L 3 SF 6/09 E

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 2 AS 276/08
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 3 SF 6/09 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Sind alle Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG unterdurchschnittlich, ist nur eine Mindestgebühr angemessen.
2. Liegt ein volles Anerkenntnis vor, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich, so dass dem im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt weder Fahrkosten noch ein Abwesenheitsgeld (Nrn. 7003, 8005 VV-RVG) zusteht.
Der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 05.02.2009 wird abgeändert.
Die dem Beschwerdegegner aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 71,40 EUR festgesetzt.

Gründe:
I.
Mit seiner am 11.01.2008 beim Sozialgericht Koblenz (SG) erhobenen Klage wandte sich der Kläger des abgeschlossenen Verfahrens gegen einen Bescheid der ARGE Grundsicherung für Arbeitsuchende Kreis A (ARGE), mit dem sie dem Kläger und seinem mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohn für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebens-unterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gewährt hatte. Als Kosten der Unterkunft und Heizung der angemieteten Wohnung hatte sie im Wi-derspruchsverfahren 341,15 EUR bewilligt (230,00 EUR Kaltmiete, 66,15 EUR nachgewie-sene Nebenkosten und 45,00 EUR Heizkostenabschlag). Den von der Bedarfsge-meinschaft tatsächlich zu zahlenden Heizkostenabschlag in Höhe von 60,00 EUR hat-te sie nicht berücksichtigt, weil dieser für die nur 45 qm große Wohnung unange-messen hoch sei.

Bereits zum 01.08.2007 hatte der Kläger eine Beschäftigung aufgenommen und war aus dem Leistungsbezug ausgeschieden.

In seinem Klageschriftsatz vom 10.01.2008 führte der Beschwerdegegner aus:
"Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die im Antrag bezeichneten Bescheide sind beigefügt. Da es sich um die Entscheidung einer Rechtsfrage handelt, ist eine weitere Begründung entbehrlich. Der Sachverhalt ergibt sich aus den Verwaltungsakten unmittelbar. Der Kläger hat Anspruch auf die beantragten Unterkunftskosten in voller Höhe und nicht nur in Höhe von 75%".

Weiterer Vortrag erfolgte nicht.

Das SG bewilligte dem Kläger durch Beschluss vom 22.02.2008 Prozesskostenhil-fe und ordnete ihm den Beschwerdegegner, der den Kläger auch im Wider-spruchsverfahren vertreten hatte, bei.

Mit Schreiben vom 02.04.2008 erklärte sich die ARGE nach einem richterlichen Hinweis ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen bereit, dem Kläger für die Monate Juni und Juli 2007 den tatsächlichen Heizkostenabschlag zu bewilligen und ihm die Differenz von 30,00 EUR nachzuzahlen.

Der Beschwerdegegner erklärte hierzu mit Schreiben vom 09.04.2008, dass er das Anerkenntnis nicht annehme. Eine streitige Entscheidung sei notwendig, damit die ARGE die richtige Sach- und Rechtsklage kennen lerne.

In der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2008 nahm er das Anerkenntnis an. Der Rechtsstreit war für 10.00 Uhr terminierte und die Verhandlung ausweislich des Sitzungsprotokolls um 10.05 Uhr beendet.

Der Beschwerdegegner bezifferte seine Gebühren mit 866,32 EUR (Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - VV in Höhe von 250,00 EUR, Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV –RVG in Höhe von 200,00 EUR, Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, 1005 in Höhe von 190,00 EUR, Auslagenpauschale, Fahrtkosten, Tage- und Abwesenheitsgeld) und beantragte Festsetzung.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Gebühren auf 504,56 EUR fest und führte zur Kürzung aus, dass unter Berücksichtigung sämtlicher Kriterien des § 14 RVG die jeweilige Gebühr 40% unterhalb der Mittelgebühr betrage.

Sowohl der Beschwerdeführer als auch der Beschwerdegegner legten gegen die Kostenfestsetzung Erinnerung ein.

Durch nicht begründeten und ohne Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschluss vom 05.02.2009 wies das SG beide Erinnerungen zurück.

