L 3 R 376/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 R 288/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 376/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 373/10 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erwerbsminderung, § 109 Antrag
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI) streitig.

Der am ... 1962 geborene Kläger absolvierte von Juli 1979 bis August 1981 eine Lehre zum Schuhmacher und war dann bis Oktober 1981 im erlernten Beruf tätig. Danach arbeitete er als Anlagenfahrer und Wärmekraftwerker und absolvierte von August bis Dezember 1986 eine Ausbildung zum Kesselwärter sowie von Oktober 1989 bis Juni 1991 ein Meisterstudium. Er war dann bis November 1992 als Meister im VEB E. der Stadt Z. und von November 1992 bis März 1994 als Energieberater bei der Gasversorgung L. GmbH sowie von Juni 1994 bis September 2003 als Kundenberater bei der MITGAS GmbH beschäftigt. Während der Tätigkeit als Kundenberater absolvierte er von Oktober 1995 bis Juli 1996 eine Weiterbildung zum "Kundenberater Gas" und nahm von Dezember 1999 bis August 2001 an einer Weiterbildung "Fachkaufmann für Marketing" teil. Nach der (arbeitgeberseitigen) Kündigung der Tätigkeit als Kundenberater nahm der Kläger von Dezember 2003 bis Oktober 2004 an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme teil und war insoweit als Koordinator bei ASG Mücheln und im Anschluss daran von November 2004 bis Dezember 2005 wiederum als Koordinator bei GTS Krumpa beschäftigt.

Von Januar 2006 bis Januar 2008 war der Kläger arbeitslos. Vom 11. Februar bis zum 16. April 2008 war er als Kundenberater bei Randstad in H. durchschnittlich 35 Stunden wöchentlich (Montag bis Freitag je sieben Stunden) beschäftigt. Vom 19. Mai 2008 bis zum 20. März 2009 war der Kläger bei der bioenergy systems GmbH M. als Energieberater und Hilfskraft tätig. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit war mit 30 Stunden vereinbart, welche an vier Werktagen der Woche zu leisten war. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, nachdem er zwei Monate keine Gehaltszahlung erhalten hatte. Seitdem arbeitet er als Rezeptionist in der Podologie-Praxis seiner Ehefrau. Nach seinen Angaben beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 30 Stunden pro Woche, wobei er die Termine der Podologie-Praxis verwalte und alle buchhalterischen Tätigkeiten verrichte. Er arbeite ca. zwei Stunden am Stück, habe dann ca. zwei Stunden Pause, arbeite wiederum zwei Stunden, habe anschließend wieder zwei Stunden Pause, um erneut zwei Stunden zu arbeiten. Er werde die ca. sechs Kilometer zur Arbeitsstelle in zehn Minuten mit dem Auto gefahren. Für die Tätigkeit erhalte er 750,00 EUR netto.

Beim Kläger ist seit dem 11. Juni 1998 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt. Er verfügt über einen Führerschein und einen Pkw.

Am 15. Juni 2006 stellte der Kläger den dem Streitverfahren zugrundeliegenden Rentenantrag. Er leide an Morbus Bechterew und könne wegen der starken Schmerzen allenfalls leichte Bürotätigkeiten ein bis zwei Stunden verrichten und müsse danach eine Pause einlegen. Die Beklagte zog u.a. den Entlassungsbericht des Gesundheitszentrums ASTORIA-GASTEIN vom 24. Mai 2006 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 26. April bis zum 24. Mai 2006 bei. Dort ist als Diagnose eine Spondylitis ankylosans mit Befall beider Schultern genannt. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung werden leichte körperliche Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen in Tagesschicht sechs Stunden und mehr täglich für zumutbar erachtet. Ferner zog die Beklagte das sozialmedizinische Gutachten für den MDK Sachsen-Anhalt von Dipl.-Med. M. vom 20. Juli 2006 bei. Danach bestehe aus medizinischer Sicht und nach symptombezogener Befragung mit körperlicher Untersuchung weiterhin Arbeitsunfähigkeit. Aufgrund der vom Kläger angegebenen weiterbestehenden bzw. progredienten Beschwerden sei eine Aussage zum Leistungsbild nicht möglich. Die Fachärztin für Orthopädie/Chirotherapie Dipl.-Med. F. gab in ihrem Befundbericht vom 13. September 2006 als Diagnosen einen Morbus Bechterew sowie ein vertebragenes Schmerzsyndrom an. Der Kläger nehme regelmäßig Schmerzmittel. Es bestehe eine deutliche Bewegungseinschränkung; er könne Strümpfe und Schuhe nicht mehr selbstständig anziehen. Ausweislich des Arztbriefes der Praxis für Diagnostische Radiologie Dres. G. und H. vom 12. Januar 2006 hätten die Röntgenaufnahmen der Brustwirbelsäule (BWS), der Lendenwirbelsäule (LWS) und der Beckenübersicht einen bekannten Morbus Bechterew mit entzündlichen Veränderungen im Bereich der Iliosakralfugen (ISF) ergeben. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. berichtete unter dem 13. Oktober 2006, dass derzeit eine Dauerschmerztherapie durchgeführt werde; der Kläger klage nach wie vor über Rückenschmerzen, die tagsüber und auch nachts aufträten und ihn in seiner Bewegung und im Schlaf deutlich behinderten.

