L 8 U 6053/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1614/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 6053/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin Anspruch auf Feststellung seiner Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit hatte und ihm deswegen Verletztenrente zustand.

Der 1943 geborene Ehemann der Klägerin, der Versicherte, war eigenen Angaben zufolge in der Zeit von 1959/1960 bis September 1992 mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit und anderweitiger Berufstätigkeit in verschiedenen Dachdeckerbetrieben als Dachdecker tätig. Ab 1992 war er arbeitslos und bezog bis 2004 Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, danach Arbeitslosengeld II. Der Versicherte starb am 24.04.2007.

Im Januar 2005 war beim Versicherten ein Bronchialkarzinom im rechten Lungenlappen diagnostiziert worden, das mit Ärztlicher Anzeige vom 09.02.2005 als Berufskrankheit wegen der vom Versicherten ausgeführten Asbest-Arbeiten als Dachdecker angezeigt wurde. Die Beklagte trat in ein Feststellungsverfahren ein. Sie zog Behandlungsberichte der behandelnden Ärzte bei. Außerdem veranlasste die Beklagte die pathologische Begutachtung der dem Versicherten während der Behandlung im Klinikum in H. (histopathologische Befundbericht von Prof. Dr. R. vom 27.01.2005) entnommenen Gewebeproben. In seinem Gutachten vom 29.07.2005 konnte Prof. Dr. M. bei seinem gegenwärtigen Kenntnisstand eine Berufskrankheit mit der geforderten Wahrscheinlichkeit nicht ableiten. Im radiologischen Gutachten vom 02.09.2005 beschrieb Prof. Dr. N. eine uncharakteristische Zeichnungsvermehrung in den Lungenunterfeldern, die für eine Asbestose untypisch sei. Hinweise auf eine Asbestose oder asbestassoziierte Pleuraveränderungen seien nicht zu erkennen. Auch computertomographisch habe sich kein Hinweis auf eine pleurale Manifestation bei erhöhter beruflicher Asbestexposition ergeben.

Die Beklagte forderte den Versicherungsverlauf des Versicherten von der Landesversicherungsanstalt B.-W. sowie der Innungskrankenkasse (IKK) Iserlohn an und veranlasste im Wege der Amtshilfe eine Berechnung der Asbest-Exposition durch die Präventionsabteilung in K. für die Berufstätigkeit des Versicherten im dortigen Zuständigkeitsbereich ab 1980. Im Bericht vom 07.06.2005 kam der Technische Aufsichtsbeamte (TAB) Dipl.-Ing. H. zu dem Ergebnis, dass in den kurzfristigen Arbeitsverhältnissen bei den Firmen Ri., Ra., K. und E. kein Kontakt zu Asbeststaub und bei den Firmen H. und C. die Beschäftigung weniger als 3 Monate gedauert habe, weshalb im Zeitraum vom Oktober 1984 bis April 1987 bzw. bei der Beschäftigung bei der Firma E. von Juli bis September 1992 keine Faserjahre zu errechnen seien. Bei der Firma G. (beschäftigt vom 20.10.1980 bis 21.05.1982) sei von 0,35 Faserjahren, bei der Firma Ga. (beschäftigt vom 24.05.1982 bis 10.10.1984) von 1,5 Faserjahren und bei der Firma B. S. GmbH (jeweils kurzfristige Beschäftigungen im April/Mai 1988, November/Dezember 1988 und Januar/Februar 1989) von 0,36 Faserjahren auszugehen. In seinen Stellungnahmen vom 26.07.2005 und 31.10.2005 führte Dipl.-Ing. S. aus, es sei nicht ganz auszuschließen, dass der Versicherte nach seiner Schulentlassung im Jahre 1958 als jugendliche Aushilfe gegen Taschengeld zeitweise bereits bei der Firma W. in I. gearbeitet habe, aber wegen fehlender Fachkenntnisse könne er nur mit untergeordneten Arbeiten betraut gewesen sein; ob dabei mit asbesthaltigen Materialien umgegangen worden sei, müsse offen bleiben. Eine asbestrelevante Tätigkeit bei dieser Firma könne erst ab der im Versicherungsverlauf vermerkten Tätigkeit ab 1965 berücksichtigt werden. Mit der Tätigkeit bei der Firma W. vom 28.06.1965 bis 03.09.1971, der Tätigkeit bei 6 verschiedenen Dachdeckerbetrieben vom 21.09.1971 bis 01.02.1974, der offenen Tätigkeit bei der Firma K. und der Arbeitslosigkeit nachfolgenden Beschäftigungen bei weiteren Dachdeckerfirmen mit jeweiligen Unterbrechungen sei unter Berücksichtigung der Berechnung von Dipl.-Ing. H. insgesamt von einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis von rd. 16 Faserjahren auszugehen.

