L 3 R 409/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 75/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 409/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erwerbsminderung, Gehfähigkeit
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

: Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

Der am ... 1962 geborene Kläger absolvierte eine Schulausbildung von zehn Klassen. Er durchlief vom 1. September 1979 bis zum 15. Juli 1981 erfolgreich eine Ausbildung zum Baufacharbeiter und war bis Februar 2004 bei verschiedenen Arbeitgebern als Maurer bzw. Traktorist versicherungspflichtig beschäftigt. Er stürzte am 13. Januar 2003 bei Glätte mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Freiwilligen Feuerwehr und zog sich hierbei eine Patellafraktur am linken Knie zu. Er bezog zunächst Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, vom Februar bis Oktober bzw. von November bis Dezember 2003 Krankengeld und im Übrigen Arbeitslosengeld; seit dieser Anspruch erschöpft ist, bezieht er Arbeitslosengeld II.

Der Kläger beantragte bei der Beklagte am 22. April 2005 die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zunächst die Unterlagen über den Unfall im Januar 2003 bei. Nach dem Bericht des Kreiskrankenhauses K. vom 7. Mai 2003 ist die Patellafraktur dort zunächst konservativ behandelt und sodann eine Arthroskopie durchgeführt worden. Nach dem Befundbericht von dem Facharzt für Chirurgie/H-Arzt Dr. M. vom 17. September 2003 waren bei dem Kläger noch Schmerzen und ein Bewegungsdefizit am linken Knie vorhanden. Aus dem beigefügten Befund der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. G. vom 2. Juli 2003 über die am 1. Juli 2003 durchgeführte Magnetresonanztomografie (MRT) geht hervor, es bestehe ein Zustand nach Patellafraktur lateral, wobei diese verheilt sei. Es lägen ein retropatellarer Knorpelschaden II. bis III. Grades und ein mäßiggradig ausgeprägter Gelenkerguss vor. In dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), Dipl. Med. M., vom 15. September 2003 wird eine erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers bejaht. Zu empfehlen seien medizinische oder berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahmen. Der Kläger habe noch deutliche Schmerzen beim Gehen; das Treppensteigen sei nur mit Mühe möglich. Aus dem Entlassungsbericht der Teufelsbad Fachklinik vom 19. November 2003 über die dem Kläger daraufhin bewilligte stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 22. Oktober bis zum 12. November 2003 geht hervor, dem Kläger seien körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Es müssten Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben durchgeführt werden. Unter dem 19. Mai 2004 wurde im Rahmen der Prüfung dieser Maßnahmen ein Ergebnisbericht zur arbeitsmedizinischen Begutachtung von der Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin Röpke erstellt. Eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme könne aus ärztlicher Sicht begonnen werden. Vorher solle jedoch eine Schmerzmedikation zur Verbesserung der Belastbarkeit erfolgen. Der Kläger sei für leichte Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zu Haltungswechseln vollschichtig einsetzbar. Für den Arbeitsweg sind im negativen Leistungsbild keine Einschränkungen angegeben. Nach dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses K. vom 6. Oktober 2004 wurde der Kläger dort vom 22. September bis zum 6. Oktober 2004 auf Grund des Verdachts auf eine Lungenembolie bei Beinvenenthrombose links stationär behandelt. In der Kontrolle der Patellafraktur habe sich ein guter weiterer Heilungsverlauf gefunden. Der Kläger sei mit gutem Allgemeinbefinden, voller Mobilität und gut eingestellter Koagulation entlassen worden. Nach dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Elbe-Saale GmbH vom 22. November 2004 über die dort in der Zeit vom 18. Oktober bis zum 8. November 2004 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme ist der Kläger dort mit einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit Einschränkungen für die Belastung des Bewegungs- und Halteapparates entlassen worden. Der Kläger wohne in einem Neubaublock mit 40 Stufen zur Wohnung (ohne Fahrstuhl). Für das Knie werde eine Endoprothesenplastik empfohlen.

