L 3 R 324/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 1 KR 79/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 324/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beiträge zur Sozialversicherung, bedingter Vorsatz
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 14. Februar 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2000 sowie von Säumniszuschlägen.

Der Kläger war ab dem 1. Oktober 1990 als eingetragener Kaufmann Generalvertreter der Allianz-Versicherungsgesellschaft in G ... Zum 1. August 2010 erfolgte die Abgabe der Agentur, in welcher der Kläger u.a. seine Ehefrau beschäftigt hatte.

Die Landesversicherungsanstalt für Angestellte (LVA), deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, führte am 8. Februar 2001 für den Zeitraum vom 1. Dezember 1996 bis zum 31. Dezember 2000 beim Kläger eine Betriebsprüfung durch. In dem Prüfbescheid vom selben Tag teilte sie mit, die durchgeführte Prüfung habe keine Feststellungen ergeben. Nach den §§ 14 und 17 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV) i.V.m. § 1 der Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung (Arbeitsentgeltverordnung – ArEV) richte sich die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt grundsätzlich nach dem Steuerrecht. Im Prüfzeitraum habe keine Lohnsteueraußenprüfung stattgefunden. Sofern bis zur nächsten Prüfung eine Prüfung der Finanzverwaltung erfolge, seien die Berichte über diese Prüfung beitragsrechtlich auszuwerten.

Anlässlich einer Selbstanzeige des Klägers vom 14. Februar 2001 wegen der Nichtentrichtung der pauschalen Lohnsteuer für bestehende Firmendirektversicherungen bis zum 31. Dezember 2000 fand am 2. April 2001 eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch das Finanzamt G. statt. Im daraufhin erstellten Prüfbericht des Finanzamtes G. vom 9. Mai 2001 wurde u.a. mitgeteilt, im Prüfzeitraum vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2000 sei bisher eine Versteuerung des geldwerten Vorteils durch die private Nutzung des Firmenfahrzeugs durch die Ehefrau des Klägers nicht erfolgt. Die mit Bescheid des Finanzamtes G. vom 15. Mai 2000 (es hätte 15. Mai 2001 heißen müssen) geforderte Lohnsteuer entrichtete der Kläger nach.

Am 1. März 2005 führte die LVA eine Betriebsprüfung beim Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2004 durch. In dem Protokoll der Schlussbesprechung vom selben Tag wurde u.a. auf die durch das Finanzamt durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung hingewiesen. Beitragsrechtliche Konsequenzen ergäben sich gegebenenfalls (nach erfolgter versicherungsrechtlicher Beurteilung) für die private Nutzung eines Firmenfahrzeuges durch die Ehefrau des Klägers.

Mit Schreiben vom 4. April 2005 hörte die LVA den Kläger dazu an, dass sich beitragsrechtliche Konsequenzen in Bezug auf die Auswertung des Lohnsteuerhaftungsbescheides vom Finanzamt vom 15. Mai 2001 ergäben. Für die Privatnutzung des Firmenfahrzeuges seien Sozialversicherungsbeiträge nachzuberechnen und zusätzlich Säumniszuschläge zu erheben. Bei dem Sachverhalt der Privatnutzung eines Firmenfahrzeuges habe der Kläger Kenntnis von seiner Zahlungspflicht gehabt, da dies bereits anlässlich des Lohnsteuerhaftungsbescheides vom 15. Mai 2001 beanstandet worden sei. Mit Schreiben vom 18. April 2005 teilte der Kläger mit, im Zuge der Lohnsteuer-Außenprüfung habe sich zwar eine weitere steuerrechtlich relevante Feststellung bezüglich der Privatnutzung des Firmen-Pkws ergeben. Er habe allerdings nicht, möglicherweise durch die Arbeitsbelastung, die Verbindung zu einer eventuellen Relevanz einer Sozialversicherungsbeitragspflicht dieser "Vergütung" hergestellt. Jedenfalls widerspreche er bereits jetzt der Vorsatzannahme.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2005 forderte die LVA von dem Kläger die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 3.242,97 EUR nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 1.453,40 EUR. Auf der Grundlage des Prüfberichtes des Finanzamtes vom 15. Mai 2001, der am 15. Juni 2001 bestandskräftig geworden sei, würden Beiträge für die private Nutzung eines Firmenfahrzeuges durch die Ehefrau des Klägers als dessen Beschäftigte für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2000 nachberechnet. Die 30jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sei nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Juni 1990 (Az.: 12 RK 13/89) gegeben, wenn der Beitragsschuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten habe, er also seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Wegen der engen Anknüpfung des Beitragsrechts der Sozialversicherung an das Steuerrecht sei bei Beitragsansprüchen auf der Grundlage eines Prüfberichtes/Bescheides der Finanzbehörde von einem bedingten Vorsatz dann auszugehen, wenn der Beitragsschuldner eine Beitragsentrichtung aufgrund des Prüfberichtes/Bescheides der Finanzbehörde nicht vorgenommen oder es unterlassen habe, sich bei der zuständigen Einzugsstelle zu vergewissern, dass Beitragspflicht nicht vorliege. Somit seien die aus dem Prüfbericht resultierenden Beiträge für den Zeitraum 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2000 nicht verjährt und würden durch die Betriebsprüfung nacherhoben. Säumniszuschläge seien für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 28. Februar 2005 zu zahlen.