Mit Bescheid vom 10.11.2005 verneinte die Beklagte das Vorliegen einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 7. Buch (SGB VII) i.V.m. Nr. 4104 der Anlage der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Lungenkrebs könne als Berufskrankheit anerkannt werden in Verbindung mit einer Asbestose bzw. einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura oder mit einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis von mindestens 25 Faserjahren. Nach den gutachterlichen Stellungnahmen liege weder eine asbestbedingte Lungen- noch Brustfellerkrankung vor, noch werde die Mindestanforderung von 25 Faserjahren erfüllt.

Der Versicherte legte hiergegen Widerspruch ein, denn Anzeichen einer Pleuraplaque seien nicht hinreichend geprüft worden. Die Berechnung durch Dipl.-Ing. S. berücksichtige nicht die ab 1960 durchgeführten Sanierungen von Flachdächern mit asbesthaltiger Platteneindeckung, wie es sich aus dem vorgelegten Schreiben der Firma W. vom 17.01.2006 ergebe. Außerdem sei auch eine Exposition gegenüber polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) gegeben gewesen, welche die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt von Kombinationsschäden begründe.

In der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme ihrer Sachverständigenstelle vom 03.05.2006 errechnete Dipl.-Chemiker R. eine Exposition des Versicherten gegenüber PAK von 6,1 BaP-Jahren. Der geltend gemachte Einbau von Bitumendachbahnen stimme mit den Erfahrungen von Vergleichsarbeitsplätzen überein, wonach bereits ab Mitte der Sechzigerjahre die Teerdachbahnen durch Bitumendachbahnen vollständig ersetzt worden seien. Dies stelle keine Exposition gegenüber PAK dar. Es sei aber davon auszugehen, dass der Versicherte maximal 6 Stunden im Monat alte Teerdachbahnen abgerissen habe, was in der Summe aller Beschäftigungsverhältnisse keine höhere Dosis ergebe. In der veranlassten ergänzenden Berechnung von Dipl.-Ing. S. vom 12.09.2006 kam dieser nicht mehr zu 16 Faserjahren, wie in seiner vorausgegangenen Stellungnahme, sondern nur noch zu 13,4 Faserjahren. Zur Klärung der Beschäftigungsdauer bei der Firma W. sei die frühere Firmenchefin, die Mutter des jetzigen Inhabers, befragt worden und habe nach den noch erhaltenen alten Geschäftsbüchern Angaben gemacht. Danach seien Steildacheindeckung mit Naturschiefer, Dachziegeln oder Betondachsteinen, Flachdachabdichtungen auf Heißbitumenbasis sowie Dacheindeckungen mit Asbestzementwellplatten und Fassadenverkleidungsarbeiten mit Naturschiefer oder Asbestzement-Kunstschiefer-Schablonen vorgenommen worden.

Mit Bescheid vom 04.05.2006 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII ab, denn das Bronchialkarzinom des Versicherten sei nicht durch die Einwirkung polyzyklischer aromatischen Kohlenwasserstoffe verursacht. Der Dosiswert von 100 BaP-Jahren werde mit 6,1 BaP-Jahren bei weitem nicht erreicht. Auch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen könne bei den festgestellten Dosen nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht ursächlich für das Brochialkarzinom sein. Die Beklagte verwies darauf, dass der Verwaltungsakt Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen ihre Bescheide vom 25.11.2005 und 04.05.2006 zurück.

Der Versicherte erhob am 31.10.2006 gegen den Bescheid vom 25.11.2005 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 10.10.2006 Klage beim Sozialgericht Mannheim mit dem Begehren, sein Lungenkrebsleiden als Berufskrankheit festzustellen und eine Verletztenrente zu gewähren.