Auf den dem Streitverfahren zugrunde liegenden Rentenantrag des Klägers holte die Beklagte einen Befundbericht von dem Facharzt für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren Dipl.-Med. K. vom 24. April 2005 ein. Es lägen bei dem Kläger, der eine Beinschiene zur Versteifung trage, eine Gehbehinderung des linken Beines durch Aufhebung der Kniegelenksfunktion vor.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 25. Mai 2005 ab. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs führte der Kläger im Wesentlichen aus, er sei gesundheitlich nicht in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Auf Grund seiner Knieprobleme könne er das Knie nicht anwinkeln, nicht stehen und das Bein kaum anheben. Er habe Dauerschmerzen im Knie, trage eine Stahlschiene, um das Bein zu stabilisieren, und könne nur mit Gehhilfen laufen. Er könne weder weit laufen noch lange sitzen oder Fahrrad bzw. Auto fahren.

Die Beklagte holte sodann ein Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie und Chirotherapeuten J. vom 29. August 2005 ein. Der Kläger habe angegeben, im September 2004 nochmals auf das linke Kniegelenk gefallen zu sein. Im Vordergrund seiner Beschwerden stünden ständige Schmerzen (Ruhe-, Nacht- und Belastungsschmerzen) am linken Knie mit Streck-, Beuge- und Belastungseinschränkungen. Ohne Unterarmgehstützen könne er nur in der Wohnung gehen. Die maximale Gehstrecke mit Unterarmgehstützen ohne Pause betrage ca. 500 Meter. Im Übrigen bestünden Brustkorbschmerzen, teilweise mit Atemnot. Er nehme keine Analgetika ein. Bei der Untersuchung habe der Kläger ein links hinkendes Gangbild gezeigt. Im Übrigen sei die Motorik unauffällig gewesen. Am linken Kniegelenk bestehe ein mäßiges femoropatellares Reiben mit einer insgesamt deutlich eingeschränkten Patellamobilität. Als Diagnosen lägen vor: Sekundär posttraumatische Gonarthrose links nach Innenminiskusverletzung 1984, Patellafraktur 01/2003 und Patella-Refraktur 09/2004 mit erheblichen Belastungs- und Bewegungseinschränkungen. Zustand nach Lungenembolie 09/2004 nach tiefer Beinvenenthrombose links mit andauernder Marcumarmedikation. Gichtarthropathie und arterielle Hypertonie anamnestisch mit derzeit insuffizienter Therapie. Zwischen den vom Kläger geäußerten Beschwerden und den Untersuchungsbefunden bestehe keine Diskrepanz. Er könne noch leichte körperliche Tätigkeiten, vorwiegend im Sitzen, vollschichtig verrichten. Der Kläger könne auch viermal täglich eine Wegstrecke mehr als 500 Metern zu Fuß zurücklegen.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2006 als unbegründet zurück. Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit von mindestens sechs Stunden sei der Arbeitsmarkt für den Kläger nicht verschlossen.

Mit seiner am 15. Februar 2006 bei dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er sei nicht in der Lage, drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Er könne mit dem linken Bein nicht richtig gehen, stehen oder sitzen und habe an diesem Bein ständige Schmerzen. Die geringe Benutzung des Beines habe zu einer Thrombose und einem Muskelabbau geführt und nachfolgend auch seine Wirbelsäule in Mitleidenschaft gezogen. Auf Grund von Schlafstörungen sei seine Konzentrationsfähigkeit stark eingeschränkt.

