Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 5603/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2464/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.03.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf weitere Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. über den 06.04.2009 hinaus hat.
Der 1979 geborene Kläger erlitt am 30.05.2008 einen Arbeitsunfall, als ihn ein Arbeitskollege mit einem Flurförderungsgerät gegen den linken Unterschenkel fuhr und der Kläger sich hierbei eine isolierte Innenknöchelfraktur links zuzog. Der Kläger wurde vom Unfalltag bis zum 04.06.2008 stationär im Klinikum K.-N. behandelt und operativ mit einer Zuggurtungsosteosynthese am Innenknöchel versorgt (Bericht des Klinikums vom 27.06.2000). Nach einer weiteren stationären Behandlung vom 28.08. bis 18.09.2008 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik) mit intensiver Ergo-, Balneo- und Physiotherapie wurde der Kläger mit dem Entlassungsbefund einer eingeschränkten Beweglichkeit im linken oberen Sprunggelenk mit 10/0/35° und flüssigem Gangbild bei Konzentration entlassen. Die vollschichtige Arbeitsfähigkeit wurde für den 22.09.2008 prognostiziert (Entlassungsbericht der BG-Klinik vom 07.10.2008). Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit wurde eine Belastungserprobung vom 10.11.2000 bis 03.12.2008 durchgeführt und nach innerbetrieblicher Umsetzung - statt als Lagerarbeiter wurde der Kläger als Staplerfahren eingesetzt - beurteilte Dr. S. den Kläger als arbeitsfähig ab 22.12.2008 (Nachschaubericht von Dr. S. vom 19.12.2008, Mitteilung von Dr. S. vom 23.12.2000).
In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 09.04.2009 schätzte Dr. S. die unfallbedingte MdE vom 22.12.2008 bis 06.04.2009 auf 20 v.H., bis 22.12.2009 auf 10 v.H. und danach voraussichtlich auf unter 10 v.H. Die Beweglichkeit des linken Sprunggelenks sei eingeschränkt, röntgenologisch fänden sich unauffällige knöcherne Strukturen, das Gangbild sei flüssig.
Mit Bescheid vom 28.05.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger Verletztenrente vom 22.12.2008 bis 06.04.2000 nach einer MdE um 20 v.H. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2009 zurückgewiesen.
Der Kläger erhob am 18.08.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart unter Hinweis auf das vorgelegte Attest von Dr. K. - Facharzt für Anästhesie - vom 09.09.2009, in dem ein chronischer Schmerzzustand nach Sprunggelenksfraktur und eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Sprunggelenkverletzung als Diagnose angeführt sind, und auf den Befundbericht von Dr. R., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 25.08.2009, in dem eine Anpassungsstörung und leichte depressive Episode als Diagnose angeführt sind. Der Kläger machte geltend, er könne seinen früheren sportlichen Betätigungen nicht mehr nachgehen, er habe deshalb einen Verlust an Lebensfreude und Lebensqualität erlitten, weshalb ihm weiter Verletztenrente zustehe. Mit Urteil vom 18.03.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf das Gutachten von Dr. S ... Von einer gewissen Schmerzhaftigkeit der Unfallverletzung könne ausgegangen werden, der Schwellenwert einer unfallbedingten MdE um 20 v.H. werde damit aber nicht erreicht. Die wohl zur Durchführung des Behindertenrechts abgegebene Stellungnahme von Dr. R. könne hieran nichts ändern. Der dort genannte Behinderungsgrad von mindestens 50 aus psychiatrischer Sicht widerspräche allen gerichtlichen Erfahrungen.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 22.04.2010 mit Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat der Kläger am Dienstag, den 25.05.2010 (nach Pfingstmontag den 24.05.2010) per Fax Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen unter Vorlage der ärztlichen Bescheinigung von Dr. F., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 17.03.2010 und von Dr. S. vom 05.03.2010.
Der Kläger beantragt - sachdienlich gefasst -,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.03.2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 28.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2009 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente über den 06.04.2009 hinaus nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen in der 1. Instanz und auf die für überzeugend erachteten Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts.
Mit richterlicher Verfügung vom 15.06.2010 ist der Kläger mit Fristsetzung bis 12.07.2010 auf die Möglichkeit hingewiesen worden, die Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragen zu können.