Das Sozialgericht holte die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Privatdozent Dr. F., Chefarzt der Medizinischen Klinik II Onkologie der Klinik L., vom 27.04.2007 ein. Danach sei beim Versicherten ein kleinzelliges Lungenkarzinom mit Primärtumor im rechten Lungenoberlappen erstmals am 27.01.2005 durch bronchoskopische Untersuchung in Vollnarkose mit Biopsien aus dem rechten Oberlappenbronchus diagnostiziert worden. Unter Berücksichtigung des Aspekts der Synkanzerogenese sei eine wesentliche berufliche Mitverursachung anzunehmen. In dem neuen BK-Report 2/2006 - Synkanzerogenese - seien neue Erkenntnisse zusammengetragen. Bei Dachdeckern sei die Exposition unter den eingesetzten Arbeitsstoffen in besonderem Maße mit Asbest und PAH gegeben. Ein letztendliches Quorum von Asbest- und PAH-Belastung sei gemäß dem aktuellen wissenschaftlichen Wissensstand aus verschiedenen Gründen nicht festzumachen. Der Einfluss des Zigarettenrauchens modifiziere zwar den Verursachungsanteil. Eine scharfe Trennung bei der Untersuchung zwischen Raucher und Nichtraucher sei jedoch nicht möglich. Nach seiner Beurteilung spiele der Effekt des Rauchens keine Rolle.

Nach dem Tod des Versicherten am 24.04.2007 war der Rechtsstreit unterbrochen. Während der Unterbrechung reichte die Beklagte das Gutachten vom 23.08.2007 zu den Gerichtsakten, in dem Prof. Dr. S. aufgrund der am 25.04.2007 durchgeführten Obduktion zu der Beurteilung gelangte, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4104 nicht vorlägen. Asbestassoziierte Pleuraveränderungen seien bei der anatomisch-pathologischen Untersuchung des Versicherten nicht nachzuweisen gewesen. Eine Minimalasbestose habe histomorphologisch von Prof. Dr. T. nicht belegt werden können. Auch bei der eigenen histologischen und histochemischen Untersuchung hätten sich keine Hinweise auf eine Minimalasbestose ergeben. Die von Dipl.-Chemiker R. errechnete PAK-Exposition mit 6,5 BaP-Jahren und die von Dipl.-Ing. S. errechnete Dosis von 13,4 Faserjahren erreichten jeweils nicht die für die Einzelstoffeinwirkung geforderten Dosisgrenzwerte. Die Frage einer synkanzerogenen Verursachung des Lungenkarzinoms sei nach der Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu verneinen. Bei der Koexposition von Asbest und PAK sei der positive Wahrscheinlichkeitsbeweis einer arbeitsbedingten synkanzerogenen Verursachung erbracht, wenn die Verursachungswahrscheinlichkeit mindestens 50 % betrage. Anhand der veröffentlichten Tabellen könne in Abhängigkeit der Faser- und BaP-Jahre vorliegend bei additiver Kombinationswirkung beider Stoffe eine 37-prozentige Verursachungswahrscheinlichkeit, bei multiplikativer Kombinationswirkung eine 38-prozentige Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

Am 13.05.2008 rief die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin das ruhende Verfahren wieder an, das unter dem neuen Aktenzeichen S 2 U 1614/08 fortgeführt wurde. In der mündlichen Verhandlung am 10.10.2008 legte die Klägerin eine Faserberechnung vor, wonach von einer Dosis von 25,75 Faserjahren auszugehen sei. Mit Urteil vom 10.10.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich unter anderem auf das Gutachten von Prof. Dr. S. und die Dosisberechnung von Dipl.-Ing. S. und Dipl.-Chemiker R ... Das Urteil ist dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Empfangsbekenntnis am 26.11.2008 zugestellt worden.