Das Sozialgericht hat zunächst durch Einholung von Befundberichten ermittelt. Nach dem Befundbericht von Dr. M. vom 15. März 2006 benötige der Kläger keine Hilfsmittel mehr, habe aber noch ein hinkendes Gangbild bei einer leichten Besserung der Beschwerdesymptomatik am linken Kniegelenk. Aus Sicht seines Fachgebietes könne der Kläger in Wohnortnähe leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Dieses Leistungsbild haben im Wesentlichen auch die Fachärzte für Innere Medizin/Nephrologie Dr. L. und Dipl.-Med. T. in ihrem Befundbericht vom 20. März 2006 bestätigt. Die Falithrombehandlung habe beendet werden können, eine Kompressionsbehandlung sei dauerhaft erforderlich. Dipl.-Med. K. und Dr. K. haben in ihren Befundberichten vom 24. März und 14. Juni 2006 eine Fähigkeit des Klägers, körperliche leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung zu verrichten, uneingeschränkt bejaht. Die Funktionsfähigkeit des behandelten linken Knies habe deutlich gebessert werden können und sei bis zur letzten Untersuchung am 15. Mai 2006 reproduzierbar gleich geblieben. Dem beigefügten Entlassungsbrief des Kreiskrankenhauses K. vom 30. Januar 2006 über die vom 23. bis zum 30. Januar 2006 durchgeführte stationäre Behandlung ist eine postoperative Mobilisation des linken Beines unter Vollbelastung zu entnehmen.

In der Zeit vom 20. Juli bis zum 17. August 2006 ist eine stationäre Rehabilitationsbehandlung des Klägers in der Rehabilitationsklinik Göhren durchgeführt worden. Aus dem Entlassungsbericht vom 11. September 2006 geht hervor, der Kläger benötige für eine Gehstrecke von 500 Metern auf ebenem Gelände elf Minuten und 20 Sekunden. Er sei für leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung, ohne Arbeiten im Hocken, Knien, auf Leitern bzw. Gerüsten, einem Gehen in unebenem Gelände sowie ohne eine Exposition gegenüber Witterungseinflüssen sechs Stunden und mehr täglich einsetzbar.

Das Sozialgericht hat sodann auf den Antrag des Klägers vom 25. April 2006 ein Gutachten von dem ihn behandelnden Dr. M. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 30. November 2006 ausgeführt, der Kläger befinde sich in einem guten Allgemeinzustand mit einem hinkenden Gangbild. Er benötige bis auf den Kompressionsstrumpf keine Hilfsmittel. Er könne einer leichten Beschäftigung nur bis zu fünf Stunden täglich nachgehen. An einer quantitativ darüber hinausgehenden Tätigkeit hindere ihn zunächst das Schmerzsyndrom am linken Kniegelenk mit Retropatellararthrose und Arthrofibrose bei einem Zustand nach Kniescheibenbruch. Zu berücksichtigen seien Bewegungseinschränkungen mit einer reduzierten freien Gehstrecke und ein Zustand nach Thrombose am linken Ober- und Unterschenkel mit einem Druckgefühl im Bereich der linken Wade. Hinzu komme eine Beschwerdesymptomatik im Sinne eines postthrombotischen Syndroms mit einem Druck- und Schweregefühl und einer Schwellneigung des linken Beines sowie ein Zustand nach Lungenembolie. Bei einer Tätigkeit im Umfang von mehr als sechs Stunden täglich sei es möglich, dass die Schmerz- und Schwellzustände des linken Kniegelenks und der gesamten linken unteren Extremität deutlich zunähmen. Dem Kläger müsse die Option zugebilligt werden, mehrere Pausen einzulegen, die schmerzhafte Extremität hochzulegen und sich mit Salben bzw. Kühlung Linderung zu verschaffen. Der Kläger könne derzeit nicht mehr 500 Meter ohne unzumutbare Beschwerden und ohne längere Pausen zu Fuß zurücklegen. Ihm sei eine pausenfreie Gehstrecke von ca. 300 Metern zumutbar. Die Gehstrecke, die ihm mit Pausen von ca. fünf Minuten zumutbar sei, betrage ca. einen Kilometer. Die festgestellten Leistungsminderungen bestünden seit April 2005.

Die Beklagte hat diesem Gutachten unter Bezugnahme auf eine prüfärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 15. Januar 2007 widersprochen. Anhaltspunkte für ein unter sechs Stunden täglich herabgesunkenes Leistungsvermögen seien u.a. unter Berücksichtigung des Rehabilitationsergebnisses in der Reha Klinik G. nicht erkennbar.

