L 8 SB 303/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 4423/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 303/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. September 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.

Bei dem 1947 geborenen Kläger stellte das Landratsamt B. (LRA) mit Teilabhilfebescheid vom 24.01.2005 unter Berücksichtigung degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Schulter-Arm-Syndrom, einer Gebrauchseinschränkung der linken Hand, Nervenwurzelreizerscheinungen und Knorpelschäden am linken Kniegelenk einen GdB von 40 seit 10.10.2002 fest. Der darüber hinausgehende Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 01.04.2005).

Die vom Kläger im Juli 2005 und Februar 2006 beantragte Erhöhung des GdB wurde vom LRA mit Bescheid vom 13.10.2005 (Widerspruchsbescheid vom 05.12.2005) unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Sehminderung, eingepflanzte Kunstlinse links bzw. mit Bescheid vom 29.03.2006 unter teilweiser Änderung des Behinderungstenors - Gebrauchseinschränkung der rechten Hand (anstatt Gebrauchseinschränkung der linken Hand) und Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (anstatt Knorpelschäden am linken Kniegelenk) - mit der Begründung abgelehnt, die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers hätten sich nicht wesentlich verschlimmert. Ein GdB von 40 sei nach wie vor angemessen.

Am 03.07.2007 beantragte der Kläger beim LRA erneut die Erhöhung des GdB und gab an, er leide an einer Spinalkanalstenose im Bereich der Halswirbelsäule und einem Restless-legs-Syndrom. Nach Einholung eines Befundberichts von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu, wonach als weitere Funktionsstörung ein Restless-legs-Syndrom mit einem GdB von 10 und insgesamt weiterhin ein GdB von 40 vorliege, lehnte das LRA den Antrag des Klägers mangels wesentlicher Änderung des Ausmaßes der Behinderung mit Bescheid vom 08.02.2008 ab.

Dagegen legte der Kläger am 20.02.2008 Widerspruch ein und machte einen höheren GdB geltend. Er brachte vor, dass Operationen an der Wirbelsäule und der Bandscheibe notwendig seien. Das LRA holte den Bericht von Prof. Dr. H., Leitender Arzt der Abteilung Wirbelsäulenchirurgie am SRH-Klinikum K.-L., vom 01.02.2008 ein und zog das vom Sozialgericht Stuttgart (SG) im Rentenrechtsstreit S 8 R 3588/06 von Dr. D. eingeholte fachneurologische Gutachten vom 12.03.2007 bei. Dr. D. diagnostizierte eine Schädigung (Läsion) des Mittelnerven am rechten Handgelenk. Weitere Beeinträchtigungen auf neurologischem Gebiet fand der Gutachter nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2008 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers zurück.

Am 26.06.2008 erhob der Kläger Klage zum SG, mit der er einen GdB von mindestens 60 geltend machte. Er verwies auf seinen schlechten Gesundheitszustand (Beschwerden mit der Bandscheibe, der Wirbelsäule und der rechten Schulter, durchtrennte Nerven in der rechten Hand, versteifte Finger der linken Hand, viermalige Operation des linken Knies, entfernte Galle, Augenoperation an beiden Augen etc.), der sich verschlimmert habe und nunmehr einen GdB von mindestens 60 rechtfertige. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 20.01.2009 entgegen.