Die Klägerin hat am 24.12.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die Asbestfaserjahrzahlbelastung müsse deutlich höher veranschlagt werden als bei ordnungsgemäßer Berechnung. Der Ehemann habe mehr Asbestmaterialien mit dem Trennschleifer geschnitten als er verlegt habe. Außerdem sei die Asbestfaserzahl pro Kubikzentimeter für das Trennschleifen auf 500 Fasern pro Kubikzentimeter nach dem früheren Asbestfaserreport zu erhöhen. Auch die berechnete Exposition von 6,1 BaP-Jahren werde der Höhe nach bestritten. Es müsse von einer erheblich höheren Belastung ausgegangen werden. Die Zeiten von 1959-1965 seien nicht abgeklärt, obgleich diese urkundlich belegt sei. Nicht nur in der Zeit bis Mitte der Sechzigerjahre, wie von der Beklagten angenommen, sei noch mit Teer gearbeitet worden, sondern noch viel länger. Hinzuweisen sei auf den Brückenbefund im radiologischen Gutachten vom 02.09.2005. Prof. Dr. N. habe eine Zeichnungsvermehrung in den Unterfeldern der Lunge des Ehemannes festgestellt. Typischerweise finde sich eine asbestbedingte Zeichnungsvermehrung. Im Gutachten von Prof. Dr. S. sei ausdrücklich eine Pleurafibrose diagnostiziert worden, weshalb eine Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 4104 erfolgen müsse. Es erstaune, wenn in diesem Gutachten behauptet werde, asbestassoziierte Pleuraveränderungen seien nicht nachzuweisen. Ein Brückenbefund im Sinne einer Pleurafibrose werde auch von Dr. S. beschrieben, der "plaqueartige/polsterartige Pleuraverdickungen" angebe. Es sei nicht hinnehmbar, wenn das Sozialgericht die Ermittlungen allein der Berufsgenossenschaft überlasse. Es sei von Amts wegen ein weiteres Gutachten einzuholen. Es sei auch kein Gutachterauswahlrecht bei den Gutachten von Prof. Dr. M., Dr. F. und später bei Prof. Dr. S. von der Beklagten eingeräumt worden. Es liege daher ein Verstoß gegen § 200 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII vor. Dies gelte insbesondere für die Beauftragung von Prof. Dr. T ... Das pathologische Gutachten von Prof. Dr. M. sei von der Biologin Dr. F. erstellt worden. Auch von daher sei dieses Gutachten entbehrlich und unzulässig. Die Untersuchungsmethode von Dr. F. und Dr. M. sei nicht ersichtlich. Die noch vorhandenen Schnittpräparate und Parrafinblöcke seien von einem Sachverständigen zu überprüfen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Oktober 2008 und die Bescheide der Beklagten vom 25. November 2005 und 4. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Lungenkarzinom ihres verstorbenen Ehemannes als Berufskrankheit nach Nrn. 4104, 4113, hilfsweise nach Nr. 4114 der Anlage 1 zur BKV festzustellen und Verletztenrente ab Antragstellung bis 30. April 2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Ein substantiiertes Vorbringen, das Anlass zur Neuberechnung der Belastung geben könnte, sei nicht erfolgt.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Gemäß richterlicher Auflage hat die Beklagte auch die bei ihr nach Erlass des angefochtenen Widerspruchsbescheids entstandenen Aktenvorgänge dem Senat vorgelegt; diese Unterlagen und die beigezogenen Akten sind zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird hierauf und auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und insgesamt zulässig.

Der Senat geht davon aus, dass auch der in der Klageschrift nicht angeführte Bescheid der Beklagten vom 04.05.2006 mit der Klage zulässig angefochten ist, denn der Klageantrag in der Klageschrift vom 31.10.2006 enthielt das Begehren, den Widerspruchsbescheid, mit dem die Widersprüchen gegen beide Bescheide zurückgewiesen worden waren, aufzuheben und in der Klagebegründung vom 06.02.2007 wird unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VII eine Berufskrankheit auch wegen der Exposition gegenüber PAK und der Kombinationswirkung mit Asbest geltend gemacht, worüber im Bescheid vom 04.05.2006 entschieden worden ist.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 25.11.2005 und 04.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2006 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Krebserkrankung ihres Ehemannes als Berufskrankheit und hat daher auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente für die Vergangenheit.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.

Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Abweichend von der früheren Verwendung des Begriffs der haftungsbegründenden Kausalität ist auch im Berufskrankheiten-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität zu bezeichnen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009, aaO). Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Erst die Verursachung einer Erkrankung oder ihre wesentliche Verschlimmerung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen - in nachgewiesener Dauer und Intensität - begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.

Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 Rdnr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).

Nach diesen Grundsätzen ist keine Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV festzustellen. In Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV ist als Berufskrankheit bezeichnet: Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs - in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) - in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder - bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x 10(hoch)6 ((Fasern/cbm) X Jahre)).

