L 7 SO 4376/10 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SO 3097/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4376/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. September 2010 abgeändert und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ein Darlehen zur Tilgung der bei der Heilbronner VersorgungsGmbH/ZEAG bestehenden Schulden in Höhe der Kosten zu gewähren, die für die Wiederversorgung der Wohnung des Antragstellers mit Strom und Gas notwendig werden.

Die Auszahlung des Darlehens hat unmittelbar an die Heilbronner VersorgungsGmbH/ZEAG zu erfolgen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zur Hälfte zu erstatten.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren ab 1. Oktober 2010 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. gewährt.

Gründe:

Die nach § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Sie hat jedoch in der Sache nur teilweise Erfolg. Das Sozialgericht Heilbronn (SG) hat den Antrag auf Übernahme von Energieschulden zu Unrecht, die weitergehenden Anträge zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Eine bindende Ablehnungsentscheidung bezüglich der Energieschuldenübernahme liegt noch nicht vor, so dass sie der Zulässigkeit einer solchen vorläufigen Regelung nicht entgegenstehen kann. Bestandskräftig sind (lediglich) die Bescheide vom 28. Oktober 2009 und 7. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2010, also die Höhe der laufenden Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2009 bis 30. Juni 2010, die Ablehnung der Übernahme der Stromnachzahlung sowie die Höhe der Übernahme der Gaskostennachforderung jeweils gem. der Jahresabrechnung vom 19. April 2010. Damit steht bindend fest, dass die nicht übernommenen Beträge aus dieser Jahresabrechnung dem Antragsteller weder als Kosten der Unterkunft und Heizung noch im Rahmen des Regelsatzes i.S.d. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zustehen. Eine Regelung zur Übernahme als Schulden gem. § 34 SGB XII wird in diesen Bescheiden aber gerade nicht getroffen.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Verfassungsrechtliche Vorgaben zwingen gegebenenfalls jedoch diesen grundsätzlichen Entscheidungsmaßstab zu revidieren. Der einstweilige Rechtsschutz ist Ausfluss der in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) enthaltenen Garantie effektiven Rechtsschutzes. Aus dieser folgt das Gebot, soweit als möglich zu verhindern, dass durch hoheitliche Maßnahmen oder Entscheidungen der Verwaltungsbehörde Tatsachen geschaffen werden, die auch dann, wenn diese sich nach richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweisen, nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Diese Gefahr besteht auch in der Leistungsverwaltung, wenn die Verwaltung ein Leistungsbegehren zurückweist. Auch neben Art. 19 Abs. 4 GG enthält das Verfassungsrecht Vorgaben für Maßstab und Prüfungsumfang gerichtlicher Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz. Die in den Grundrechten zum Ausdruck kommende Wertentscheidung muss beachtet werden. Es ist Aufgabe des Staates und damit auch der Gerichte, sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen zu stellen. Diese beiden verfassungsrechtlichen Zielsetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes haben Auswirkungen auf den Entscheidungsmaßstab der Fachgerichte. Dieser verschärft sich, wenn nicht nur die prozessrechtliche Dimension des Art. 19 Abs. 4 GG betroffen ist, sondern dem materiellen Anspruch grundrechtliches Gewicht zukommt. Entscheidend ist, welche Rechtsverletzungen bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes drohen. Drohen schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Güter, kann die gerichtliche Entscheidung nicht auf die nur summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht. Es genügt dabei bereits eine nur mögliche oder zeitweilig andauernde Verletzung. Der Entscheidung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist dann, insbesondere wenn eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht möglich ist, eine umfassende Güter- und Folgenabwägung zugrunde zu legen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NZS 2003, 253 und NVwZ 2005, 927). Allerdings sind dabei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht völlig unberücksichtigt zu lassen. Denn eine Grundrechtsbeeinträchtigung kann von vornherein nicht vorliegen, wenn das Recht oder der Anspruch überhaupt nicht in Betracht kommt. Eine bestimmte Mindestwahrscheinlichkeit (z.B. überwiegend) ist aber nicht zu fordern (Krodel NZS 2006, 637; Hk-SGG, 3. Aufl., § 86b Rdnr. 5).