Dr. M. hat sich daraufhin unter dem 4. März 2007 ergänzend dahin gehend geäußert, die Beschwerdesymptomatik habe nach der im Juli/August 2006 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme wieder zugenommen. Er bleibe bei seiner Leistungseinschätzung. Selbstverständlich sei es "durchaus möglich, dass unter entsprechender Therapie (Schmerztherapie, Physiotherapie, erneute Arthroskopie ??, weiterer phlebologischer Diagnostik und Therapie) wieder eine Konstitutionierung sowie eine Regredienz des Dauerschmerzes" erzielt werde, und damit die Einsetzbarkeit im täglichen Berufsleben wieder für sechs Stunden und mehr gegeben sei.

Die Beklagte hat daraufhin unter Bezugnahme auf eine weitere Stellungnahme von Dr. B. vom 3. April 2007 auf objektiv nicht wesentlich veränderte Befunde seit der Rehabilitation im Juli/August 2006 verwiesen.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von der Fachärztin für Innere Medizin/Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. A. vom 4. Juni 2007 eingeholt, die mitgeteilt hat, bei einem Tragen des Kompressionsstrumpfes könne der Kläger leichte Arbeiten sechs Stunden und mehr täglich verrichten, soweit die Haltung nicht über den gesamten Zeitraum beibehalten werden müsse.

Das Sozialgericht hat sodann ein Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Chirotherapie und Sportmedizin Prof. Dr. R. vom 12. Februar 2008 eingeholt. Der Kläger habe sich im September 2007 in der orthopädischen Ambulanz in H. vorgestellt. Dort sei die Indikation für eine Totalendoprothese (TEP) links gestellt worden; die Operation sei noch nicht erfolgt. Der Kläger habe angegeben, in der Frühe Schmerzen am linken Knie zu haben und dann Tabletten einnehmen zu müssen. Es werde von Tag zu Tag schlimmer. Das Knie sei angeschwollen. Die Schmerzen seien unerträglich. Psychisch sei er durch Schwermütigkeit und Mutlosigkeit beeinträchtigt. Er habe "manchmal keinen Bock mehr, was zu machen".

Die Labordiagnostik habe auf Grund der starken Erhöhung der Leberwerte einen Verdacht auf eine toxische Leberschädigung ergeben. Bei der Untersuchung habe der Kläger ein links hinkendes Gangbild gezeigt. Als Diagnosen und Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat lägen eine Varusgonarthrose rechts mit Refraktur der Patella 2004 und Operation am 23. Januar 2006 mit Arthrolyse, Synovektomie, Narben und Bridenresektion vor. Es bestehe eine endgradige Beugeeinschränkung des linken Kniegelenks gegenüber rechts und eine deutliche Atrophie des Oberschenkels links gegenüber rechts von 4 cm und ein Kniegelenksumfangplus links gegenüber rechts von 0,5 cm. Am Untersuchungstag hätten keine konkreten Reizerscheinungen, Hauttemperaturerhöhung, Kapselschwellung und kein Erguss vorgelegen. Bei Stabilität habe sich röntgenologisch eine deutliche Atrophie der Knochenzeichnung links gegenüber rechts mit einer nur beginnenden Arthrose retropatellar ohne wesentliche Gelenkspaltverschmälerung gezeigt. Anhaltspunkte für eine Simulation oder Aggravation des Klägers bestünden nicht. Mit der vorhandenen Gesundheitsstörung am linken Kniegelenk sei die Belastbarkeit eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Mit der vorgeschlagenen TEP-Operation könne eine dosierte Belastbarkeit des linken Kniegelenks wieder ermöglicht werden, vom röntgenologischen Befund her bestehe aber noch keine Operationsindikation. Der Kläger könne noch sechs Stunden und mehr täglich körperlich leichte Arbeiten - z.B. Sortier- oder Büroarbeiten - mit kurzzeitiger Höchstbelastung von 10 kg wechselweise im Gehen, Sitzen und Stehen verrichten, wobei eine zeitliche Limitierung der Haltungsarten nicht erforderlich sei. Notwendig sei ein Witterungsschutz unter Vermeidung von Nässe und Zugluft, Zwangshaltungen (z.B. häufiges Bücken oder Knien) sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Eine Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der Hände bestehe nicht. Der Kläger könne mit der vorliegenden Funktionsstörung am linken Kniegelenk noch viermal täglich mehr als 500 Meter ohne unzumutbare Beschwerden oder lange Pausen zu Fuß zurücklegen.

