L 11 R 3331/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 729/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3331/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente und hierbei insbesondere der Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung streitig.

Die 1948 geborene Klägerin ist gelernte Einzelhandelskauffrau und war in mehreren Arbeitsverhältnissen versicherungspflichtig beschäftigt. Von Oktober 1987 bis September 1991 war sie eigenen Angaben zufolge selbstständig erwerbstätig, ihr Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung weist demzufolge eine Lücke für diese Zeit auf. Ab 1. Oktober 1991 war sie wieder als Angestellte versicherungspflichtig bis zur arbeitgeberseitigen Kündigung am 8. März 1993 beschäftigt. Danach bezog sie - unterbrochen durch ein Heilverfahren vom 25. Januar 1994 bis 22. Februar 1994, währenddessen sie Übergangsgeld von der Beklagten erhielt - Krankengeld und nach Erschöpfung dieses Anspruchs vom 26. Juli 1994 bis 22. November 1995 Arbeitslosengeld, danach bis Ende Januar 1997 Arbeitslosenhilfe; der Bezug dieser Leistungen begründete ebenfalls Pflichtbeitragszeiten (siehe Versicherungsverlauf vom 17. Januar 2005 und 9. Januar 2009).

Im Februar 1993 beantragte die Klägerin Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, nachdem sie seit 25. Januar 1993 arbeitsunfähig erkrankt war. Bei der daraufhin durch die Beklagte veranlassten Begutachtung auf nervenärztlichem Gebiet beschrieb der Arzt für Neurologie und Psychologie Dr. B. einen psycho-physischen Erschöpfungszustand und eine situagene Konfliktreaktion bei schizoider Persönlichkeitsstruktur, die ein nur halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen seit Januar 1993 - akute Konfliktreaktion nach erfolgter Kündigung - bedinge. Aus dem daraufhin bewilligten Heilverfahren wurde sie ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts als vollschichtig leistungsfähig für leichte körperliche Tätigkeiten an einem stressarmen Arbeitsplatz ohne Publikumsverkehr entlassen.

Ihren darauf gestellten ersten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 1996 mit der Begründung ab, der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit sei mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Januar 1993 eingetreten, so dass die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von 36 Monaten mit Pflichtbeiträgen in den letzten 5 Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalles nicht erfülle. In dem dagegen angestrengten Klageverfahren wies das Sozialgericht Mannheim (SG) die Klage mit Urteil vom 27. Juni 1997 insbesondere nach Einholung einer Auskunft des die Klägerin vom 11. März 1993 bis 10. November 1994 behandelnden Nervenarztes Dr. H. mit der Begründung ab, der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit lasse sich nicht erst auf einen Zeitpunkt ab dem 1. September 1994 datieren. Anhand des Krankheitsverlaufes zeige sich, dass sich der Gesundheitszustand seit Anfang 1993 weder gebessert noch eine Verschlimmerung feststellbar sei. Vielmehr sei das Leistungsvermögen der Klägerin seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit zeitlich wesentlich beschränkt gewesen. Die dagegen eingelegte Berufung wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 26. Januar 1998 (L 1 RA 2604/97) zurückgewiesen, die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschluss des Bundessozialgerichts vom 22. April 1998 als unzulässig verworfen (B 4 RA 16/98 B).

Der zweite Rentenantrag von Juli 1998 blieb nach Einholung eines Gutachtens des niedergelassenen Nervenarztes Dr. K. (maßgebliche Leistungsminderung seit erstmaliger Inanspruchnahme von Dr. H. im März 1993) wiederum erfolglos (Bescheid vom 23. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1998). Im anschließenden Klageverfahren (S 4 RA 99/99) holte das SG erneut eine sachverständige Zeugenaussage von Dr. H. ein, der diesmal ausführte, die Klägerin sei erst seit Oktober 1994 nicht mehr in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dem konnte sich das SG in seinem Gerichtsbescheid vom 25. November 1999 nicht anschließen, sondern verblieb dabei, dass die Erwerbsunfähigkeit vor diesem Zeitpunkt eingetreten sei. Mit Urteil vom 24. August 2001 wies das LSG Baden-Württemberg die Berufung zurück (L 8 RA 4891/99) und führte aus, der Versicherungsfall sei vor September 1994 eingetreten, wobei bei einer Datierung auf August 1994 nur 34, bei Datierung auf März 1993 sogar nur 17 Pflichtbeitragsmonate zu berücksichtigen wären. Das BSG lehnte die Bewilligung von PKH ab und verwarf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (Beschluss vom 26. April 2002 - B 4 RA 176/01 B).

