L 9 AL 116/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AL 236/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 116/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15. Juni 2000 geändert. Der Bescheid vom 22. Juli 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. Oktober 1999 wird aufgehoben, soweit die laufende Leistung für die Zeit vom 01. Juli 1999 bis 24. Juli 1999 gekürzt worden ist. Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die rückwirkende teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für den Zeitraum vom 26.10.1998 bis 30.06.1999 und gegen die Rückforderung von 7.967,53 DM. Er beansprucht darüber hinaus auch für die anschließende Zeit die Zahlung der Alhi ohne Anrechnung von Einkommen seiner Partnerin ...

Der 1950 geborene Kläger lebte nach seinen Angaben seit etwa 1987 in seiner Wohnung zeitweilig mit der Zeugin ... zusammen. In dieser Zeit schlossen sie gemeinam einen Bausparvertrag ab und bauten zusammen ein zu gleichen Teilen in gemeinschaftlichem Eigentum stehendes Einfamilienhaus, das sie 1992 bezogen. Auch die Mutter der Zeugin zog zunächst für etwa ein Jahr mit in dieses Haus ein. Eingerichtet wurden das Einfamilienhaus im wesentlichen mit den Möbeln und dem Hausrat des Klägers.

Der Kläger steht seit 1994 im Leistungsbezug bei der Beklagten und bezog zunächst bis 29.09.1995 Arbeitslosengeld (Alg). In dem Antrag auf Anschluss-Alhi vom 12.09.1995 führte er in der Rubrik 8: "Vermögen seines Ehegatten oder Partners in eheähnlicher Gemeinschaft" Guthaben und Belastungen der Wohngemeinschaft .../ ... auf. Zur Bewilligung der Alhi kam es nicht, weil der Kläger damals an einer Fortbildungsmaßnahme teilnahm. Er bezog danach bis 17.04.1996 Unterhaltsgeld (Uhg) und bis 27.04.1996 Alg in Höhe von wöchentlich 433,20 DM. Am 27.06.1996 beantragte er Anschluss-Alhi und gab erneut an, mit der Zeugin ... seit 01.05.1992 in einem gemeinsamen Haushalt zu leben. Er reichte eine von der Zeugin am 28.06.1996 unterzeichnete Aufstellung ihrer Aufwendungen zu den Akten, die mit "Anlagen zum Antrag auf Alhi (eheähnliche Gemeinschaft)" überschrieben ist. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Alhi in Höhe von 194,46 DM (Bescheid vom 12.07.1996). Sie berücksichtigte Einkommen der Zeugin ... in Höhe von wöchentlich 188,34 DM. Die Anrechnung des Einkommens beanstandete der Kläger damals nicht. Ab 14.02.1997 bezog er Kranken- und Übergangsgeld und vom 25.02.1998 bis 25.10.1998 erneut Alg.

Er beantragte am 02.09.1998 Anschluss-Alhi. Hier machte er die gleichen Angaben wie in den früheren Anträgen. Er fügte dem Antrag eine von der Zeugin ... erstellte Einkommenerklärung/Verdienstbescheinigung bei, der auch eine Bescheinigung ihrer Arbeitgeberin Deutschen Krankenversicherungs AG (DKV) über das Brutto/Nettoarbeitsentgelt der Monate 06. bis 08.1998 beilag. Die Zeugin gab an, für die Krankenversicherung 5.709 DM, für die Lebensversicherung 1.120 DM und und für die Haftpflichtversicherung 741 DM jährlich aufwenden zu müssen. Der Weg zur Arbeit betrage je Strecke 47 Kilometer. Für einen privaten Einstellplatz bei der DKV bezahle sie 46 DM. Mit grüner Schrift des Sachbearbeiters ist in der Rubrik 9 dieses Beiblatts ergänzend vermerkt: "angeblich keine finanzielle Unterstützung gegenseitig". Der Kläger reichte weiterhin Unterlagen über Grundsteuer in Höhe von 472,76 DM, die Hausfinanzierung mit einer Zinsbelastung für das Jahr 1997 in Höhe von 13.427,67 DM, die Einzahlungen auf den Bausparvertrag in Höhe von mtl 275 DM, die Beiträge für die Wohngebäudeversicherung, die Haurat-Glasversicherung, die Gewässerschadenversicherung über zusammen 882,90 DM, die Kfz Haftpflicht und Fahrzeugversicherung (der Zeugin) zum vierteljährlichen Beitrag (30 %, SF 18) von 257,50 DM, die Familienrechtsschutz einschließlich Grundstück in Höhe von 220 DM sowie die Haftpflichtversicherung in Höhe von 126,20 DM zu den Akten. Ferner legte er eine Gehaltsabrechnung der Zeugin ... für August 1998 vor.

