Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2373/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2469/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Bei der 1964 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt H. mit Bescheid vom 13.01.2003 wegen einer Mund-Rachenerkrankung (Zungenkarzinom, Operation am 30.11.2001) in Heilungsbewährung den GdB mit 80 fest.
Im Januar 2007 leitete das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt R.-N.-K. - Versorgungsamt - (VA) ein Nachprüfungsverfahren ein. Das VA holte den ärztlichen Befundbericht von Prof. Dr. D. vom 08.02.2007 ein, der mitteilte, dass kein Anhalt für ein Rezidiv des Zungenkarzinoms bestehe. Es bestünden eine gewisse psychische Belastung, Sprach- und Schluckbeschwerden. Prof. Dr. D. legte weitere ärztliche Befundunterlagen vor. Nach Anhörung der Klägerin stellte das VA mit Bescheid vom 30.08.2007 unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2003 wegen einer Mund-Rachenerkrankung bei eingetretener Heilungsbewährung, einer Artikulationsstörung sowie psychovegetativer Störungen den GdB mit 30 ab 03.09.2007 neu fest.
Gegen den Bescheid vom 30.08.2007 legte die Klägerin am 13.09.2007 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, körperliche Beschwerden, die aufgrund der wegen der Karzinomerkrankung erfolgten Operation weiterhin bestünden, seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Weiter werde auf ihre Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet nicht eingegangen. Außerdem machte die Klägerin einen Hörsturz/Tinnitus mit Hörminderung und Geruchsstörungen geltend. Das VA holte den Befundschein des Orthopäden Dr. H. vom 11.12.2007, der die Diagnosen und erhoben Befunde mitteilte, sowie das Tonaudiogramm der Dres. med. Z./H. vom 08.10.2007 ein. Entsprechend der versorgungsärztlichen gutachtlichen Stellungnahme von Dr. S. vom 31.01.2008 stellte das VA mit Teilabhilfebescheid vom 04.02.2008 bei der Klägerin unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und des Schultergelenkes (Teil-GdB 20) und einer Funktionsbehinderung des Kniegelenks und Funktionsstörung durch Fußfehlform (Teil-GdB 20) den GdB mit 50 seit dem 03.09.2007 fest.
Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums S. - Landesversorgungsamt - vom 23.06.2008 wurde der Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 30.08.2007 und 04.02.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, in den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 13.01.2003 zu Grunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung insoweit eingetreten, als die Heilungsbewährung von 5 Jahren seit der im Dezember 2001 erfolgten Zungenteilresektion wegen eines Zungenkarzinogens abgelaufen sei. Der GdB hätte deswegen neu festgestellt worden müssen. Unter Berücksichtigung der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen ergäbe sich ein Gesamt-GdB von 50.
Hiergegen erhob die Klägerin am 16.07.2008 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Sie trug vor, seit Erteilung des Bescheides vom 13.01.2003 habe sich ihr Gesundheitszustand nicht gebessert bzw. geändert. Offensichtlich sei ihr im Jahr 2003 ein zu hoher GdB anerkannt worden, der nun unzulässig korrigiert werden solle. Sie bitte um Überprüfung ob eine wesentliche Änderung eingetreten sei und inwieweit sich ihr Gesundheitszustand, insbesondere im Hinblick auf damals nicht berücksichtigte orthopädische Erkrankungen, soweit gebessert habe, dass die Herabsetzung des GdB auf 50 gerechtfertigt sei.
Das SG hörte Dr. B., Prof. Dr. D. und Dr. Z. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Augenarzt Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 30.10.2008 mit, aufgrund des Augenbefundes liege bei der Klägerin kein fassbarer GdB vor. Prof. Dr. D. teilte in seiner Stellungnahme vom 06.11.2008 mit, die bei der Klägerin durchgeführte Tumoroperation hinterlasse funktionelle Beschwerden im Sinne von Sprechschwierigkeiten und Behinderungen der Nahrungsaufnahme. Ein GdB von 30 erscheine berechtigt. Der Facharzt für HNO-Heilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Dr. Z. teilte in seiner Stellungnahme vom 30.10.2008 unter Vorlage von medizinischen Berichten mit, auf HNO-ärztlichem Gebiet liege eine leicht asymmetrische Innenohrschwerhörigkeit vor, die mit einem GdB von größer gleich 10 nach den einschlägigen Tabellen nicht fassbar sei. Ein bestehender Tinnitus sei im Rahmen von psycho-vegetativen Störungen erfasst. Eine diskrete Artikulationsstörung, ein Tinnitus mit psycho-vegetativen Störungen sei mit einem GdB von 30 adäquat beurteilt. Bei zusätzlich bestehender Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, des Schultergelenkes, des Kniegelenkes und der Fußfehlform sei der Gesamt-GdB mit 50 adäquat gewürdigt. Der Orthopäde Dr. H. teilte in seiner Stellungnahme vom 17.12.2008 die Diagnosen und Befunde mit und hielt die vom Versorgungsamt vorgenommene Einstufung auf orthopädisches Gebiet für zweckmäßig und ausreichend erfasst.