Das SG hörte zunächst die Fachärztin für Augenheilkunde Dr. B., Prof. Dr. H., die Ärztin für Orthopädie Dr. M., Dr. H. und seine Hausärztin, die Fachärztin für Allgemeinmedizin P., schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. B. gab am 07.08.2008 an, die Sehschärfe des Klägers habe zuletzt (April 2008) mit Brille 0,8 (rechts) und 1,0 (links) betragen. Es habe eine leichte Reizung aufgrund der Benetzungsstörung der Augen bestanden. Prof. Dr. H. gelangte am 10.09.2008 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 15.01.2008 und den damals angefertigten Röntgenaufnahmen zu dem Ergebnis, die beim Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule (L5/S1) und geringgradig im Bereich der Halswirbelsäule (C5/6 und C6/7) vorliegenden Gesundheitsstörungen seien als schwer zu bezeichnen (häufig und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome). Zur Höhe des GdB könne nur in einem entsprechenden Gutachten Stellung genommen werden. Die Ärztin für Orthopädie Dr. M. gab am 17.09.2008 an, seitens der Wirbelsäule des Klägers bestünden schwere Behinderungen, im Bereich der Lendenwirbelsäule deutlicher als im Bereich der Halswirbelsäule sowie leicht seitens der Brustwirbelsäule. Zusätzlich bestehe - aufgrund der Potenzierung durch die Halswirbelsäule - eine leicht- bis mittelgradige Behinderung seitens des rechten Schultergelenks. Derzeit sei orthopädischerseits ein GdB von 50 gerechtfertigt. Abzuwarten bleibe der Gesundheitszustand des Klägers nach der vorgesehenen Wirbelsäulenoperation. Im Bereich der Kniegelenke lägen Knorpelschäden mit anhaltenden Reizerscheinungen vor. Dr. H. teilte am 29.10.2008 die von ihm erhobenen Befunde mit und gelangte zu der Einschätzung, unter Berücksichtigung der genannten Diagnosen und Befunde, insbesondere im Hals- und Wirbelsäulensegment - vom Beklagten werde die lumbale Störung nicht hinreichend gewürdigt - sei auf neurologischem Gebiet von einem GdB von 50 auszugehen. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin P. listete am 27.10.2008 die gestellten Diagnosen auf und gab an, die beim Kläger auf ihrem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen (Hypertonie, Zustand nach Cholezystektomie und Postcholezystektomiesyndrom) bedingten einen GdB von 20.

Anschließend holte das SG von Dr. D., Marienhospital S., ein unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung und unter Berücksichtigung der aktenkundigen radiologischen Befunde diagnostizierte er am 22.03.2009 deutlich vermehrte Verschleißerscheinungen in den Bewegungssegmenten C5/C6 und C6/C7 bei derzeit freier Halswirbelsäulenbeweglichkeit und fehlenden sensiblen oder motorischen Nervenwurzelreizerscheinungen seitens cervicaler Spinalnerven, eine endgradig eingeschränkte Vor- und Rück-Neig-Beweglichkeit sowie Rechts-Neig-Beweglichkeit der Brustwirbelsäule, vermehrte Verschleißerscheinungen in den unteren beiden Bewegungssegmenten der Lendenwirbelsäule im Sinne einer Chondrose und Spondylose, eine Spaltbildung in den Gelenkverbindungen im Bewegungssegment L5/S1 mit daraus resultierender Instabilität und sensiblem Nervenwurzelreizsyndrom S1 rechts sowie derzeit endgradig eingeschränkte Rück-Neig-Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule bei freier Beweglichkeit in den übrigen Bewegungsrichtungen, eine Beeinträchtigung des rechten Handgelenks mit endgradigen Bewegungseinschränkungen und weiteren im Einzelnen genannten Gesundheitsstörungen und eine end- bis mittelgradige Beuge- und Streckhemmung des linken Zeigefingers aufgrund einer Versteifung des linken Zeigefingermittelgelenks in 35 ° Beugestellung und Taubheitsgefühl des linken Daumens auf der ellenwärts gelegenen Seite. Die Wirbelsäulenschäden - die Beeinträchtigung durch die Gesundheitsstörungen in drei Wirbelsäulenabschnitten stellte er mit schweren funktionellen Einschränkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt gleich - bewertete der Sachverständige mit einem GdB von 30, die Beeinträchtigung seitens des rechten Handgelenks aufgrund der aufgehobenen Beugefähigkeit im rechten Daumengrundgelenk und der daraus resultierenden groben Kraftminderung der rechten Hand und der Sensibilitätsstörungen der rechten Hand mit einem GdB von 20 und die aus der Versteifung des Fingergelenks resultierenden und mit einem Sensibilitätsverlust der Greifzone des linken Daumens verbundenen Funktionsverlust mit einem GdB von 10. Unter Berücksichtigung der Sehminderung und des Restless-legs-Syndrom (GdB jeweils 10) schätzte er den Gesamt-GdB seit Anfang 2007 auf 30.