Am 27.08.2010 hat der Klägerbevollmächtigte mitgeteilt, nach erteilter Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung könne der Kostenvorschuss alsbald eingezahlt werden, es werde eine Fristverlängerung bis 12.09.2010 beantragt. Mit richterlicher Verfügung vom 31.08.2010 ist der Antrag des Klägers auf Fristverlängerung abgelehnt worden und sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden.
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die bei Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und insgesamt zulässig.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit richterlicher Verfügung hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2009 ist rechtmäßig. Es besteht kein Anspruch auf Weitergewährung von Verletztenrente über den 06.04.2009 hinaus.
Gesetzlich Unfallversicherte - wie der Kläger -, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - (SGB VII) Anspruch auf eine Rente.
Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge, wenn sie durch den Arbeitsunfall wesentlich verursacht ist. Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Nach diesen Grundsätzen ist eine unfallbedingte MdE von mindestens 20 v.H. nicht nachgewiesen. Aus der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung von Dr. S. vom 05.03.2010 ergibt sich, dass der Kläger an einer Cervikobrachialgie und einer Periarthritis der rechten Schulter leidet. Ein Zusammenhang dieser Beschwerden mit der Sprunggelenkverletzung links ist der Bescheinigung nicht zu entnehmen, insoweit wird eine angebliche Fehlbelastung durch die Fraktur am linken oberen Sprunggelenk nur als anamnestische Beschwerdeangaben des Klägers wiedergegeben. Eine Halswirbelsäulenerkrankung und eine Schultergelenksentzündung als Folgen einer allein an der unteren Extremität aufgetretenen Verletzung sind medizinisch eher fern liegend und bedürften einer eingehenden medizinischen Begründung. Dr. S. als D-Arzt hat weder eine Wiedererkrankungsanzeige bei der Beklagten erstattet (vgl. aber seine Wiedererkrankungsanzeige im D-Arztbericht vom 17.02.2009 wegen erneuter Beschwerden am linken oberen Sprunggelenk) noch beschreibt er in seinem Gutachten vom 09.04.2009 einen entsprechenden Zusammenhang. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Attest von Dr. F. vom 17.03.2010, in dem von einer Verunsicherung des Klägers gesprochen wird und dass sein Körpergefühl "nicht mehr so ist, wie es vor dem Unfall war". Die Statik des Körpers sei vom Kopf bis zum Nacken verschoben und es bestünden über dem gesamten Rücken Verspannungen. Die Cervikobrachialgie und die Periarthritis der rechten Schulter sind als Diagnosen nicht genannt, Rückenbeschwerden und ein verändertes Körpergefühl sind als Symptome hierauf auch nicht beziehbar. Eine MdE-relevante bzw. unfallbedingte Beeinträchtigung ergibt sich aus der pauschalen Beschwerdedarlegung nicht, zumal Rückenverspannungen auch allgemein verbreitet auftreten. Nach den gutachtlichen Ausführungen von Dr. S. ist die Unfallverletzung knöchern stabil verheilt und den Gebrauch einer Unterarmgehstütze erforderlich machende Gangstörung ist im Gutachten nicht beschrieben. Das Gangbild des Klägers wird ausdrücklich als flüssig bezeichnet. Gegen das von Dr. K. diagnostizierte unfallbedingte Schmerzsyndrom spricht, dass bei der Begutachtung durch Dr. S. keinerlei schmerzbedingte Schonzeichen am linken Bein des Klägers zu erkennen waren. Eine Muskelverschmächtigung durch eine schmerzbedingte Schonung des linken Beines bzw. des linken Fußes ist nach den von Dr. S. dokumentierten Umfangmaßen des Muskelmantels von Ober- und Unterschenkel rechts und links nicht zu erkennen. Das Ausmaß der Bewegungseinschränkung mit nur endgradiger Einschränkung am linken oberen Sprunggelenk und Einschränkung der Bewegungsfähigkeit des unteren Sprunggelenks auf drei Fünftel, woraus ein flüssiges Gangbild resultiert, sowie die knöchern unauffällig durchbaute Fraktur lässt darüber hinaus auch keine außergewöhnliche Schmerzentwicklung erwarten. Soweit Dr. R. eine Anpassungsstörung diagnostiziert, ist der Unfallzusammenhang auch hierbei nicht überzeugend dargelegt. Abgesehen