Diese Voraussetzungen lagen bei dem Versicherten nicht vor. Eine Asbeststaublungenerkrankung oder eine Erkrankung der Pleura ist nicht nachgewiesen. Bei der Obduktion des Versicherten fand Prof. Dr. S. keinen Nachweis von Asbestkörperchen und einer Lungengerüstfibrose. Die Sektionshistologie ergab u.a. kleinherdige Infiltrationen des hilären Fettgewebes und ferner in den basalen Lungenabschnitten den Nachweis von perivaskulären Ablagerungen von anthrakotischem Pigment. In der Eisenfärbung wurde jedoch kein Asbestkörperchen nachgewiesen. Eine Verbreiterung des interstitiellen Bindegewebes fand sich nicht. Dagegen war in der Pleura parietalis beidseits gering verbreitertes, kollagenes Bindegewebe nachzuweisen, jedoch ohne spaltförmige Hohlräume oder hyaliner Verquellung der Bindegewebefasern, weshalb Prof. Dr. S. für den Senat nachvollziehbar eine fokale Pleurafibrose, aber ohne Nachweis hyaliner Pleuraplaques diagnostizierte. Asbestassoziierte Pleuraveränderungen sind nach der von Prof. Dr. S. durchgeführte anatomisch-pathologischen Untersuchung nicht nachgewiesen worden. Dies stimmt mit der gutachtlichen Bewertung vom 02.09.2005 überein, in der Prof. Dr. N. die von der Beklagten beigezogenen Röntgenaufnahmen und die Computertomographie vom 14.04.2005 der behandelnden Ärzte ausgewertet hat und ebenfalls keinen Hinweis auf eine Asbestose oder asbestassoziierte Pleuraveränderungen hat erkennen können. Die beschriebene uncharakteristische Zeichnungsvermehrung in den Unterfeldern der Lunge, die nach Prof. Dr. N. für eine Asbestose untypisch ist, korreliert mit dem Obduktionsbefund von perivaskulären Ablagerungen in den basalen Lungenabschnitten. Auch nach Prof. Dr. S. steht dies in keinem Zusammenhang mit einer Asbestose. Nach der von ihm durchgeführten histologischen und histochemischen Untersuchung ist auch eine Minimalasbestose auszuschließen, was dem Untersuchungsergebnis von Prof. Dr. T. in ihrem Gutachten vom 04.07.2007 entspricht. Sie fand sowohl bei ihrer feingeweblichen histomorphologischen und histochemischen Untersuchung als auch bei der staubanalytischen Untersuchung des von Prof. Dr. S. zur Verfügung gestellten Lungengewebes ebenso wenig eine Minimalasbestose. Der von Dr. S. beschriebene Computertomographie-Befund einer plaqueartigen/polsterartigen Pleuraverdickung (Arztbrief vom 15.04.2005) ist nach dem aussagekräftigeren Obduktionsbefund geklärt, zumal Prof. Dr. N. in Auswertung dieser Computertomographie keinen Befund einer Asbestose sah.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Gutachten von Prof. Dr. S. und von Prof. Dr. T. verwertbar, weil der gerügte Verstoß gegen § 200 Abs. 2 1. Halbsatz SGB VII nicht vorliegt (vgl. zum Verwertungsverbot BSG, Urt. vom 05.02.2008, SozR 4-2700 § 200 Nr. 1). Es kann dahinstehen, ob der Sonderrechtsnachfolger sich wirksam auf ein Gutachter-Auswahlrecht, das nach dieser Vorschrift allein dem "Versicherten" zusteht, berufen kann. Denn vorliegend wurde die Auswahl des Gutachters Prof. Dr. S. von der Klägerin konkludent getroffen. Aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Beklagten, die nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2006 und während des Ruhens des erstinstanzlichen Verfahrens entstanden sind, ist ersichtlich, dass die Angehörigen des Versicherten bzw. die Klägerin nach dessen Tod die Überführung des Leichnams in das Pathologische Institut in Heidelberg veranlasst haben. In Aktenvermerken vom 24.04.2007 (Blatt 4 und 12 des Aktenhefts) ist festgehalten, dass die Praxis des Hausarztes des Versicherten, Praxis Dr. J. (gemeint ist wohl Praxis Dr. J.), die Beklagte, Herrn R., telefonisch vom Tod des Versicherten verständigte und den Wunsch der Angehörigen nach einer Obduktion weitergab. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass der Leichnam bereits in das Institut für Pathologie nach H. transportiert worden sei. Damit ist auch vereinbar, dass die von Klägerin an die Beklagte zur Erstattung vorgelegte Rechnung des Bestattungsunternehmens K. vom 09.05.2007 an den Angehörigen des Versicherten, M. W. in K., gerichtet war. Auftraggeber der Überführung war demzufolge nicht die Beklagte, sondern die Familie des Versicherten. Damit ist schlüssig das Einverständnis erklärt, dass ein pathologisches Gutachten von einem Verantwortlichen des Pathologischen Instituts in H. erstattet werden soll. Dem ist die Beklagte nachgekommen. Das Vorbringen der Klägerin, ein Auswahlrecht sei ihr nicht eingeräumt worden, ist nicht überzeugend. Soweit Prof. Dr. S. als im Sinne von § 200 Abs. 2 1. Halbsatz SGB VII gewählter Gutachter nach seiner gutachtlichen Einschätzung eine Zusatzuntersuchung bei Prof. Dr. T. als notwendig erachtet und veranlasst hat, ist dies nach dem Verfahrensgang noch vom Einverständnis der Angehörigen gedeckt. Dies ist kein weiterer Gutachtensauftrag, sondern stellt sich als Abwicklung des Prof. Dr. S. erteilten Gutachtensauftrages dar (so auch Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 200 Anm. 4.3). Zudem ist das vorweggenommene Einverständnis der Angehörigen zu unterstellen, denn sie wünschten ohne personale Konkretisierung ein Gutachten des Pathologischen Instituts H., was auch das Einverständnis beinhaltet, dass die dort für erforderlich angesehenen Zusatzuntersuchungen veranlasst werden. Darüber hinaus ist das Ergebnis der von Prof. Dr. T. durchgeführten Untersuchungen für den Senat auch nicht entscheidungserheblich gewesen, denn es hat nur das bereits aufgrund der eigenen Untersuchungen von Prof. Dr. S. gefundene Ergebnis bestätigt. Selbst wenn daher ein Verwertungsverbot für das Gutachten von Prof. Dr. T. insoweit bestünde, käme der Senat zu keiner anderen Beurteilung. Ein Verstoß gegen § 200 Abs. 2 2. Halbsatz SGB VII (Hinweis auf das Widerspruchsrecht zur Übermittlung von Sozialdaten nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB X und Information über den Gutachtenzweck) liegt ebenso wenig vor. Dem Versicherten war das Formular der Beklagten zur Schweigepflichtentbindung mit entsprechendem Hinweis auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB X übersandt worden, das dieser unter dem 22.03.2005 unterschrieben hatte und zu den Akten der Beklagten zurückreichte. Der Zweck des Gutachtens von Prof. Dr. S. war den Angehörigen bekannt. Das Gutachten von Prof. Dr. M. vom 29.07.2005 hat der Senat nicht berücksichtigt. Ob insoweit ein Verwertungsverbot nach § 200 Abs. 1 SGB VII bestünde, kann dahinstehen.