Auch der dritte Renten- und Überprüfungsantrag vom 06. Juni 2002/21. August 2002 blieb nach beratungsärztlicher Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. St. unter Annahme eines Versicherungsfalles vom 1. August 1993 aus den bisherigen Gründen erfolglos (Bescheid vom 11. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2003). Mit Gerichtsbescheid vom 22. April 2003 wies das SG erneut die Klage ab (S 6 RA 261/03) und schloss sich den bisherigen Entscheidungen an. Die Berufung wurde vom LSG Baden-Württemberg mit Urteil vom 06. August 2003 (L 2 RA 1755/03) mit der Begründung zurückgewiesen, ausgehend von einem Versicherungsfall der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit ab 25. Januar 1993 (Beginn der im weiteren ununterbrochen andauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wegen psychischer Erkrankung) lägen nur 16 Pflichtbeitragsmonate im relevanten 5-Jahreszeitraum vor, was für die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht genüge. Auch die sonstigen Alternativen seien nicht erfüllt. Insbesondere wäre mangels tatsächlicher Entrichtung und nun nicht mehr gegebener Entrichtungsmöglichkeit unerheblich, ob für Zeiten der Selbstständigkeit an sich nicht Beitragszeiten hätten entrichtet werden müssen. Das BSG lehnte wiederum die Bewilligung von PKH durch Beschluss vom 24. Oktober 2003 (B 4 RA 190/03 B) wegen fehlender Erfolgsaussicht ab und verwarf gleichzeitig die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG.

Am 24. November 2004 beantragte die Klägerin erneut eine Rentengewährung wegen verminderter Leistungsfähigkeit und bezog dabei auch die Prüfung von EU/BU ein (Bl. 1258 der Leistungsakte Band VI). Zur Begründung führte sie aus, man habe fälschlicherweise ihren Rentenantrag wegen einer fehlerhaften Diagnose aus 1993 abgelehnt. Dies müsse durch ein Obergutachten von Dr. Dr. Be. zu beweisen sein.

Nach Einholung einer Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. Sch., der ausführte, es sei hier medizinisch nichts mehr zu ermitteln, wies die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 7. Januar 2005 (Bl. 1270) mit der Begründung ab, die Klägerin sei nach den Feststellungen seit 1. August 1993 voll erwerbsgemindert. In dem danach maßgebenden Zeitraum vom 1. August 1988 bis 31. Juli 1993 seien nur 22 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Schließlich sei der Versicherungsfall weder durch ein die Wartezeit erfüllendes Ereignis eingetreten noch liege eine lückenlose Versicherungszeit seit 01.01.1984 vor. Der Widerspruch hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2005, Bl. 1391). Die Minderung des Leistungsvermögens sei nach den Feststellungen in den zuvor durchgeführten Rentenverfahren bereits am 25. Januar 1993 eingetreten und durch die Sozialgerichtsbarkeit bestätigt worden. In dem maßgebenden Zeitraum vom 01. Januar 1988 bis 31. Dezember 1992 seien nur 15 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Im anschließenden Klageverfahren wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 10. April 2006, die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle nach wie vor nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (S 2 R 1640/05). Die Klägerin habe bereits 1996 offensichtlich unbefangen eingeräumt, dass sie erst im Oktober 1994 offiziell Rentenantrag gestellt habe, weil sie gewusst habe, dass sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorher nicht erfülle. Dies bestätige, dass die Minderung ihres Leistungsvermögens nicht erst im Herbst 1994 eingetreten sei. Insofern komme es auf das formale Antragsdatum nicht an. Zwar sei der Klägerin zugegeben, dass der Versicherungsfall unterschiedlich datiert worden sei. Nunmehr hätten sich aber die Beklagte wie auch das SG und LSG auf den 25. Januar 1993 festgelegt. Diese Festlegung schließe sich auch das Gericht nach eigener Überprüfung an. Die hiergegen eingelegte Berufung blieb erfolglos (Urteil des Senats vom 29. August 2006, L 11 R 2444/06). Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision wurde mit Beschluss des Bundessozialgerichts vom 27. Februar 2007 als unzulässig verworfen; zugleich wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt (B 13 R 448/06 B).