davon, dass der Kläger auch Beschwerden geltend macht, die nicht wesentlich im Unfallzusammenhang stehen, wie die von Dr. S. diagnostizierte Cervikobrachialgie und Periarthritis, ist ein wesentlicher Zusammenhang mit den von Dr. R. dargelegten psychischen Beschwerden mit dem Unfall aus rechtlicher Sicht nicht gegeben. Dass der Kläger mit der nur befristeten Rentengewährung durch die Beklagte nicht zufrieden ist und die neuen Arbeitsbedingungen nach seiner Umsetzung als anspruchsvoller empfindet und Zukunftsangst entwickelt hat, beruht allein auf seiner subjektiven Einschätzung und nicht auf dargelegten objektiven Umständen, die zum einen eine solche Unzufriedenheit bzw. Zukunftsangst rechtfertigen und zum anderen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen grundsätzlich geeignet sind, pathologische psychische Beschwerden zu verursachen. Maßgebend ist insoweit nur die objektive Befundlage, nicht die subjektive Einschätzung aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Unfallverletzten (vgl. Urteil des Senats vom 27.08.2010 - L 8 U 1427/10-, veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Danach ist die Unfallabwicklung der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes wegen unfallbedingter Beeinträchtigungen ist weder konkretisiert noch drängt sich dies nach dem medizinischen Befund auf. Darüber hinaus ist der Beurteilung von Dr. R. über bloße Befindlichkeitsstörungen (Reizbarkeit, weniger fröhlich und freundlich) hinaus keine Beschwerdesymptomatik - deren Unfallzusammenhang unterstellt - zu entnehmen, die eine unfallbedingte MdE von 20 v.H. rechtfertigt. Eine Depression ist nicht diagnostiziert, sondern es ist von gelegentlich auftretenden leichten depressiven Episoden auszugehen. Die Anpassungsstörung als solche bewirkt keine weitgehenden Einschränkungen der allgemeinen Lebensführung. Der Kläger ist weiter berufstätig, die familiären Bindungen sind intakt.
Nach dieser Befundlage hat der Senat keinen Anhalt für weitere Ermittlungen von Amts wegen gesehen. Dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG war nicht stattzugeben.
Der Antrag war nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Durch die Einholung des Gutachtens hätte sich die Erledigung des Rechtsstreits verzögert, denn der Senat hätte nicht aktuell durch Beschluss über die Berufung entscheiden können, da das Gutachten einschließlich der Äußerung der Beteiligten zum Beweisergebnis die Prozessdauer verlängert hätte. Zur freien Überzeugung des Senats beruht dies auch auf grober Nachlässigkeit der Klägerseite. Anwaltliches Verhalten ist dem Kläger zuzurechnen.
Der Antrag ist nicht innerhalb der dem Kläger bis 12.07.2010 gesetzten Frist gestellt worden, was auf grober Nachlässigkeit beruht. Eine grobe Nachlässigkeit ist anzunehmen, wenn die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde und nicht getan wird, was jedem einleuchten muss (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 109 Anm. 11). Nachdem mit richterlicher Verfügung vom 15.06.2010 dem Klägerbevollmächtigten mitgeteilt worden war, dass keine Ermittlungen von Amts wegen mehr beabsichtigt sind und ihm aber das Recht nach § 109 SGG zustehe, auf Antrag ein Gutachten auf eigene Kosten einholen zu lassen, hätte es ordnungsgemäßer Prozessführung entsprochen, fristgerecht einen ordnungsgemäßen Antrag nach § 109 SGG zu stellen oder noch vor Ablauf der Frist unter Hinweis auf etwaige Hinderungsgründe Fristverlängerung zu beantragen. Der am 27.08.2010 eingegangene Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten hat nicht nur die richterliche Frist um mehr als einen Monat überschritten, die ebenfalls unter Fristsetzung erteilten Auflagen, einen Kostenvorschuss einzuzahlen und eine Kostenübernahmeerklärung vorzulegen, waren zu diesem Zeitpunkt auch nicht erfüllt. Binnen der Frist war auch keinen Verlängerungsantrag gestellt worden. Der Senat hat daher keinen Anlass gesehen, der beantragten Beweiserhebung nach § 109 SGG nachzukommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf weitere Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. über den 06.04.2009 hinaus hat.
