L 7 R 2478/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 841/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 2478/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. April 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1951 in Italien geborene Kläger, der keinen Beruf erlernt hat, war nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland im März 1971 als Bauhilfsarbeiter, nach seiner Rückkehr nach Ableistung des Militärdienstes von 1973 bis Januar 1975 zunächst als Gießereiarbeiter bei der Fa. G. F. (im Folgenden GF), anschließend als Straßenreiniger und Straßenbauarbeiter beschäftigt. Vom 16. August 1977 bis 30. Juni 1994 und erneut vom 7. März bis 31. Dezember 1995 arbeitete er als wiederum als Gießereiarbeiter und Staplerfahrer bei GF. Die Entlohnung erfolgte aufgrund einer analytischen Arbeitsbewertung nach Lohngruppe 6 des Tarifvertrages der Badischen Eisen- und Metallindustrie. Die Tätigkeit erforderte eine Anlernzeit von wenigen Tagen; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 39/48 der Akte S 8 RJ 233/03 des Sozialgerichts Konstanz (SG) Bezug genommen.

Vom 1. Juli 1994 bis 6. März 1995 und ab Januar 1996 bezog der Kläger Arbeitslosengeld, anschließend Arbeitslosenhilfe, unterbrochen nur durch zwischenzeitlichen Krankengeldbezug; seit Januar 2005 bezieht er Arbeitslosengeld II.

Ein erster Antrag des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 26. September 2001 war nach allgemeinmedizinischer und orthopädischer Begutachtung aus medizinischen Gründen erfolglos geblieben (Ablehnungsbescheid vom 11. April 2002, Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2003). Im dagegen angestrengten Klageverfahren (S 8 RJ 233/03) vor dem SG erstattete Nervenarzt Dr. St., Zentrum für Psychiatrie Weißenau, unter dem 17. April 2004 ein nervenärztlich-psychosomatisches Gutachten mit folgenden Diagnosen: länger dauernde depressive Reaktion; residuales Wurzelkompressionssyndrom L 5 links mit leichten sensiblen und motorischen funktionellen Beeinträchtigungen und relativ geringer Schmerzsymptomatik; Zervikalsyndrom mit beschriebenem Bandscheibenvorfall und spinaler Einengung, klinisch weitgehend symptomfrei; Verdacht auf Meralgia parästhetica rechts. Unter Beachtung der für Rückenleiden typischen Einschränkungen sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Psychiatrisch bedingt seien jedoch Arbeiten unter Zeitdruck, mit besonderen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen oder die Daueraufmerksamkeit sowie in Nacht- oder Wechselschicht ausgeschlossen. Die Klage wurde daraufhin zurückgenommen.

Am 19. April 2005 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung unter Vorlage eines Attests des Neurochirurgen Meltzer vom 7. Januar 2005. In dem daraufhin von der Beklagten eingeholten sozialmedizinischen Gutachten vom 1. September 2005 diagnostizierte Dr. F. ein residuales Wurzelreizkompressions-Syndrom L 5 mit diskreten sensiblen und motorischen Beeinträchtigungen sowie Schmerzsymptomatik bei Bandscheibenprolaps L4/5 links, ein chronisch rezidivierendes Cerviko-Cephalgie-Syndrom bei Bandscheibenvorfall, Gonarthrose beidseits, arterielle Hypertonie sowie einen Diabetes mellitus Typ IIb. Der Kläger könne leichte körperliche Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Publikumsverkehr sowie besondere Ansprüche an die geistige Flexibilität und Umstellungsfähigkeit vollschichtig verrichten.

Mit Bescheid vom 3. November 2005 und Widerspruchsbescheid vom 1. März 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag daraufhin mangels Erwerbsminderung ab; es bestehe ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf die der Kläger mangels Berufsschutz auch zumutbar verwiesen werden könne.