Mit Gerichtsbescheid vom 05.05.2009 wies das SG die Klage ab. Es nahm zur Begründung auf die Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid Bezug. Gestützt auf die eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen führte das SG ergänzend aus, von einer Heilungsbewährung sei auszugehen, so dass nur noch die verbliebenen Funktionsstörungen Berücksichtigung finden könnten, die mit einem GdB von 30 zu bewerten sein. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, des Schulter-Arm-Syndroms, die Chondromalazie beider Kniegelenke und eine Funktionsstörung durch Fußfehlform bedingten allenfalls ein GdB von 20 plus 20. Die Innenohrschwerhörigkeit erreiche keinen GdB von 10. Auf augenärztlichem Fachgebiet liege keine Behinderung vor. Es ergäbe sich ein Gesamt-GdB von 50. Die wesentliche Änderung der Verhältnisse sei in der Heilungsbewährung zu sehen.
Gegen den der Klägerin am 07.05.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 29.05.2009 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, bei der Neufeststellung des GdB sei lediglich auf die einzelnen Erkrankungen abgestellt worden. Diese wirkten jedoch zusammen und riefen erheblich über das Maß der gesondert gesehenen Erkrankungen hinausgehende Beeinträchtigungen hervor. So bestünden z.B. erhebliche Probleme im Bereich des Halses, die durch Beeinträchtigungen im Bereich der Halswirbelsäule und das Impingementsyndrom beider Schultern verstärkt würden. Es gebe deshalb Tage, an denen sie sich fast nicht bewegen könne. Hinzu komme die Chondromalazie beider Kniegelenke, die das Aufstehen und laufen beschwerlich machten. Die Arme könne sie nicht zur Entlastung einsetzen, weil dies wieder zu Schmerzen im Schulterbereich führe. Sie leide unter schweren Schluckbeschwerden, die auf eine durch Neck-Dissection gestörte Halsmuskulatur zurückzuführen seien. Diese Beschwerden würden immer schlimmer und verursachten häufig Erstickungsanfälle. Im April/Mai 2009 habe sie zweimal die Notaufnahme aufsuchen müssen, weil sie Erstickungsanfälle gehabt habe, die allerdings auf eine Urticaria und nicht auf die Neck-Dissection zurückzuführen gewesen seien. Sie erleide somit aus unterschiedlichen Gründen Erstickungsanfälle. Alles dies sei weder bei der Festsetzung des GdB noch in dem Gerichtsbescheid berücksichtigt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Mai 2009 sowie die Bescheide des Beklagten vom 30. August 2007 und 4. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Hinsichtlich der Tumorerkrankung der Klägerin sei Heilungsbewährung eingetreten. Unter Berücksichtigung der weiter hinzugetretenen Funktionsbeeinträchtigungen sei der Gesamt-GdB mit 50 zutreffend bemessen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten vom 30.08.2007 und 04.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2008 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der angegriffenen Bescheide, weil eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 13.01.2003 eingetreten ist, die die Herabsetzung des GdB auf 50 seit dem 03.09.2007 rechtfertigt.
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht formell rechtswidrig. Die Klägerin ist vor dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -).
Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht materiell rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die erfolgte Herabsetzung des GdB von 80 auf 50 wegen Eintritts einer tatsächlichen Änderung der Verhältnisse sind erfüllt.
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Bescheid vom 13.01.2003 wegen einer Mund-Rachenerkrankung (Zungenkarzinom) in Heilungsbewährung mit einem GdB von 80 bewertete Behinderungszustand.