Nach dem derzeitigen Sachstand kann ein Anspruch des Antragstellers auf Übernahme der Energieschulden nicht ausgeschlossen werden. Die grundlegenden Tatbestandsvoraussetzungen für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 19 Abs. 2, 41 ff. SGB XII liegen beim Antragsteller unstreitig vor. Diese Leistungen umfassen nach § 42 Satz 1 Nr. 5 SGB XII auch die Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen nach § 34 Abs. 1 SGB XII. Danach können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. In Konkretisierung des grundrechtlich aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 GG gesicherten Existenzminimums hat der Gesetzgeber im SGB XII anerkannt, dass dieses auch die Versorgung mit Haushalts- und Heizenergie umfasst. Entsprechend hat er diese Bedarfe in § 28 (Haushaltsenergie) und § 29 Abs. 3 SGB XII (Heizung) als grundsicherungsrechtlichen Anspruch erfasst. § 34 Abs. 1 SGB XII erlaubt die Übernahme von Schulden, die die Sicherstellung dieser elementaren Grundbedürfnisse gefährden. Die Norm erfasst nicht nur die ausdrücklich genannte Sicherung der Unterkunft, sondern auch die Übernahme zur Abwendung einer vergleichbaren Notlage, wozu gerade das elementare Grundbedürfnis Energieversorgung gehört. Die Versorgung mit Energie gehört nach den Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard (vgl. Streichsbier in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 34 Rdnr. 4 m.w.N.; ebenso Bieritz-Harder/Birk in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 34 Rdnr. 11). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, unterliegt die Schuldenübernahme einschränkenden Voraussetzungen, die in den unbestimmten Rechtsbegriffen "gerechtfertigt" und "notwendig" zum Ausdruck kommen. Dabei sind zunächst die Selbsthilfemöglichkeiten des Hilfebedürftigen, seine wirtschaftliche Situation und seine Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen. Des Weiteren fehlt es an der nötigen Rechtfertigung in Missbrauchsfällen, z.B. wenn die Miete (oder Energiekosten) offensichtlich im Vertrauen auf eine Schuldenübernahme nicht gezahlt wurde (vgl. Begründung des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts BT-Drucks. 13/2440 S. 19 und 21 zur Vorgängerregelung des § 15a des Bundessozialhilfegesetzes). Die Übernahme würde sonst als "positiver Verstärker nicht erwünschten Verhaltens" wirken (Streichsbier, a.a.O., Rdnr. 5 m.w.N.).

Insbesondere im Hinblick auf bereits früher notwendig gewordene Übernahmen von Energieschulden erscheint es zwar zunächst naheliegend, dass beim Antragsteller ein solcher Missbrauch vorliegt. Insoweit wird auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss verwiesen. Aus den vorliegenden Akten lässt sich jedoch entnehmen, dass die zuletzt auf Beschluss des SG vom 12. Oktober 2009 erfolgte Schuldenübernahme jedenfalls teilweise Rückstände aus Zeiträumen erfasste, in denen der Antragsteller versucht hatte, seinen Lebensunterhalt ohne Grundsicherungsleistungen zu bestreiten. Insoweit erscheint ein Missbrauch eher fraglich. Die Gründe für die weiter zurückliegenden Schuldenübernahmen sind aus den vorgelegten Akten nicht ersichtlich, lassen also keine zwingenden Rückschlüsse zu. Die nunmehr erneut aufgelaufenen Schulden beruhen zu einem wesentlichen Teil auf den in der Jahresabrechnung vom 19. April 2010 nachgeforderten Beträgen, soweit sie von der Antragsgegnerin nicht übernommen wurden. Bezogen auf die Gaskosten ergaben sich für die Abrechnungsperiode 1. April 2009 bis 17. März 2010 EUR 927,84. Davon hatte die Antragsgegnerin als monatliche Abschlagszahlungen, die von ihr auch als angemessen angesehen worden waren, EUR 448,59 bezahlt; von der Nachforderung wurden weitere EUR 267,50 übernommen (bestandskräftiger Bescheid vom 7. Mai 2010). Ob die darüber hinausgehenden Kosten der Heizung tatsächlich unangemessen hoch waren, vermag der Senat jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht sicher festzustellen. Jedenfalls fällt auf, dass der Rückstand an Gaskosten, soweit von der Antragsgegnerin nicht als angemessen angesehen, nur ca. EUR 211.- beträgt. Hierin enthalten sind noch die nicht als Kosten der Heizung anzusehenden Aufwendungen für die Warmwasserbereitung. Setzt man diese in Höhe der Warmwasserpauschale an, verbleiben Heizungskosten i.H.v. ca. EUR 136.-, bezogen auf den gesamten zwölfmonatigen Abrechnungszeitraum. Dies bedeutet eine Überschreitung des von der Antragsgegnerin als angemessen angesehenen Betrags um (lediglich) ca. EUR 11.- monatlich. Einen Missbrauch vermag der Senat hieraus nicht abzulesen, insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich um die erste Jahresabrechnung in der neuen Wohnung des Antragstellers handelte. Soweit die Antragsgegnerin im sozialgerichtlichen Verfahren auf den Heizkostenspiegel für Heilbronn verwiesen hat, bezogen sich die dort ausgewiesenen Beträge auf 2008, also nicht auf das hier zugrundeliegende Jahr. Stellt man nur auf die kW/h ab, ist jedenfalls zu beachten, dass der Jahresabrechnung keine Aufteilung des Gasverbrauchs für Warmwasserbereitung und Heizung entnommen werden kann. Zwingend ist ein unangemessenes Heizverhalten daher nicht festzustellen.