Der 1979 geborene Kläger erlitt am 30.05.2008 einen Arbeitsunfall, als ihn ein Arbeitskollege mit einem Flurförderungsgerät gegen den linken Unterschenkel fuhr und der Kläger sich hierbei eine isolierte Innenknöchelfraktur links zuzog. Der Kläger wurde vom Unfalltag bis zum 04.06.2008 stationär im Klinikum K.-N. behandelt und operativ mit einer Zuggurtungsosteosynthese am Innenknöchel versorgt (Bericht des Klinikums vom 27.06.2000). Nach einer weiteren stationären Behandlung vom 28.08. bis 18.09.2008 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik) mit intensiver Ergo-, Balneo- und Physiotherapie wurde der Kläger mit dem Entlassungsbefund einer eingeschränkten Beweglichkeit im linken oberen Sprunggelenk mit 10/0/35° und flüssigem Gangbild bei Konzentration entlassen. Die vollschichtige Arbeitsfähigkeit wurde für den 22.09.2008 prognostiziert (Entlassungsbericht der BG-Klinik vom 07.10.2008). Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit wurde eine Belastungserprobung vom 10.11.2000 bis 03.12.2008 durchgeführt und nach innerbetrieblicher Umsetzung - statt als Lagerarbeiter wurde der Kläger als Staplerfahren eingesetzt - beurteilte Dr. S. den Kläger als arbeitsfähig ab 22.12.2008 (Nachschaubericht von Dr. S. vom 19.12.2008, Mitteilung von Dr. S. vom 23.12.2000).
In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 09.04.2009 schätzte Dr. S. die unfallbedingte MdE vom 22.12.2008 bis 06.04.2009 auf 20 v.H., bis 22.12.2009 auf 10 v.H. und danach voraussichtlich auf unter 10 v.H. Die Beweglichkeit des linken Sprunggelenks sei eingeschränkt, röntgenologisch fänden sich unauffällige knöcherne Strukturen, das Gangbild sei flüssig.
Mit Bescheid vom 28.05.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger Verletztenrente vom 22.12.2008 bis 06.04.2000 nach einer MdE um 20 v.H. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2009 zurückgewiesen.
Der Kläger erhob am 18.08.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart unter Hinweis auf das vorgelegte Attest von Dr. K. - Facharzt für Anästhesie - vom 09.09.2009, in dem ein chronischer Schmerzzustand nach Sprunggelenksfraktur und eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Sprunggelenkverletzung als Diagnose angeführt sind, und auf den Befundbericht von Dr. R., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 25.08.2009, in dem eine Anpassungsstörung und leichte depressive Episode als Diagnose angeführt sind. Der Kläger machte geltend, er könne seinen früheren sportlichen Betätigungen nicht mehr nachgehen, er habe deshalb einen Verlust an Lebensfreude und Lebensqualität erlitten, weshalb ihm weiter Verletztenrente zustehe. Mit Urteil vom 18.03.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf das Gutachten von Dr. S ... Von einer gewissen Schmerzhaftigkeit der Unfallverletzung könne ausgegangen werden, der Schwellenwert einer unfallbedingten MdE um 20 v.H. werde damit aber nicht erreicht. Die wohl zur Durchführung des Behindertenrechts abgegebene Stellungnahme von Dr. R. könne hieran nichts ändern. Der dort genannte Behinderungsgrad von mindestens 50 aus psychiatrischer Sicht widerspräche allen gerichtlichen Erfahrungen.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 22.04.2010 mit Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat der Kläger am Dienstag, den 25.05.2010 (nach Pfingstmontag den 24.05.2010) per Fax Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen unter Vorlage der ärztlichen Bescheinigung von Dr. F., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 17.03.2010 und von Dr. S. vom 05.03.2010.
Der Kläger beantragt - sachdienlich gefasst -,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.03.2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 28.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2009 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente über den 06.04.2009 hinaus nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen in der 1. Instanz und auf die für überzeugend erachteten Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts.
Mit richterlicher Verfügung vom 15.06.2010 ist der Kläger mit Fristsetzung bis 12.07.2010 auf die Möglichkeit hingewiesen worden, die Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragen zu können.