Hiergegen hat der Kläger am 27. März 2006 Klage beim SG erhoben. Dieses hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Allgemeinmediziner Dr. Hö. und Orthopäde Dr. Me. haben sich in ihren Stellungnahmen vom 23. Juni bzw. 4. Juli 2006 bzgl. der Befunde und der Leistungseinschätzung dem Gutachten von Dr. F. angeschlossen, während Neurochirurg Meltzer keine Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem Arbeitsmarkt mehr gesehen hat (Stellungnahme vom 26. Juli 2006, Bl. 25/35 der SG-Akte). In seinem orthopädischen Fachgutachten vom 27. Oktober 2006 hat Dr. K. ein lokales zervikales Wirbelsäulensyndrom bei Spinalkanalstenose, ein rezidivierendes pseudoradikuläres lumbales Wirbelsäulensyndrom bei Z.n. NPP L4/5 links, eine Heberden-Polyarthrose im Initialstadium, eine Gonarthrose links, eine Mittelfußarthrose sowie einen Hallux rigidus beidseits diagnostiziert. Ausgeschlossen seien hierdurch Überkopfarbeiten, Arbeiten mit ausführlicher Drehbewegung der Halswirbelsäule, in gebückter Körperhaltung und ausschließlich im Sitzen, solche in Nässe, Kälte und Zugluft. Bei Beachtung dieser Ausschlüsse sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne zeitliche Einschränkung zu verrichten. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht. Dr. Ha., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, hat in seinem Gutachten vom 28. November 2006 eine undifferenzierte Somatisierungsstörung beschrieben, des Weiteren ein Zervikal- und Lumbalsyndrom jeweils ohne relevante Funktionseinschränkung und radikuläre Symptomatik sowie einen mit Tabletten eingestellten Diabetes mellitus Typ II. Unzumutbar seien körperliche Schwerarbeiten, überwiegende Zwangshaltungen, ständiges Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ständiges Bücken und Steigen von Treppen oder Leitern sowie Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die psychische Belastbarkeit. Bei Beachtung dieser Ausschlüsse sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne zeitliche Einschränkung zu verrichten.

Mit Gerichtsbescheid vom 12. April 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Insbesondere den Gutachten von Dr. K. und Dr. Ha. folgend, ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass eine rentenrelevante zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu begründen sei. Die von den Sachverständigen benannten qualitativen Ausschlüsse seien zwar zu beachten, führten aber nicht zur Notwendigkeit, dem Kläger eine bestimmte Verweisungstätigkeit zu benennen. Aufgrund seines beruflichen Werdeganges genieße der Kläger als kurzfristig Angelernter keinen Berufsschutz. Damit lägen die Voraussetzungen weder für eine volle Erwerbsminderung noch eine Berufsunfähigkeit vor.