Hiergegen erhob der Kläger am 24. Mai 2005 Widerspruch und machte geltend, aufgrund seiner seit 1990 durch permanente Überlastung geprägten Arbeitssituation sei ihm der Fehler unterlaufen. Er habe zwar schuldhaft, aber in keinerlei Vorsatzabsicht die Nichtauswertung des Prüfprotokolls der Finanzbehörde verabsäumt. Die Betriebsprüfung der LVA am 8. Februar 2001 habe völlig unabhängig von der bereits länger geplanten/beabsichtigten Selbstanzeige stattgefunden. Der Zeitpunkt dieser Selbstanzeige sei nicht zufällig gewählt gewesen. Bis Anfang 2001 habe er die Agentur weitgehend bei einer relativ positiven finanziellen Ertragssituation aufgebaut, sodass ihm seinerzeit auch die Nachrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen relativ problemlos möglich gewesen wäre.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Ergänzend führte sie an, die Lohnabrechnung, die die Ehefrau des Klägers selbst erstellt habe und darüber hinaus noch erstelle, sei ab dem 1. Januar 2001 in korrekter Form erfolgt. Von diesem Zeitpunkt an sei die private Nutzung des Firmenfahrzeuges als beitragspflichtiges Entgelt betrachtet worden. Somit habe der Kläger spätestens ab diesem Zeitpunkt Kenntnis von seiner Zahlungspflicht gehabt. Es könne insofern auch für die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht von der Unkenntnis des Klägers ausgegangen werden.

Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 25. November 2005 beim Sozialgericht Stendal erhobenen Klage gewandt. Die Nachforderung der Beklagten in Höhe von 4.696,37 EUR inklusive Säumniszuschläge sei nicht rechtmäßig, da die Forderung verjährt sei. Er betreibe lediglich ein kleines Versicherungsbüro; Abrechnungen und Beitragsrechnungen würden von ihm selbst, d.h. ohne Fachpersonal, vorgenommen. Das Bereitstellen eines Dienstwagens und die damit verbundene Berechnung des Mehrwertes für den Lohn der Angestellten sei eine durchaus anspruchsvolle Regelung des Steuerrechts. Wegen Arbeitsüberlastung habe er es versäumt, den Prüfbericht des Finanzamtes näher zu prüfen. Ihm sei auch nicht in den Sinn gekommen, dass sich daraus auch eine Nachzahlungspflicht gegenüber der Sozialversicherung habe ergeben können. Da er die Möglichkeit seiner Beitragspflicht nicht in Betracht gezogen habe, könne er vorliegend auch nicht die Nichtabführung billigend in Kauf genommen haben. Er habe allenfalls fahrlässig gehandelt.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 30. März 2000 (Az.: B 12 KR 14/99 R) aufgezeigt, für bedingten Vorsatz sei es ausreichend, wenn der verbeitragten Nebenleistung des Arbeitentgeltes ein enger Zusammenhang zwischen Steuer- und Beitragsrecht zugrunde liege. Im Prüfbericht der LVA vom 8. Februar 2001 sei ausdrücklich sowohl auf die Verknüpfung zwischen Steuer- und Beitragsrecht als auch auf die beitragsrechtliche Auswertungspflicht von Prüfungsergebnissen der Finanzverwaltung verwiesen worden. Weder der Kläger noch seine Ehefrau hätten bei der Beklagten oder einer Einzugsstelle nachgefragt, ob hier Konsequenzen entstünden. Dadurch, dass der Kläger für die Zeit ab dem 1. Januar 2001 für den geldwerten Vorteil der Privatnutzung des Pkw selbstständig Sozialversicherungsbeiträge entrichtet habe, habe er damit unstreitig die Beitragspflicht nicht mehr nur für möglich gehalten, sondern von dieser gewusst. Er müsse insofern auch mindestens für möglich gehalten haben, dass diese Beitragspflicht nicht erst mit dem 1. Januar 2001 begonnen habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Stendal am 14. Februar 2008 hat der Kläger angegeben, nach der Durchführung der Lohnsteuer-Außenprüfung im Jahr 2001 habe er einen Steuerberater beauftragt, künftig die Lohnabrechnungen durchzuführen. Bis zum Zeitpunkt der Lohnsteuerprüfung habe dies seine Ehefrau noch getan. Anschließend habe dann der Steuerberater alles auch rückwirkend soweit korrigiert.