Die Stromkostenrückstände beruhen hingegen neben der Nachforderung in der Jahresabrechnung auf dem Verhalten des Antragstellers. Dieser hatte, nachdem die Antragsgegnerin die unmittelbare Auszahlung auch des Stromabschlages an das Energieversorgungsunternehmen aufgrund des Beschlusses des SG vom 12. Oktober 2009 eingestellt hatte, selbst keinerlei Zahlungen geleistet. Da die Antragsgegnerin ihn jedoch im Bescheid vom 28. Oktober 2009 auf diese Obliegenheit ausdrücklich und deutlich unter Hervorhebung durch Unterstreichungen hingewiesen hatte, liegt ein schuldhaftes Verhalten des Antragstellers hier nahe. Allerdings hat er gegenüber dem Gericht dargelegt, er sei davon ausgegangen, dass es aufgrund seines gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruches bei der bisherigen Regelung (direkte Auszahlung auch des Stromabschlags) bleibe. Die im Bescheid angeordnete sofortige Vollziehung hat er nicht beachtet. Des Weiteren wird aus seinen Ausführungen im Verfahren deutlich, dass er der - rechtsirrigen - Auffassung war, von der Antragsgegnerin den Differenzbetrag zwischen dem im Regelsatz berücksichtigten Energieanteil und den tatsächlichen Kosten beanspruchen zu können. Somit ist nicht ausgeschlossen, dass zumindest die subjektive Seite des Missbrauchstatbestands nicht vorlag. Dies - wie auch die vorstehend aufgeworfenen Fragen - ist gegebenenfalls in einem Hauptsacheverfahren weiter abzuklären, unter Umständen unter persönlicher Anhörung des Antragstellers.

Der Senat weist den Antragsteller jedoch nochmals ausdrücklich darauf hin, dass er die Kosten für Strom vollständig aus dem Regelsatz decken muss. Er hat auch dann keinen weitergehenden Anspruch gegen die Antragsgegnerin, wenn sein Stromabschlag höher ist als der im Regelsatz für Haushaltsstrom vorgesehene Betrag. In einem solchen Fall hat der Antragsteller nach gesetzgeberischer Vorstellung innerhalb des Regelsatzes umzuschichten, also bei anderen Bedarfslagen einzusparen. Auch eine Übernahme im Rahmen einer Jahresabrechnung kommt nicht in Betracht. Stellt der Antragsteller mithin sein Verhalten in Zukunft nicht um und lässt er wegen Nichtzahlung von Abschlägen wiederum Stromschulden auflaufen, wird eine neuerliche Schuldenübernahme schwerlich erneut auf diese Erwägungen gestützt werden können.