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 23.06.2008. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7). Die von der Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemachte Verschlimmerung ihrer Schluckbeschwerden und dadurch verursachte Erstickungsanfälle, insbesondere die im April/Mai 2009 erforderlichen Notaufnahmen, können deshalb nicht berücksichtigt werden. Hierüber wäre im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens wegen Verschlimmerung zu befinden, das nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend noch unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Im Übrigen hat die seit 01.01.2009 an die Stelle AHP getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 13.01.2003 zugrunde lagen, eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der im November 2001 erfolgten Operation wegen der Zungenkarzinomerkrankung der Klägerin eine Mund-Rachenerkrankung im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie bei einem Krebsleiden - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Im Zustand der Heilungsbewährung ist der GdB höher eingeschätzt, als er dem tatsächlichen Zustand entspricht (AHP Nr. 18 Abs. 7). Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Hierauf wurde die Klägerin im Bescheid vom 13.01.2003 auch hingewiesen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren (vgl. AHP Nr. 26.1 Abs. 3) im Dezember 2006 beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist, wie sich aus den schriftlichen Mitteilungen von Prof. Dr. D. vom 08.02.2007 an den Beklagten sowie vom 06.11.2008 an das SG ergibt. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung der Klägerin wegen einer wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
Zu Recht hat der Beklagte den GdB - für die Zukunft - von 80 auf 50 herabgesetzt. Die Funktionsstörungen der Klägerin bedingen jedenfalls zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids keinen höheren GdB als 50.
Als verbliebene Funktionsbehinderungen der Zungenkarzinomerkrankung sind bei der Klägerin nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Prof. Dr. D. vom 06.11.2008 Sprechschwierigkeiten und eine Behinderung der Nahrungsaufnahme sowie eine psychosomatische Belastung verblieben. Die Bewertung dieser Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 30, wie sie der Beklagte vorgenommen hat, hält Prof. Dr. D. in seiner Stellungnahme für berechtigt. Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. Z. vom 30.10.2008 liegt bei der Klägerin eine diskrete Artikulationsstörung vor. Dass die von der Klägerin geltend gemachten Schluckbeschwerden mit einer erheblichen Behinderung der Nahrungsaufnahme verbunden ist, worauf nach den AHP bei der Bewertung des GdB wegen Schluckstörungen abzustellen ist (vgl. Nr. 26.7), lässt sich den Auskünften der vom SG gehörten Ärzte sowie den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen. Auch Dr. Z. ist der Bewertung der verbliebene Funktionsbehinderungen der Zungenkarzinomerkrankung mit einem GdB von 30 nicht entgegen getreten. Der Senat sieht danach keinen Anlass, von diesen in Übereinstimmung mit den AHP stehenden Bewertungen abzuweichen.
Die auf orthopädischem Gebiet (neu) zu berücksichtigenden Funktionsbehinderungen (der Wirbelsäule und des Schultergelenkes, des Kniegelenks und durch Fußfehlform) hat der Beklagte mit einem Teil-GdB von jeweils 20 angemessen berücksichtigt. Dies hat Dr. H. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 17.12.2008 bestätigt. Befunde, die nach den AHP eine zu Gunsten der Klägerin höhere Bewertung des Teil-GdB auf orthopädischem Gebiet rechtfertigen, hat Dr. H. nicht genannt und lassen sich auch aus den sonst vorliegenden medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen. Der Senat schließt sich deshalb den Bewertungen von Dr. H. auf orthopädischem Fachgebiet an.
Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der Neufeststellung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, bestehen bei der Klägerin nicht. Dr. B. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 30.10.2008 bestätigt, dass bei der Klägerin kein GdB-relevanter Augenbefund vorliegt. Hinsichtlich der asymmetrischen Innenohrschwerhörigkeit liegt bei der Klägerin nach den Angaben von Dr. Z. vom 30.10.2008 allenfalls ein Teil-GdB 10 vor, der nach den oben genannten Grundsätzen bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht zu berücksichtigen ist. Auch der Tinnitus der Klägerin rechtfertigt keinen GdB von über 50. Vielmehr hat Dr. Z. bei der Klägerin den Tinnitus als vom Beklagten bei den vegetativen Störungen ausreichen bemessen erachtet und einen Gesamt-GdB von 50 für adäquat gehalten.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die Ermittlungen des SG und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Bei der 1964 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt H. mit Bescheid vom 13.01.2003 wegen einer Mund-Rachenerkrankung (Zungenkarzinom, Operation am 30.11.2001) in Heilungsbewährung den GdB mit 80 fest.