Am 04.03.2009 hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt und beantragt, die Vergütung auf 235,62 EUR festzusetzen: Die Beschwerde sei zulässig und be-gründet. Die Entscheidung des SG sei nicht überzeugend. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen. Ein besonderes anwaltliches Bemühen, den Rechtsstreit zu erledigen, sei nicht erkennbar. Unter Berücksichtigung der in § 14 RVG genannten Kriterien sei ein Merkmal, nämlich die Schwierigkeit der anwaltlichen Tä-tigkeit, als durchschnittlich, alle anderen Kriterien aber als unterdurchschnittlich zu bewerten. Die Verfahrensgebühr betrage daher nur 50,00 EUR und die Terminsgebühr 60,00 EUR.

Der Beschwerdegegner hält die Gebühren für angemessen und weist darauf hin, dass der Rechtsanwalt seine Gebühren in eigener Zuständigkeit festsetzt.

II.

Die Beschwerde der Staatskasse ist gemäß § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zulässig, weil der Wert des Beschwerde-gegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die angemessenen Gebühren nicht auf 504,56 EUR, sondern nur auf 235,62 EUR festzuset-zen sind.

Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde spricht nicht § 178 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach gegen Entscheidungen des ersuchten oder beauftragten Richters oder des Urkundsbeamten binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden kann, das endgültig entscheidet. Denn hinsichtlich des Pro-zesskostenhilfeverfahrens verweist § 73a Satz 1 SGG auf die für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten einschlägigen Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO). Es handelt sich um eine speziellere, § 178 SGG vorgehende Vorschrift, die auch die Bestimmungen über die Festsetzung nach §§ 45 ff RVG umfasst (streitig; vgl. Be-schluss des Senats vom 26.10.2009 - L 3 As 426/09 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.07.2008 – L 7 B 113/08 AS; aA LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.03.2010- L 26 B 188/08 SF).

Die Beschwerde ist am 04.03.2009 zwar nicht fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt worden (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG), aber dem Beschwerdeführer ist auf seinen konkludent gestellten Antrag nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 5 Satz 1 RVG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er war ohne Verschulden gehindert, die Frist einzuhalten. Das SG hat die Beteiligten weder über das statthafte Rechtsmittel noch die einzuhaltende Frist belehrt.

Die Beschwerde ist auch begründet. Die Gebühren in Höhe von 504,56 EUR sind zu hoch. Der beigeordnete Rechtsanwalt hat lediglich Anspruch auf 71,40 EUR.

Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer beantragt hat, die Gebühren auf 235,62 EUR festzusetzen. Durch einen entsprechenden Antrag kann der Prüfungsumfang des Senats nicht eingeschränkt werden, so dass der Senat an diesen Antrag nicht gebunden ist. Er prüft die angemessenen Gebühren nach den maßgeblichen Vorschriften. Andernfalls könnte der Kläger benachteiligt werden. Nach § 59 Abs. 1 RVG geht ein Anspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts wegen seiner Vergütung mit seiner Befriedigung durch die Staatskasse auf diese über (Absatz 1 Satz 1). Für die Geltendmachung des Anspruchs gelten die Vorschriften über die Einziehung der Kosten des gericht-lichen Verfahrens entsprechend (Absatz 2 Satz 1). Die übergehenden Ansprüche müssen daher sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach den gesetzlichen Vor-schriften entsprechen und können daher nicht vom Beschwerdeführer – als Vertreter der Staatskasse - bestimmt werden.

Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch des Antragstellers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach hat der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten eines Landes Anspruch auf die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht.

Zwar gilt Satz 4 der Vorschrift nicht, wenn es sich - wie hier - um ein Verfahren handelt, in dem um die Höhe des Prozesskostenhilfevergütungsanspruches gestritten wird, weil die Staatskasse nicht Dritter, sondern Vergütungsschuldner ist. Dennoch findet zu ihren Gunsten eine Billigkeitskontrolle statt (Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 55, Rz. 29). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt bei der Gebührenbestimmung die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG unter Beachtung des ihm obliegenden Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12.09.2006 - L 1 B 320/05 SF SK). Allerdings ist hiervon nach herrschender Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, nur in den Fällen auszugehen, in denen die Bestimmung des Anwalts die nach Ansicht des Gerichts angemessene Gebühr um mehr als 20 % übersteigt (sog. Toleranzrahmen; vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 03.04.2009 - L 6 B 261/08 SF; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2007 - L 7 B 36/07 AS).