Daraufhin holte die Beklagte ein Gutachten von der Fachärztin für Orthopädie Dr. S. vom 18./22. Dezember 2006 ein. Nach Auffassung der Gutachterin bestünden ein blander Verlauf einer Spondylitis ankylosans sowie ein Kreuzschmerz und ein subjektiver Schwindel. Die radiologischen Befunde hätten eine Spangenbildung an der BWS und LWS und an den Kreuz-Darmbein-Gelenken gezeigt. Die technischen Befunde bei den Laboruntersuchungen hätten erneut keinerlei Entzündungsparameter ergeben. Nach fast 20jähriger Krankheitsdauer sei mit den heutigen Untersuchungs- und technischen Befunden von einem sehr blanden langsamen Krankheitsverlauf mit der Verdachtdiagnose des Morbus Bechterew auszugehen. In der Summe bestünden relativ geringe Funktionsstörungen. Die geklagten Beschwerden korrelierten nicht im geschilderten Ausmaß mit den Untersuchungs- und den technischen Befunden. Insbesondere die verbalen Hilfeäußerungen beim Aus- und Anziehen seien medizinisch weder durch die Wirbelsäulenbeschwerden noch durch andere Erkrankungen nachvollziehbar. An der HWS bestehe eine geringe Einschränkung der Beweglichkeit, die funktionell nicht mindernd sei. Die BWS und LWS seien bei der manuellen Untersuchung in der Seitlage erheblich besser beweglich gewesen als bei der Untersuchung im Stand und im Sitzen. Aus orthopädischer Sicht könne der Kläger leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel der Arbeitshaltung ohne längere Überkopfarbeiten, längere Arbeiten in gebückter Stellung und ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten vollschichtig verrichten.

Die Beklagte lehnte unter Bezugnahme auf dieses medizinische Beweisergebnis den Rentenantrag des Klägers ab. Dieser könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe, häufiges Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeiten, häufiges Klettern und Steigen sechs Stunden und mehr täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten (Bescheid vom 3. August 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007).

Mit der am 13. April 2007 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger die Bewilligung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung weiterverfolgt. Er leide unter der Krankheit "Morbus Bechterew" (Versteifung der Wirbelsäule in der Art eines Bambusstabes) und unter Schlafstörungen. Aus der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme im Gesundheitszentrum Bad Gastein sei er arbeitsunfähig entlassen worden. Im MDK-Gutachten vom 20. Juli 2006 werde eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit angenommen. Eine Befundverbesserung sei ausgeschlossen. Er hat auf ein anderes bei der Beklagten anhängiges Rentenverfahren verwiesen, in dem für die gleiche Krankheit eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit anerkannt worden sei.

Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundberichte von Dr. S. vom 4. Oktober 2007, von Dipl.-Med. F. vom 1. Oktober 2007 und von dem Facharzt für HNO-Krankheiten Dr. G. vom 25. Oktober 2007 eingeholt. Dr. S. hat u.a. das MDK-Gutachten von Dr. H. vom 12. April 2007 übersandt. Danach könne der Kläger leichte körperliche Arbeiten, die im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt würden, ohne Bücken, Heben, Tragen oder Bewegen von mittelschweren Lasten, Ersteigen von Leitern oder Gerüsten sowie ohne Ausführen von manuellen Tätigkeiten höher als in Augenhöhe und ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Absturzgefahr, Nässe-, Kälte- oder Zuglufteinfluss vollschichtig verrichten. Nach Auffassung von Dipl.-Med. F. sei im Gesundheitszustand seit 2003 eine Verschlechterung eingetreten; als Diagnose sei (weiterhin) ein vertebragenes Schmerzsyndrom bei Morbus Bechterew festzustellen. Dr. G. hat mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine mittelgradige Schwerhörigkeit beidseits links mehr als rechts, ein beidseitiges Gehörgangsekzem sowie der Verdacht auf einen HWSbedingten Schwindel bei bekanntem Morbus Bechterew sowie eine Megacisterna cerebri.

Sodann hat das Sozialgericht ein fachorthopädisches Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin und Chirotherapie Dr. M. vom 11. April 2008 eingeholt. Dr. M. hat eine Spondylitis ankylosans (Erstdiagnose 1999) mit ausgeprägten funktionellen Störungen sowie sekundäre Degenerationen im gesamten Wirbelsäulenbereich sowie eine Adipositas und eine Schwerhörigkeit festgestellt. Im Vordergrund stehe die jahrelang bestehende seronegative Rheumaerkrankung Morbus Bechterew. Die bisherige Therapie habe aus entzündungshemmender Medikation und intensiver Physiotherapie bestanden. Die chronischen Entzündungen im Bereich des Bewegungsapparates hätten so genannte sekundäre Veränderungen hinterlassen, die sowohl klinisch als auch bildgebend nachgewiesen werden könnten. Sie hätten zu einer deutlichen funktionellen Störung, insbesondere Bewegungsstörung, geführt. Asymmetrische Bewegungsmuster sowie Haltungsstörungen seien die Folge. Dies führe aufgrund der langjährigen Situation zu so genannten sekundären Überlastungsreaktionen und diese Gesamtkonstellation habe eine deutliche Einschränkung des Leistungsbildes des Klägers zur Folge. Hierdurch seien lediglich leichteste körperliche Tätigkeiten aus medizinischer Sicht vertretbar. Die Arbeiten sollten im Wechsel der Körperpositionen Stehen, Gehen und Sitzen in wohltemperierten Räumen ohne Nässe, Zugluft etc. stattfinden. Ausgeschlossen seien Arbeiten im Bücken, Heben, Tragen oder Bewegen von schweren und mittelschweren Lasten sowie das Ersteigen von Gerüsten, Leitern und Tätigkeiten mit den Schultern bzw. Armen höher als Augen- bzw. Schulterhöhe. Die Gebrauchsfähigkeit beider Hände sei nicht eingeschränkt; insoweit seien jegliche Tätigkeiten möglich. Das Hörvermögen sei eingeschränkt (Umgangssprache werde verstanden) und das Sehvermögen sei durch eine Brille ausreichend korrigiert. Bezüglich der Pausengestaltung seien keine besonderen Anforderungen notwendig. Allerdings sollten Arbeiten unter erhöhtem Zeitdruck, Nachtschicht etc. nicht abverlangt werden. Gehstrecken von 500 Metern könne der Kläger nach eigenen Angaben in ca. 15 Minuten zurücklegen. Er führe auch noch selbst ein Kraftfahrzeug, beschreibe jedoch, dass extrem lange Fahrten nicht mehr durchgeführt würden. Zurzeit arbeite der Kläger vollschichtig in sitzender Körperhaltung in einem Servicecenter und fühle sich hierdurch deutlich belastet. Die rein sitzende Tätigkeit entspreche nicht dem derzeitigen Leistungsbild des Klägers. Entscheidend sei insoweit die Arbeitshaltung; diese sollte hauptsächlich sitzend und wenn möglich, frei wählbar, phasenweise auch stehend und gehend sein.