Mit Urteil vom 23.09.2009 wies das SG die Klage ab. Im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten von Dr. D., die Angaben von Dr. B. und die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) hielt es einen Gesamt-GdB von 30 für angemessen. Eine wesentliche Änderung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers, die eine Erhöhung des bisherigen Gesamt-GdB von 40 rechtfertigen würde, läge nicht vor.

Gegen das ihm am 17.12.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.01.2010 (Montag) Berufung eingelegt, mit der er einen GdB von mindestens 60 geltend macht. Er bringt vor, nach 13 Operationen, denen er sich habe unterziehen müssen, sei ein GdB von mindestens 60 gerechtfertigt. Angesichts der Operationen und der bekannten Erkrankungen, die bei den jeweiligen Ärzten erfragt werden könnten, sei es ihm unerklärlich, wie man in seinem Fall anstatt auf einen höheren GdB auf einen niedrigeren GdB komme.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. September 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 8. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 60 ab 3. Juli 2007 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 oder gar 60.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 08.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2008, mit dem der Beklagte den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 03.07.2007 mangels wesentlicher Änderung der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers und weiterhin angemessenem GdB von 40 abgelehnt hat. Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass seine Funktionsbeeinträchtigungen - insbesondere auch unter Berücksichtigung der bei ihm durchgeführten vielen Operationen - mit einem GdB von mindestens 60 zu bewerten seien.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den geltenden Bewertungsmaßstäben hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).

Das SG ist in seiner Entscheidung unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der VG zu dem Ergebnis gekommen, dass sich das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers gegenüber der letzten maßgeblichen Feststellung vom 24.01.2005 im Ergebnis nicht wesentlich geändert hat und deshalb eine Erhöhung des bisher festgestellten GdB von 40 nicht gerechtfertigt ist. Der Senat kommt unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Beteiligten ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erhöhung des GdB auf über 40 hat. Diese Beurteilung gründet sich im Wesentlichen auf die Angaben der vom SG gehörten behandelnden Ärzte des Klägers, die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte und in erster Linie auf das vom SG zur weiteren Klärung des medizinischen Sachverhalts eingeholte unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten von Dr. D. vom 23.03.2009.

Eine Würdigung der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen ergibt, dass im Vordergrund der Beeinträchtigung des Klägers die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einer Instabilität der Lendenwirbelsäule und daraus resultierenden sensiblen Nervenwurzelreizerscheinungen verbunden ist, steht. Hinzu kommt noch - in geringerer Ausprägung - eine endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenks mit aufgehobener Beugung im rechten Daumengrundgelenk und daraus resultierender groben Kraftminderung der rechten Hand sowie Sensibilitätsstörungen der rechten Hand und eine Zeigefingermittelgelenksversteifung links, eine Sehminderung, eingepflanzte Kunstlinse links, ein Restless-legs-Syndrom, eine Hypertonie und ein Zustand nach Entfernung der Gallenblase.

Das SG hat die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule des Klägers einschließlich Folgeerscheinungen und die Versteifung des Zeigefingermittelgelenks links und den daraus resultierenden Sensibilitätsverlust der Greifzone des linken Daumens im Anschluss an das fachärztliche Gutachten von Dr. D. mit einem GdB von 30 bzw. 10 bewertet. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ist nach den von Dr. D. erhobenen Befunden allenfalls durch schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, nämlich der Lendenwirbelsäule, gekennzeichnet. Im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule liegen hingegen keine schweren funktionellen Auswirkungen vor - im Bereich der Halswirbelsäule bestand freie Beweglichkeit bei fehlenden sensiblen oder motorischen Nervenwurzelreizerscheinungen und die Beweglichkeit der Brustwirbelsäule war nur endgradig eingeschränkt -, so dass eine Beeinträchtigung der Wirbelsäule mit einen GdB von 40 rechtfertigenden schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (vgl. Teil B Nr. 18.9 der VG) zu verneinen ist. Der Senat folgt Dr. D. auch insoweit, als er die Versteifung des linken Zeigefingermittelgelenkes mit einem GdB von 10 bewertet hat.