Das Sozialgericht Stendal hat mit Urteil vom 14. Februar 2008 der Klage unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 9. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2005 stattgegeben. Das Gericht habe anhand der konkreten Umstände des zu beurteilenden Einzelfalles nicht hinreichend sicher feststellen können, dass der Kläger noch während des Laufs der vierjährigen Verjährungsfrist zu der Erkenntnis gelangt sei, er habe möglicherweise Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2000 für den geldwerten Vorteil aus der privaten Nutzung des Firmen-Pkw durch seine Ehefrau zu zahlen. Es sei bereits zweifelhaft, ob der Kläger die Beitragspflicht des in Rede stehenden geldwerten Vorteils hätte erkennen können, so dass noch nicht einmal die Annahme eines bedingten Vorsatzes nahe liege. Einerseits sei das Ergebnis der Beitragspflicht dieses geldwerten Vorteils sehr kompliziert zu ermitteln. Andererseits habe die Beklagte bereits am 8. Februar 2001 beim Kläger eine Betriebsprüfung durchgeführt und keine Beanstandungen erhoben, so dass der Kläger nicht zwangsläufig von der beitragsrechtlichen Relevanz steuerrechtlicher Nachforderung habe ausgehen müssen. Letztendlich komme es auf die allgemein denkbaren Erkenntnismöglichkeiten aber nicht an. Für die Feststellung des bedingten Vorsatzes genüge die Wertung, dass der Kläger etwas habe erkennen können. Erforderlich sei die sichere Erkenntnis, dass er die Möglichkeit der Beitragspflicht tatsächlich erkannt habe. Daran fehle es hier letztlich. Das Gericht habe davon ausgehen können, dass der Kläger den Steuerberater erst ab dem Abrechnungsjahr 2001 beauftragt habe, die Lohnabrechnungen vorzunehmen. Eine Zurechenbarkeit vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung durch den Steuerberater für die vor dem 1. Januar 2001 liegende Zeit komme daher auch nicht in Betracht. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Beitragsvorenthaltung durch den Kläger habe das Gericht nicht feststellen können. Es gelte die vierjährige Verjährungsfrist.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 31. März 2008 zugestellte Urteil am 21. April 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hat vorgetragen, es sei nicht ausreichend, wenn der Kläger zur Umsetzung des Lohnsteuerprüfberichts ab dem Abrechnungsjahr 2001 einen Steuerberater beauftragt habe. Sofern der Kläger selbst damit die Auswertung auf den 1. Januar 2001 begrenzt habe, stelle dies, ebenso wie das Handeln Dritter, welches der Beitragsschuldner im Rahmen seiner Arbeitgebereigenschaft gegen sich gelten zu lassen habe, keine befreiende Wirkung her. Er müsse es insoweit mindestens für möglich gehalten haben, dass diese Beitragspflicht nicht erst mit dem 1. Januar 2001 beginne, zumal es zwischen dem 31. Dezember 2000 und dem 1. Januar 2001 keine diesbezügliche Gesetzes- oder Rechtsänderung gegeben habe. Er habe zumindest die Nichtabführung der Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2000 billigend in Kauf genommen. Es werde diesbezüglich auf das Urteil des Thüringer Landesssozialgerichts vom 29. Januar 2007 (Az.: L 3 RJ 1024/03) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 14. Februar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Er habe bis einschließlich des Jahres 2000 die Lohnbuchhaltung selbst durchgeführt. Ab dem Jahr 2001 habe er dies aufgrund seiner hohen Arbeitsbelastung dem Steuerberater übergeben. Dieser sei auch vollumfänglich beauftragt gewesen. Insoweit habe er seine Beitragspflicht nach dem 1. Januar 2001 nicht erkannt.

