L 8 SB 4658/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 2585/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4658/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.

Die 1951 geborene Klägerin stellte am 20.05.2008 durch ihren Prozessbevollmächtigten beim Landratsamt R.-M.-K. (VA) einen Antrag nach § 69 SGB IX auf Feststellung des GdB. Sie machte an Gesundheitsstörungen einen Wirbelsäulenschaden, Knieschaden und Hammerzehe sowie eine Venenerkrankung (Unterschenkelvarikosis) geltend. Die Klägerin legte Befundberichte vor (Dr. M. vom 19.05.2008, Dr. J. vom 21.12.2007 und 06.08.2007, Dr. R. vom 01.12.2007, Dr. K. vom 13.04.2007 und Dr. E. vom 15.06.2004). Das VA holte den ärztlichen Befundschein des Dr. H. vom 23.06.2008 ein. Nach versorgungsärztlicher Auswertung entsprach das VA entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme der Dr. F. vom 03.07.2008 mit Bescheid vom 03.07.2008 unter Berücksichtigung einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes (Teil-GdB 10), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden (Teil-GdB 10) und Krampfader (Teil-GdB 10) dem Antrag der Klägerin nicht, da kein GdB von wenigstens 20 vorliege.

Gegen den Bescheid vom 03.07.2008 legte Klägerin am 16.07.2008 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, wegen des Knieschadens, der Venenproblematik und einer Baker-Zyste sowie wegen Wirbelsäulenschäden sei jeweils ein Teil-GdB von 20 angemessen. Die Klägerin legte den Befundbericht von Dr. B. vom 15.12.2008 sowie den Befund- und Entlassbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 24.09.2008 über ihre stationäre Behandlung vom 26.08.2008 bis 15.09.2008 vor. Entsprechend einer versorgungsärztlichen gutachtlichen Stellungnahme (Dr. S. vom 10.03.2009) wurde vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - der Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2009 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 15.04.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie berief sich zur Begründung auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.09.2009 wies das SG die Klage ab. Das SG folgte der Begründung des Widerspruchsbescheids. Weitere maßgebliche Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht festzustellen. Eine Bewertung mit einem Gesamt-GdB von 10 sei vertretbar. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nicht notwendig gewesen.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.10.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12.10.2009 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, das SG habe ihre Klage zu Unrecht ohne Einholung eines gebotenen Sachverständigengutachtens abgewiesen. Sie habe Beschwerden beim Laufen und Abrollen des Fußes. Es handele sich um Beschwerden, die wenigstens einen Teil-GdB von 20 rechtfertigten. Auch die Befunde der Kniegelenke rechtfertigten mindestens einen Teil-GdB von 20. Es bestehe am rechten Kniegelenk eine Struktur mit zystoidem Charakter, eine massive Gelenkspaltverschmälerung und retropatellare Knorpeldegeneration im Sinne einer globalen Arthrose. Im linken Knie lägen ein Knochenmarksödem und ein Zustand nach einer Partialruptur des vorderen Kreuzbandes mit restlichem Ödem und zystisches Material vor. Hinzu kämen Beschwerden nach einem Muskelfaserriss. Zudem sei die Unterschenkelvaricose zu berücksichtigen. Die Klägerin hat sich auf Arztberichte berufen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. September 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 3. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr den Grad der Behinderung mit mindestens 30 seit 20. Mai 2008 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Der medizinische Sachverhalt sei zutreffend gewürdigt worden. Argumente, die eine abweichende Beurteilung begründen könnten, seien der Berufungsschrift nicht zu entnehmen.

Der Senat hat den Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin - Chirotherapie und H-Unfallarzt Dr. H schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dr. H hat in seiner Stellungnahme vom 27.11.2009 unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen (Operationsbericht Dr. W vom 21.10.2009) über den Behandlungsverlauf, geklagter Beschwerden sowie die Befunde und Diagnosen berichtet. Er hat sich - im Großen und Ganzen - der versorgungsärztlichen gutachtlichen Stellungnahme der Dr. F vom 03.07.2008 angeschlossen. Aktuell hat er wegen einer frischen Vorfuß-Operation rechts jedoch den GdB auf ca. 30 - mit der Möglichkeit einer Besserung im weiteren Heilungsverlauf - eingeschätzt.

Auf Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 02.02.2010 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Klägerin hat am 08.07.2010 das ruhende Verfahren wieder angerufen. Sie hat einen erlittenen Meniskusriss im linken Knie geltend gemacht und hierzu den MRT-Befundbericht von Dr. D. vom 17.03.2010 vorgelegt.

Der Senat hat anschließend Dr. H. erneut schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. H. hat in seiner Stellungnahme vom 26.07.2010 ergänzend zu Veränderungen des Gesundheitszustandes der Klägerin berichtet und - momentan - den GdB auf maximal 10 eingeschätzt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG insgesamt zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX, die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetz zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach Abs. 1 Satz 6 dieser Vorschrift ist eine Feststellung nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersorgungsmedizinVerordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).