Gegen diese seinem damaligen Bevollmächtigten am 16. April 2007 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 16. Mai 2007 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Zu deren Begründung hat er vorgebracht, das SG habe sein schlechtes Sehvermögen nicht ausreichend berücksichtigt; so könne er nur noch mit Brille und bei sehr nahem Herangehen ein Schriftstück lesen. Aus der einmaligen Momentaufnahme im Rahmen einer Begutachtung könne nicht auf die Langzeitbelastung geschlossen werden; hierfür sei ein Langzeit-EKG notwendig. Des weiteren hat er einen Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. A. vom 19. Oktober 2007 vorgelegt; auf Bl. 17/18 der Senatsakte wird Bezug genommen. Die im Berufungsverfahren durchgeführte Begutachtung durch Dr. Ke. habe ein hirnorganisches Psychosyndrom sowie ein Schlafapnoe-Syndrom zu Tage gefördert, was im Gerichtsbescheid noch nicht Berücksichtigung gefunden habe. Nach der Schilderung des Gutachters sei er offenbar mit den Gegebenheiten seines momentanen Lebens völlig überfordert; es sei daher nicht vorstellbar, wie auf dieser Basis eine Berufstätigkeit ausgeübt werden solle.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. April 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2006 zu verurteilen, ihm ab 1. April 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat die angefochtene Entscheidung verteidigt und, gestützt auf beratungsärztliche Stellungnahmen von Prof. Dr. La. vom 14. Juni und 26. Juli 2010, vorgetragen, das Ergebnis der Begutachtung durch Dr. Ke. bestätige die bisher angenommene Leistungsbeurteilung; auf Bl. 79 und 91 der Senatsakte wird insoweit Bezug genommen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Dr. Ke., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstattung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Dieser hat zunächst unter dem 14. September 2009 einen Zwischenbericht über die Ergebnisse konsiliarischer Untersuchungen sowie den von ihm erhobenen psychiatrischen Befund vom 23. Juli 2009 vorgelegt (Bl. 38/40 der Senatsakte). Im Gutachten vom 31. Mai 2010 hat er folgende Diagnosen gestellt: hirnorganisches Psychosyndrom; mittelgradiges, rückenlage-assoziiertes obstruktives Schlafapnoesyndrom, zurzeit nicht ausreichend versorgt (mangelhafte Compliance); Gonarthrose; Z.n. Synovialitis der rechten Hand mit noch persistierenden Schmerzen; internistisches Risikoprofil (essentieller Hypertonus, hypertensive Herzkrankheit, Diabetes mellitus Typ 2, Koronarinsuffizienz, hypertensive Dysregulation bei unzureichender Behandlung mangels Compliance); schmerzhafte Form der diabetischen Polyneuropathie. Es lasse sich nicht zweifelsfrei ausschließen, dass der Kläger die zur Bewältigung seiner körperlichen, aber auch seiner seelischen Störungen notwendige Kooperationsfähigkeit erkennen lasse. Wirbelsäulenbedingt seien wechselnde Körperhaltungen einzuhalten; häufiges Bücken sei ebenso wenig möglich wie häufiges Überkopfarbeiten. Das Heben und Tragen von Lasten sollte im Einzelfall 20 kg nicht überschreiten, bei dauerhafter Tätigkeit sollten Lasten von 10 kg nicht überschritten werden. Die räumliche und arbeitsplatzmäßige Beweglichkeit sei durch die Gonarthrose beeinträchtigt. Ausgeschlossen seien Arbeiten im Akkord oder mit Zeitdruck sowie in Nachtschicht. Wegen der dauerhaften Tagesmüdigkeit seien Pausen nach längstens zwei Stunden Arbeitszeit einlegen. Aufgrund der Fatigueproblematik sei es dem Kläger nicht mehr möglich, einen vollen Arbeitstag von acht Stunden zu bewältigen. Ihm sei jedoch eine Tätigkeit von sechs Stunden täglich zuzumuten. Der Kläger sei im gegenwärtigen Zustand nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen. Im öffentlichen Verkehrsraum bestünden erhebliche Unsicherheiten, so dass ihm das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel grundsätzlich möglich sei, jedoch eine ausreichende Zeit hierfür einkalkuliert werden müsse. Hinsichtlich der Gonarthrose seien in jüngster Zeit neue Befunde erhoben worden, die aber einer konservativen Therapie zugänglich seien und im Laufe der kommenden sechs Monate besser werden könnten. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juli 2010 hat Dr. Ke. auf Nachfrage bestätigt, dass sich die von ihm angenommene sechsstündige Leistungsfähigkeit ausschließlich auf leichte Arbeiten beziehe. Des weiteren hat er einen Arztbrief des Facharztes für Strahlentherapie Prof. Dr. Lu. vom 28. Juni 2007 vorgelegt; auf Blatt 89 der Senatsakte wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der Vorakten S 8 RJ 233/03 sowie der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zutreffend verneint.

Maßgeblich für die beanspruchte Rente ist das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)). Nach § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben bei Erfüllung hier nicht streitiger versicherungsrechtlicher Voraussetzungen Versicherte Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht unter den genannten Bedingungen bei einem Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich (Abs. 2). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers berühren vorwiegend das orthopädische und das nervenärztliche Fachgebiet. Zu Recht hat das SG entschieden, dass die auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden täglich nicht begründen. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG nimmt der Senat nach eigener Prüfung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Auch der Senat stützt sich dabei vorwiegend auf die von Dr. K. im sozialgerichtlichen und das von Dr. F. bereits im Verwaltungsverfahren erstatteten überzeugenden und schlüssigen Fachgutachten; letzteres kann im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Beide Fachärzte haben die relevanten Befunde vollständig erhoben, nachvollziehbar die danach vorliegenden Gesundheitsstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen dargestellt sowie schlüssig und überzeugend das hieraus resultierende Restleistungsvermögen des Klägers abgeleitet. Dabei ist es gerade Aufgabe und Inhalt eines Sachverständigengutachtens im Rentenstreit, aus der Zusammenstellung und Bewertung von Befunden, Gesundheitsstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen die dauerhafte berufliche Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung sozialmedizinischer Grundsätze zu ermitteln. Diese stellen den aktuellen und anerkannten Stand der Kenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen gesundheitlichen Einschränkungen und Anforderungen der Arbeitswelt dar. Der Kläger vermag somit nicht mit seinem Einwand durchzudringen, die Gutachten erlaubten keine Schlüsse auf die Langzeitbelastbarkeit. Insbesondere geht sein Einwand fehl, hierfür bedürfe es eines Langzeit-EKGs. Dieses bietet nun keinerlei Erkenntnisse über die vom Kläger in den Vordergrund gestellten orthopädisch bedingten Einschränkungen.