Im Januar 2007 leitete das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt R.-N.-K. - Versorgungsamt - (VA) ein Nachprüfungsverfahren ein. Das VA holte den ärztlichen Befundbericht von Prof. Dr. D. vom 08.02.2007 ein, der mitteilte, dass kein Anhalt für ein Rezidiv des Zungenkarzinoms bestehe. Es bestünden eine gewisse psychische Belastung, Sprach- und Schluckbeschwerden. Prof. Dr. D. legte weitere ärztliche Befundunterlagen vor. Nach Anhörung der Klägerin stellte das VA mit Bescheid vom 30.08.2007 unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2003 wegen einer Mund-Rachenerkrankung bei eingetretener Heilungsbewährung, einer Artikulationsstörung sowie psychovegetativer Störungen den GdB mit 30 ab 03.09.2007 neu fest.
Gegen den Bescheid vom 30.08.2007 legte die Klägerin am 13.09.2007 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, körperliche Beschwerden, die aufgrund der wegen der Karzinomerkrankung erfolgten Operation weiterhin bestünden, seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Weiter werde auf ihre Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet nicht eingegangen. Außerdem machte die Klägerin einen Hörsturz/Tinnitus mit Hörminderung und Geruchsstörungen geltend. Das VA holte den Befundschein des Orthopäden Dr. H. vom 11.12.2007, der die Diagnosen und erhoben Befunde mitteilte, sowie das Tonaudiogramm der Dres. med. Z./H. vom 08.10.2007 ein. Entsprechend der versorgungsärztlichen gutachtlichen Stellungnahme von Dr. S. vom 31.01.2008 stellte das VA mit Teilabhilfebescheid vom 04.02.2008 bei der Klägerin unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und des Schultergelenkes (Teil-GdB 20) und einer Funktionsbehinderung des Kniegelenks und Funktionsstörung durch Fußfehlform (Teil-GdB 20) den GdB mit 50 seit dem 03.09.2007 fest.
Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums S. - Landesversorgungsamt - vom 23.06.2008 wurde der Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 30.08.2007 und 04.02.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, in den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 13.01.2003 zu Grunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung insoweit eingetreten, als die Heilungsbewährung von 5 Jahren seit der im Dezember 2001 erfolgten Zungenteilresektion wegen eines Zungenkarzinogens abgelaufen sei. Der GdB hätte deswegen neu festgestellt worden müssen. Unter Berücksichtigung der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen ergäbe sich ein Gesamt-GdB von 50.
Hiergegen erhob die Klägerin am 16.07.2008 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Sie trug vor, seit Erteilung des Bescheides vom 13.01.2003 habe sich ihr Gesundheitszustand nicht gebessert bzw. geändert. Offensichtlich sei ihr im Jahr 2003 ein zu hoher GdB anerkannt worden, der nun unzulässig korrigiert werden solle. Sie bitte um Überprüfung ob eine wesentliche Änderung eingetreten sei und inwieweit sich ihr Gesundheitszustand, insbesondere im Hinblick auf damals nicht berücksichtigte orthopädische Erkrankungen, soweit gebessert habe, dass die Herabsetzung des GdB auf 50 gerechtfertigt sei.
Das SG hörte Dr. B., Prof. Dr. D. und Dr. Z. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Augenarzt Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 30.10.2008 mit, aufgrund des Augenbefundes liege bei der Klägerin kein fassbarer GdB vor. Prof. Dr. D. teilte in seiner Stellungnahme vom 06.11.2008 mit, die bei der Klägerin durchgeführte Tumoroperation hinterlasse funktionelle Beschwerden im Sinne von Sprechschwierigkeiten und Behinderungen der Nahrungsaufnahme. Ein GdB von 30 erscheine berechtigt. Der Facharzt für HNO-Heilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Dr. Z. teilte in seiner Stellungnahme vom 30.10.2008 unter Vorlage von medizinischen Berichten mit, auf HNO-ärztlichem Gebiet liege eine leicht asymmetrische Innenohrschwerhörigkeit vor, die mit einem GdB von größer gleich 10 nach den einschlägigen Tabellen nicht fassbar sei. Ein bestehender Tinnitus sei im Rahmen von psycho-vegetativen Störungen erfasst. Eine diskrete Artikulationsstörung, ein Tinnitus mit psycho-vegetativen Störungen sei mit einem GdB von 30 adäquat beurteilt. Bei zusätzlich bestehender Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, des Schultergelenkes, des Kniegelenkes und der Fußfehlform sei der Gesamt-GdB mit 50 adäquat gewürdigt. Der Orthopäde Dr. H. teilte in seiner Stellungnahme vom 17.12.2008 die Diagnosen und Befunde mit und hielt die vom Versorgungsamt vorgenommene Einstufung auf orthopädisches Gebiet für zweckmäßig und ausreichend erfasst.