Die Beklagte errechnete einen Anrechnungsbetrag in Höhe von monatlich 974,51 DM bzw. wöchentlich 224,89 DM. Sie berücksichtigte einen Freibetrag in Höhe der fiktiven Alhi der Zeugin mit 1.509,08 DM, weitere Abzüge für Steuern, Versicherungen, Werbungskosten (36,79 DM, 188,90 DM, 18,33 DM, 10,52 DM, 470 DM und 1.707,23 DM) von insgesamt 2.431,77 DM sowie einen Pauschbetrag in Höhe von 257,53 DM und übersandte dem Kläger am 12.10.1998 zu seinem Antrag auf Alhi ein entsprechendes Hinweisschreiben und den Berechnungsbogen mit der Berechnung des nach § 194 Sozialgesetzbuch/Arbeitsförderung (SGB III) auf die Alhi anzurechnenden Einkommens.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 19.10.1998 Alhi ab 26.10.1998 zu einem Leistungssatz von zunächst 369,53 DM (Bemessungsentgelt 1.290 DM, Leistungsgruppe A/0) und ab 01.01.1999 unter Berücksichtigung der Leistungsverordnung (LVO) 1999 zu einem Leistungssatz von 370,44 DM, dies laufend ohne Anrechnung des Einkommens seiner Partnerin.

Im Zusammenhang mit einer am 15.06.1999 eingegangenen anonymen Anzeigende, in der der Anzeigen mitteilte, der Kläger lebe mit seiner Lebensgefährtin in einer eheähnlichen Gemeinschaft und missbrauche die Alhi, bemerkte die Beklagte im Juni 1999 ihr Versäumnis. Sie stellte eine Überzahlung in Höhe von 7.967,33 DM fest und hörte den Kläger mit Schreiben vom 21.07.1999 an. Er habe die Überzahlung zwar nicht verschuldet, jedoch erkennen können, dass die Voraussetzungen für diese Leistungen nicht vorgelegen hätten. Mit Änderungsbescheid vom 22.07.1999 berücksichtigte sie ab 01.07.1999 die Anrechnung des Einkommens der Parteien in Höhe von wöchentlich 224,89 DM und bewilligte dem Kläger ab diesem Zeitpunkt Alhi in Höhe von jetzt noch 145,53 DM.

Der Kläger erwiderte, die Bewilligungsbescheide hätten die Höhe der Leistung festgelegt und deshalb habe er die Alhi in dieser Höhe rechtmäßig bezogen. Diese Bescheide seien korrekt. Ihm sei nicht bekannt, dass ein Betrag anzurechnen sei und dies sei auch rechtlich nicht zu vertreten.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 13.08.1999 die Bewilligung der Leistung für die Vergangenheit ab 26.10.1998 auf, weil der Kläger die Alhi ohne den ihm durch Bescheid vom 12.10.1998 mitgeteilten Anrechnungsbetrag erhalten habe und er den Fehler ohne weiteres hätte erkennen können. Sie forderte vom Kläger insgesamt 7.967,53 DM zurück.

Die jeweils eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit zwei Bescheiden vom 06.10.1999, gestützt auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Sozialgesetzbuch/Verwaltungsverfahren (SGB X) zurück. Es könne nicht ernstlich bestritten werden, dass der Kläger seit Mai 1992 mit der Zeugin ... in eheähnlicher Gemeinschaft lebe. Auf die Alhi seien ab 01.07.1999 wöchentlich 224,89 DM anzurechnen. Zu Recht erhalte der Kläger die Alhi jetzt noch in Höhe von 145,53 DM. Leistungen habe er in der Vergangenheit für 248 Tage bezogen. Insgesamt errechne sich ein Erstattungsbetrag von 7.967,53 DM. Der Kläger hätte erkennen und die Beklagte darüber informieren müssen, dass ihm die Leistungen nicht zustanden. Der Bescheid vom 12.10.1998, dem der Berechnungsbogen beilag, sei ordnungsgemäß an den Kläger abgesandt worden. Der Bescheid sei nicht zurückgekommen.