Das Sozialgericht hat sodann einen Befundbericht der Orthopädischen Praxis Weidenplan, in der sich der Kläger bei Dr. P. am 26. September 2007 und am 3. April 2008 vorgestellt hatte, vom 11. August 2008 eingeholt. Nachdem das Krankenhaus in K. die indizierte TEP-Operation nicht habe durchführen wollen, sei dem Kläger am 15. Juli 2008 eine Einweisung für das Universitätsklinikum H. ausgestellt worden. Nach dem Bericht des Universitätsklinikums H., Oberärztin Dr. H., vom 31. Juli 2008 ist die Operation auch dort nicht durchgeführt worden. Die Versorgung des Klägers mit einer Oberflächenprothese sei derzeit absolut kontraindiziert. Es liege lediglich ein leichter Knorpelschaden zweiten Grades bei einem ansonsten altersgerechten Knorpelzustand im linken Knie vor. Es solle eine adäquate konservative Schmerztherapie erfolgen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13. November 2008 abgewiesen. Der Kläger könne noch leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen - überwiegend im Sitzen - unter Vermeidung von Bücken, Hocken, Knien, Heben, Tragen, Bewegen von Lasten, Besteigen von Leitern, Gerüsten und Zwangshaltungen und ohne erhöhte Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Die Kammer stütze sich auf das Gutachten von Prof. Dr. R. und das als Urkundenbeweis verwertbare Gutachten von Herrn J ... Die hiervon abweichende Leistungseinschätzung von Dr. M. sei durch die überzeugenden Feststellungen von Prof. Dr. R. widerlegt. Anhaltspunkte für eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes seien nicht erkennbar.

Der Kläger hat gegen den ihm am 17. November 2008 zugestellten Gerichtsbescheid am 17. Dezember 2008 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er sei auf Grund der vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht in der Lage, wirtschaftlich verwertbare Arbeit sechs Stunden am Tag zu erbringen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 13. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. April 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Nachdem bei dem Kläger am 3. März 2009 im Waldkrankenhaus Bad Düben eine zementierte Knie-TEP links mit Retropatellaersatz implantiert wurde, hat die Beklagte ihm eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 16. März bis zum 20. April 2009 bewilligt. Aus dem hierüber erstellten Entlassungsbericht der Elbe-Saale GmbH vom 22. April 2009 geht hervor, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten, jeweils überwiegend im Sitzen, im Gehen oder im Stehen ohne Einschränkung der Arbeitsorganisation sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens bestünden für Tätigkeiten, die mit häufigem Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, einer gebückten oder hockenden Körperhaltung oder Arbeiten auf Leitern und Gerüsten verbunden seien. Der Kläger wohne weiterhin in einer Wohnung in der dritten Etage ohne Aufzug. Unter Zuhilfenahme von zwei Unterarmgehstützen sei das Gangbild im Vierpunktgang mit schmerzadaptierter Vollbelastung sicher. Die Gehstrecke betrage bis zu 800 Meter, die Stehzeit bis zu zehn Minuten.

Der Kläger hat hierzu ausgeführt, die Implantation der Knie-TEP sei nicht erfolgreich verlaufen, die Außenseite seines gesamten linken Beines sei nun taub; er halte seine Schmerzen weiterhin nur mit einer ständigen Einnahme von Schmerzmitteln aus. Das Knie sei noch entzündet und er müsse weiter Falithrom einnehmen. Es komme mindestens viermal in der Woche vor, dass der gesamte Unterschenkel nach außen wegknicke.

Der Senat hat sodann einen Befundbericht von Dr. P. vom 15. Oktober 2009 eingeholt. Seit Beginn der Behandlung hätten sich die Befunde verschlechtert. Trotz physiotherapeutischer Anwendungen sei der Kläger bei einem Zustand nach Patellafraktur gehunfähig.