Mit Gerichtsbescheid vom 05.05.2009 wies das SG die Klage ab. Es nahm zur Begründung auf die Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid Bezug. Gestützt auf die eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen führte das SG ergänzend aus, von einer Heilungsbewährung sei auszugehen, so dass nur noch die verbliebenen Funktionsstörungen Berücksichtigung finden könnten, die mit einem GdB von 30 zu bewerten sein. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, des Schulter-Arm-Syndroms, die Chondromalazie beider Kniegelenke und eine Funktionsstörung durch Fußfehlform bedingten allenfalls ein GdB von 20 plus 20. Die Innenohrschwerhörigkeit erreiche keinen GdB von 10. Auf augenärztlichem Fachgebiet liege keine Behinderung vor. Es ergäbe sich ein Gesamt-GdB von 50. Die wesentliche Änderung der Verhältnisse sei in der Heilungsbewährung zu sehen.
Gegen den der Klägerin am 07.05.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 29.05.2009 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, bei der Neufeststellung des GdB sei lediglich auf die einzelnen Erkrankungen abgestellt worden. Diese wirkten jedoch zusammen und riefen erheblich über das Maß der gesondert gesehenen Erkrankungen hinausgehende Beeinträchtigungen hervor. So bestünden z.B. erhebliche Probleme im Bereich des Halses, die durch Beeinträchtigungen im Bereich der Halswirbelsäule und das Impingementsyndrom beider Schultern verstärkt würden. Es gebe deshalb Tage, an denen sie sich fast nicht bewegen könne. Hinzu komme die Chondromalazie beider Kniegelenke, die das Aufstehen und laufen beschwerlich machten. Die Arme könne sie nicht zur Entlastung einsetzen, weil dies wieder zu Schmerzen im Schulterbereich führe. Sie leide unter schweren Schluckbeschwerden, die auf eine durch Neck-Dissection gestörte Halsmuskulatur zurückzuführen seien. Diese Beschwerden würden immer schlimmer und verursachten häufig Erstickungsanfälle. Im April/Mai 2009 habe sie zweimal die Notaufnahme aufsuchen müssen, weil sie Erstickungsanfälle gehabt habe, die allerdings auf eine Urticaria und nicht auf die Neck-Dissection zurückzuführen gewesen seien. Sie erleide somit aus unterschiedlichen Gründen Erstickungsanfälle. Alles dies sei weder bei der Festsetzung des GdB noch in dem Gerichtsbescheid berücksichtigt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Mai 2009 sowie die Bescheide des Beklagten vom 30. August 2007 und 4. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Hinsichtlich der Tumorerkrankung der Klägerin sei Heilungsbewährung eingetreten. Unter Berücksichtigung der weiter hinzugetretenen Funktionsbeeinträchtigungen sei der Gesamt-GdB mit 50 zutreffend bemessen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten vom 30.08.2007 und 04.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2008 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der angegriffenen Bescheide, weil eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 13.01.2003 eingetreten ist, die die Herabsetzung des GdB auf 50 seit dem 03.09.2007 rechtfertigt.
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht formell rechtswidrig. Die Klägerin ist vor dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -).
Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht materiell rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die erfolgte Herabsetzung des GdB von 80 auf 50 wegen Eintritts einer tatsächlichen Änderung der Verhältnisse sind erfüllt.
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Bescheid vom 13.01.2003 wegen einer Mund-Rachenerkrankung (Zungenkarzinom) in Heilungsbewährung mit einem GdB von 80 bewertete Behinderungszustand.