Das Sozialgericht hat dem Kläger das Gutachten übersandt und angefragt, ob die Klage angesichts des Gutachtens und der derzeitigen Tätigkeiten in einem Umfang von 35 Stunden zurückgenommen werde, da ein Leistungsvermögen von sechs Stunden für leichte, wechselnde Arbeiten nachweislich vorliege. Den daraufhin vom Kläger gestellten Antrag, die zuständige Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 26. August 2008 abgelehnt. Gleichzeitig hat der Kläger beim Sozialgericht den Antrag gestellt, ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einzuholen und Herrn. Prof. Dr. L., Zentrum für Unfallchirurgie und operative Orthopädie, als Gutachter seines Vertrauens benannt. Prof. Dr. L. hat dann unter dem 7. Juli 2009 ein Gutachten über den Kläger erstattet. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger liege eine hochgradige schmerzhafte Bewegungseinschränkung der gesamten Wirbelsäule bei Morbus Bechterew mit resultierender Einschränkung der Beweglichkeit beider Schultergelenke vor. Aufgrund der angegebenen subjektiven Beschwerden und der gefundenen deutlichen Einschränkung anlässlich der gutachterlichen Untersuchung sei davon auszugehen, dass der Kläger nur noch leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen verrichten könne. Zwar sei eine Einschränkung der Armbewegung durch eine verminderte Schulterbeweglichkeit gegeben; die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei jedoch nicht eingeschränkt. Besondere Anforderungen an das Seh- oder Hörvermögen könnten nicht gestellt werden. Arbeiten im Freien oder auch unter Witterungsschutz sowie unter Einwirkung von Umwelteinflüssen seien ungünstig. Einschränkungen der geistigen Fähigkeiten seien nicht ersichtlich. Arbeiten mit besonderem Zeitdruck oder Nachtschichttätigkeiten seien nicht möglich. In Übereinstimmung mit den Vorgutachtern sei grundsätzlich eine Vollzeittätigkeit für leichte körperliche Arbeiten bei entsprechender Pausengestaltung möglich. Nach Angaben des Klägers anlässlich der Begutachtung habe er in seiner letzten Arbeitsstelle mit sechs Stunden Tätigkeit eine Zwischenpause von mindestens ein bis zwei Stunden einlegen müssen. Insofern scheine die Wahrnehmung der allgemein üblichen Pausen von einer halbstündigen Mittagspause und zwei viertelstündigen Kurzpausen bei einer vollschichtigen Tätigkeit nicht ausreichend. Im Hinblick auf die Vorgutachten decke sich prinzipiell die eigene Einschätzung mit der der früheren Gutachter. Allerdings könne keiner der Gutachter eine Beurteilung des objektiven Zustands des Klägers nach einer Acht-Stunden-Tätigkeit vornehmen, so dass die Einschätzung aufgrund der medizinischen Erfahrung der Gutachter getroffen werde. Nach Angaben des Klägers seien Wege bis zu 500 Metern durchaus möglich. Wege über 500 Meter schienen bei der vorliegenden Erkrankung zumindest mit einer erheblichen Beschwerdezunahme verbunden zu sein.

