L 1 R 271/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 15 R 426/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 271/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
AAÜG, fiktive Einbeziehung, VEB Geodäsie und Kartographie Halle
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2008 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob zugunsten des Klägers Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) festzustellen sind.

Dem 1941 geborenen Kläger wurde mit Urkunde der Ingenieurschule für Geodäsie und Kartographie D vom Juli 1965 das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Im Anschluss hieran war er zunächst ab 15. August 1965 im VEB Ingenieur-Vermessungswesen Halle und sodann von 1966 bis 1982 im VEB Geodäsie und Kartographie Berlin tätig, wobei er vom 02. November 1967 bis zum 30. April 1969 seinen Grundwehrdienst in der Nationalen Volksarmee ableistete. Von 1982 bis einschließlich Juni 1990 war der Kläger als Spezialmessdruckführer im VEB Geodäsie und Kartographie Halle beschäftigt.

Eine positive Versorgungszusage ist dem Kläger zur Zeit der DDR nicht erteilt worden.

Am 05. Januar 2007 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Mit Bescheid vom 13. März 2007 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, bei dem VEB Geodäsie und Kartographie Halle habe es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb oder einen gleichgestellten Betrieb gehandelt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 02. April 2007 mit der Begründung Widerspruch ein, der streitige Betrieb sei ein Produktionsbetrieb sowie ein gleichgestellter Betrieb gewesen. In diesem Betrieb sei ähnlich wie in Laboratorien und Konstruktionsbüros produziert worden, wobei Lagepläne und Industrievermessungen erstellt worden seien. Dieser Betrieb habe für die Versorgung der Bevölkerung gesorgt (Dienstleistungen). Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, die betriebliche Voraussetzung für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz liege nicht vor. Ein Produktionsbetrieb habe nicht vorgelegen. Industriebetriebe seien dem Industrieministerium der DDR unterstellt gewesen und dies seien nur Betriebe gewesen, deren Hauptzweck die industrielle Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion von Sachgütern gewesen sei.

Mit der dagegen am 21. August 2007 beim Sozialgericht (SG) Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und ergänzend ausgeführt, die in dem Betrieb erbrachten Leistungen seien für Produktionsbetriebe erforderlich gewesen. Bereits aus dem beruflichen Werdegang und aus seiner beruflichen Stellung ergebe sich, dass er zur technischen Intelligenz gehöre. Auch kenne er Kollegen, die positive Entscheidungen von der Beklagten erhalten hätten. Zudem seien Landkarten, Stadtpläne, Flurkarten und ähnliches für Bücher und Zeitschriften produziert worden.

Das SG hat das Statut des VEB Kombinat Geodäsie und Kartographie vom 01. April 1974 und Auszüge aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft über den VEB Kombinat Geodäsie und Kartographie sowie den VEB Geodäsie und Kartographie Halle beigezogen. Mit Urteil vom 18. Juli 2008 hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die betrieblichen Voraussetzungen, da der VEB Geodäsie und Kartographie Halle kein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen sei. Ein Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie hätte nur vorgelegen, wenn dem Betrieb die massenhafte Produktion von Sachgütern das Gepräge gegeben hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, da Hauptaufgabe des streitigen Betriebes Tätigkeiten der Landesvermessung und der Sammlung von Geoinformationen gewesen sei. Der VEB Geodäsie und Kartographie Halle sei auch kein Produktionsbetrieb des Bauwesens gewesen, denn der Hauptzweck des Betriebes habe nicht – wie erforderlich – in der Massenproduktion von Bauwerken, sondern vielmehr in der Durchführung bauvorbereitender Maßnahmen gelegen.

Gegen das ihm am 29. Juli 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. August 2008 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und zur Begründung auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeiten des Klägers vom 01. August 1965 bis zum 31. Oktober 1967 und vom 01. Mai 1969 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem mit den dazugehörigen Entgelten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben bei der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die das Begehren des Klägers ablehnenden Bescheide der Beklagten und das sie bestätigende Urteil des SG sind rechtmäßig und deshalb nicht zu beanstanden, so dass der Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert ist.

Der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG, in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I S. 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz – AVItech (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.

1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – ,zitiert nach Juris, Rdnr. 19). Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.

Der Senat schließt sich nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG an, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (nachfolgend 2.). Im Ergebnis kommt es darauf aber nicht an, da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen hier nicht vorliegen (nachfolgend 3.).

2. Der Senat ist zum Einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potentiell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber: BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O.). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme (erweiternde) Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum Anderen ist der Senat der Ansicht, dass – wenn die Ansicht des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist – zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das BSG wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde, über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Auslegung vornehmen dürfen, sondern durch Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eine konkrete Normenkontrolle veranlassen müssen. Denn die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R –, zitiert nach Juris, Rdnr. 19). Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie fehlt es – wie noch auszuführen sein wird – an der erforderlichen Regelungslücke.

a) In den Gesetzesmaterialien finden sich keine Hinweise dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., Seite 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BT-Drs. 12/405, S. 113, 146; BT-Drs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BT-Drs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dort dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BT-Drs. 12/405, S. 113). Jedoch ist aus der weiteren Gesetzesbegründung ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelfallprüfung und der Kostenerstattungen durch den Bund beziehen (a.a.O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Zur Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (a.a.O., S. 146).

Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlauf von § 1 Abs. 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., Seite 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a.a.O., Seite 12), den Terminus "Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BT-Drs. 12/826 S. 21).

Der Gesetzgeber ging auch – soweit erkennbar – nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BT-Drs 12/405, Seite 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BT-Drs 12/786, Seite 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BT-Drs 12/826, Seite 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.

b) Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., Seite 12).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 – u. a., dokumentiert in Juris, Rdnr. 36).

Hier ist für den Senat bereits nicht nachvollziehbar, wieso das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a. a. O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 –, dokumentiert in Juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990, jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten. Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a. a. O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BT-Drs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einen Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

Aus diesen Gründen liegt auch keine Gesetzeslücke vor, die möglicherweise im Wege einer Analogie zu schließen gewesen wäre.

3. Aber auch wenn man der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgen würde, hat das Begehren des Klägers keinen Erfolg. Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (GBl. DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für

(1.) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und (2.) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar (3.) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorgelegen haben. Dies ergibt die Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil "aufgrund einer Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem" im Sinne der Vorschrift Anwartschaften nur nach den Versorgungsregelungen der DDR erworben werden konnten. Gegenstand einer Rechtsposition vor dem Versorgungsfall selbst konnte danach außer einer erteilten Versorgungszusage gegebenenfalls der Anspruch auf eine solche Zusage sein. Die Fortwirkung der maßgeblichen Rechtspositionen bis zum 30. Juni 1990 setzt § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG voraus, weil sonst – mit Ausnahme der in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG bundesrechtlich ausdrücklich durch Unterstellung getroffenen Regelung – keine Position besteht, die im Sinne von § 4 Abs. 5 AAÜG in die Rentenversicherung überführt werden könnte. Denn schon überführungsfähige "Anwartschaften" nach § 22 Abs. 3 des Rentenangleichungsgesetzes (RAG) vom 28. Juni 1990 (GBl. DDR I Seite 495) konnten bei Inkrafttreten der Vorschrift am 01. Juli 1990 (§ 35 RAG) nur Positionen sein, die im Versorgungsfall einen Versorgungsanspruch begründet hätten. Dies war nur angesichts noch gültiger Versorgungszusagen möglich. Entsprechend kann auch der Anspruch auf deren Erteilung nach den gesetzlichen Voraussetzungen, soweit er auf Grund der geltenden Versorgungsvorschriften schon vor Schließung der Zusatzversorgungssysteme erloschen war, von einer Auslegung des Begriffs der Anwartschaft in § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nicht betroffen sein.

In Anwendung dieser Maßstäbe hatte der Kläger am 01. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) keinen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech, da die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt ist.

Der Kläger war am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt. Eine Versorgungsanwartschaft konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb in der Industrie oder im Bauwesen (oder in einem gleichgestellten Betrieb) erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R – , SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 5, S. 30). Die Voraussetzung der Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb ergibt sich aus § 1 Abs. 1 der 2. DB im Umkehrschluss, weil anderenfalls die Gleichstellung nichtproduzierender Betriebe in § 1 Abs. 2 der 2. DB mit Produktionsbetrieben ohne Bezug wäre. Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt haben. Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R – , SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – , dokumentiert in Juris).