Am 27.08.2010 hat der Klägerbevollmächtigte mitgeteilt, nach erteilter Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung könne der Kostenvorschuss alsbald eingezahlt werden, es werde eine Fristverlängerung bis 12.09.2010 beantragt. Mit richterlicher Verfügung vom 31.08.2010 ist der Antrag des Klägers auf Fristverlängerung abgelehnt worden und sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden.
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die bei Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und insgesamt zulässig.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit richterlicher Verfügung hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2009 ist rechtmäßig. Es besteht kein Anspruch auf Weitergewährung von Verletztenrente über den 06.04.2009 hinaus.
Gesetzlich Unfallversicherte - wie der Kläger -, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - (SGB VII) Anspruch auf eine Rente.
Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge, wenn sie durch den Arbeitsunfall wesentlich verursacht ist. Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Nach diesen Grundsätzen ist eine unfallbedingte MdE von mindestens 20 v.H. nicht nachgewiesen. Aus der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung von Dr. S. vom 05.03.2010 ergibt sich, dass der Kläger an einer Cervikobrachialgie und einer Periarthritis der rechten Schulter leidet. Ein Zusammenhang dieser Beschwerden mit der Sprunggelenkverletzung links ist der Bescheinigung nicht zu entnehmen, insoweit wird eine angebliche Fehlbelastung durch die Fraktur am linken oberen Sprunggelenk nur als anamnestische Beschwerdeangaben des Klägers wiedergegeben. Eine Halswirbelsäulenerkrankung und eine Schultergelenksentzündung als Folgen einer allein an der unteren Extremität aufgetretenen Verletzung sind medizinisch eher fern liegend und bedürften einer eingehenden medizinischen Begründung. Dr. S. als D-Arzt hat weder eine Wiedererkrankungsanzeige bei der Beklagten erstattet (vgl. aber seine Wiedererkrankungsanzeige im D-Arztbericht vom 17.02.2009 wegen erneuter Beschwerden am linken oberen Sprunggelenk) noch beschreibt er in seinem Gutachten vom 09.04.2009 einen entsprechenden Zusammenhang. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Attest von Dr. F. vom 17.03.2010, in dem von einer Verunsicherung des Klägers gesprochen wird und dass sein Körpergefühl "nicht mehr so ist, wie es vor dem Unfall war". Die Statik des Körpers sei vom Kopf bis zum Nacken verschoben und es bestünden über dem gesamten Rücken Verspannungen. Die Cervikobrachialgie und die Periarthritis der rechten Schulter sind als Diagnosen nicht genannt, Rückenbeschwerden und ein verändertes Körpergefühl sind als Symptome hierauf auch nicht beziehbar. Eine MdE-relevante bzw. unfallbedingte Beeinträchtigung ergibt sich aus der pauschalen Beschwerdedarlegung nicht, zumal Rückenverspannungen auch allgemein verbreitet auftreten. Nach den gutachtlichen Ausführungen von Dr. S. ist die Unfallverletzung knöchern stabil verheilt und den Gebrauch einer Unterarmgehstütze erforderlich machende Gangstörung ist im Gutachten nicht beschrieben. Das Gangbild des Klägers wird ausdrücklich als flüssig bezeichnet. Gegen das von Dr. K. diagnostizierte unfallbedingte Schmerzsyndrom spricht, dass bei der Begutachtung durch Dr. S. keinerlei schmerzbedingte Schonzeichen am linken Bein des Klägers zu erkennen waren. Eine Muskelverschmächtigung durch eine schmerzbedingte Schonung des linken Beines bzw. des linken Fußes ist nach den von Dr. S. dokumentierten Umfangmaßen des Muskelmantels von Ober- und Unterschenkel rechts und links nicht zu erkennen. Das Ausmaß der Bewegungseinschränkung mit nur endgradiger Einschränkung am linken oberen Sprunggelenk und Einschränkung der Bewegungsfähigkeit des unteren Sprunggelenks auf drei Fünftel, woraus ein flüssiges Gangbild resultiert, sowie die knöchern unauffällig durchbaute Fraktur lässt darüber hinaus auch keine außergewöhnliche Schmerzentwicklung erwarten. Soweit Dr. R. eine Anpassungsstörung diagnostiziert, ist der Unfallzusammenhang auch hierbei nicht überzeugend dargelegt. Abgesehen