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen beurteilt sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, hier dem Widerspruchsbescheid vom 23.06.2008. Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7). Die von der Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemachte Verschlimmerung ihrer Schluckbeschwerden und dadurch verursachte Erstickungsanfälle, insbesondere die im April/Mai 2009 erforderlichen Notaufnahmen, können deshalb nicht berücksichtigt werden. Hierüber wäre im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens wegen Verschlimmerung zu befinden, das nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend noch unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Im Übrigen hat die seit 01.01.2009 an die Stelle AHP getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 13.01.2003 zugrunde lagen, eine Heilungsbewährung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der im November 2001 erfolgten Operation wegen der Zungenkarzinomerkrankung der Klägerin eine Mund-Rachenerkrankung im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie bei einem Krebsleiden - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Im Zustand der Heilungsbewährung ist der GdB höher eingeschätzt, als er dem tatsächlichen Zustand entspricht (AHP Nr. 18 Abs. 7). Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Hierauf wurde die Klägerin im Bescheid vom 13.01.2003 auch hingewiesen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren (vgl. AHP Nr. 26.1 Abs. 3) im Dezember 2006 beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist, wie sich aus den schriftlichen Mitteilungen von Prof. Dr. D. vom 08.02.2007 an den Beklagten sowie vom 06.11.2008 an das SG ergibt. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung der Klägerin wegen einer wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
Zu Recht hat der Beklagte den GdB - für die Zukunft - von 80 auf 50 herabgesetzt. Die Funktionsstörungen der Klägerin bedingen jedenfalls zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids keinen höheren GdB als 50.
Als verbliebene Funktionsbehinderungen der Zungenkarzinomerkrankung sind bei der Klägerin nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Prof. Dr. D. vom 06.11.2008 Sprechschwierigkeiten und eine Behinderung der Nahrungsaufnahme sowie eine psychosomatische Belastung verblieben. Die Bewertung dieser Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 30, wie sie der Beklagte vorgenommen hat, hält Prof. Dr. D. in seiner Stellungnahme für berechtigt. Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. Z. vom 30.10.2008 liegt bei der Klägerin eine diskrete Artikulationsstörung vor. Dass die von der Klägerin geltend gemachten Schluckbeschwerden mit einer erheblichen Behinderung der Nahrungsaufnahme verbunden ist, worauf nach den AHP bei der Bewertung des GdB wegen Schluckstörungen abzustellen ist (vgl. Nr. 26.7), lässt sich den Auskünften der vom SG gehörten Ärzte sowie den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen. Auch Dr. Z. ist der Bewertung der verbliebene Funktionsbehinderungen der Zungenkarzinomerkrankung mit einem GdB von 30 nicht entgegen getreten. Der Senat sieht danach keinen Anlass, von diesen in Übereinstimmung mit den AHP stehenden Bewertungen abzuweichen.
Die auf orthopädischem Gebiet (neu) zu berücksichtigenden Funktionsbehinderungen (der Wirbelsäule und des Schultergelenkes, des Kniegelenks und durch Fußfehlform) hat der Beklagte mit einem Teil-GdB von jeweils 20 angemessen berücksichtigt. Dies hat Dr. H. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 17.12.2008 bestätigt. Befunde, die nach den AHP eine zu Gunsten der Klägerin höhere Bewertung des Teil-GdB auf orthopädischem Gebiet rechtfertigen, hat Dr. H. nicht genannt und lassen sich auch aus den sonst vorliegenden medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen. Der Senat schließt sich deshalb den Bewertungen von Dr. H. auf orthopädischem Fachgebiet an.
Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen, die bei der Neufeststellung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, bestehen bei der Klägerin nicht. Dr. B. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 30.10.2008 bestätigt, dass bei der Klägerin kein GdB-relevanter Augenbefund vorliegt. Hinsichtlich der asymmetrischen Innenohrschwerhörigkeit liegt bei der Klägerin nach den Angaben von Dr. Z. vom 30.10.2008 allenfalls ein Teil-GdB 10 vor, der nach den oben genannten Grundsätzen bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht zu berücksichtigen ist. Auch der Tinnitus der Klägerin rechtfertigt keinen GdB von über 50. Vielmehr hat Dr. Z. bei der Klägerin den Tinnitus als vom Beklagten bei den vegetativen Störungen ausreichen bemessen erachtet und einen Gesamt-GdB von 50 für adäquat gehalten.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die Ermittlungen des SG und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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