Die im Gutachten von Dr. F. wiedergegebenen Befunde und die daraus abgeleitete Leistungsbeurteilung wurden sowohl vom behandelnden Allgemeinmediziner Dr. Hö. als auch vom Orthopäden Dr. Me. in deren schriftlichen Stellungnahmen als sachverständige Zeugen gegenüber dem SG ausdrücklich bestätigt. Die Begutachtung durch Dr. K. im sozialgerichtlichen Verfahren hat zum selben Ergebnis geführt. Die abweichende Leistungseinschätzung des behandelnden Neurochirurgen Meltzer vermag hingegen nicht zu überzeugen. Es ist bereits nicht ersichtlich, wie alt die von ihm wiedergegebenen Befunde tatsächlich sind. Zwar datiert seine Stellungnahme vom 26. Juli 2006, vor der Unterschrift findet sich jedoch die Datumsangabe 21. Oktober 2003. Des Weiteren führt er aus, "weitere Untersuchungen wurden von mir nicht veranlasst, die Diagnostik war schon um die Jahrhundertwende abgeschlossen". Die von ihm angegebenen Befunde über eine ausgeprägt eingeschränkte Beweglichkeit und Entfaltbarkeit in allen drei Wirbelsäulenabschnitten, positive Zeichen nach Lasègue, die erschwerte Durchführung des Schürzen- und Nackengriffs und die Einschränkung der Beweglichkeit der Unterarme haben sich weder bei der Begutachtung durch Dr. F. noch durch Dr. K. gezeigt. So beschreibt letzterer beispielsweise das Zeichen nach Lasègue beidseits negativ, die Zeichen nach Ott (30/32) und Schober (10/14) im Normbereich, was sich auch an einem Finger-Fußboden-Abstand (FBA) vom 19cm abbildet. Bei der späteren Begutachtung durch Dr. Ha. ließ sich ein zunächst demonstrierter FBA von 40cm im Langsitz auf 5cm verkürzen. Dass sensible oder motorische Ausfälle aufgrund der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen vorlägen, was durchweg alle Gutachter verneinen, behauptet auch Neurochirurg Meltzer nicht. Des Weiteren konnte Dr. K. Hinweise auf eine schmerzhafte Instabilität der Wirbelsäule ausschließen. Seine Einschätzung, die Gesundheitsstörung an der Wirbelsäule bedinge daher zwar qualitative Ausschlüsse, rechtfertige aber nicht die Annahme einer zeitlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit, entspricht sozialmedizinischen Grundsätzen und ist überzeugend. An den oberen Extremitäten bestehen nach den Erhebungen der Sachverständigen keine Funktionseinschränkungen. Dies gilt trotz der diagnostizierten Heberden-Polyarthrose insbesondere auch für die Hände. Die Griffvarianten konnten beidseits einschränkungslos durchgeführt werden, die Kraft war nicht gemindert. Der Senat verkennt nicht, dass die zugrundegelegten Gutachten bereits aus den Jahren 2005 und 2006 stammen. Allerdings liegen keinerlei Hinweise auf eine danach eingetretene relevante Änderung im Befund vor, soweit es die Wirbelsäule und die oberen Gliedmaßen betrifft. Dem zur Berufungsbegründung vorgelegten Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. A. vom 19. Oktober 2007 ist eine solche nicht zu entnehmen. Neue Gesundheitsstörungen oder Diagnosen werden nicht angegeben. Der radiologische Befund zeigte danach ausdrücklich keine Zunahme der Veränderungen. Bei seitengleichen Reflexen und einem nicht beeinträchtigten Gang und Stand wurden auch Muskelatrophien, Paresen oder sensible Defizite als Zeichen einer Nervenwurzelschädigung ausgeschlossen. Auch der im Berufungsverfahren gutachtende Neurologe und Psychiater Dr. Ke. hat insoweit keine Verschlechterung beschrieben und hält ebenfalls die bereits bekannten qualitativen Ausschlüsse für ausreichend. Die Beschwerden durch eine Synovialitis an der rechten Hand waren nur vorübergehend, sind austherapiert und bedingen keine dauerhafte Einschränkung.