Die Klägerin hat gegen beide Widerspruchsbescheide vom 06.10.1999 binnen Monatsfrist Klage erhoben. Nur hinsichtlich der Miteigentümergemeinschaft werde gemeinsam gewirtschaftet; in der allgemeinen Lebensführung hingegen nicht. Jeder würde für seinen Unterhalt selbst aufkommen. Sie hätten sich auch keine gegenseitige Kontovollmacht erteilt. Nachdem ihm die Alhi gekürzt worden sei, trage ... die Lasten des Hauses komplett. Dadurch ginge ihm absprachegemäß im Innenverhältnis Eigentum verloren. 1996/1997 habe er die Anrechnung des Vermögens der Partnerin in Kauf genommen, weil er auf baldige Arbeit gehofft habe. Die Zeugin sei rechtlich überhaupt nicht verpflichtet, für ihn einzustehen. Von einer eheähnliche Gemeinschaft könne nicht die Rede sein.

In der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2000 hat das Sozialgericht (SG) beide Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat und Frau ... als Zeugin gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die über die Beweisaufnahme geführte Sitzungsniederschrift Bezug genommen

Das SG hat durch Urteil vom 15.06.2000 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, die Alhi über Juli 1999 hinaus ungekürzt zu zahlen. Der Kläger lebe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit der Zeugin nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Insbesondere bestehe nach den auslegungsstrengen Maßstäben, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG in SozR 3-4100 § 137 Nr 3) aufgestellt habe, keine Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft. Nur hinsichtlich des Miteigentums bestehe eine gemeinsame Kontenführung. Hingegen seien keine Verträge abgeschlossen, die den sog. Partner begünstigt. Hinsichtlich der Haushaltsgegenstände bestehe kein gemeinsames Eigentum und die Urlaube würden nicht gemeinsam finanziert. Die Zeugin unterstütze den Kläger auch nur vorübergehend, und im Innenverhältnis wachse ihr dessen Eigentumsanteil an dem Haus an. Es sei nachvollziehbar, dass sie an dem Haus hänge und dieses nicht verkaufen wolle. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger in den früheren Anträgen seine Beziehung zu der Zeugin als eheähnlíche Gemeinschaft bezeichnet habe. Die wesentlichen Fragen habe er damals schon mit "nein" angekreuzt. Auch sei nicht maßgeblich, dass er 1996 die Anrechnung akzeptiert habe. Jetzt wende er sich schon 1½ Jahre mit relevanter Begründung gegen die Bewertung seiner Beziehung zu der Zeugin als eheähnlich. Danach sei sowohl die Aufhebung der Bewilligung wie auch die gekürzte Auszahlung der Alhi rechtswidrig. Dies gelte auch für die Folgebescheide.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 30.06.2000 zugestellte Urteil am 27.07.2000 Berufung eingelegt und angeführt, es lägen genügend Anhaltspunkte dafür vor, die den Schluss auf das Bestehen einer ehetypischen gemeinsamen Haushalts- und Wirtschaftsführung rechtfertigten. Die Lebensgemeinschaft bestehe bereits seit langem und werde im wesentlichen von Regelungen getragen, wie sie auch bei Eheleuten vorkämen. Der Kläger habe die Zeugin ... stets als Partnerin in eheähnlicher Gemeinschaft bezeichnet und dies erstmals im Klageverfahren in Zweifel gezogen. So habe er auch die Anrechnung des Vermögens der Zeugin in den Jahren 1996/1997 nicht beanstandet. Gerade der Umstand, dass diese sich wegen der finanziell angespannten Situation an den Lebenshaltungs kosten des Klägers und an der Finanzierung des Hauses beteilige, spreche entgegen der Sichtweise des SG als Einstehen des Partners in einer Notlage und für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft. Derartige, wenn auch darlehensweise Zuwendungen seien nur durch die besonderen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Zeugin erklärbar.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2001 vereinbart, den Rechtsstreit auf die Überprüfung der Bescheide vom 22.07.1999 und 13.08.1999 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 06.10.1999 zu beschränken.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.06.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Zeugin sei gerade nicht rechtlich verpflichtet, ihm Unterhalt zu zahlen. Nur ein Unterhaltsanspruch könne den Anspruch auf Alhi mindern. Die Partnerin zahle die Belastungen des Hauses nicht, um für ihn einzustehen. Ihr Ziel sei es zu verhindern, dass das Haus "unter den Hammer" komme. Er hat auf Rückfrage des Gerichts ergänzend erklärt, seine Partnerin seit 1987 zu kennen. Er habe mit ihr auch damals schon zeitweilig zusammengelebt, dies vorwiegend in seiner Wohnung. Jeder habe allerdings seine Wohnung noch beibehalten. Er hat erstmals vorgetragen, die Beklagte habe die Anrechnungsbeträge unzutreffend errechnet, was die Bewilligung der Alhi ab dem am 26.10.1999 beginnenden Bewilligungsabschnitt und auch ab dem darauf folgenden, am 26.10.2000 beginnenden nächsten Bewilligungsabschnitte verdeutliche. Bei in etwa gleichen Voraussetzungen rechne die Beklagte seitdem lediglich 131,58 DM an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Stammnummer ...) sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in dem im Tenor ausgesprochenen Umfang begründet. Die angefochtenen Bescheide sind bis auf den Zeitraum vom 01.07.1999 bis 24.07.1999 rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung der Alhi rückwirkend für die Zeit vom 26.10.1998 bis zum 30.06.1999 teilweise aufgehoben und vom Kläger die Erstattung der Überzahlung in Höhe von 7.967,53 DM verlangt. Nicht zu beanstanden ist auch die Änderung der Bewilligung der Alhi für die Zukunft, allerdings erst mit Wirkung ab 25.07.1999. Ab diesem Zeitpunkt waren im jetzt noch streitigen, bis zum 26.10.1999 laufenden Bewilligungsabschnitt wöchentlich jedenfalls 224,89 DM anzurechnen.