Der Kläger hat daraufhin beantragt, den Gutachter Dr. M. zum Verhandlungstermin beim Sozialgericht zu laden und die Beantwortung von ihm vorformulierter Beweisfragen herbeizuführen. Im Verhandlungstermin am 2. September 2009 ist der Sachverständige Dr. M. zu den vom Kläger gestellten Fragen angehört worden; insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 2. September 2009 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 2. September 2009 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer verfüge der Kläger noch mindestens über ein Leistungsvermögen von sechs Stunden täglich für körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Gefährdung durch Kälte und Nässe, häufiges Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeiten, Klettern und Steigen sowie ohne besondere Anforderungen an das Hörvermögen, ohne Gefährdung durch Lärm, ohne erhöhte Unfallgefahr, häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Nachtschicht und ohne Leiter- und Gerüstarbeiten. Aufgrund der schmerzhaften Bewegungseinschränkungen der gesamten Wirbelsäule durch Morbus Bechterew bei gleichzeitiger Einschränkung der Beweglichkeit beider Schultergelenke sei das Leistungsvermögen qualitativ, jedoch nicht quantitativ eingeschränkt. Dies ergebe sich aus den Gutachten von Dr. S., Dr. M. und Prof. Dr. L ... Alle Gutachter hätten nahezu gleiche Bewegungsausmaße festgestellt, seien überstimmend zu fast ähnlichen Befunden und zu gleichen Diagnosen sowie übereinstimmenden Leistungseinschätzungen gelangt. Soweit Prof. Dr. L. das Erfordernis zusätzlicher Pausen und eine eingeschränkte Gehfähigkeit des Klägers angedeutet habe, folge die Kammer dem Gutachten nicht. Sie gehe vielmehr in Übereinstimmung mit Dr. M. davon aus, dass der Kläger unter den üblichen betrieblichen Bedingungen die ihm zumutbaren Arbeiten verrichten könne. Demgegenüber sei Prof. Dr. L. nur den Angaben des Klägers gefolgt, wonach er eine verlängerte Mittagspause von ein bis zwei Stunden benötigt habe; hierzu fehle es jedoch in dem Gutachten an einer Plausibilitätsprüfung. Auch hätten alle Gutachter ein normales Gangbild und keine wesentlichen Einschränkungen der Beweglichkeit der unteren Extremitäten mitgeteilt und seien dementsprechend zu dem übereinstimmenden Ergebnis gelangt, dass der Kläger noch in der Lage sei, eine Wegstrecke von 500 Metern zurückzulegen.

Gegen das ihm am 28. Oktober 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. November 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat er nochmals darauf hingewiesen, unter der Erkrankung Morbus Bechterew, unter Adipositas, Schwerhörigkeit und Vertigo zu leiden. Hierdurch sei er durch größere Arbeitsunfähigkeitszeiten mit einem Zeitraum über vier Wochen belastet. Er sei chronischer Schmerzpatient und erhalte inzwischen wöchentlich eine Spritze ENBREL 50 mg. Er leide unter Schlafstörungen aufgrund seiner Schmerzen, die auch durch VIOXX als Nebenwirkung verursacht sein könnten; insoweit werde auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 1. Juli 2008 (Az.: VI ZR 287/07) Bezug genommen. Prof. Dr. L. habe bestätigt, dass im Rahmen einer Vollschichttätigkeit die allgemein üblichen Pausen einer halbstündigen Mittagspause und zwei viertelstündiger Kurzpausen nicht ausreichten. Auch sei seine Gehfähigkeit eingeschränkt; sie betrage maximal 100 bis 150 Meter. Die Nutzung eines PKW sei ihm nicht ohne Schmerzen möglich, da er keinen schmerzfreien Schulterblick durchführen könne. Dies habe auch der Sachverständige Dr. M. in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die Beklagte hat im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 7. Juli 2010 den Rehabilitationsentlassungsbericht der Burgenlandklinik Bad K. vom 1. Juni 2010 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 14. April bis zum 19. Mai 2010 zu den Akten gereicht. Danach seien als Diagnosen eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine Nikotinabhängigkeit, eine Spondylitis ankylosans sowie sekundäre degenerative Veränderungen der gesamten Wirbelsäule berücksichtigt worden. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung ist angegeben, dass der Kläger als Rezeptionist sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen, Gehen und Stehen, in Tages-, Früh-, Spät- und Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichten könne. Erhöhte Anforderungen an das komplexe Hörvermögen seien ebenso ausgeschlossen wie permanente Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Bücken, häufige Arm-Überkopf-Arbeiten, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit erhöhter Absturz- und Verletzungsgefahr sowie Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit. Auch Arbeiten mit Lärm sowie Tätigkeiten unter extremen Temperaturschwankungen und Nässe seien nicht möglich.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Juli 2010 sind dem anwaltlich vertretenen Kläger der Schriftsatz der Beklagten vom 7. Juli 2010 sowie der ärztliche Entlassungsbericht vom 1. Juni 2010 mit dem Zusatz übersandt worden "Von Amts wegen sind keine weiteren Ermittlungen beabsichtigt."