Dass die Schuldenübernahme wegen bestehender Selbsthilfemöglichkeiten des Antragstellers ausscheidet, kann ebenfalls nicht sicher festgestellt werden. Es ist fraglich, ob der Antragsteller die von der Antragsgegnerin aufgezeigte Möglichkeit eines Energieanbieterwechsels auch tatsächlich nutzen kann. So hat dieser darauf hingewiesen, dass er auf Nachfrage erfahren habe, dass ein neuer Anbieter Vorkasse verlange, was nach § 14 der Gas- und § 14 der Stromgrundversorgungsverordnung (Gas/StromGVV) auch grundsätzlich zulässig ist. Eine stichprobenartig durchgeführte Internetrecherche hat dies bestätigt. Insbesondere häufige Anfragen in Selbsthilfe- oder Beratungsforen zeigen, dass Energieanbieter von dieser Möglichkeit gerade in Fällen Gebrauch machen, wenn (auf Nachfrage) eine vorherige Stromsperre mitgeteilt wird. Angesichts der finanziellen Situation des Antragstellers ist wahrscheinlich, dass er aktuell nicht in der Lage ist, eine solche im Verhältnis hohe Vorauszahlung zu leisten. Eine telefonische Nachfrage beim aktuellen Energieversorgungsunternehmen hat des Weiteren ergeben, dass dieses nicht bereit ist, Münzzähler zu installieren, insbesondere wenn eine Energiesperre bereits erfolgt war. Auf zivilrechtlichen einstweiligen Rechtsschutz kann der Antragsteller vorliegend nicht verwiesen werden. Allein dass er auch die Richtigkeit der Nachforderung der Höhe nach in Frage stellt, führt nicht dazu, dass die tatsächlich nicht gezahlten Abschlagszahlungen außer Betracht bleiben können und eine Energiesperre rechtswidrig machen. Darüber hinaus ist der Energieanbieter nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zur Anschlusssperre berechtigt, wenn die Voraussetzungen nach § 19 Abs. 2 Gas/StromGVV (Zahlungsrückstände) erfüllt sind, auch wenn der Kunde aus eigener Kraft nicht in der Lage ist, auch innerhalb einer längeren Frist einen Energielieferungsvertrag mit einem anderen Versorger abzuschließen. Es sei nicht Aufgabe der Energieversorgungsunternehmen, bedürftige Kunden notfalls kostenlos mit Energie zu versorgen; die Unterstützung Bedürftiger sei letztlich Sache der Sozialverwaltung (vgl. Landgericht Hildesheim, Urteil vom 10. Oktober 2008 - 7 S 155/08 - (juris) m.w.N.). Ausreichende Erfolgschancen könnten daher einem solchen Rechtsschutzantrag nicht beigemessen werden.

Nachdem somit der Anspruch auf Schuldenübernahme nicht sicher ausgeschlossen werden kann, war aufgrund einer Interessen- und Folgenabwägung zu entscheiden. Abzuwägen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zugunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage in der Hauptsache aber später Erfolg hätte, mit denen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erginge, die Klage aber erfolglos bleibe. Hochrangige Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG und der Schutz der Menschenwürde sind entsprechend ihrem Gewicht einzustellen. Zu beachten ist daher insbesondere, dass die begehrte Leistung der Grundsicherung der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dient, was bereits nach dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland Pflicht des Staates ist (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG; BVerfG NVwZ 2005, 927). Wie oben dargestellt, gehört die Versorgung mit Strom und Heizenergie nach den Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard und damit zur Sicherstellung eines Lebens in Würde. Dieses hochrangige Rechtsgut würde bei Ablehnung des Eilrechtsschutzes für die Dauer bis zur Hauptsacheentscheidung (im Erfolgsfalle) verletzt, ohne dass diese Beeinträchtigung nachträglich im Hauptsacheverfahren für diesen abgeschlossenen Zeitraum ausgeglichen oder behoben werden könnte. Im Hinblick auf die bereits angebrochene kalte Jahreszeit kann auch eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des durch seine Krebserkrankung ohnehin schon angeschlagenen Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Nicht unberücksichtigt bleiben darf dabei, dass der Senat derzeit keine anderweitigen Möglichkeiten sieht, eine Energieversorgung wiederherzustellen. Auf Seiten des Grundsicherungsträgers ist das Interesse zu beachten, dass nun gewährte Leistungen angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers möglicherweise nicht erstattet werden können, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass ein Anspruch tatsächlich nicht bestanden hat. Andererseits erfolgt ohnehin nur die vorläufige Verpflichtung zur Gewährung eines - rückzahlbaren - Darlehens. Die Antragsgegnerin kann mithin durch Einbehaltung von der laufenden Leistung eine Rückabwicklung herbeiführen. Angesichts des hohen Ranges der auf Seiten des Antragstellers betroffenen Rechtsgüter und der Unmöglichkeit der Rückabwicklung bei Verletzung erscheinen dem Senat diese Interessen gegenüber den finanziellen Interessen der Antragsgegnerin gewichtiger.

Soweit der Antragsteller über die Schuldenübernahme hinaus begehrt, die künftig anfallenden Kosten der Energieversorgung darlehensweise zu gewähren, hilfsweise unter seiner Freistellung direkt an das Energieversorgungsunternehmen abzuführen, war die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen. Der Senat nimmt nach eigener Prüfung auf die Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG in entsprechender Anwendung).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dem Antragsteller war für das Beschwerdeverfahren gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115, 119 Abs. 1 Satz 2 , 121 Abs. 2 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war notwendig.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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