Der Senat hat ein Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie Dr. W. vom 17. November 2009 eingeholt, das auf der Grundlage einer Untersuchung des Klägers an diesem Tag erstellt worden ist. Der Kläger habe von Dauerschmerzen im gesamten linken Kniegelenk, ausstrahlend in den Unterschenkel mit Einklemmgefühl beim Bewegen, besonders nach dem Sitzen, ohne Taubheit oder Kribbeln berichtet. Die Schmerzen verstärkten sich nach 120 Minuten Sitzen, zehn Minuten Stehen und nach 250 Metern Gehen. Längere Gehstrecken könne er nur mit Pausen von fünf Minuten alle 250 Meter zurücklegen. Hilfsmittel benutze er nicht. Die Mobilität werde zu Fuß oder als Mitfahrer im Pkw gewährleistet; öffentliche Verkehrsmittel benutze er selten. Der Gang zum Untersuchungsraum sei mit links hinkendem Gangbild erfolgt. Als Diagnosen lägen vor: Gonalgie links bei TEP 3/09 und deutlicher Oberschenkelmuskelatrophie mit ungenügender muskulärer Stabilisierung der TEP. (nach Aktenlage) Falithromtherapie nach Beinvenenthrombose links 2004 und Lungenembolie und Hypertonie (gut eingestellt).

Es bestehe eine deutliche Gehbehinderung links wegen der muskulär bedingten Unsicherheit im Kniegelenk und wegen einer Beugebehinderung ab 90°. Die Falithrombehandlung erhöhe die Risiken bei Verletzungen und lasse invasive Behandlungen nicht zu. Der Kläger könne aus orthopädischer Sicht sechs Stunden und mehr täglich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, alle zwei Stunden unterbrochen durch kurzes Umhergehen, verrichten. Nicht mehr möglich seien Arbeiten mit häufigem Bücken oder Knien, Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Einwirkung von Nässe, Zugluft oder Kälte, im Freien, auf Gerüsten, Leitern oder Arbeiten unter Zeitdruck (im Akkord, am Fließband). Laufende Maschinen könne er nur im Sitzen bedienen. Allgemein seien Patienten mit einer Knie-TEP Strecken bis 1.000 Meter zumutbar und auch sehr zu empfehlen. Dem Kläger sei nach seinen Angaben eine Wegstrecke von 500 Metern nur mit einer "zwischengeschalteten" Sitzpause möglich. Nach Kräftigung der geschwächten Oberschenkelmuskulatur sei mit einer deutlichen Besserung der Gehfähigkeit zu rechnen. Bei langsamem Gehen benötige der Kläger ca. zwölf Minuten für 500 Meter Gehstrecke zzgl. einer Sitzpause von fünf Minuten. Nach erfolgreichem Muskelaufbau könne der Kläger wieder einen Pkw führen. Er könne prinzipiell öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Dem Kläger seien körperliche Arbeiten wie ein Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen zumutbar, soweit diese Tätigkeiten überwiegend im Sitzen erledigt werden könnten. Die festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe seit August 2005. Die Streckung/Beugung des linken Knies habe sich deutlich verbessert; die Differenz in den Umfangmaßen der Oberschenkel habe zugenommen und eine allgemeine Verdickung des linken Knies nach Implantation des Kunstgelenkes sei hinzugetreten. Erforderlich sei eine (ca. innerhalb eines halben Jahres erreichbare) Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur links bzw. ein Tragen stabilisierender Orthesen. Maßnahmen der Teilhabe am Arbeitsleben seien dringend indiziert.

Der Kläger hat zu diesem Gutachten, welches ihm als Anlage zum Richterbrief vom 8. Dezember 2009 zugesandt worden ist, mit am 18. Januar 2010 bei dem Senat eingegangenem Schriftsatz von demselben Tag ausgeführt, die eigentliche Untersuchung durch den Sachverständigen habe nur zehn Minuten gedauert. Er habe den Eindruck gehabt, der Sachverständige sei voreingenommen gewesen und habe sich lediglich dem Gutachten von Prof. Dr. R. anschließen wollen. So habe er ausgeführt, dass er - der Kläger - nach den vorliegenden Unterlagen eigentlich kein künstliches Kniegelenk benötige. Es werde um Fristverlängerung für einen weiteren Sachvortrag bis zum 30. April 2010 gebeten.