Die mit Bescheid vom 19.10.1998 bewilligte Alhi war von Beginn an rechtswidrig, weil in Höhe von zumindestens 224,89 DM wöchentlich das Einkommen der mit dem Kläger in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Zeugin ... zu berücksichtigen war (§ 194 Abs. 1 Satz 1 Nr 2 SGB III). Dies berechtigte die Beklagte zur rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung (§ 45 Abs. 1 SGB X). Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger mit der Zeugin jedenfalls seit 1992 in eheähnlicher Gemeinschaft lebt und diese trotz der vom Kläger angeführten Spannungen auch heute noch Bestand hat. Eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne der Vorschrift des § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr 2 SGB III liegt, wie das Bundesverfassungsgericht bereits zu der Vorgängervorschrift des § 137 Abs. 2 AFG ausgeführt hat, vor, wenn zwischen den Partnern so enge Bindungen bestehen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (BVerfG in SozR aaO, Leitsatz Nr 3). Mit dem Begriff "eheähnlich" ist danach eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau gemeint, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zuläßt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Ob eine Gemeinschaft von Mann und Frau diese besonderen Merkmale der eheähnlichen Gemeinschaft aufweist, läßt sich nur -so das BVerfG (BVerfG in SozR aaO)- anhand von Indizien feststellen. Demgegenüber kommt den entgegenstehenden Erklärungen der Partner, die wissen, worauf es ankommt, regelmäßig keine durchgreifende Bedeutung zu (VGH Kassel, 27.03.1992, NJW 92/3253). Plausible Gründe, die die Wohngemeinschaft als reine Zweckgemeinschaft ausweisen, hat der Kläger nicht dargelegt. So hat das BVerfG als, von den persönlichen Erklärungen der Betroffenene unabhängige Hinweistatsache ausdrücklich die lange Dauer des Zusammenlebens gesehen. Der Kläger und die Zeugin hatten bereits in der Zeit des zeitweiligen Zusammenlebens in der Wohnung des Klägers zwischen 1987 und 1992 ihre Lebensführung auf eine gemeinsame Zukunft ausgerichtet (gemeinsamer Bausparvertrag) und ein zu gleichen Teilen in gemeinschaftlichem Eigentum stehendes Einfamilienhaus geplant und gebaut und dieses dann auch 1992 bezogen. Hier wohnen sie jetzt seit nahezu zehn Jahren gemeinsam, zunächst sogar mit der Mutter der Zeugin, zusammen. Die Zeugin ..., die derzeit alle Belastungen, die sich aus der Nutzung des Hauses ergeben, trägt, denkt ihren Bekundungen nach auch nicht daran, den Kläger "rauszuwerfen". Vielmehr -so die Zeugin- "wollen wir das Haus behalten". Dies belegt, dass die Partnerschaft über eine Zweck-, Haus-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und die gemeinsame Lebensführung, das verdeutlicht insbesondere die Entwicklung in den Jahren 1996 und 1997 und ab Oktober 1998, von gegenseitigem Vertrauen und Einstehen der Zeugin für den Kläger geprägt ist. Gerade der Umstand, dass schriftliche Absprachen nicht getroffen und dingliche Sicherheiten nicht bestellt wurden, die Zeugin dem Kläger vielmehr ohne weiteres vertraut, gibt der Partnerschaft das Gepräge einer typischen Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft. Ausdruck dieser besonderen inneren Bindungen war der Einzug in das aus der gemeinsamen Partnerschaft heraus gebaute Haus, der Einzug der Zeugin nahezu ohne eigene Möbel die Aufnahme der kranken Mutter der Zeugin im Jahr 1992 in den gemeinsamen Haushalt und insbesondere die Übernahme der das Haus betreffenden Belastungen. Der Hinweis des Klägers, ihm gehe schließlich im Innenverhältnis zu der Zeugin Eigentum am Haus verloren, überzeugt nicht, weil eine Veräußerung des Hauses gerade nicht zur Debatte steht. Unerheblich ist auch der Hinweis, seine Partnerin sei ihm rechtlich zu gar nichts verpflichtet. Entscheidend ist, dass die Zeugin den Kläger - egal ob aufgrund einer sittlichen Verpflichtung oder aus Zuneigung und innerer Bindung - tatsächlich in einer finanziellen Notlage unterstützt. Der Senat sieht deshalb keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte, welche das Zusammenwohnen und das Wirtschaften "aus einem Topf" als reine Zweckgemeinschaft erkennen lassen. Das Wirtschaften "aus einem Topf" wie es der Kläger und die Zeugin geschildert haben, ist vielmehr Ausfluss der gemeinsamen Lebensführung. Schließlich, darauf weist die Beklagte zu Recht hin, hat der Kläger die Partnerschaft im Verwaltungsverfahren wiederholt als eheähnliche Gemeinschaft bezeichnet; so ist auch die Zusammenstellung der Aufwendungen durch die Zeugin ... vom 28.06.1996 mit "Anlagen zum Antrag auf Arbeitslosenhilfe (eheähnliche Gemeinschaft)" überschrieben. Dies unterstreicht, wie die Partner ihre Beziehung tatsächlich eingeschätzt haben. Entsprechend hat der Kläger die Anrechnung von Einkommen von April 1996 bis Februar 1997 auch nicht beanstandet. Soweit der Kläger die die in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage nach einer gemeinsamen Haftpflicht- und Rechtschutzversicherung mit Nichtwissen beantwortet hat, ist diese Erwiderung wenig glaubhaft.

Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 Satz 3 Nr 3 SGB X). Zumindestens infolge grober Fahrlässigkeit kannte er die Rechtswidrigkeit der Bewilligung nicht. Es ist schon wenig glaubhaft, dass der Kläger den Bescheid vom 12.10.1998, dem der Berechnungsbogen mit dem ausgewiesenen Anrechnungsbetrag in Höhe von 224,89 DM beilag, nicht erhalten hat. Dieser Bescheid ist nicht im üblichen Postrücklauf zurückgegeben worden. Nach allgemeiner Lebenserfahrung dürfte der Kläger den Bescheid erhalten haben. Der Senat braucht dieser Frage mangels Erheblichkeit nicht im Einzelnen nachzugehen, denn der Kläger mußte insbesondere unter Berücksichtigung seiner individuellen Gegebenheiten erkennen, dass das Einkommen der Partnerin anzurechnen war. Im Bewilligungszeitraum vom 27.04.1996 bis 12.02.1997 hatte er die Anrechnung in Höhe von wöchentlich 188,34 DM nicht beanstandet und auch die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht in Abrede gestellt. Nachdem die Beklagte ihn mit Schreiben vom 09.09.1998 erneut aufgefordert hatte, die entsprechenden Belege der Lebensgefährtin vorzulegen und er dem auch, ohne die eheähnliche Gemeinschaft mit der Zeugin in Abrede zu stellen, ohne weiteres nachgekommen ist, lag es für ihn nahe, dass die Beklagte bei nahezu unveränderten Verhältnissen wiederum das Einkommen der Lebensgefährtin berücksichtigen würde. Da dies nicht geschehen ist, mußte es sich für den Kläger aufdrängen, diesen Umstand bei der Beklagten zu hinterfragen.