Hiervon ausgehend hat der Beklagte bei Klägerin die Feststellung des GdB zu Recht abgelehnt, da bei der Klägerin ein GdB von wenigstens 20 nicht vorliegt. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der von ihm im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen und den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen.

Der die Klägerin behandelnde Orthopäde Dr. H. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat vom 26.07.2010 bei der Klägerin den GdB auf maximal 10 geschätzt. Soweit Dr. H. davon abweichend in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 27.11.2009 aktuell wegen einer frischen Vorfuß-Operation links (am 21.10.2009) den GdB auf ca. 30 eingeschätzt hat, rechtfertigt diese Einschätzung - auch nicht zeitweise - nicht die Feststellung des GdB von 20 oder mehr. Dass bei der Klägerin insoweit ein Dauerzustand vorgelegen hat, der die Annahme einer Behinderung erlaubt, trifft nicht zu. Vielmehr ist Dr. H. von der Möglichkeit einer Besserung im weiteren Heilungsverlauf ausgegangen, die bei der Klägerin auch tatsächlich eingetreten ist, wie sich aus der späteren schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Dr. H. vom 26.07.2010 und seiner dortigen GdB-Einschätzung ergibt. Dass nach der Vorfuß-Operation dauerhaft verbliebene Funktionseinschränkungen vorliegen, gibt Dr. H. nicht an ("Z.n. Vorfuß-OP links 21.10.2009").

Die Einschätzung des GdB durch Dr. H. entspricht nach den von ihm mitgeteilten Befunden und des sonst vorliegenden medizinischen Befundunterlagen den VG. Ihr schließt sich der Senat an.

Nach dem Befund- und Entlassbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 24.09.2008 bestanden hinsichtlich des linken Kniegelenkes der Klägerin bei der Aufnahme reizfreie Weichteilverhältnisse. Ein Erguss bestand nicht. Die Beweglichkeit war nicht relevant eingeschränkt (Extension/Flexion 130-0-0°). Die Bandführung des Kollateralbandes war stabil und des hinteren Kreuzbandes fest. Hinsichtlich des vorderen Kreuzbandes bestand eine Schublade ersten Grades. Ein Druck- oder Rotationsschmerz bestand nicht. Im Verlauf des Heilverfahrens wurde nach dem Bericht die kniegelenksstabilisierende Muskulatur gekräftigt, die Beweglichkeit verbessert und ein flüssiges Gangbild erreicht. Eine neurologische Untersuchung der unteren Extremitäten erbrachte keinen krankhaften Befund. Danach liegen bei der Klägerin keine Funktionseinschränkungen vor, die hinsichtlich der Kniegelenke nach den VG Teil B Nr. 18.14 Seite 117 einen GdB von 10 (oder mehr) begründen. Eine MRT-Untersuchung des linken Kniegelenks am 28.08.2008 erbrachte zwar narbige Veränderungen der Kreuzbänder sowie des medialen Kollateralbandes, eine Chondromalazie Grad III retropatellar bei medialisierter Patellastellung sowie den Nachweis einer kleinen Baker-Zyste. Vergleichbar ist auch der MRT-Befund vom 17.03.2010 (Befundbericht Dr. D. vom 17.03.2010). Hierdurch sind jedoch, wie ausgeführt, keine relevanten Funktionseinschränkungen des Kniegelenks bedingt. Die Knorpeldefekte (Chondromalazie) rechtfertigen nach den VG Teil B Nr. 18.14 allenfalls einen GdB von 10. Danach ist bei ausgeprägten Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen einseitig ohne Bewegungseinschränkung ein GdB von 10 bis 30 gerechtfertigt. Dass bei der Klägerin ausgeprägte Reizerscheinungen bestehen, ist jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr erbrachte die MRT-Untersuchung am 28.08.2008 kein relevantes Ergussgeschehen und keinen Hinweis auf eine Floridität der Befunde. Lediglich bei der MRT-Untersuchung am 17.03.2010 wurde ein mäßiger Erguss festgestellt. Damit kann bei der Klägerin allenfalls von leichten Funktionseinschränkungen hinsichtlich der Kniegelenke ausgegangen werden, die keinen höheren Teil-GdB als 10 rechtfertigen. Auch Dr. H. hat in seinen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen keine Funktionseinschränkungen hinsichtlich beider Kniegelenke der Klägerin genannt, die einen höheren Teil-GdB nach den VG rechtfertigen und - trotz des ihm übersandten Befundberichts des Dr. D. vom 17.03.2010 - in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 26.07.2010 in Übereinstimmung mit dem Beklagten den GdB mit maximal 10 eingeschätzt.