Nachdem der Berichterstatter schriftlich der beantragten Fristverlängerung entsprochen hat, hat der Kläger mit am letzten Tag der Frist eingegangenem Schriftsatz mitgeteilt, die Schmerzen in seinem linken Knie hätten sich wieder verstärkt. Diesbezüglich solle der Senat erneut in Ermittlungen eintreten. Der Kläger hat beantragt, ihm Gelegenheit zum weiteren Sachvortrag, insbesondere zum Gutachten von Dr. W., bis zum 31. Juli 2010 einzuräumen. Diese Fristverlängerung ist vom Berichterstatter mit Schreiben vom 6. Mai 2010 mit der Begründung abgelehnt worden, die Verwertbarkeit der bisherigen Ermittlungen leide erheblich unter einem weiteren Zeitablauf. Mit seinem bei dem Senat am 30. Juli 2010 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger auf eine weitere Verschlechterung seines Gesundheitszustands hingewiesen. Er habe stechende Schmerzen im linken Oberschenkel, nehme regelmäßig Physiotherapie wahr und müsse wieder ständig Schmerztabletten einnehmen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

: Die Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Der angefochtene Bescheid der Beklagten rechtsmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Gemäß § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert in diesem Sinne. Er kann zur Überzeugung des Senats noch sechs Stunden und mehr täglich leichte Arbeiten in geschlossenen beheizten Räumen überwiegend im Sitzen, ohne häufiges Bücken, Knien, Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ohne Einwirkung von Nässe, Zugluft oder Kälte sowie ohne Arbeiten auf Gerüsten, Leitern, unter Zeitdruck (im Akkord, am Fließband) oder stehend an laufenden Maschinen verrichten, wobei alle zwei Stunden ein kurzes Umhergehen ermöglicht werden muss. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sowie das Seh- und Hörvermögen sind nicht eingeschränkt. Der Kläger genügt jedenfalls durchschnittlichen Anforderungen an geistige und mnestische Fähigkeiten.

Der Senat folgt bezüglich des Leistungsbildes im Wesentlichen dem Gutachten von Dr. W. vom 17. November 2009. Dessen Feststellungen stimmen mit der Leistungseinschätzung in dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten von Prof. Dr. R. vom 12. Februar 2008 und dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von Herrn J. vom 29. August 2005 überein, die jeweils den Zustand vor der am 3. März 2009 durchgeführten TEP-Implantation abbilden. Demgegenüber ist das Gutachten des den Kläger behandelnden Dr. M. vom 30. November 2006 bereits auf der Grundlage des Arzt-Patientenverhältnisses nur eingeschränkt verwertbar. Nach den Angaben in seinem Befundbericht vom 15. März 2006 hat dieser Sachverständige den Kläger bereits seit dem 17. April 2003 behandelt, sodass von einem intensiven Behandlungsverhältnis ausgegangen werden kann. In diesem Bericht hatte er im Hinblick auf die Knieerkrankung auch ein Leistungsvermögen von sechs Stunden täglich für leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten noch bejaht. Dr. M. hat im Übrigen in seiner ergänzenden Stellungnahme unter dem 4. März 2007 darauf hingewiesen, unter entsprechender Therapie (Schmerztherapie, Physiotherapie, erneute Arthroskopie, weiterer phlebologische Diagnostik und Therapie) könne ggf. eine Regredienz des Dauerschmerzes und damit die Einsetzbarkeit im täglichen Berufsleben wieder für sechs Stunden erzielt werden.