Unter dem 13. August 2010 ist die Streitsache zum Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats am 15. September 2010 geladen worden. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses hat der Kläger die Ladung am 17. August 2010 erhalten. Unter dem 17. August 2010 hat der Kläger sodann zum Entlassungsbericht vom 1. Juni 2010 Stellung genommen. Er hat eingewandt, dass die Bewertung seines Leistungsvermögens mit sechs Stunden und mehr nicht nachvollziehbar sei. Er habe während der Anwendungen immer darauf hingewiesen, dass er ständig Schmerzen habe und sämtliche Übungen in der Ausübung habe reduzieren müssen.

Am 6. September 2010 hat er dann den Antrag gestellt, gemäß § 109 SGG von dem Orthopäden Dr. med. S. ein Gutachten einzuholen. Zur Begründung hat er angegeben, sein biometrischer Zustand habe sich weiter verschlechtert. Schwerpunkt der Begutachtung solle die Wirbelsäule im Bereich der LWS und BWS unter Beachtung der notwendigen Anforderungen für eine Berufsausübung als Energieberater sein.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 2. September 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 15. Juni 2006 zu bewilligen, hilfsweise ein Gutachten nach § 109 SGG von Dr. S., T., und ein arbeitstechnisches Gutachten für eine Tätigkeit als Energieberater einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert, da er noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Denn zur Überzeugung des Senats ist der Kläger noch in der Lage, regelmäßig sechs Stunden täglich körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Gefährdung durch Kälte und Nässe, ohne häufiges Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeiten, Klettern und Steigen sowie ohne besondere Anforderungen an das Hörvermögen, ohne Gefährdung durch Lärm, ohne erhöhte Unfallgefahr, häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Nachtschicht-, Leiter- bzw. Gerüstarbeiten zu verrichten. Es besteht eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände und ein normales Sehvermögen. Der Kläger ist durchschnittlichen Anforderungen an geistige und mnestische Fähigkeiten sowie Arbeiten mit Publikumsverkehr gewachsen.

Dies ergibt sich für den Senat aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Gerichts- und Verwaltungsverfahren, insbesondere aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. M. vom 11. April 2008, aus dem im Wege des Urkundsbeweises berücksichtigten Gutachtens von Dr. S. vom 15. Dezember 2006 und aus dem Rehabilitationsentlassungsbericht vom 1. Juni 2010. Danach leidet der Kläger unter den Folgen des seit vielen Jahren bestehenden Morbus Bechterew. Während Dr. S. einen blanden Verlauf der Erkrankung angenommen und noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig für möglich erachtet hat, hat Dr. M. eine deutliche funktionelle Störung im Sinne einer Bewegungsstörung beschrieben und nur noch leichte körperliche Arbeiten mit dem Erfordernis der Wechsel der Körperpositionen vollschichtig für zumutbar gehalten. Auch bei Dr. M. lagen aber eine seitengleiche freie Beweglichkeit aller Gelenke und ein unauffälliges Gangbild vor. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule war in allen Etagen gering- bis mäßiggradig eingeschränkt, im Bereich der LWS waren eine verhärtete Muskulatur und Myogelosen, jedoch keine radikuläre Symptomatik feststellbar und im Bereich der HWS klagte der Kläger über ausgeprägte pseudoradikuläre Schmerzen. Ähnliche Befunde sind anlässlich der Rehabilitationsmaßnahme vom 14. April bis zum 19. Mai 2010 erhoben worden. Dort sind allerdings ebenso wie bei der Begutachtung durch Prof. Dr. L. Funktionseinschränkungen der Schultergelenke, rechts mehr als links, aufgefallen. Der Senat geht jedoch in Übereinstimmung mit den Gutachtern Dr. S., Dr. M. und den Ärzten in der Burgenlandklinik Bad K. davon aus, dass den Belastungseinschränkungen der Wirbelsäule durch die Beachtung der vorstehend genannten qualitativen Einschränkungen hinreichend Rechnung getragen wird und eine quantitative Leistungseinschränkung nicht vorliegt. Auch die im Rehabilitationsentlassungsbericht genannte chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren steht einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen nicht entgegen. Denn der Kläger wird erfolgreich schmerztherapeutisch behandelt und war und ist in der Lage, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Soweit der Kläger gegen die Verwertbarkeit der Beurteilung im Rehabilitationsentlassungsbericht einwendet, er habe während der Anwendungen immer darauf hingewiesen, dass er ständig Schmerzen habe und sämtliche Übungen in der Ausübung habe reduzieren müssen, stehen dem die Angaben im Entlassungsbericht entgegen. Denn dort ist ausgeführt, dass der Kläger "regelmäßig problemlos" an den verordneten Anwendungen teilgenommen habe. Zudem ist dort der Behauptung des Klägers, sämtliche Übungen seien wenig effektiv gewesen, entgegen getreten worden. So habe die Angabe, weiterhin nicht eigenständig die Socken anziehen zu können, nur der Wahrnehmung des Klägers entsprochen und im Widerspruch zu den tatsächlich erzielten positiven Behandlungsergebnissen gestanden. Dementsprechend ist beschrieben, dass eine auffällige Schonhaltung des Oberkörpers bei Ablenkung aufgegeben worden sei und Schuhe und Socken selbstständig hätten angezogen werden können. Ähnliche Diskrepanzen zwischen Beschwerdeangaben und tatsächlicher Funktionseinschränkung hatte auch bereits Dr. S. in ihrem Gutachten vom 15. Dezember 2006 beschrieben.