Auch hinsichtlich der Wirbelsäule der Klägerin liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen vor, die die Bewertung des Beklagten (Teil-GdB 10) unangemessen erscheinen lässt. Nach den VG Teil B Nr. 18.9 ist erst bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20 gerechtfertigt. Dies trifft bei der Klägerin nicht zu. Zwar hat eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule der Klägerin eine deutliche Fehlhaltung, eine erosive Osteochondritis L2/L3 mit Retrolisthesis, eine vollständige Degeneration einer Bandscheibe mit Aufhebung des Zwischenraumes und deutlicher Sklerose der Grund- und Deckplatte L5/S1 und eine mediale Protrusion TH 12/L1 und L 2/L3 ergeben, ohne signifikante Einengung des linken Foramen und ohne Luxat bzw. Wurzelkompression (Bericht Dr. K. vom 13.04.2007). Allein degenerative Veränderungen rechtfertigen jedoch noch nicht die Annahme eines GdB. Maßgeblich für die Bewertung des GdB ist nach den VG vielmehr das Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität und die Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Dass bei der Klägerin durch die Wirbelsäulenveränderungen der Lendenwirbelsäule mittelgradige funktionelle Auswirkungen bestehen, lässt sich den schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen des Dr. H. wie auch den sonst zu den Akten gelangten Befundunterlagen aber nicht entnehmen. Vielmehr hat Dr. H. in Kenntnis des Kernspintomographiebefundes von Dr. K. vom 13.04.2007 in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 27.11.2009 die Ansicht des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten bestätigt.

Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der Unterschenkelvarikosis der Klägerin. Nach den VG Teil B Nr. 9.2.3 Seite 67 bedingen unkomplizierte Krampfadern keinen GdB, eine chronisch-venöse Insuffizienz (z.B. bei Krampfadern), ein postthrombotisches Syndrom ein- oder beidseitig mit geringem belastungsabhängigem Ödem, nicht ulzerösen Hautveränderungen, ohne wesentliche Stauungsbeschwerden einen GdB von 0 bis 10 und erst mit erheblicher Ödembildung, häufig (mehrmals im Jahr) rezidivierenden Entzündungen einen GdB von 20 bis 30. Dass letzteres bei der Klägerin vorliegt, trifft nach dem Befundbericht von Dr. M. vom 19.05.2008 nicht zu. Dr. M. gelangte nach einer Farbduplexsonographie der unteren Extremität der Klägerin (venös) links zu der Diagnose einer Unterschenkelvarikosis bei Parvainsuffizienz links. Eine Krosseninsuffizienz schloss er aus. Es bestand ein freies tiefes Venensystem ohne Anhalt für eine tiefe Beinvenenthrombose oder Muskelvenenthrombose und kein eindeutiger Nachweis einer Phlebitis. Auch sonst sind wegen der Unterschenkelvarikosis der Klägerin keine Funktionsbeeinträchtigungen ersichtlich, die entgegen dem Ansatz des Beklagten einen höheren Teil-GdB als 10 rechtfertigen. Dem entspricht auch die Einschätzung des GdB des Dr. H ...

Schließlich rechtfertigen von der Klägerin geltend gemachte (nicht näher bezeichnete) Beschwerden nach einem Muskelfaserriss ihr Begehren nicht. Nach dem Bericht des Dr. B. vom 15.12.2008 hat eine MRT-Untersuchung ergeben, dass der Muskelfaserriss weitgehend ausgeheilt ist. Danach kann dauerhaft allenfalls von leichten Beschwerden ausgegangen werden, die keinen GdB von über 10 bedingen.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens wird abgelehnt. Das Gericht hat im Rahmen der Untersuchungsmaxime lediglich solche Ermittlungen anzustellen, die nach "Lage der Sache" erforderlich sind. Nachforschungen "ins Blaue hinein" sind nicht durch die Amtsermittlungspflicht geboten (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 03.04.2003 - B 13 RJ 39/02 R -, SozR 4-1300 § 31 Nr. 1; BSG Urteil vom 05.04. 2001, SozR 3-2600 § 43 Nr. 25; BSG, Urteil vom 07.05.1998 - B 11 AL 81/97 R, veröffentlicht in juris). Das bedeutet: Das Gericht hat nur, aber auch stets zu ermitteln, soweit Sachverhalt und der Vortrag der Beteiligten Nachforschungen nahelegen. Danach drängen sich weitere Ermittlungen im Falle des Klägerin nicht auf. Der für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits maßgebliche Sachverhalt ist durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und die vom Senat durchgeführten Ermittlungen geklärt. Dass eine relevante Verschlimmerung des Gesundheitszustandes der Klägerin eingetreten ist, ist nicht ersichtlich und wird von ihr im Übrigen auch nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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