Dabei ist für jede Rahmengebühr eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12.09.2006, a. a. O. sowie Keller in jurisPR-SozR10/2006, Anm. 6) als auch für die Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.

Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum stellt die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem im Vergleich zur Gesamtheit der sozialgerichtlichen Verfahren in dem jeweils zugrunde liegenden Rechtsgebiet in jeder Hinsicht, also in jedem der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien, insgesamt durchschnittlichen Streitverfahren dar. Davon ausgehend sind Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurch-schnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden.

Nach der gebotenen Gesamtabwägung der nach § 14 Abs. 1 RVG maßgeblichen Kriterien steht dem Antragsteller sowohl eine Verfahrensgebühr als auch eine Ter-minsgebühr nur in Höhe von 20,00 EUR zu. Die von ihm geltend gemachten Gebühren sind nicht angemessen und entbehren einer gesetzlichen Grundlage.

Die Verfahrensgebühr war dem Rahmen der Nr. 3103 VV-RVG zu entnehmen, weil der Beschwerdegegner mit der Angelegenheit bereits im Widerspruchsverfahren befasst war. Der entsprechende Rahmen der Nr. 3103 VV-RVG sieht eine Gebührenspanne von 20,00 EUR bis 320,00 EUR vor; die Mittelgebühr beträgt daher 170,00 EUR. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des vom Beschwerdegegner vertretenen und Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehenden Klägers sind im Vergleich zum Durchschnittseinkommen der Gesamtbevölkerung deutlich unterdurchschnittlich.

Auch die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten des Beschwerdegegners ist als unterdurchschnittlich zu bewerten. Dies, obwohl es sich bei den Leistungen nach dem SGB II im Regelfall um existenzsichernde Leistungen handelt und dies eher für eine überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sprechen kann. Bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit ist aber nur auf das unmittelbare Ziel der anwaltlichen Tätigkeit, d. h. auf die Interessen des Auftraggebers, insbesondere die Auswirkungen der begehrten Entscheidung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers, abzustellen. Mittelbare Auswirkungen oder Fernwirkungen des anwaltlichen Handels sind nicht zu berücksichtigen. Einem Streit um die Frage, ob ein Kläger geringfügig höhere Kosten der Unterkunft und Heizung für zwei Monate begehren kann, kommt im Vergleich zu Verfahren, in denen um die gänzliche Versagung existenzsichernder Leistungen für mehrere Monate oder Jahre oder um die Erstattung zu Unrecht bezogener Leistungen (in erheblicher Höhe) gestritten wird, eine nur unterdurchschnittliche Bedeutung zu, zumal die Existenz des Klägers im hiesigen Streitzeit-raum sichergestellt war und im Ergebnis nur um einen Betrag von 30 EUR (tatsächliche Heizungsabschläge von 60,00 EUR für die Monate Juni und Juli 2007 - gezahlte Kosten 45,00 EUR) gestritten wurde.

Gleiches gilt für den Arbeits- und Zeitaufwand des Beschwerdegegners. Dieser war deutlich unterdurchschnittlich. Zeitintensive Tätigkeiten, wie etwa das Lesen und Auswerten von umfangreichen Akten, das Verfassen von Schriftsätzen, die sich mit komplexen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen auseinandersetzen, die Sichtung und Auswertung von Rechtsprechung, die den Rückschluss auf einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand zulassen, sind ersichtlich nicht angefallen.

Die Tätigkeit des Antragstellers beschränkte sich in diesem Verfahren auf die Klageeinreichung. Die Klage ist nicht begründet worden. Die Behauptung, der Bescheid sei rechtswidrig und dem Kläger stehe der Anspruch zu, ist keine Begründung. Zudem ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Streitstoff zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Der Verfahrensverlauf belegt, dass sich der Beschwerdegegner weder tatsächlich noch rechtlich mit der Angelegenheit befasst hat. Eine nachvollziehbare Begründung für seine Weigerung, dass (volle) Anerkenntnis anzunehmen, gibt es nicht.

Der Senat vermag auch eine durchschnittliche Schwierigkeit des Klageverfahrens nicht zu erkennen, weil eine Auseinandersetzung mit schwierigen oder komplexen tatsächlichen oder rechtlichen Fragestellungen des Falles zu keinem Zeitpunkt erfolgt ist und letztlich nur um die Beantwortung einer Rechtsfrage gestritten wurde, die bereits Gegenstand zahlreicher Entscheidungen war.

