Maßnahme nicht allgemein durch einen entsprechenden, dem Träger erteilten Zulassungsbescheid zugelassen. Vielmehr ist nach den Ausführungen der Beklagten, an denen nach Auffassung der Kammer kein Anlass zu Zweifeln besteht, die vom Kläger besuchte Maßnahme wegen ihrer fehlenden arbeitsmarktlichen Zweckmäßigkeit gerade nicht in die Bildungszielplanung der hier zuständigen Agentur der Beklagten aufgenommen worden. Allerdings ist auch nicht ersichtlich – und von der Beklagten nicht vorgetragen –, dass eine förmliche Ablehnung der Zulassung nach entsprechendem Antrag des Trägers erfolgt wäre. Ein derartiger Bescheid – der vom Kläger hinzunehmen wäre – würde eine Leistungsbewilligung von vornherein und unabhängig vom konkreten Einzelfall ausschließen. Auch die Voraussetzungen für eine danach Zulassung im Einzelfall liegen jedoch nicht vor. Es kann daher im hiesigen Verfahren offen bleiben, ob überhaupt angesichts der namentlich durch §§ 84ff. SGB III umfassend ausgestalteten Zulassungsanforderungen und der seit 01.01.2003 vorgesehenen Feststellung dieser Voraussetzungen durch eine fachkundige Stelle eine Zulassung der Maßnahme im konkreten Einzelfall – und dementsprechend eine inzidente Prüfung durch die Beklagte selbst, ob die Zulassungsvoraussetzungen, hier namentlich die arbeitsmarktliche Zweckmäßigkeit nach § 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III, vorliegen – möglich ist.

Nach Auffassung der Kammer ist nämlich jedenfalls bei einer Einzelfallzulassung nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zum Beleg eines zu erwartenden Wiedereingliederungserfolgs trotz generell fehlender arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit mehr verlangt, als eine unverbindliche Absichtserklärung eines potentiellen Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach Abschluss der Weiterbildung einzustellen. Die hier vom Kläger – im Übrigen erst deutlich nach Beginn der Ausbildung vorgelegte – Bestätigung der O. Fahrschule P. vom 20.04.2004 ist gänzlich unverbindlich ausgestaltet und lässt letztlich nicht einmal erkennen, ob die in Aussicht genommene Beschäftigung von ihrem zeitlichen Umfang her die Arbeitslosigkeit beendet hätte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte im konkreten Einzelfall entsprechende Anforderungen nicht hätte stellen dürfen, weil dem Kläger, wie von diesem vorgetragen, zugesagt worden wäre, die beantragte Leistung werde bewilligt, wenn eine Absichtserklärung – wie die von ihm eingereichte – vorgelegt wird. Da es sich bei der Frage, ob die notwendigen arbeitsmarktlichen Voraussetzungen vorliegen, nicht um eine Frage der Ermessensausübung selbst, sondern darum handelt, ob die so genannten Eingangsvoraussetzungen für die Ermessensausübungen vorliegen, hätte eine entsprechende Zusicherung schriftlich erteilt werden müssen, um die Beklagte zu binden, § 34 Abs. 1 SGB X. Im Übrigen ist eine entsprechende – wenn auch nur mündlich erteilte – Zusage auch nicht belegt. Im Vermerktext zu der Vorsprache am 22.03.2004 wird vielmehr das Verlangen nach Vorlage eines Arbeitsvertrages ausdrücklich erwähnt.

Die vom Kläger besuchte Maßnahme war damit nicht zugelassen und dies musste auch im konkreten Einzelfall des Klägers nicht geschehen.

III. Im Ergebnis fehlt es damit an einer Förderungsvoraussetzung, weil die arbeitsmarktliche Zweckmäßigkeit der Maßnahme weder allgemein noch im konkreten Fall des Klägers belegt ist. Der angegriffene Bescheid ist daher nicht zu beanstanden, die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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