Eine Verschlechterung ergibt sich allerdings hinsichtlich der Gonarthrose, die von Dr. Ke. erstmals im Mai 2010 in beiden Kniegelenken als ausgeprägt beschriebenen wird. Aus dem von ihm vorgelegten Arztbrief von Prof. Dr. Lu. über den am 28. Juni 2010 erhobenen Befund ergibt sich eine fortgeschrittene Arthrose beidseits mit Schwellung und schmerzhaftem Bewegungsumfang. Das Gangbild wirke nicht flüssig. Mit der beratungsärztlichen Einschätzung von Prof. Dr. La. ist der Senat jedoch davon überzeugt, dass hieraus keine dauerhafte zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens resultiert, was auch von Dr. Ke. nicht angenommen wird. Vielmehr weist der Gutachter ausdrücklich auf die Möglichkeit der konservativen Behandlung hin, die sich ja auch gerade aus dem Arztbrief von Prof. Dr. Lu. ergibt. Eine übermäßige Belastung der Kniegelenke wird bereits durch die Beschränkung auf körperlich leichte Tätigkeiten ohne ständiges Stehen oder Gehen, ohne häufiges Treppensteigen oder das Steigen auf Leitern oder Gerüsten, ohne Zwangshaltungen und Knien vermieden. Der Einschätzung von Prof. Dr. La. folgend, liegt eine bedeutsame Einschränkung der Gehstrecke und damit der Wegefähigkeit auf Dauer nicht vor, was angesichts der auch von Dr. Ke. angenommenen Besserung des Zustandes innerhalb von sechs Monaten durch konservative Behandlung überzeugend ist.

Bei der Beurteilung der Einschränkungen, die sich aus den Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet ergeben, kann zunächst aufgrund des von Dr. Ha. erhobenen Befundes und Tagesablaufes davon ausgegangen werden, dass eine früher beschriebene Gesundheitsstörung aus dem depressiven Formenkreis nicht mehr vorliegt. Im weiteren zeitlichen Ablauf ist es nicht zu einer Verschlechterung gekommen. Auch Dr. Ke. gibt keinen entsprechenden Befund an und hat auch keine dahingehende Diagnose gestellt. Abweichend von früheren Gutachten beschreibt Dr. Ke. im Berufungsverfahren erstmals ein hirnorganisches Psychosyndrom mit Verständnisstörungen, Verlangsamung des Denkens und deutlicher Neigung zur Verstärkung körperlicher Beschwerden i.S.e. Aggravation. Dem Senat erscheint es bereits bedenklich, diese Diagnose als gesichert anzusehen. Letztlich wird sie im Gutachten nur durch den äußert knapp gehaltenen Befund vom 23. Juli 2009 begründet, der Kläger wirke in der Untersuchung unsicher, offensichtlich leicht ablenkbar, hirnorganisch wesensgeändert und in jeder Hinsicht überfordert. Dem war jedoch nicht weiter nachzugehen, denn auch Dr. Ke. hält - von dieser Diagnose ausgehend - den Kläger für ausreichend leistungsfähig, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden täglich zu verrichten. Die im Gutachten vom 31. Mai 2010 noch missverständliche Äußerung über die Leistungsfähigkeit hat der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juli 2010 entsprechend klargestellt. Eine generelle Überforderung mit den Gegebenheiten seines momentanen Lebens hat Dr. Ke. entgegen der Ansicht des Klägers nicht beschrieben. Vielmehr wurde ausdrücklich dargestellt, dass der Kläger mit komplexen Texten und Erläuterungen wie einer Eingliederungsvereinbarung mit Rechtsfolgenbelehrungen und Gesetzesauszügen - ohne Übersetzer - überfordert war. Vergleichbare Anforderungen werden jedoch bei den hier allein in Rede stehenden einfachen Tätigkeiten nicht gestellt. Der durchgeführte Minimentalstatustest erbrachte mit einem Wert von 28/30 keine krankheitswertigen Ergebnisse. Entsprechend sieht auch Dr. Ke. nur Einschränkungen qualitativer Art, nämlich den Ausschluss von Akkord oder Zeitdruck.