Auch die Einwirkungskausalität von 25 Faserjahren ist nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Die Berechnungen von Dipl.-Ing. H. und Dipl.-Ing. S. beruhen auf den eigenen Angaben des Versicherten, auf den Erläuterungen der Beschäftigungsbetriebe, den eingeholten Versicherungsverläufen und den allgemeinen Erfahrungswerten. Versicherte Tätigkeiten ab 1959 sind nicht mehr zu ermitteln gewesen. Im Versicherungsverlauf des Rentenversicherungsträgers sind ab 19.10.1960 mit Unterbrechungen Versicherungszeiten angegeben. Ein Versicherungsnachweis der Krankenkasse ist erst für die Tätigkeit bei der Firma W. ab 28.06.1965 durch die Vereinigte IKK I. geführt. Art und Zeitdauer von relevanten Schadstoffexpositionen vor 1965 sind nicht weiter aufzuklären. Hinreichende Ermittlungsansätze sind weder erkennbar noch von der Klägerin vorgetragen. Soweit der Versicherte angegeben hatte, bereits ab 1959 bei der Firma W. gearbeitet zu haben, ist die behauptete Tätigkeit für den Zeitraum bis 1965 nicht mit dem für die richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Grad einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Zum einen ist im ersten, vom Versicherten vorgelegten Nachweis der Firma W. vom 30.04.1982 eine Tätigkeit ab 1964 bis 1971 ausgewiesen, was sich weitgehend mit den später von Dipl.-Ing. S. durchgeführten Ermittlungen deckt. Die später erstellte Bescheinigung der Firma vom 17.01.2006 mit einer Beschäftigungszeit von 1960-1970 ist durch den derzeitigen Firmeninhaber selbst in dem am 07.08.2006 geführten Telefonat (Aktenvermerk vom 08.08.2006, Bl. 273 der Verwaltungsakte) relativiert worden. Die Ehefrau des damaligen und Mutter des jetzigen Firmeninhabers, die in den vierziger Jahren nach Rückkehr ihres Ehemannes aus der Kriegsgefangenschaft mit diesem gemeinsam als kaufmännische Angestellte den Betrieb wieder aufgebaut hatte, konnte nach Durchsicht der noch vorhandenen Geschäftsunterlagen eine Tätigkeit des Versicherten, an den sie sich auch noch erinnern konnte, vor 1965 nicht bestätigen. Anhand der Unterlagen konnte auch der Anteil der bis 1971 im Dachdeckerbetrieb anfallenden Gewerke ermittelt werden. Die von Dipl.-Ing. S. in seiner Stellungnahme vom 12.09.2006 nach dem Berufskrankheiten-Report "Faserjahre" Stand 10/2004 angestellte Berechnung, wobei zu Gunsten des Versicherten von einer 44-Stunden-Woche, von selbst ausgeführten Schneidearbeiten mit einer Flex (Tabelle 7.10: Wellplattenverarbeitung, Schneiden mit der Flex) und entsprechend den ermittelten Fassadenverkleidungsarbeiten zu Gunsten des Versicherten von 10 Stunden im Monat ausgegangen wurde, ist unter Verwendung des im Report angegebenen Schichtmittelwertes, der bereits bei der Berechnung in der Stellungnahme vom 31.10.2005 zugrunde gelegt worden war, nachvollziehbar begründet. Substantiierte Einwände hiergegen sind von der Klägerin nicht erhoben worden. Die von Dipl.-Ing. S. zugrundegelegten Werte stimmen mit der Fassung des Berufskrankheiten-Reports Faserjahre, Stand 1/2007 überein, der den neuesten Erkenntnisstand des interdisziplinären Arbeitskreises wiedergibt (vgl. Seiten 20 und 23 des Reports). Die von der Klägerin zitierten Werte aus dem Berufskrankheiten-Report, Stand 1/1994, Tab. 24 (Prüfstandergebnisse bei Arbeiten mit dem Trennschleifer ohne Staubschutz: Konzentration von 500 Fasern pro Kubikzentimeter) sind nach den neuesten Erkenntnissen überholt. Die zuvor erhobene Rüge, dass Zuschneidearbeiten, das Bohren von Befestigungslöchern usw. nicht berücksichtigt worden seien, war nicht gerechtfertigt, da die üblichen Arbeiten im Schichtmittelwert für die Bearbeitung der entsprechenden Asbestmaterialien berücksichtigt sind.