Der Senat schließt sich insoweit nicht der Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 05.05.2009 – L 1 AL 55/08) an, wonach Verfahren mit sozialrechtlichem bzw. sozialversicherungsrechtlichem Bezug wegen des erforderlichen besonderen Fachwissens stets besonders schwierig seien. Diese Auffassung überzeugt nicht, weil in jedem Rechtsgebiet in gewisser Weise ein besonderes Fachwissen oder eine gewisse Spezialisierung erforderlich ist, in die sich jeder Rechtsanwalt, der nicht ausschließlich auf seinem Spezialgebiet tätig ist, einarbeiten muss. Zudem berücksichtigt diese Ansicht nicht, dass die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit konkret einzelfallbezogen festgestellt werden muss und sie sich in erster Linie durch die Intensität seines Arbeitseinsatzes in dem konkreten Verfahren bestimmt. Entscheidend ist, welche Fertigkeiten und Kenntnisse dem Rechtsanwalt zur Bewältigung der die Angelegenheit kennzeichnenden Probleme sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht objektiv abverlangt werden (vgl. Heinz in Mutschler, Kostenrecht in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, 2003, § 3 Rz. 235).

Bei einem Streitwert von 30,00 EUR ist auch das Haftungsrisiko des Beschwerdegegners deutlich unterdurchschnittlich. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass alle fünf Kriterien deutlich unterdurchschnittlich sind, ist vorliegend nur eine Mindestgebühr in Höhe von 20,00 EUR für die Führung des Verfahrens angemessen.

Dies gilt auch für die getrennt zu prüfende Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG. Die mündliche Verhandlung dauerte keine 10 Minuten und diente lediglich dazu, das bereits vorher schriftlich abgegebene Anerkenntnis anzunehmen. Die Dauer der mündlichen Verhandlung bewegte sich damit ebenfalls nicht mehr im Durchschnitt eines in der ersten Instanz zu entscheidenden SGB II - Verfahrens. Da auch - wie bereits oben ausgeführt – Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Be-deutung des Verfahrens für den Kläger, seine Einkommens- und Vermögensver-hältnisse, Haftungsrisiko des Beschwerdegegners ebenfalls deutlich unterdurch-schnittlich waren, kann keine höhere Gebühr billig sein.

Zusätzlich zu erstatten sind die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommu-nikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV-RVG) in Höhe von 20,00 Euro und die Umsatzsteuer auf die Vergütung in Höhe von 11,40 EUR Nr. 7008 VV-RVG).

Fahrtkosten stehen dem Beschwerdegegner hingegen nicht zu. Dies wäre nach § 46 Abs. 1 RVG nur der Fall, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich gewesen wären. Hiervon ist nicht auszugehen. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung war nicht notwendig. Der Beschwerdegegner hätte das volle Anerkenntnis vorher annehmen können, dann wäre der Restsstreit erledigt gewesen (§ 101 Abs. 2 SGG). Über die außergerichtlichen Kosten hätte das SG auf Antrag nach § 193 Abs. 2 SGG durch Beschluss entscheiden müssen. Aus diesem Grund steht dem Beschwerdegegner auch kein Abwesen-heitsgeld nach Nr. 7005 VV-RVG zu.

Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002, 1005 VV-RVG ist nicht angefallen. Die Erledigungsgebühr stellt ein Honorar für Prozessbevollmächtigte dar, die durch ihre Mitwirkung erreicht haben, dass eine streitige Entscheidung des Gerichts in der Sache nicht mehr ergehen muss. Mithin soll mit der Erledigungsgebühr die Entlastung der Gerichte und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens zwischen den Beteiligten ohne gerichtliche Sachentscheidung honoriert werden. Es ist deshalb erforderlich, dass durch besondere anwaltliche Bemühungen – d. h. vor allem durch Verhandlungen mit der Verwaltungsbehörde – erreicht wird, dass ein angefochtener belastender Verwaltungsakt aufgehoben oder zugunsten des Mandanten geändert wird. Die Gebühr tritt nicht automatisch in allen Fällen ein, die sich ohne streitige Entscheidung, also ohne Verdienst des Prozessbevollmächtigten, erledigen. Dies hat sowohl der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle als auch das SG verkannt.