Die KKH Allianz hat dem Senat unter dem 15. September 2010 einen Beitragskontoauszug des Klägers für das Jahr 2001 vorgelegt. Danach ergeben sich Zahlungseingänge unter dem 15. Februar 2001 für Januar 2001, unter dem 14. März 2001 für Februar 2001 und unter dem 11. April 2001 für März 2001 in Höhe von jeweils 511,29 EUR; unter dem 10. Mai 2001 sind "Beiträge (01.01.2001 – 31.03.10)" in Höhe von 231,28 EUR verbucht. Weiterhin sind Zahlungseingänge unter dem 11. Mai, 12. Juni, 10. Juli, 13. August, 12. September, 18. Oktober, 16. November, 14. Dezember und 14. Januar 2002 jeweils für den vorangegangenen Monat in Höhe von 588,38 EUR zu verzeichnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben und den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben. Dieser ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Beklagte und das Sozialgericht sind zutreffend davon ausgegangen, dass der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung des Firmenwagens durch die Ehefrau des Klägers Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV darstellt und der Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterliegt.

Arbeitsentgelt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Im Hinblick auf einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, bestimmt § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV, dass durch Rechtsverordnung bestimmt werden kann, diese ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. Dabei ist eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nach § 1 ArEV (die im Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis zum 30. Juni 2006 galt und deshalb hier anwendbar ist), sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus – dem hier nicht einschlägigen – § 3 (der Verordnung) nichts Abweichendes ergibt. Der in der privaten Nutzung betrieblicher Fahrzeuge liegende geldwerte Vorteil für einen Arbeitnehmer ist gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) steuerpflichtiger Arbeitslohn (Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 25. Mai 1992 – VI R 146/88 –, BFHE 168, 194; Beschluss vom 14. Mai 1999 – VI B 258/98 –, DStR 1999, 1309). Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Im Streit steht allein die Frage, ob die Beitragsforderung für die Jahre 1997 bis 2000 verjährt ist. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts geht der Senat davon aus, dass diese Beiträge nicht verjährt sind; es ist nicht von der vierjährigen, sondern von der 30jährigen Verjährungsfrist auszugehen.

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der bis zum 31. Dezember 2005 gültigen Fassung werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Der Beitrag für Januar 1997 ist damit spätestens am 15. Februar 1997 fällig gewesen; die vierjährige Verjährungsfrist wäre am 31. Dezember 2001 abgelaufen. Der Beitrag für Dezember 2000 ist spätestens am 15. Januar 2001 fällig gewesen; die vierjährige Verjährungsfrist wäre am 31. Dezember 2005 abgelaufen.

War der Arbeitgeber zwar bei Fälligkeit der Beiträge gutgläubig, läuft zunächst vom folgenden Kalenderjahr an die vierjährige Verjährungsfrist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, verlängert sich diese jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung in eine 30jährige Verjährungsfrist, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird. Es reicht aus, dass die den subjektiven Tatbestand begründenden Umstände innerhalb der kurzen Verjährungsfrist eintreten (BSG, Urteil vom 26. Mai 1977 – 12/3 RK 68/75 –, SozR 2200 § 29 Nr. 9; Urteil vom 21. Juni 1990 – 12 RK 13/89 –, USK 90106 = Die Beiträge 1991, 112 ff.; Urteil vom 13. August 1996 – 12 RK 76/94 –, SozR 3-2400 § 25 Nr. 6; Urteil vom 30. März 2000 – B 12 KR 14/99 R –, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7; ferner Seewald in Kassler-Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 25 SGB IV Rdnr. 6).