Am 14. Februar 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente vor Vollendung der Regelaltersgrenze. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Februar 2008 mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente für Frauen bzw für eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nicht (Bl. 1899 der Leistungsakte Band IX). Der Antrag der Klägerin vom 3. März 2008 auf Rücknahme dieses Bescheids blieb ebenfalls erfolglos (Bescheid vom 17. März 2008; Bl. 1931). Der hiergegen erhobenen Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2008 zurückgewiesen (Bl. 1934). Im anschließenden Klageverfahren (S 8 R 1689/08) erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Rahmen der Nichtöffentlichen Sitzung am 3. Dezember 2008 die Klage für erledigt.

Am 4. Dezember 2008 stellte die Klägerin bei der Beklagten formlos einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente. Sie bezog sich hierbei auf ihre früheren Rentenanträge und bat um Prüfung, wann der Versicherungsfall eingetreten sei. Mit Schreiben vom 5. Januar 2009 wies die Beklagte darauf hin, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen weiterhin nicht erfüllt seien. Von einem formellen Ablehnungsbescheid sehe man daher zunächst ab. Sie habe lediglich die Möglichkeit die Regelaltersrente ab 1. April 2013 in Anspruch zu nehmen. Nachdem die Klägerin auf Erlass eines Ablehnungsbescheides bestand, lehnte die Beklagte den Antrag vom 4. Dezember 2008 mit Bescheid vom 9. Januar 2009 ab (Bl. 2004 der Leistungsakte Band X). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin sei seit 1. August 1993 voll erwerbsgemindert. Im maßgebenden Zeitraum vom 1. August 1988 bis 31. Juli 1993 seien nur 22 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei auch nicht aufgrund eines Tatbestandes eingetreten, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt sei. Auch seien die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfüllt

Hiergegen erhob die Klägerin am 20. Januar 2009 Widerspruch und vertrat die Auffassung, dass noch nicht feststehe, wann die EU bzw. BU eingetreten sei. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. März 2009; Bl. 2011). Zur Begründung wurde ausgeführt, zum Zeitpunkt des Eintrittes der vollen Erwerbsminderung am 1. August 1993 seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt. Der streitbefangene Sachverhalt sei bereits in vier vorangegangenen Verwaltungsverfahren überprüft und durch höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt worden. Aus dem Vorbringen im Widerspruchsverfahren ergebe sich kein neuer Sachverhalt, der zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage führen könne.

Hiergegen hat die Klägerin am 6. März 2009 Klage beim SG erhoben (S 14 R 729/09) und vorgetragen, aufgrund der zahlreichen früheren Rentenanträge bzw. Gerichtsverfahren stehe fest, dass sie nicht mehr erwerbsfähig sei. So habe beispielsweise der Gutachter Dr. H. angegeben, sie sei seit Anfang März 1993 bzw seit Oktober 1994 nicht mehr erwerbsfähig. Dr. Ka. habe ausgeführt, sie sei seit Beginn der Behandlung am 17. Februar 1995 nicht mehr erwerbsfähig. Die Frage des Zeitpunkts des Eintritts des Versicherungsfalls sei weiterhin klärungsbedürftig. Denn nach den Feststellungen von Dr. Ka. und Dr. H. seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt. Die Beklagte solle prüfen und mitteilen, zu welchem Zeitpunkt genau zuletzt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Rentenanspruchs gegeben seien. Das Gericht solle sodann durch das Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen Beweis darüber erheben, ob sie schon zu dem maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr erwerbsfähig gewesen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 7. Juni 2010 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, bei der Klägerin lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht vor. Im Rahmen vielfacher Klageverfahren sei durch das SG und das LSG mehrfach festgestellt worden, dass sie trotz der bei ihr bestehenden Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente habe, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Versicherungsfall der Erwerbsminderung sei bei der Klägerin spätestens Mitte September 1993 eingetreten (Bezugnahme auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. August 2001 - L 8 RA 4891/99). Der Versicherungsverlauf vom 9. Januar 2009 enthalte keinerlei rentenrechtliche Zeiten, die über die früheren Feststellungen hinausgingen. Es bestehe daher kein Grund, von den Entscheidungen der zuvor mit dieser Rechtssache befassten Gerichte abzuweichen.