Eine rein »formelle« Tätigkeit des Rechtsanwalts (er ist zwar bestellt, hat aber die Erledigung nicht zumindest mitursächlich verursacht) genügt für die Entstehung einer Terminsgebühr nicht. Mit der Formulierung »durch die anwaltliche Mitwirkung« bringt die Vorschrift zum Ausdruck, dass es für das Entstehen der Erledigungsgebühr einer gerade für die Erledigung ursächlichen anwaltlichen Mitwirkung bedarf. Da es insofern lediglich auf den Erfolg der Tätigkeit ankommt, dürfen zwar keine allzu hohen Anforderungen an die Art der anwaltlichen Tätigkeit gestellt werden. Andererseits ergibt sich aus dem Begriff der »Mitwirkung«, dass der Rechtsanwalt zumindest einen nicht ganz unerheblichen oder untauglichen Bei-trag zur Erledigung geleistet haben muss (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.12.2007, 2 E 11030/07; BayVGH, Beschluss vom 19.01.2007, NVwZ-RR 2007, 497). Dies ist schon nach dem Sprachgebrauch mehr als die bloße »Anwe-senheit«, »Einschaltung« oder »Hinzuziehung« eines Rechtsanwalts (vgl. BSG; Urteil vom 07.11.2006 – B 1 KR 23/06 R). Entscheidend ist also, ob der Rechtsanwalt durch sein Verhalten etwas zur Erledigung des Rechtsstreits ohne Sachentscheidung beigetragen hat.

Zu den in diesem Sinne erforderlichen besonderen Mitwirkungshandlungen des Rechtsanwalts zählen nicht die Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs, die gründliche Abfassung von Schriftsätzen, die Vorlage von Belegen und Beweisstücken, die Annahme eines Anerkenntnisses oder die Abgabe der Erledigungserklä-rung. Diese Tätigkeiten werden aufgrund der Verpflichtung des Rechtsanwalts, ein Verfahren gewissenhaft, gründlich und sorgfältig zu betreiben, von der jeweiligen Verfahrensgebühr (vgl. Nrn. 3102, 3204 und 3212) erfasst. Die zusätzliche Er-folgsgebühr soll vielmehr nur der Rechtsanwalt erhalten, der zur außergerichtli-chen Erledigung wesentlich beigetragen hat. Eine besondere Mitwirkung des Rechtsanwalts in ist deshalb nicht bereits dann gegeben, wenn der Rechtsanwalt in dem konkreten Verfahren bestellt ist, sein Vortrag aber nicht dazu beigetragen hat, dass eine »Erledigung« eingetreten ist. Vielmehr muss sich der Rechtsanwalt die »Erledigungsgebühr« verdienen. Der Gesetzgeber hat mit Nr. 1002 VV eine Erfolgsgebühr geregelt, für die allein eine Mitwirkung des Rechtsanwalts ausreicht, die nicht nur auf eine allgemeine Verfahrensförderung (also natürlich auf das Ziel eines Erfolgs des Mandanten) gerichtet ist und die durch die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr abgegolten wird. Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gehört zu den vom allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im gerichtlichen Verfahren ohne Weiteres erfassten Aufgaben eines Rechtsanwalts, den Standpunkt seiner Partei bestmöglich vorzutragen und seinen Mandanten zu ei-nem verfahrensmäßig angemessenen Vorgehen zu raten.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat sich der Rechtsstreit nicht durch die Mitwir-kung des Beschwerdegegners erledigt. Zweifelhaft ist insoweit bereits, ob der Beschwerdegegner das Verfahren überhaupt zielgerichtet gefördert hat, jedenfalls hat er nichts dazu beigetragen, dass die ARGE zur Abgabe des Anerkenntnisses bewogen hat. Dies hat die ARGE vielmehr aufgrund eigener Initiative und Überle-gungen entschieden.

Demnach stehen dem Beschwerdegegner folgende Gebühren zu:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV-RVG 20,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV-RVG 20,00 EUR
Pauschale für Post-und Telekommunikation, Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR
Summe: 60,00 EUR
Umsatzsteuer 11,40 EUR
Gesamt: 71,40 EUR

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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