Vorliegend ist der Kläger noch vor Ablauf der für die Beiträge der Jahre 1997 bis 2000 maßgeblichen vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig im Sinne eines vorsätzlichen Vorenthaltens der Beiträge geworden. Für Vorsatz sind das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Es reicht für das Eingreifen der 30jährigen Verjährungsfrist aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG, Urteil vom 21. Juni 1990 – Az.: 12 RK 13/89 –, a.a.O.; Urteil vom 30. März 2000 – B 12 KR 14/99 R –, a.a.O.). Zum Vorsatz muss das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes festgestellt, d.h. anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell ermittelt werden (Haupt in Hauck/Heines SGB IV, § 25 Rdnr. 4). Die Feststellungslast (Beweislast) für den subjektiven Tatbestand trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige lange Verjährungsfrist beruft.

Der Kläger hat im Klageverfahren eingeräumt, Kenntnis von dem Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 9. Mai 2001 erlangt zu haben, es jedoch aufgrund ständiger Arbeitsüberlastung versäumt zu haben, den Prüfbericht des Finanzamtes näher zu prüfen. Ferner hat er bis zu der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Stendal am 14. Februar 2008 angegeben, die Abrechnung und Beitragsrechnungen selbstständig, d.h. ohne Fachpersonal, vorgenommen zu haben. Die Erteilung des Berichts über die Lohnsteuer-Außenprüfung des Finanzamtes G. vom 9. Mai 2001 fiel noch in den Zeitraum der vierjährigen Verjährungsfrist. Da in diesem Prüfbericht die Lohnsteuerpflichtigkeit des geldwerten Vorteils der privaten Firmenwagennutzung rückwirkend für den Zeitraum 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2000 festgestellt worden war, hätte es der Kläger als eingetragener Kaufmann und zudem in der Versicherungsbranche Tätiger zumindest für möglich halten müssen, dass es sich bei dem geldwerten Vorteil um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt handelt. Schließlich war er im Prüfbescheid der LVA vom 8. Februar 2001 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine Lohnsteueraußenprüfung durch die Finanzverwaltung noch nicht stattgefunden hat und bis zur nächsten Betriebsprüfung eine beitragsrechtliche Auswertung entsprechender Lohnsteuer-Prüfberichte zu erfolgen habe. Er hätte sich jedenfalls nach Erhalt des Berichts über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 9. Mai 2001 veranlasst sehen müssen, bei der LVA nachzufragen müssen, welche sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen sich hieraus ergeben könnten. Zur Überzeugung des Senats ergibt sich letztendlich aus der Umstellung der Verfahrensweise bei der Beitragsentrichtung ab Mai 2001, dass der Kläger zumindest ab diesem Zeitpunkt mit einer Beitragspflicht rechnete. Ausweislich des von der KKH Allianz vorgelegten Kontoauszuges für das Jahr 2001 hat der Kläger unter dem 10. Mai 2001 die Sozialversicherungsbeiträge für den geldwerten Vorteil der privaten Firmenwagennutzung bezogen auf die Monate Januar bis März 2001 rückwirkend nachentrichtet. Damit hat der Kläger eine Beitragspflicht auch für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2000 für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge wegen fehlenden Zahlungswillens billigend in Kauf genommen.