davon, dass der Kläger auch Beschwerden geltend macht, die nicht wesentlich im Unfallzusammenhang stehen, wie die von Dr. S. diagnostizierte Cervikobrachialgie und Periarthritis, ist ein wesentlicher Zusammenhang mit den von Dr. R. dargelegten psychischen Beschwerden mit dem Unfall aus rechtlicher Sicht nicht gegeben. Dass der Kläger mit der nur befristeten Rentengewährung durch die Beklagte nicht zufrieden ist und die neuen Arbeitsbedingungen nach seiner Umsetzung als anspruchsvoller empfindet und Zukunftsangst entwickelt hat, beruht allein auf seiner subjektiven Einschätzung und nicht auf dargelegten objektiven Umständen, die zum einen eine solche Unzufriedenheit bzw. Zukunftsangst rechtfertigen und zum anderen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen grundsätzlich geeignet sind, pathologische psychische Beschwerden zu verursachen. Maßgebend ist insoweit nur die objektive Befundlage, nicht die subjektive Einschätzung aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Unfallverletzten (vgl. Urteil des Senats vom 27.08.2010 - L 8 U 1427/10-, veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Danach ist die Unfallabwicklung der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes wegen unfallbedingter Beeinträchtigungen ist weder konkretisiert noch drängt sich dies nach dem medizinischen Befund auf. Darüber hinaus ist der Beurteilung von Dr. R. über bloße Befindlichkeitsstörungen (Reizbarkeit, weniger fröhlich und freundlich) hinaus keine Beschwerdesymptomatik - deren Unfallzusammenhang unterstellt - zu entnehmen, die eine unfallbedingte MdE von 20 v.H. rechtfertigt. Eine Depression ist nicht diagnostiziert, sondern es ist von gelegentlich auftretenden leichten depressiven Episoden auszugehen. Die Anpassungsstörung als solche bewirkt keine weitgehenden Einschränkungen der allgemeinen Lebensführung. Der Kläger ist weiter berufstätig, die familiären Bindungen sind intakt.
Nach dieser Befundlage hat der Senat keinen Anhalt für weitere Ermittlungen von Amts wegen gesehen. Dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG war nicht stattzugeben.
Der Antrag war nach § 109 Abs. 2 SGG abzulehnen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Durch die Einholung des Gutachtens hätte sich die Erledigung des Rechtsstreits verzögert, denn der Senat hätte nicht aktuell durch Beschluss über die Berufung entscheiden können, da das Gutachten einschließlich der Äußerung der Beteiligten zum Beweisergebnis die Prozessdauer verlängert hätte. Zur freien Überzeugung des Senats beruht dies auch auf grober Nachlässigkeit der Klägerseite. Anwaltliches Verhalten ist dem Kläger zuzurechnen.
Der Antrag ist nicht innerhalb der dem Kläger bis 12.07.2010 gesetzten Frist gestellt worden, was auf grober Nachlässigkeit beruht. Eine grobe Nachlässigkeit ist anzunehmen, wenn die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde und nicht getan wird, was jedem einleuchten muss (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 109 Anm. 11). Nachdem mit richterlicher Verfügung vom 15.06.2010 dem Klägerbevollmächtigten mitgeteilt worden war, dass keine Ermittlungen von Amts wegen mehr beabsichtigt sind und ihm aber das Recht nach § 109 SGG zustehe, auf Antrag ein Gutachten auf eigene Kosten einholen zu lassen, hätte es ordnungsgemäßer Prozessführung entsprochen, fristgerecht einen ordnungsgemäßen Antrag nach § 109 SGG zu stellen oder noch vor Ablauf der Frist unter Hinweis auf etwaige Hinderungsgründe Fristverlängerung zu beantragen. Der am 27.08.2010 eingegangene Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten hat nicht nur die richterliche Frist um mehr als einen Monat überschritten, die ebenfalls unter Fristsetzung erteilten Auflagen, einen Kostenvorschuss einzuzahlen und eine Kostenübernahmeerklärung vorzulegen, waren zu diesem Zeitpunkt auch nicht erfüllt. Binnen der Frist war auch keinen Verlängerungsantrag gestellt worden. Der Senat hat daher keinen Anlass gesehen, der beantragten Beweiserhebung nach § 109 SGG nachzukommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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