Bei dem Kläger liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für zumindest leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.).

Der Kläger kann auch nicht nur unter betriebsunüblichen Bedingungen arbeiten. Insbesondere das Erfordernis unüblicher zusätzlicher Pausen, die nach dem Vorbringen des Klägers eingehalten werden müssen, hat sich im Rahmen der Begutachtungen nicht belegen lassen. Vielmehr reichen die gesetzlich vorgesehenen Arbeitszeitpausen von zweimal 15 Minuten oder einmal 30 Minuten in einer mehr als sechsstündigen Arbeitsschicht sowie die jedem Arbeitnehmer pro Stunde zur Verfügung stehenden persönlichen Verteilzeiten aus, um gegebenenfalls eine Toilette aufsuchen zu können oder einen Haltungswechsel sowie kurze Bewegungs- und Entspannungsübungen durchzuführen. Neben den eigentlichen Pausen im Sinne des § 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) existieren in der Arbeitswelt auch persönliche Verteilzeiten, die nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen im Rechtssinne anzusehen sind. So gelten Arbeitszeitunterbrechungen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden beispielsweise im Bereich des Öffentlichen Dienstes nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen (vgl. Böhm/ Spiertz, Kommentar zum BAT, Anm. 10 zum § 15; Anzinger/ Koberski, Kommentar zum ArbZG, 2. Aufl., § 4 RdNr. 9). Für Büroarbeiten hat das Max-Planck-Institut für Arbeitsphysiologie die von den Arbeitgebern den Arbeitnehmern zugestandene persönliche Verteilzeit mit etwa zwölf Prozent der tariflich festgesetzten Arbeitszeit angesetzt (vgl. DRV 8-9/93 S. 527). Die Existenz solcher persönlichen Verteilzeiten ist auch bereits in mehreren Urteilen der Rentensenate der Landessozialgerichte bestätigt worden (vgl. u.a. Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2003 - L 14 RJ 137/01 - juris; LSG Bayern, Urteil vom 27. Juli 2005 - L 19 R 73/03 - juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Juli 1995 - L 6 I 121/94 - juris; Urteil des erkennenden Senats vom 10. Oktober 2007, L 3 RJ 98/04 - nicht veröffentlicht). Der Senat geht unter Zugrundelegung der Beurteilungen von Dr. S. und Dr. M. davon aus, dass der Kläger bei Beachtung des oben genannten Leistungsbildes, das insbesondere die Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung beinhaltet, keine betriebsunüblichen Pausen benötigt. Die abweichende Einschätzung von Prof. Dr. L. beruht auf den übernommenen Angaben des Klägers und nicht auf einer eigenen medizinisch nachvollziehbaren Begründung. Sie konnte deshalb der Beurteilung des Senats nicht zugrunde gelegt werden.