Auch wenn der Kläger ab dem Jahr 2001 einen Steuerberater mit der Lohnbuchhaltung beauftragt hat, kann er sich nicht darauf berufen, er habe von der Sozialpflichtigkeit des geldwerten Vorteils der privaten Firmenwagennutzung nichts gewusst. Bei dem der – von der Beklagten angeführten – Entscheidung des Thüringer Landesssozialgerichts vom 29. Januar 2007 (Az.: L 6 RJ 1024/03, juris) zugrunde liegenden Sachverhalt war das Steuerbüro lediglich mit der Fertigung der Jahresabschlüsse und der entsprechenden Steuererklärungen beauftragt gewesen, so dass es wegen der alleinigen Zuständigkeit der Klägerin für die Verbuchung und Entrichtung von Versicherungsbeiträgen auf deren Kenntnis ankam. Ist jedoch – wie im vorliegenden Verfahren nach den Angaben des Klägers – der Steuerberater vollumfänglich ab dem Jahr 2001 mit der Lohnabrechnung beauftragt worden, muss sich der Kläger die Kenntnis des Steuerberaters gemäß § 166 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurechnen lassen. Nach dieser Vorschrift kommt es für das Kennen oder Kennenmüssen gewisser Umstände bei der Einräumung einer Vertretungsbefugnis nicht auf die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters an. Wer einen anderen mit der eigenverantwortlichen Erledigung bestimmter Angelegenheiten betraut, muss sich die Kenntnis dieses Wissensvertreters zurechnen lassen (Palandt, BGB, § 166 Rdnr. 3). Hat der Steuerberater jedoch in Kenntnis der Verpflichtung die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge für den geldwerten Vorteil der privaten Firmenwagennutzung an die Beklagte im Mai 2001 veranlasst und die laufende Entrichtung der Beiträge aufgenommen, hat er die Nichtabführung der Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2000 zumindest billigend in Kauf genommen. Diese Bösgläubigkeit für das Jahr 2001, die nach Auffassung des Senats bedingten Vorsatz für die Vergangenheit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2000 impliziert, muss sich der Kläger zurechnen lassen.

Der Vorsatz entfällt nicht bereits deshalb, weil die Beklagte bereits am 8. Februar 2001 eine Betriebsprüfung durchgeführt und für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 1996 bis zum 31. Dezember 2000 keine Beanstandungen festgestellt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, können durchgeführte Betriebsprüfungen keinen Vertrauenstatbestand schaffen. Betriebsprüfungen haben eine Kontrollfunktion. Sie bezwecken indes nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und diesem etwa "Entlastung" zu erteilen. Allein aufgrund des stichprobenartigen Charakters einer Betriebsprüfung ist es ausgeschlossen, dieser eine Wirkung dahingehend beizumessen, dass der Arbeitgeber sich darauf verlassen kann, dass es zur Nachforderung für bereits geprüfte Zeiträume nicht kommt (BSG, Urteil vom 30. November 1978 –12 RK 6/76 –, SozR 2200 § 1399 Nr. 11)). Darüber hinaus stünden die tatsächlichen Verhältnisse einer Vertrauensgrundlage entgegen. Zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung durch die Beklagte am 8. Februar 2001 konnte eine sozialversicherungsrechtliche Auswertung der steuerrechtlichen Feststellungen schon deshalb nicht erfolgen, weil die Lohnsteuer-Außenprüfung durch das Finanzamt erst später am 2. April 2001 statt fand und der Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung am 9. Mai 2001 erstellt worden ist. In dem Prüfbescheid vom 8. Februar 2001 war ausdrücklich auf die Nichtdurchführung einer Lohnsteuerprüfung durch die Finanzverwaltung hingewiesen worden. Damit konnte sich der Kläger erst recht nicht darauf verlassen, dass es nicht nach der Prüfung durch das Finanzamt noch zu rückwirkenden Beanstandungen kommen könnte.

Die Berechnung der nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge ist vom Kläger nicht beanstandet worden.

Zu Recht hat die Beklagte für die Beitragsnachforderung Säumniszuschläge festgesetzt. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen auf 100 DM (ab 1. Januar 2002 auf 50 EUR) nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Für die Frage, ob verschuldet oder unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist in Ermangelung anderer Maßstäbe auf die zur Prüfung des Vorsatzes entwickelten Kriterien zurückzugreifen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Januar 2005 – B 12 KR 3/04 R –, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7). Bedingter Vorsatz des Klägers ist somit auch hinsichtlich der Zahlungspflicht anzunehmen. Ferner hat sich der Kläger auch nicht gegen die Höhe der Säumniszuschläge gewandt; Anhaltspunkte dafür, dass die Säumniszuschläge falsch berechnet sein könnten, bestehen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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