Hiergegen richtet sich die am 7. Juli 2010 beim SG zum LSG erhobene Berufung der Klägerin (L 11 R 3331/10). Zur Begründung trägt die Klägerin vor, die Einholung eines psychologischen Gutachtens sei erforderlich. Sie habe zudem ihre frühere Arbeit jeweils mit großem Erfolg absolviert und müsse aufgrund ihres letzen Verdienstes von monatlich ca. 6.700 EUR Erwerbsunfähigkeitsrente bekommen. Beiträge aufgrund einer Scheinselbständigkeit könnten noch entrichtet werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2009 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und auf die vorgelegten Verwaltungsakten der Beklagten (insgesamt 10 Bände) sowie auf die beigezogenen Gerichtsakten (S 8 RA 1689/08, S 2 R 1804/05, S 2 R 1640/05, S 6 RA 261/03, S 4 RA 0099/99, L 11 R 2444/06, L 2 RA 1755/03, L 1 RA 2604/97) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 9. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2009 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die genannten Voraussetzungen liegen im Fall der Klägerin zur Überzeugung des Senats (weiterhin) nicht vor. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 29. August 2006 (L 11 R 2444/06) dargelegt, dass die Klägerin zwar die erforderliche Wartezeit erfüllt, die Erwerbsminderung (bzw Erwerbsunfähigkeit) jedoch bereits seit 25. Januar 1993 besteht. Hiervon ist der Senat weiterhin überzeugt, zumal der Vortrag der Klägerin keine weiteren Gesichtspunkte enthält, die zu einer Änderung dieser Einschätzung führen könnten. Vor diesem Hintergrund musste der Senat auch weder ein psychologisches Gutachten einholen noch weitere Ermittlungen von Amts wegen durchführen. Soweit die Klägerin im Klageverfahren vorgetragen hat, aus den Auskünften von Dr. H. und Dr. Ka. ergebe sich, dass die Erwerbsminderung erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten sei, so hat sich bereits der 2. Senat des LSG in seiner Entscheidung vom 6. August 2003 (L 2 RA 1755/03) ausführlich mit diesem Vortrag auseinandergesetzt. Der erkennende Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung vollumfänglich an und verweist insofern auf die Entscheidungsgründe im Urteil des 2. Senats vom 6. August 2003 (Seiten 7/8 des genannten Urteils). Der Eintritt der Erwerbsminderung im Januar 1993 ist vor allen Dingen deshalb plausibel, weil die Klägerin seit 25. Januar 1993 arbeitsunfähig erkrankt war und seither nicht mehr in das Erwerbsleben zurückgefunden hat.

Zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung im Januar 1993 hat die Klägerin nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt (drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung). Im maßgebenden Zeitraum vom 25. Januar 1988 bis 24. Januar 1993 hat die Klägerin nur 16 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Dies entnimmt der Senat dem Versicherungsverlauf vom 9. Januar 2009 (Bl. 2002/2003 der Leistungsakte Band X). Sogenannte Aufschubzeiten (vgl. § 43 Abs. 4 SGB VI) liegen im Fünf-Jahres-Zeitraum nicht vor, weshalb dessen Verlängerung nicht in Betracht kommt. Auch für das Vorliegen eines Tatbestandes einer vorzeitigen Wartezeiterfüllung (§ 53 SGB VI) bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Des Weiteren kann die Klägerin auch nicht vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat bis zum Eintritt der verminderten Erwerbsfähigkeit Anwartschaftserhaltungszeiten (vgl § 242 Abs. 2, § 241 Abs. 2 SGB VI) aufweisen, so dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind (vgl. hierzu auch ausführlich bereits LSG, Urteil vom 6. August 2003 - L 2 RA 1755/03, auch zum Gesichtspunkt der [Nicht-] Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten während der von der Klägerin behaupteten "Scheinselbständigkeit").

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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