Der VEB Geodäsie und Kartographie Halle hat im Schwerpunkt nicht die serienmäßig wiederkehrende Produktion von Sachgütern betrieben. Vielmehr bestanden die Aufgaben dieses Betriebes nach § 5 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung über das Vermessungs- und Kartenwesen (VO) vom 01. Oktober 1980 (GBl. I S. 267) i. V. m. § 2 der dazu ergangenen 1. Durchführungsbestimmung vom 15. September 1980 (GBl. I S. 270) und § 3 Abs. 4 des Kombinatsstatuts in der Herstellung und Aktualisierung großmaßstäbiger Karten sowie der Bereitstellung ingenieurgeodätischer Erzeugnisse und Leistungen. Letztere waren gemäß § 2 Abs. 2 der 1. Durchführungsbestimmung zur VO Lage- und Höhennetze, Absteckungen, soweit sie keine bauwerksinternen Markierungspunkte betreffen, Aufmessungen, Baukontroll- und Bauüberwachungsmessungen mit Ausnahme relativer Baukontrollmessungen, großmaßstäbige Schnitte von Bauwerken, Längs- und Querprofile, Trassierungen sowie terres¬trisch-fotogrammetrische Erzeugnisse. Hierbei handelt es sich schon nicht um die schwerpunktmäßige Herstellung von Sachgütern, selbst dann nicht, wenn jeweils körperliche Abbildungen erstellt worden sein sollten. Denn der Schwerpunkt der Wertschöpfung liegt in der zu erbringenden Leistung der Ingenieurvermessung und nicht in deren Verkörperung zur Darstellung. Auch bei der Erstellung großmaßstäbiger Karten handelte es sich nicht um eine serienmäßig wiederkehrende Sachgüterproduktion im genannten Sinne, weil individuelle Geländepunkte erhoben und für einen zweckgebundenen im Vorhinein feststehenden Nutzerkreis in begrenzter Stückzahl abgebildet wurden. Als Produktion im gemeinten Sinne ließe sich möglicherweise noch die Herstellung von Atlanten, Globen, Wandkarten, thematischen Karten und Stadtplänen in hoher Auflage für die Öffentlichkeit im Sinne von § 6 Abs. 1 VO bezeichnen. Diese oblag jedoch nach der genannten Vorschrift nicht dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers, sondern Betrieben im Verantwortungsbereich des Ministeriums für Kultur. Auch im Aufgabenbereich des VEB Kombinat Geodäsie und Kartographie oblag die Herstellung thematischer Karten für Staat und Volkswirtschaft nicht den regionalen VEB Geodäsie und Kartographie, sondern nach § 2 Abs. 3 1. Durchführungsbestimmung zur VO und nach § 3 Abs. 5 des Statuts dem Kombinatsbetrieb VEB Kartographischer Dienst Potsdam. Es reicht nicht aus, dass Karten dieses Typs häufig und insgesamt in großer Zahl erstellt worden sind, wie aus ihrer Herstellung nach bestimmten technischen Normen (TGL, s. Fußnote 2 zu § 5 VO, GBl. S. 268) abzuleiten sein wird. Denn die erforderliche arbeitsteilige Herstellung im Wesentlichen identischer Produkte in großer Stückzahl fand gerade nicht statt, weil die Karten auf die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Auftraggebers zugeschnitten waren und in geringer Stückzahl hergestellt wurden.

Der VEB Geodäsie und Kartographie Halle ist auch nicht unter den Be¬griff eines Produktionsbetriebs des Bauwesens zu fassen. Dies scheitert bereits daran, dass dieser Betrieb keine eigenen Bauleistungen im Sinne der körperlichen Bautätigkeit erbrachte. Zwar stehen die Leistungen des VEB Geodäsie und Kartographie Halle häufig im Zusammenhang mit der Erstellung von Bauwerken verschiedenster Art, darunter möglicherweise auch solcher, die in massenhafter Serienfertigung erstellt wurden. Jedoch dienten die vom VEB Geodäsie und Kartographie Halle zu erbringenden Leistungen nur der Vorbereitung, Planung, Begleitung und Dokumentation der eigentlichen Bauleistung. Die gegenständliche Erstellung des Bauwerks selbst, die allein einen Betrieb des Bauwesens kennzeichnet, gehörte nicht zum Aufgabenbereich dieses Betriebs.

Der Kläger war auch nicht in einem gemäß § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb beschäftigt. Den volkseigenen Produktionsbetrieben der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt sind nur solche "Einrichtungen" i. S. des Zusatzversorgungssystems der technischen Intelligenz (Anl. 1 Nr. 1 zum AAÜG), die in § 1 Abs. 2 der 2. DB abschließend aufgeführt sind (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 4 RA 23/04 R – , Soz-R 4-8570 § 1 AAÜG, Nr. 6, S. 31). Einer Analogie ist der Text der 2. DB nicht zugänglich. Der Einigungsvertrag hat grundsätzlich nur die Überführung bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften von "Einbezogenen" in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich untersagt. Das Verbot der Neueinbeziehung auf Grund von der DDR erlassenen Versorgungsregelungen ist verfassungsgemäß. Eine Erweiterung des einbezogenen Personenkreises durch vollziehende Gewalt oder Rechtsprechung über die in § 1 Abs. 1 AAÜG selbst angelegte Modifikation hinaus ist nicht erlaubt (Art. 20 Abs. 3 GG) und würde das Einbeziehungsverbot unterlaufen (BSG, a.a.O., S. 36). Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers ist aber in der Aufzählung des § 1 Abs. 2 der 2. DB nicht enthalten.

Die Entscheidung wird auch nicht dadurch zu Gunsten des Klägers beeinflusst, dass die Beklagte möglicherweise in vergleichbaren Fällen Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Alterversorgung der technischen Intelligenz festgestellt hat. Selbst bei gleicher Sachlage könnte der Kläger sich nicht darauf berufen. Denn auf eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung kann ein Dritter wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG) kein schutzwürdiges Vertrauen in dem Sinne gründen, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher Weise entschieden werden müsste. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die Rechtsordnung nicht (BVerfG, 17. Januar 1979 – 1 BvL 25/77BverfGE 50, 142, 166).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.
Rechtskraft
Aus
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