Auch lag im Falle des Klägers kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, Großer Senat, a.a.O., Seite 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße einschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Die Gehfähigkeit des Klägers ist bei längeren Wegstrecken aufgrund der Wirbelsäulenstörung eingeschränkt. Gehstrecken von viermal knapp mehr als 500 Meter kann er jedoch mehrmals täglich zu Fuß zurücklegen. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die Gutachten von Dr. S. und Dr. M ... Aus den Ausführungen im Rehabilitationsentlassungsbericht ergeben sich ebenfalls keine objektiven Hinweise für eine relevante Gehstreckeneinschränkung. Vielmehr ist von allen Gutachtern und von der behandelnden Orthopädin Dipl.-Med. F. ein unauffälliges flüssiges Gangbild und eine normal ausgeprägte seitengleiche Beinmuskulatur beschrieben worden. Die Einschätzung von Prof. Dr. L., Wegstrecken von über 500 Metern schienen mit einer erheblichen Beschwerdezunahme verbunden zu sein, gibt ebenfalls keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung, da auch diese Einschätzung lediglich auf den Beschwerdeangaben des Klägers beruht und keine eigene sachverständige und nachvollziehbar begründete Beurteilung darstellt.

Schließlich besteht eine Benennungspflicht deshalb nicht, weil der Kläger einen Arbeitsplatz innehat und einer vollschichtigen Tätigkeit nachgeht.

Weitere Ermittlungen, um den Sachverhalt weiter aufzuklären, waren nicht durchzuführen.

Der am 6. September 2010 vom Kläger gestellte Antrag, Dr. med. S. nach § 109 SGG gutachterlich zu hören, war abzulehnen.

Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachterlich gehört werden. Das Gericht kann einen solchen Antrag nach § 109 Abs. 2 SGG ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Durch die Zulassung des Antrags, ein Gutachten von Dr. med. S. einzuholen, wäre die Erledigung des Rechtsstreits verzögert worden, da die Streitsache nicht an dem bereits für den 15. September 2010 anberaumten Verhandlungstermin hätte entschieden werden können. Der Antrag ist zudem aus grober Nachlässigkeit nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt gestellt worden. Denn der Kläger, der durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, ist bereits mit Richterbrief der Berichterstatterin vom 13. Juli 2010 darauf hingewiesen worden, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt sind. Dieses Schreiben ist dem Kläger auch zugegangen, wie sich aus seiner Stellungnahme vom 17. August 2010 zu dem dem gerichtlichen Schreiben vom 13. Juli 2010 beigefügten Schriftsatz der Beklagten vom 7. Juli 2010 einschließlich des Rehabilitationsentlassungsbericht vom 1. Juni 2010 ergibt. Als angemessene Frist, innerhalb derer ein Antrag nach § 109 SGG zu stellen ist, sind vier bis maximal sechs Wochen zu verstehen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, § 109 Rn. 11 m.w.N.). Hier liegen zwischen dem Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 13. Juli 2010 und der Stellung des Antrages nach § 109 SGG knapp acht Wochen.

Darüber hinaus war der Antrag des Klägers abzulehnen, da er bereits in der ersten Instanz von seinem Recht, ein Gutachten nach § 109 SGG zur Beurteilung der Auswirkungen der Morbus Bechterew Erkrankung auf die Belastbarkeit seiner Wirbelsäule und damit auf sein Leistungsvermögen einzuholen, Gebrauch gemacht hat. Besondere Gründe, weshalb eine nochmalige Begutachtung der Wirbelsäulenerkrankung nach § 109 SGG ausnahmsweise erforderlich geworden wäre, hat der Kläger nicht vorgetragen.

Zudem ist es für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich, ob der Kläger noch aus gesundheitlichen Gründen als Energieberater arbeiten kann, denn im Hinblick auf die Tatsache, dass der Kläger nach dem 1. Januar 1961 geboren ist, kann er Berufsschutz nicht in Anspruch nehmen; Maßstab für den allein verfolgbaren Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung ist die Fähigkeit, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Bindung an ein besonderes Berufsbild verrichten zu können. Aus diesem Grund war auch dem Antrag, "ein arbeitstechnisches Gutachten für die Tätigkeit eines Energieberaters einzuholen", nicht nachzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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