Die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung Alhi für die Zeit vom 26.10.1998 bis 30.06.1999 war nach alledem rechtmäßig. Die Rückforderung trifft auch in der Höhe zu. Allerdings hat die Beklagte den mit wöchentlich 224,89 DM berücksichtigten Anrechnungsbetrag um 1,66 DM zu niedrig festgestellt, was hier allerdings nicht zu Lasten des Klägers korrigiert werden kann (Verböserungsverbot). Ausgehend von den Angaben der DKV (Bl. 65 der Verwaltungsakten) betrug das Bruttoarbeitsentgelt im Durchschnitt der Monate Juni/Juli/August 1998 5.172,85 DM. Von diesem Entgelt ist zunächst der Freibetrag in Höhe der hypothetisch berechneten eigenen Arbeitslosenhilfe der Zeugin ... abzuziehen (§ 194 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Diese hätte im Oktober 1998 1.509,08 DM betragen (Bemessungsentgelt gerundet 1.194,- DM; Leistungsgruppe A/0, Leistungssatz wöchentlich 348,25 DM = monatlich 1.509,08 DM). Von dem Einkommen in Höhe von 3.663,77 DM, das diesen Freibetrag übersteigt (5.172,85 DM abzgl. 1.509,08 DM), sind gemäß § 194 Abs. 2 Satz 2 SGB III außerdem die auf das Einkommen entfallenden Steuern (Nr 1) und Sozialversicherungsbeiträge (Nr 2) in Höhe von 1.707.23 DM (Differenz Bruttoarbeitsentgelt - Nettoarbeitsentgelt lt. Bescheinigung der DKV; bzw Gehaltsmitteilung Monat 8/1996) abzusetzen. Ohne Bedeutung ist insoweit, dass beim Steuerabzug bereits Steuerfreibeträge (etwa § 10e EStG) steuermindernd vorab berücksichtigt worden sind, denn maßgeblich sind die tatsächlich zu zahlenden Steuern. Darüber hinaus sind abzusetzen nach Maßgabe des § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr 2 SGB III die nachgewiesenen Monatsbeträge der Lebensversicherung (93,33 DM) und der KfZ-Versicherung (85,84 DM). Die Wohngebäudeversicherung/Hausrat-Glas/Gewässerschaden-Haftpflicht (zusammen monatlich 73,58 DM) betreffen ebenso wie die Rechtsschutzversicherung für Grundstückseigentum (monatlich 5,17 DM) das Einfamilienhaus und sind insoweit anteilig dem Kläger zuzurechnen. Abzusetzen sind danach 39,38 DM. Die Beiträge für die Familienrechtsschutzversicherung (monatlich 13,17 DM) und die Haftpflichtversicherung (monatlich 10,52 DM) sind hingegen in voller Höhe abzusetzen, weil es sich, auch wenn der Versicherungsschutz für den Partner gewöhnlich eingeschlossen ist, um Versicherungen der Zeugin handelt.

Insgesamt ergibt sich danach ein weiterer Abzugsbetrag in Höhe von 242,24 DM, der von den Berechnungen der Beklagten (vgl. die Notiz Bl 78 R der Verwaltungsakten, dort 254,54 DM) abweicht. Diese Differenz läßt sich ohne weiteres erklären: So hat die Beklagte -anders als im übrigen in den Folgejahren- den Monatsbetrag der Lebensversicherung nicht abgezogen; demgegenüber hat sie bei der Kfz-Haftpflicht den Betrag der 100% -Prämie (vierteljährlich 566,70 DM = mtl 188,90 DM) statt den tatsächlichen Zahlbetrag, hier SF 18, d.h. 30% der vollen Prämie (vierteljährlich 257,50 DM = monatlich 85,84 DM abgesetzt. Durch diesen Differenzbetrag in Höhe von 103,60 DM wird allerdings die Nichtberücksichtigung der Lebensversicherung in Höhe von 93,33 DM aufgefangen. Soweit die Zeugin ... schließlich die Aufwendungen für die Grundsteuer in Höhe von monatlich 39,40 DM anführt, handelt es sich hierbei nicht um Steuern, die auf das Einkommen entfallen.