Die Tätigkeit des Versicherten bei Betrieben im Zuständigkeitsbereich der Bezirksstelle K. der Beklagten sind von Dipl.-Ing. H. aufgrund der Angaben des Klägers und Anhörung der Firmeninhaber Gl. und Ga., mit denen Beschäftigungsverhältnisse von längerer Dauer als nur wenige Monate begründet worden waren, berechnet worden. Es wurde jeweils der Schichtmittelwert für großformatige Tafeln und kleinformatige Tafeln im Fassadenbau bzw. bei der Verlegung von Dachwellplatten und Kleinplatten nach dem Berufskrankheiten-Report nachvollziehbar berücksichtigt. Die für die genannten Beschäftigungsverhältnisse ermittelten Faserjahre von 2,21 sind nicht zu beanstanden. Die Expositionsberechnung der Beschäftigungszeiträume des Versicherten ab 1980 im Zuständigkeitsbereich der Bezirksverwaltung K. wurden von der Klägerin auch nicht weiter gerügt. Die von Dipl.-Ing. S. in seinem Bericht vom 12.09.2006 vorgenommene Gesamtwürdigung aller relevanten Beschäftigungszeiten mit 13,4 Faserjahren ist rechtlich nicht zu beanstanden. Letztlich wird diese Dosisberechnung der Asbestexposition durch den medizinischen Befund, der keine Minimalasbestose ergeben hat, bestätigt.

Auf die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 4113 oder 4114 besteht ebenfalls kein Anspruch.

Nach Nr. 4113 der Anlage 1 zur BKV ist durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo[a]pyren-Jahren [(µg/m3) x Jahre] verursachter Lungenkrebs eine Berufskrankheit.

Ebenso ist nach Nr. 4114 Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die einer Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 Prozent nach der Anlage 2 entspricht, eine Berufskrankheit. Die Berufskrankheit Nr. 4114 kommt nur in Betracht, wenn nicht bereits die Berufskrankheiten nach Nrn. 4104 und 4113 vorliegen.

Für die Berufskrankheiten Nrn. 4113 und 4114 gelten die Regelungen für die Rückwirkung der Feststellung als Berufskrankheit nach § 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BKV. Leiden danach Versicherte am 1. Juli 2009 an einer Krankheit nach Nummer 2112, 4114 oder 4115 der Anlage 1, ist diese auf Antrag als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 30. September 2002 eingetreten ist. Leiden Versicherte am 1. Juli 2009 an einer Krankheit nach Nummer 4113 der Anlage 1, ist diese auf Antrag als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 30. November 1997 eingetreten ist.