Bei dem Kläger steht eine Gonalgie links für die Zeit vor März 2009 ohne und nachfolgend mit einer TEP-Versorgung im Vordergrund. Dabei ergeben sich die Leistungseinschränkungen nicht durch die funktionelle Behinderung in den Bewegungen, sondern vor allem durch eine Schmerzproblematik. Der Senat vermag nicht klar festzulegen, welchen Verlauf diese Erkrankung seit der Rentenantragstellung genommen hat. Diesbezüglich weichen insbesondere die Einschätzungen zur Notwendigkeit einer TEP-Versorgung auf Grund einer Schmerzprogredienz stark voneinander ab. Soweit zuletzt - nach der durchgeführten Maßnahme - Dr. W. nach den vom Kläger wiedergegebenen und gerügten Ausführungen aus den Unterlagen die Indikation in Zweifel gezogen haben sollte, entspricht dies insbesondere den Angaben von Dr. H. in dem Bericht des Universitätsklinikums H. vom 31. Juli 2008, die eine Versorgung des Klägers mit einer Oberflächenprothese als zu diesem Zeitpunkt absolut kontraindiziert angesehen hat. Dr. W. ist von einem im Wesentlichen unveränderten Leistungsbild des Klägers seit August 2005 ausgegangen.

Die Notwendigkeit der Einnahme von Schmerzmitteln führt für sich genommen nicht zu einem reduzierten quantitativen Leistungsvermögen. Den vom Kläger angegebenen verstärkten Schmerzen bei einem Sitzen von mehr als 120 Minuten und einem Stehen von mehr als zehn Minuten Stehen wird dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur überwiegend im Sitzen zu verrichtende Tätigkeiten mit (mindestens) zwei Haltungswechseln jeweils nach zwei Stunden durch kurzes Umhergehen zugemutet werden. Ausgeschlossen sind durch die Schmerzen auch stärkere Belastungen durch Zwangshaltungen oder Lasten und klimatische Faktoren oder rasche Bewegungsabläufe. Der Kläger hat nach seinen Angaben die von Dr. W. empfohlene Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur links durch Physiotherapie inzwischen aufgenommen.

Auf internistischem bzw. psychiatrischem Fachgebiet sind aus dem Akteninhalt Gesundheitsstörungen in Zusammenhang mit der Blutgerinnung, in Form der von Prof. Dr. R. angegebenen schlechten Leberwerte sowie eine allgemeine Lebensunzufriedenheit des Klägers erkennbar. Eine Herabsetzung seines Leistungsvermögens lässt sich daraus aber nicht ableiten.

Bei dem Kläger liegen auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für zumindest leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats (GS) des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f.). Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 17. November 2009 ausdrücklich die Fähigkeit des Klägers bestätigt, körperliche Arbeiten wie ein Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen zu verrichten, soweit diese Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit des gelegentlichen Aufstehens erledigt werden können.

Auch liegt im Fall des Klägers kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, GS, a.a.O., S. 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einem Versicherten die sog. Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann. Bereits unter auf Grund der eigenen Angaben des Klägers geht der Senat davon aus, dass er die genannte Gesamtstrecke, ggf. mit einer Pause, in 20 Minuten zurücklegen kann. Für den Zeitraum seit Rentenantragstellung ist dies zunächst in dem Gutachten von Herrn J. dokumentiert, der auch auf Grund der Untersuchung aus ärztlicher Sicht keine diesbezüglichen Einschränkungen angenommen hat. Nach der Rehabilitation in der Rehabilitationsklinik G. hat der Kläger eine Wegstrecke von 500 Metern auf ebenem Gelände in elf Minuten und 20 Sekunden zurücklegen können. Dr. M. und Prof. Dr. R. haben übereinstimmend eine dem Kläger mögliche Wegstrecke von 500 Metern bejaht. Auf eine Gehstrecke ohne Pausen kommt es insoweit nicht an, soweit die Gesamtdauer von 20 Minuten nicht überschritten wird. Nach der TEP-Implantation hat bereits die Elbe-Saale Rehabilitationseinrichtung eine dem Kläger mögliche Gehstrecke von 800 Metern bestätigt. Dr. W. kommt zu einer Zeitdauer von insgesamt 17 Minuten für die Gesamtstrecke von knapp mehr als 500 Metern. Der Kläger kann auch öffentliche Verkehrsmittel nutzen, sodass offen bleiben kann, ob er durch die Physiotherapie bereits wieder in die Lage versetzt worden ist, auch einen Pkw zu bedienen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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