Als notwendige Aufwendungen für den Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einahmen (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr 3 SGB III) sind ferner berücksichtigungsfähig die Fahrtkosten von Neunkirchen zur DKV in Köln. Die von der Beklagten insoweit nach Maßgabe der Durchführungsanweisung zu § 194 SGB III berücksichtigten 10 DM monatlich pauschal je Kilometer einfache Wegstrecke sind angemessen und decken die notwendigen Aufwendungen für die Benutzung des Kfz in ausreichendem Maße ab. Dieser recht hohe Pauschbetrag beinhaltet alle mit dem Weg zur Arbeit verbundenen Kosten, auch die Kosten des Einstellplatzes.

Schließlich ist ein weiterer Pauschbetrag aus Erwerbsbezügen in Höhe von 257,53 DM (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr 4 SGB III, vgl auch § 11a Alhi-VO) abzusetzen.

Danach ergibt sich folgende Berechnung:

Bruttoarbeitsentgelt 5.172,85 DM,
abzüglich Freibetrag nach § 193 Abs. 1 Satz 2 SGB III: 1.509,08 DM
abzüglich Beträge nach § 193 Abs. 2 Satz 2 Nr 1 SGB III: 1.707,23 DM
abzüglich Beträge nach § 193 Abs. 2 Satz 2 Nr 2 SGB III: 242,24 DM
abzüglich Beträge nach § 193 Abs. 2 Satz 2 Nr 3 SGB III: 475,00 DM
abzüglich Beträge nach § 193 Abs. 2 Satz 2 Nr 4 SGB III: 257,53 DM

(monatlich) = 981,72 DM
(wöchentlich) = 226,55 DM

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung erstmals eingewandt hat, der von der Beklagten errechnete Anrechnungsbetrag sei - wie der ab Oktober 1999 und Oktober 2000 festgestellte Anrechnungsbetrag von nur 131,58 DM verdeutliche - viel zu hoch, bestand für den Senat keine Veranlassung, die Zeugin ... ergänzend um die Konkretisierung ihrer Einkommensverhältnisse für 1998 und 1999 zu ersuchen. Die für die Berechnung des Anrechnungsbetrages nach § 194 SGB III maßgeblichen Fakten sind unstreitig; die Belege liegen alle in Ablichtung vor. Der Hinweis des Klägers auf den im nachfolgenden -hier nicht streitigen- Bewilligungsabschnitt wesentlich geringeren Anrechnungsbetrag führt zu keinen anderen Beurteilung, denn dieser Anrechnungsbetrag ist bereits auf den ersten Blick (zu Gunsten des Klägers) falsch ermittelt. Die Auflistung der Abzugsbeträge in dem Berechnungsbogen (vgl Bl 117 der Verwaltungsakten) belegt, dass die Beklagte teilweise unzutreffende Beträge in Abzug gebracht hat. So zahlt die Zeugin ... für ihre Lebensversicherung monatlich 93.33 DM und nicht wie von der Beklagten angenommen monatlich 252,42 DM. Hier hat die Beklagte übersehen, dass die DKV als Arbeitgeberin der Zeugin nach der Gehaltsmitteilung einen Zuschuss in Höhe von monatlich 159,11 DM zahlt. Die Zeugin hat richtigerweise auch nur jährliche Lebensversicherungsbeiträge in Höhe von 1.120 DM belegt.

Danach waren ab September 1998 wöchentlich 226,55 DM anzurechnen. Angerechnet hat die Beklagte hingegen wöchentlich 224,89 DM, mithin 1,66 DM zu wenig. Hierbei muss es im Hinblick auf das Verböserungsverbot verbleiben. Hiervon ausgehend hat die Beklagte den Erstattungsbetrag in Höhe von 7.967,53 DM zutreffend ermittelt. Der Kläger hat an insgesamt 248 Tagen zu hohe Alhi bezogen. Den Betrag in Höhe von 7.967,53 DM hat der Kläger gemäß § 50 Abs 2 SGB X zu erstatten.

Die Berufung der Beklagten ist allerdings zurückzuweisen, soweit sie den Zeitraum vom 01.07.1999 bis 25.07.1999 betrifft. Die mit Bescheid vom 22.07.1999 für die Zukunft erfolgte Änderung der Bewilligung kann Wirkung erst ab Zugang dieses Bescheides, dem 25.07.1999 entfalten, auch wenn die Zahlung der Alhi nach § 337 Abs 2 SGB III mtl nachträglich erfolgt. Diese Vorschrift regelt lediglich die Fälligkeit laufender Geldleistungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 oder Nr 2 SGG nicht als gegeben angesehen.
Rechtskraft
Aus
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