Die Klage auf Feststellung einer Berufskrankheit nach Nrn. 4113 und 4114 ist danach zulässig, obgleich die Beklagte nicht ausdrücklich eine Entscheidung über die mit Änderung der BKV vom 11.06.2009 bekannt gemachten Berufskrankheiten in ihren angefochtenen Bescheiden aus den Jahren 2005 und 2006 getroffen hat. Gleichwohl liegt eine mit diesem Klageziel anfechtbare Entscheidung der Beklagten vor. Im Bescheid vom 04.05.2006 hat die Beklagte in Anwendung der Empfehlungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirats (Veröffentlichung vom 05.02.1998, BArbBl, Nr. 4, Seite 80ff betreffend Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe; Veröffentlichung der wissenschaftlichen Begründung vom 01.02.2007, GMBl 23/2007, 474 zu Lungenkrebs infolge Synkanzerogenese) materiell über das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Berufskrankheiten als Wie-Berufskrankheiten entschieden. Der Tatbestand der Berufskrankheiten Nrn. 4113 und 4114 ist unverändert aus den Empfehlungen des Sachverständigenbeirats übernommen. Nach der Rückwirkungsregelung in § 6 Abs. 1 BKV wäre der Antrag des im Jahr 2005 an Lungenkrebs erkrankten Versicherten, hätte er am 01.07.2009 noch gelebt, beim Vorliegen der Voraussetzungen mit Rückwirkung anzuerkennen gewesen, da der geltend gemachte Versicherungsfall nach dem 30.09.2002 bzw. 30.11.1997 eingetreten wäre.

Für beide Berufskrankheiten ist aber die erforderliche Einwirkungskausalität nicht nachgewiesen. Auch insoweit ist die Berufung mit Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Nach der die Berufskrankheit Nr. 4113 betreffende Dosisberechnung von Dipl.-Chemiker R. (Bericht vom 03.05.2006) war der Versicherte gegenüber polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe im Umfang einer Dosis von 6,1 BaP-Jahren exponiert, womit der Dosiswert von 100 BaP-Jahren deutlich unterschritten wird. Berücksichtigt wurde nachvollziehbar, dass bereits Mitte der Sechzigerjahre die bislang verwendeten Teerdachbahnen durch Bitumendachbahnen beim Neubau nahezu vollständig ersetzt worden waren. Heißbitumendämpfe begründen jedoch keine Exposition gegenüber PAK. Der Versicherte war daher allenfalls im Falle der Sanierung von Dacheindeckungen, bei denen alte Teerdachbahnen entfernt wurden, PAK-exponiert. Diese Grundannahme der Dosisermittlung von Dipl.-Chemiker R. resultiert aus den Erfahrungen von Vergleichsarbeitsplätzen und stimmt auch mit den Angaben des Versicherten selbst überein, wonach er meist Bitumendachbahnen verlegt habe. Da auch in diesem Zusammenhang Beschäftigungsverhältnisse vor 1965 nicht hinreichend geklärt sind und Art und Dauer einer etwaigen Exposition nicht mehr zu ermitteln sind, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Zeitraum vor 1965 bei der Expositionsermittlung außer Betracht bleibt. Eine Konkretisierung der Beschäftigungsverhältnisse des Versicherten vor 1965 ist durch die Klägerin nicht erfolgt, entsprechende Ermittlungsansätze sind auch nicht benannt worden. Zu Gunsten des Versicherten ist bei der Berechnung von Dipl.-Chemiker R. eine Exposition gegenüber PAK-Stäuben von 6 Stunden im Monat in allen Beschäftigungsverhältnissen in Dachdeckerbetrieben bzw. Zimmereien, selbst bei denen, zu denen der Versicherte keine konkreten Angaben machen konnte, zugrundegelegt worden. Hierzu ist von der Klägerin nichts Substantiiertes eingewandt worden.

Für die Berufskrankheit Nr. 4114 ist die kumulative Einwirkungskausalität aus Asbestfaserbelastung und PAK-Einwirkung ebenfalls nicht nachgewiesen. Professor Dr. S. hat unter Anwendung der in der Anlage 2 zur BKV ersichtlichen Tabellenwerte die erforderliche Verursachungswahrscheinlichkeit von 50 % verneint. Dies ergibt sich sowohl bei einem Ausgangspunkt von 13,4 Faserjahren und 6,1 BaP-Jahren mit einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 37 % als auch bei Anwendung der früher zu Gunsten des Versicherten errechneten 16 Faserjahren und 6,1 BaP-Jahren mit einer Verursachungswahrscheinlichkeit von 41 %.

Ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente ist daher ebenso wenig begründet gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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