Der Senat schließt sich insoweit den ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG an und nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Dasselbe gilt für die Verneinung einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke mangels entsprechender Bewegungseinschränkung (Streckung/Beugung 0-0-130) - insoweit hat der Beklagte einen GdB von 10 angenommen - und die Bewertung der Sehminderung (rechts: 0,8, links: 1,0) einschließlich des Linsenverlusts beider Augen mit einem GdB von 10, was den VG (Teil B Nr. 4.3) gerecht wird, und des Restless-legs-Syndroms ebenfalls mit einem GdB von 10.

Was die Beeinträchtigung des rechten Handgelenks des Klägers anbetrifft, die auf eine unfallbedingte Mittelnerven- und Sehnenverletzung zurückgeht und für die der Beklagte einen GdB von 10 berücksichtigt hat, folgt der Senat dem SG, das hierfür keinen GdB angenommen hat, allerdings nicht. Angesichts der von Dr. D. festgestellten endgradigen Bewegungseinschränkungen des rechten Handgelenks (handrückenwärts/hohlhandwärts 55-0-50) mit aufgehobener Beugung im rechten Daumengrundgelenk und daraus resultierender groben Kraftminderung der rechten Hand sowie unter Berücksichtigung der Sensibilitätsstörungen der rechten Hand hält der Senat in Anwendung von Teil B Nr.18.13 der VG, die für die Bewertung einer Bewegungseinschränkung des Handgelenks geringen Grades einen Spielraum von 0 bis 10 eröffnen, angesichts der vom Sachverständigen genannten Begleiterscheinungen einen GdB von 10 für gerechtfertigt. Ein GdB von 20 - wie von Dr. D. angenommen - lässt sich jedoch auch nach Auffassung des Senats nicht begründen.

Nach den Angaben seiner Hausärztin P. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 27.10.2008 besteht beim Kläger weiter ein Bluthochdruck und ein Zustand nach Cholezystektomie und ein Postcholezystektomiesyndrom, weshalb sie beim Kläger einen Teil-GdB von 20 für angemessen erachtete.

Weitere Funktionsstörungen mit einem GdB von mindestens 10 liegen beim Kläger nicht vor. Die Anzahl der Operationen, denen sich der Kläger in der Vergangenheit hat unterziehen müssen, worauf sich der Kläger zur Begründung seiner Berufung bezieht, ist für die Höhe des GdB nicht maßgebend. Entscheidend sind die nach den Operationen verbliebenen Funktionsstörungen und deren Ausmaß. Im Übrigen werden Operationen durchgeführt, um eine Gesundheitsstörung zu beseitigen bzw. eine Verschlimmerung des Leidens zu verhüten. Die Anzahl der Operationen sagt folglich für sich genommen nichts darüber aus, ob auch danach Funktionsstörungen und gegebenenfalls in welchem Ausmaß vorliegen.

Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 40. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Funktionsbeeinträchtigung - hier der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 30) - auszugehen. Selbst wenn mit der behandelnden Ärztin P. davon ausgegangen wird, dass beim Kläger wegen Bluthochdrucks, dem Zustand nach Cholezystektomie und einem Postcholezystektomiesyndrom (dauerhaft) ein weiterer Teil-GdB von 20 besteht, rechtfertigt dies die Neufeststellung des GdB mit 50 (oder mehr) nicht. Weitere Funktionsbeeinträchtigungen, die einen höheren Teil-GdB als 10 bedingen, liegen beim Kläger nicht vor. Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von nur 10 führen nach Teil A Nr. 3 d) ee)) der VG grundsätzlich nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Ein Ausnahmefall, der mit der in dieser Vorschrift der VG genannten Art vergleichbar wäre, liegt hier nicht vor.

Nachdem beim Kläger bereits ein GdB von 40 festgestellt ist, ist eine zu niedrige Bewertung seiner Funktionsstörungen mithin zu verneinen. Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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