Die von Dr. Ke. angenommene Notwendigkeit von Pausen nach jeweils zwei Stunden Arbeitszeit vermag der Senat hingegen nicht nachzuvollziehen. Der Gutachter begründet seine Ansicht mit dem nichtbehandelten Schlafapnoesyndrom und einer daraus resultierenden dauernden Tagesmüdigkeit. Zwar ist es nachvollziehbar, dass ein gestörter Nachtschlaf zu Müdigkeit am Tage führt. Der Gutachter hat jedoch in keiner Weise eine objektive Testung durchgeführt, inwieweit tatsächlich Einschränkungen in der Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Durchhaltefähigkeit vorliegen. Ein Tagesablauf ist nicht erhoben worden. Dies ist insbesondere deshalb beachtlich, weil der Kläger bereits seit Beginn des Verfahrens über Schlafstörungen geklagt hatte, ohne dass sich dies insbesondere in dem von Dr. Ha. erhobenen Tagesablauf durch signifikante Einschränkungen niedergeschlagen hätte. Nur dass nunmehr erstmals ein Schlafapnoesyndrom als Ursache erkannt wurde, führt nicht zu weitergehenden Leistungseinschränkungen. Des Weiteren ist das Syndrom durch die Anwendung eines nCPAP-Geräts behandelbar, was eine dem Kläger zumutbare Therapiemaßnahme darstellt. Dass die fehlende Kooperation des Klägers bei der Mitwirkung an der Bewältigung seiner Beschwerden von ihm bei entsprechender Willensanspannung nicht steuerbar sei, sieht auch Dr. Ke. nicht als nachgewiesen an. Ein fehlendes intellektuelles Einsichtsvermögen kann angesichts des Ergebnisses des Minimentalstatustests nicht schlüssig angenommen werden. Aus den gleichen Gründen sieht der Senat auch keine relevante Einschränkung des Klägers bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel als ausreichend begründet an.

Von Seiten des internistischen Fachgebiets wurden im gesamten Verlauf des Verfahrens keine relevanten Gesundheitsstörungen erhoben. Auch Dr. Ke. gibt als Ergebnis konsiliarischer Untersuchungen nur ein "internistisches Risikoprofil" an, aber keine hieraus folgenden dauerhaften Funktionsbeeinträchtigungen oder Leistungseinschränkungen. Hinsichtlich des Sehvermögens ist festzustellen, dass eine objektive Einschränkung des Visus nicht vorliegt. Dies ergibt sich aus der bereits vom SG zitierten augenärztlichen Untersuchung im Jahre 1999; eine entsprechende Versorgung mit Sehhilfen ist nie in Betracht gezogen worden. Dr. Ke. weist auf den funktionellen Charakter der geklagten Beschwerden hin. Im Übrigen fällt auf, dass der Kläger diesbezüglich in seiner Alltagsgestaltung keine Einschränkungen aufweist, insbesondere sogar noch selbst Auto fährt. Weitere Einschränkungen ergeben sich daher nicht.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht somit zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich eine einfache und körperlich leichte Tätigkeit ohne überwiegendes Stehen und Gehen sowie dauerndes Sitzen zu verrichten. Das Heben und Tragen von Lasten ist schon definitionsgemäß von leichten Tätigkeiten nicht umfasst. Ausgeschlossen sind Überkopfarbeiten, Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Knien oder Steigen von Treppen und auf Leitern oder Gerüsten, Arbeiten in Nässe, Kälte oder Zugluft. Nicht zumutbar sind dem Kläger außerdem Tätigkeiten im Akkord oder unter Zeitdruck, mit besonderer geistiger Beanspruchung oder erhöhter Verantwortung. Die Wegefähigkeit des Klägers ist zumindest nicht auf unabsehbare Dauer eingeschränkt. Diese Einschränkungen sind weder ihrer Art nach noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen. Dies gilt im Übrigen auch für die von Dr. Ke. angesprochenen Pausen alle zwei Stunden. Selbst wenn man diese entgegen der oben genannten Gründe für notwendig erachtete, handelte es sich nicht um betriebsunübliche Pausen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt verengten. Bereits nach § 4 Arbeitszeitgesetz sind bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden Ruhepausen von mindestens 30 Minuten einzuhalten, die in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden können. Des weiteren gelten beispielweise Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 30. März 1989 - 6 AZR 326/86 - EzBAT § 4 BAT Betriebliche Übung Nr. 11 und vom 27. April 2000 - 6 AZR 861/98 - NZA 2001, 274; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 2007 - L 11 R 684/06 - (juris)).

Mit dem festgestellten Leistungsvermögen ist der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert i.S.d. § 43 SGB VI. Da er aufgrund seines beruflichen Werdeganges keinen Berufsschutz genießt, vielmehr zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann, besteht auch keine Berufsunfähigkeit i.S.d. § 240 SGB VI; insoweit nimmt der Senat nach eigener Prüfung auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved