L 9 U 4082/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 1610/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4082/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2008 aufgehoben.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob eine posttraumatische Belastungsstörung als weitere Unfallfolge festzustellen und dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. Februar 2000 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 45 v.H. zu gewähren ist.

Der 1946 geborene Kläger bezieht seit 1988 aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit, die immer wieder verlängert wurde. Mit Bescheid des Versorgungsamts Stuttgart vom 25. August 1989 war der Grad der Behinderung (GdB) von 60 auf 70 erhöht worden, da aufgrund eines Befundberichts der Klinik für Psychiatrie (Chefarzt Dr. J., Diagnose: Periodische endogene Depression hypochondrischer Prägung) vom 27. September 1988 als weitere Behinderung eine depressive Verstimmung mit einem GdB von 20 berücksichtigt worden war. Nunmehr beträgt der GdB 100; außerdem wurden die Merkzeichen G und RF festgestellt (Teil-Abhilfebescheid des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 29. Dezember 2006).

Am 24. Februar 2000 erlitt der Kläger bei einer Tätigkeit als Polierhilfe für die Firma O. MV Wohnungsbaugesellschaft, bei der er seit 15. Februar 2000 auf 630,- DM Basis beschäftigt war, einen Unfall, als er beim Kantholzschneiden mit der Kreissäge in die linke Hand geriet. Er zog sich dabei Schnittverletzungen im Bereich des linken Daumen- und Kleinfingerendgliedes sowie vollständige Durchtrennungen in dem Zeige-, Mittel- und Ringfinger zu (DA-Bericht vom 25. Februar 2000). Der Kläger wurde deswegen vom 24. Februar bis 17. März 2000 im Krankenhaus Hofheim am Taunus operativ behandelt, wobei der Mittel- und Ringfinger nicht erhalten werden konnten und hier eine Stumpfbildung im Bereich der Basis P 1 beider Finger erfolgen musste. Der Zeigefinger konnte erhalten werden und die Weichteilverletzungen der Kuppe des Daumens und des Kleinfingers konnten durch adaptierende Weichteilmodellation versorgt werden. Wegen einer unfallbedingten stark depressiven Stimmungslage empfahlen die Ärzte der Klinik eine Vorstellung bei einem Neurologen am Heimatort (Zwischenbericht vom 20. März 2000). Vom 28. Mai bis 20. Juni 2000 wurde der Kläger in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen stationär behandelt, wo ihm - wegen fehlender Besserung - eine Pseudarthrosenresektion und Osteosynthese des Zeigefingers vorgeschlagen wurde (Entlassungsbericht vom 4. Juli 2000), die während des stationären Aufenthalts des Klägers vom 3. September bis 28. September 2000 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen durchgeführt wurde (Entlassungsbericht vom 9. Oktober 2000). Arbeitsunfähigkeit bestand bis zum 16. November 2000.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. Sch., Abteilung für Hand-, Plastische und Verbrennungschirurgie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen, ein erstes Rentengutachten. Er schätzte die MdE für die Unfallfolgen vom 17. November 2000 bis zum Ende des dritten Unfalljahres auf 35 v.H.

Mit Bescheid vom 6. April 2001 erkannte die Beklagte den Unfall vom 24. Februar 2000 als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 35 v.H. bis auf weiteres.

Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: Weichteilverlust und knöcherner Substanzverlust im Bereich des Daumenendgliedes ellenseitig mit Narben im Hauptlastbereich des linken Daumens, verkürzter Zeigefinger links mit Schwellung des Mittelgliedes und des Mittelgelenkes und ausgeprägter Bewegungseinschränkung im Mittelgelenk und Wackelsteifigkeit des Endgelenkes sowie weitgehende Asensibilität des linken Zeigefingers, Osteosynthesematerial im Bereich des Mittelgliedes des linken Zeigefingers und ca. 10 Grad Deviation des linken Zeigefingers in Richtung Elle, kurze Stümpfe ohne wesentlichen funktionellen Wert im Bereich des Grundgliedes des Mittel- und Ringfingers links, geringfügiger Weichteilverlust ellenseitig am linken Kleinfinger, Sensibilitätsminderung im Bereich des linken Daumens und Zeigefingers, verminderter Umfang der Mittelhand links um 2 cm, verminderte Handspanne links um 3 cm, geschwächter Spitzgriff und vollständige Opposition (Abstand Daumen-Kleinfinger 1 cm), inkompletter Faustschluss und inkomplette Streckung links.

Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden nicht anerkannt: Ellenbogengelenkverletzung 1981 mit verbliebener Bewegungseinschränkung, Arthrose der Hüfte und der Handgelenke, Bandscheibenvorfall L4/L5 und L5/S1 mit operativer Therapie 1975 und 1978, Wirbelsäulenfraktur 1998 im Bereich L1, seit Jahren bestehende Depression mit medikamentöser Therapie, Nierenstein links.

Unter dem 9. Oktober 2002 erstattete Prof. Dr. Sch. das zweite Rentengutachten zur Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit. Dabei klagte der Kläger über eine eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der linken Hand, Dysästhesien an allen Fingern und teilweise Phantomschmerzen an Mittel- und Ringfinger sowie vermehrte Depressionen. Als Unfallfolgen nannte Dr. Sch. eine stark herabgesetzte Sensibilität an allen Fingern, eine Stumpfbildung am Mittel- und Ringfinger in Grundgliedhöhe sowie eine eingeschränkte Beweglichkeit des Zeigefingers. Er schätzte die MdE nunmehr auf 30 v.H.

Nach Anhörung des Klägers teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 26. November 2002 mit, anstelle der bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung in Höhe von 35 v.H. erhalte er ab 1. Dezember 2002 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 30 v.H. Die MdE berücksichtige folgende Folgen des Arbeitsunfalls: Stumpfbildung des linken Mittel- und Ringfingers in Höhe des Grundgliedes, Bewegungseinschränkung des linken Zeigefingers in allen Gelenken, Sensibilitätsstörungen an allen Fingern der linken Hand, Minderbeschwielung der linken Hand. Unfallunabhängig lägen vor: Ellenbogengelenkverletzung rechts 1981 mit verbliebener Bewegungseinschränkung, Arthrose der Hüfte und der Handgelenke, Bandscheibenvorfall L4/L5 und L5/S1 mit operativer Therapie 1975 und 1978, Wirbelsäulenfraktur 1998 im Bereich L1, seit Jahren bestehende Depression mit medikamentöser Therapie, Nierensteine links.

Den Widerspruch des Klägers, den dieser mit starken Schmerzen, Taubheit und einer Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2003 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 28. März 2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben, die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als weiteren Unfallfolge und die Gewährung von gesetzlichen Entschädigungsleistungen auf der Grundlage einer unfallbedingten MdE von 50 % ab 1. Dezember 2002 beantragt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört und ein Gutachten auf nervenärztlichem Gebiet eingeholt.

Die Ärztin für Orthopädie Dr. B.-Sch. hat unter dem 30. März 2004 erklärt, aufgrund der vorliegenden Befunde stimme sie mit den Beurteilungen im Gutachten vom 9. Oktober 2002 überein. Der Neurologe und Psychiater Dr. L. hat unter dem 14. März 2005 mitgeteilt, er habe den Kläger erstmals am 21. Juni 2004 gesehen, der letzte Behandlungstermin sei am 10. Januar 2005 gewesen. Diagnostisch sei von einer depressiven Störung im Rahmen eines posttraumatischen Belastungssyndroms auszugehen. Die Gedanken des Klägers kreisten um den im Jahr 2000 erlittenen Unfall. Diesen habe er bisher nicht verkraftet und müsse immer wieder daran denken. Eine zusätzliche Belastung habe sich allerdings nach einem Autounfall gezeigt, den der Kläger im Dezember letzten Jahres erlitten habe. Bei einem Zusammenstoß mit einem Geisterfahrer auf der Autobahn sei die Hinterachse seines Pkws abgerissen worden.

Der Psychiater Dr. Sp. hat im Gutachten vom 19. September 2005 ausgeführt, zusammenfassend lägen beim Kläger geringgradige Störungen der Gefühlswelt und Wahrnehmung sowie eine allenfalls geringgradige depressive Verstimmung und Lustlosigkeit vor. Das seelische Störungsbild sei zumindest teilursächlich unfallbedingt, auch wenn prädisponierende oder anderweitige unfallfremde Belastungsfaktoren bei seiner Entstehung und Aufrechterhaltung in erheblicher Weise mitgewirkt hätten. Ein vorausgehendes seelisches Krankheitsbild im Sinne eines Vorschadens habe nicht festgestellt werden können. Er hat folgende Diagnosen gestellt: • Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, die sich auf dem Boden einer - zunächst in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung (durch den Unfall im Jahr 2000) bzw. einer reaktiven Depression - vorliegenden Störung entwickelt hat • Somatoforme Schmerzstörung, ausgeprägt als mäßiggradige behindernde Störung bei geringer Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die sich schwerpunktmäßig als persistierende Schmerzen der linken Hand wie auch chronisch persistierende LWS-Beschwerden manifestiert • Zustand nach Kreissägenverletzung linke Hand mit vollständiger Durchtrennung des 2., 3. und 4. Fingers der linken Hand (Fremddiagnose) • Posttraumatische Belastungsstörung. Das klinische Bild sei durch die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung charakterisiert, wobei die erforderlichen Diagnosekriterien (die beiden sogenannten A-Kriterien oder Ereignis-Kriterien) erfüllt seien. Die posttraumatische Belastungsstörung müsse mit einer MdE um 30 v.H. gewürdigt werden, so dass die MdE für die Unfallfolgen insgesamt mit 45 v.H. einzuschätzen sei.

Das SG hat eine weitere Zeugenaussage beim praktischen Arzt M., eingegangen beim SG am 4. Februar 2008, eingeholt, der den Kläger vom 13. Oktober 2004 an behandelt hat, und die Renten- und Schwerbehindertenakten des Klägers beigezogen.

Mit Urteil vom 18. Juni 2008 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2003 verurteilt, unter Aufnahme des Textelements "posttraumatische Belastungsstörung" als weitere Folge des Unfalls vom 24. Februar 2000 dem Kläger Verletztenrente entsprechend einer Gesamt-MdE in Höhe von 40 v. H. zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das SG schließe sich der Beurteilung von Dr. Sp. an, dass als zusätzliche Unfallfolge eine posttraumatische Belastungsstörung zu berücksichtigen sei. Im Rahmen freier pflichtmäßiger richterlicher Schadensschätzung sehe das SG eine Gesamt-MdE um 40 v.H. als gerechtfertigt an. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 13. August 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. August 2008 Berufung eingelegt und vorgetragen, die gutachterlichen Ausführungen von Dr. Sp. überzeugten nicht. Dem Sachverständigen hätten nicht alle Vorbefunde, die später beigezogen worden seien, zur Verfügung gestanden. Es werde die Beiziehung der kompletten Krankenblattunterlagen der behandelnden Ärzte bzw. Praxisnachfolger, zumindestens aber die des Arztes F.-F., Dr. L. und Dr. P. beantragt. Nach der aktuellen Anamnese im Gutachten von Dr. Sp. werde seitens des Klägers von Flashbacks und/oder Albträumen nichts berichtet. Auch die Angaben zum Tagesablauf und die vegetative Anamnese stützten die nach ICD-10 für eine posttraumatische Belastungsstörung geforderten Symptome nicht. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei nicht nachgewiesen.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2010 Anschlussberufung einge-legt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2008 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts vom 18. Juni 2008 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die unfalldingte MdE nach dem Ereignis vom 24. Februar 2000 auf 45 v.H. festzusetzen.

Er erwidert, soweit die Beklagte die richterliche Kausalitätsbeurteilung kritisiere und auf eine vor dem Unfallereignis bestehende relevante psychische Erkrankung verweise, sei klarzustellen, dass es aufgrund der Bandscheibenoperationen 1977 und 1987 und deren Begleiterscheinungen zu einem gewissen depressiven Verstimmungszustand gekommen sei, der dann wieder verschwunden sei. Unzutreffend sei die Behauptung der Beklagten, er habe in der Zeit unmittelbar nach dem Unfallereignis keine einschlägigen Symptome im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgewiesen. Im Zwischenbericht des Krankenhauses Hofheim am Taunus vom 20. März 2000 heiße es, aufgrund einer stark depressiven Stimmungslage infolge des Unfalls werde eine Vorstellung bei einem Neurologen am Heimatort empfohlen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass die MdE auf chirurgischem Gebiet von 35 v.H. auf 30 v.H. herabgesetzt worden sei, da es zu keiner Besserung gekommen sei. Der Kläger hat einen Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. S. vom 16. Juni 1988 sowie Auszüge aus Heilverfahrens-Entlassungsberichten vom 19. September 1986 und 12. Juli 1988 vorgelegt.

Der Senat hat ärztliche Unterlagen der Neurologen und Psychiater Dr. P. und Dr. L. sowie die Schwerbehinderten- und Rentenakten des Klägers beigezogen und bei Dr. Sp. eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage eingeholt.

Dr. Sp. hat in der ergänzenden Stellungnahme vom 15. Juli 2009 ausgeführt, von großer Bedeutung sei die nervenärztliche Stellungnahme von Dr. L. (Bl. 131 SG-Akte), wonach der Kläger seit der traumatischen Amputation der Finger 3 und 4 rechts (gemeint: links) an einer posttraumatischen Belastungsreaktion leide. Nach Meinung von Dr. L. sei es durch den Unfall und die traumatische Amputation zu einer Verlagerung des Krankheitsbildes auf die posttraumatische Belastungsstörung gekommen. Die für diese Diagnose geforderten typischen Merkmale seien beim Kläger nach wie vor so gut wie alle vorhanden und äußerten sich (bei gezielter Befragung) vor allem als das wiederholte Erleben des Traumas in Form von aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen und Flashbacks), einem Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit, Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber sowie als Anhedonie. Er halte an seiner bisherigen Beurteilung fest.

Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. St. vom 23. September 2009 vorgelegt, der ausführt, Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet, die ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen seien, lägen nicht vor. Unfallunabhängig vorbestehend seien eine somatoforme Störung, eine rezidivierende depressive Störung und Angststörungen dokumentiert. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung werde nicht begründet. Eine Exploration des Unfallereignisses sei nicht erfolgt, so dass Dr. Sp. gar nicht habe beobachten können, ob die B- und C-Kriterien auf Befundebene erfüllt seien. Auch zu den D-Kriterien seien keine Untersuchungen erfolgt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten sowie den beigezogenen Schwerbehindertenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Mit dem angefochtenen Urteil hat das SG zu Unrecht eine posttraumatische Belastungsstörung als weitere Unfallfolge festgestellt und dem Kläger zu Unrecht eine höhere Verletztenrente als 30 v.H. wegen des Arbeitsunfalls vom 24. Februar 2000 zugesprochen. Die Anschlussberufung des Klägers ist dagegen nicht begründet.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründeten Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls und ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung der MdE ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und JURIS).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 (aaO Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Im Urteil vom 9. Mai 2006 (aaO Rdnr. 21) hat das BSG keinen Zweifel daran gelassen, dass die Theorie der wesentlichen Bedingung auch uneingeschränkt auf die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfällen und psychischen Störungen anzuwenden ist, die nach Arbeitsunfällen in vielfältiger Weise auftreten können. Die Feststellung der psychischen Störung sollte angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglichen Schu-lenstreiten aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen. Denn je genauer und klarer die beim Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, desto einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (BSG aaO Rdnr. 22). Das BSG hat im Weiteren darauf hingewiesen, dass es wegen der Komplexität von psychischen Gesundheitsstörungen im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel des Inhalts gebe, dass bei fehlender Alternativursache (etwa wenn eine Vorerkrankung oder Schadensanlage nicht nachweisbar sind) die versicherte naturwissenschaftliche Ursache (also die Einwirkung durch den Arbeitsunfall, festgestellt auf der ersten Stufe der Ursächlichkeitsprüfung) damit auch automatisch zu einer wesentlichen Ursache (im Sinne der Ursächlichkeitsprüfung auf der zweiten Stufe) wird. Dies würde angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren zu einer Umkehr der Beweislast führen, für die keine rechtliche Grundlage erkennbar sei (BSG aaO Rdnr. 39). Andererseits schließt aber eine "abnorme seelische Bereitschaft" die Annahme der psychischen Reaktion als Unfallfolge nicht aus. Wunschbedingte Vorstellungen sind aber als konkurrierende Ursachen zu würdigen und können der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und der psychischen Reaktion entgegenstehen (BSG aaO Rdnr. 37 und 38).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall, der hier am 24. Februar 2000 eingetreten ist) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen - wie vorliegend mit Bescheid vom 6. April 2001 geschehen -, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden (§ 62 Abs. 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII).

Bei dem Ereignis vom 24. Februar 2000 handelt es sich um einen Arbeitsunfall, da der Kläger bei seiner versicherten Tätigkeit als Polierhilfe auf 630,- DM Basis einen Unfall erlitten hat, als er beim Kantholzschneiden mit der Kreissäge in seine linke Hand geriet. Dieses Unfallereignis hat die Beklagte auch mit Bescheid vom 6. April 2001 als Arbeitsunfall anerkannt und dem Kläger wegen der Folgen dieses Unfalls auf orthopädischem/chirurgischem Gebiet zunächst eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE und 35 v.H. und mit Bescheid vom 26. November 2002 als Dauerrente ab 1. Dezember 2002 nach einer MdE um 30 v.H. gewährt.

Die Feststellung der Unfallfolgen und deren Bewertung ab 1. Dezember 2002 beruht auf dem Gutachten von Prof. Dr. Sch. vom 9. Oktober 2002. Dieser Beurteilung hat die behandelnde Orthopädin Dr. B.-Sch. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 30. März 2004 zugestimmt. Diese Bewertungen stehen auch im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur, wonach der Verlust von Mittel- und Ringfinger mit einer MdE um 20 v.H. bewertet wird (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 566, Abb. 2.32). Unter Mitberücksichtigung der eingeschränkten Beweglichkeit des Zeigefingers und der herabgesetzten Sensibilität an allen Fingern ist die MdE-Einschätzung um 30 v.H. im Gutachten von Prof. Dr. Sch. nach Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden. Zur Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit war ein Besserungsnachweis nicht erforderlich, da diese unabhängig vom Vomhundertsatz der MdE für die vorläufige Entschädigung festgestellt wird, wie sich aus der oben genannten Vorschrift ergibt.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als weiteren Unfallfolge. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat aufgrund einer Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere der nervenärztlichen Berichte von Dr. P. und Dr. L. sowie des Gutachtens des Psychiaters Dr. Sp. vom 19. September 2005 nebst ergänzender Stellungnahme vom 15. Juli 2009 sowie unter Zugrundelegung der anzuwendenden internationalen Klassifikation gemäß ICD-10-GM 2007, F43.1 bzw. DMS-IV-TR 309.81.

Nach der nach dem Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 (aaO) anzuwendenden internationalen Klassifikation gemäß ICD-10-GM 2007, F43.1 bzw. DMS-IV-TR 309.81 entsteht eine PTBS als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z. B. zwanghafte oder asthenische Züge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsveränderung über.

Zusammengefasst ergeben sich damit fünf diagnostische Kriterien (im Folgenden A bis F), die jeweils obligat erfüllt sein müssen (vgl. DMS-IV-TR.309.81).

Das A- oder Trauma-Kriterium verlangt, dass der Betroffene mit einem extrem traumatischen Ereignis konfrontiert wird, welches den tatsächlichen oder drohenden Tod oder die schwere Verletzung oder eine Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhaltete. Als solche traumatische Erfahrungen werden kriegerische Auseinandersetzungen, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person (Vergewaltigung, körperlicher Angriff, Raubüberfall, Straßenüberfall) Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager, Naturkatastrophen, schwere Autounfälle genannt (Kriterium A1). Die Reaktion des Betroffenen auf das Ereignis muss intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfassen (Kriterium A2).

Das B- oder Wiedererlebens-Kriterium verlangt, dass es bei dem Betroffenen zu wiederkehrenden und eindringlichen belastenden Erinnerungen oder Wiedererleben durch aufdringliche Nachhallerinnerungen tagsüber oder nachts in Form von Albträumen kommt.

Das C- oder Vermeidungs-Kriterium verlangt, dass der Betroffene Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen, tatsächlich oder möglichst vermeidet.

Das D- oder Hypersensibilitäts-Kriterium verlangt das Vorliegen von mindestens zwei Symptomen erhöhter psychischer Sensibilität wie Schwierigkeiten ein- oder durchzuschlafen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsschwierigkeiten, übermäßige Wachsamkeit und übertriebene Schreckreaktion.

Das E- oder Zeit-Kriterium verlangt, dass das Störungsbild (Symptome unter Kriterium B, C und D) länger als ein Monat dauert. Die Symptome beginnen normalerweise innerhalb der ersten 3 Monate nach dem Trauma. Von einem verzögerten Beginn ist die Rede, wenn der Beginn der Symptome mindestens 6 Monate nach dem Belastungsfaktor liegt. Nach dem Kriterium F verursacht das Störungsbild in klinisch bedeutsamer Weise Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

Diese Kriterien sind zur Überzeugung des Senats nicht erfüllt. Der Senat vermag schon nicht festzustellen, dass es sich bei der Handverletzung mit der Kreissäge um ein derart extrem traumatisches Ereignis gehandelt hat, das mit Ereignissen wie gewalttätigen Angriffen, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folter, Kriegsgefangenschaft und einem schweren Autounfall gleichgesetzt werden kann, auch wenn diese Handverletzung eine Amputation des Mittel- und Ringfingers der linken Hand erforderlich machte. Darüber hinaus ist auch nicht feststellbar, dass die Handverletzung bzw. die nachfolgende Amputation der beiden Finger zu intensiver Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen beim Kläger geführt hat. Im Arztbrief des Krankenhauses Hofheim am Taunus vom 20. März 2000 (stationärer Aufenthalt vom 24. Februar bis 17. März 2000) ist zwar eine stark depressive Stimmungslage des Klägers infolge des Unfalls erwähnt und die Vorstellung bei einem Neurologen am Heimatort empfohlen worden. Intensive Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen fielen weder bei der ambulanten Vorstellung des Klägers in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen am 22. Mai 2000 (Arztbrief vom 2. Juni 2000) noch während des dortigen stationären Aufenthalts vom 3. September bis 28. September 2000 (Pseudarthrosenresektion im Grundgliedbereich des linken Zeigefingers und Reosteosynthese; Arztbrief vom 9. Oktober 2000) und auch nicht bei den Nachschauterminen am 26. Oktober und 16. November 2000 (Nachschauberichte vom sieben 20. Oktober und 23. November 2000) auf. Der Arzt für Allgemeinmedizin F.-F. hat unter dem 13. Mai 2003, d.h. über drei Jahre nach dem Arbeitsunfall, lediglich über psychosomatische Beschwerden nach Verlust zweier Finger an der linken Hand und nunmehrige Entwicklung einer depressiven Symptomatik, die bis auf weiteres prolongierte, berichtet. Einen Neurologen und Psychiater hat der Kläger erst im September 2003 aufgesucht. Im Arztbrief vom 28. September 2003 beschreibt Dr. P. keine Befunde, die auf eine posttraumatische Belastungsstörung hinweisen könnten und stellt auch keine diesbezügliche Diagnose, sondern diagnostiziert eine angstdepressive Anpassungsstörung ebenso wie im Arztbrief vom 15. Januar 2004. Eine derartige Diagnose hatte er auch schon im Arztbrief vom 13. November 1996, d.h. lange vor dem Unfall, gestellt. Den Neurologen und Psychiaters Dr. L. hat der Kläger erst am 21. Juni 2004 aufgesucht. Dies spricht gegen das Vorliegen von intensiver Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen, da ansonsten ein früheres Aufsuchen eines Neurologen und Psychiaters zu erwarten gewesen wäre. Auch der Umstand, dass sich der Kläger bei seinem Besuch bei der Beklagten am 26. Juni 2000 Sorgen machte, dass aufgrund seiner Erwerbstätigkeit - neben dem Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente - sein Rentenanspruch in Wegfall kommen könnte, spricht nicht dafür, dass intensive Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen wegen des Unfallereignisses bzw. der Amputation vorlagen.

Aus den vorliegenden ärztlichen Befundberichten, den nervenärztlichen Unterlagen von Dr. P. und Dr. L. sowie dem Gutachten von Dr. Sp. und seiner ergänzenden Stellungnahme ergeben sich, wie Prof. Dr. St. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 23. März 2009 zu Recht ausführt, keine Schilderungen des Klägers, die wiederholte und aufdringliche Erinnerungen an das Ereignis oder wiederkehrende quälende Träume, in denen das Erlebnis nachgespielt wird oder in anderer Form auftritt, belegen. Vielmehr hat der Kläger gegenüber Dr. Sp. lediglich angegeben, bei ihm würden Erinnerungen an den Unfall wach, wodurch sich seine Nervosität steigere. Er spüre dann Herzklopfen und Atemnot, so dass er Tabletten oder Tropfen einnehmen müsse. In seinen Albträumen erlebe er wiederholt das Krankenhaus, die Polizei und Situationen, in denen er angegriffenen werde oder zu Beerdigungen gehen müsse. Daraus ergibt sich für den Senat nicht, dass ein Wiedererleben der Handverletzung bzw. der Fingeramputation im Vordergrund steht.

Umstände, die ein Vermeidungsverhalten des Klägers belegen, lassen sich aus dem Gutachten von Dr. Sp. nicht entnehmen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei Dr. Sp. - bzw. bei den Begutachtungen zuvor - Gespräche über das Unfallereignis und dessen Folgen zu vermeiden suchte. Vielmehr hat der Sohn des Klägers Dr. Sp. berichtet, sein Vater erzähle immer wieder von dem Arbeitsunfall. Für eine psychische Abgestumpftheit finden sich beim Kläger keine Hinweise. So beschreibt Dr. Sp. den Kläger als empfindsam, distanziert, mit regelrechter Antriebslage und eruierbaren Zukunftsplänen sowie mit regelmäßigen Kontakten zur Familie, zu anderen Angehörigen und zu Nachbarn.

Darüber hinaus ist auch nicht feststellbar, dass das Wiedererlebens- und das Vermeidungskriterium sowie Gefühle von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit wenige Wochen bis Monate nach dem Trauma aufgetreten sind. Insoweit hat Dr. Sp. zu Recht bemerkt, dass Hinweise auf psychische Auffälligkeiten in den ersten Jahren nach dem Unfall in den Arztberichten nicht zu finden sind. Soweit er davon ausgeht, dass der Kläger erst im Jahr 2004 einen Neurologen und Psychiaters, nämlich Dr. L., aufgesucht hat, berücksichtigt er nicht, dass der Kläger im September 2003 und Januar 2004 den Neurologen und Psychiater Dr. P. aufgesucht hat, der keine posttraumatische Belastungsstörung beim Kläger diagnostiziert und auch keine Schilderungen des Klägers wiedergegeben hat, die eine solche belegen könnten. Anhaltspunkte dafür, dass alle Ärzte gravierende psychische Auffälligkeiten übersehen hätten, sind nicht vorhanden, zumal auch der behandelnde Hausarzt Dr. F.-F. jahrelang keine psychiatrische Behandlung beim Kläger initiiert hat. Ausweislich seiner Bescheinigung vom 13. Mai 2003 hat sich erst zu diesem Zeitpunkt ("jetzt") eine depressive Symptomatik entwickelt, die dann zu Überweisungen an den Neurologen und Psychiater Dr. P. führte, wie aus dessen Arztbriefen vom 28. September 2003 und 15. Januar 2004 zu entnehmen ist.

Nach alledem sieht der Senat eine posttraumatische Belastungsstörung nicht als nachgewiesen an. Da somit weitere Unfallfolgen auf psychiatrischem Gebiet nicht zu berücksichtigen sind, verbleibt es bei der durch die Unfallfolgen auf chirurgischem/orthopädischem Gebiet bedingten MdE.

Auf die Berufung der Beklagten war deswegen das Urteil des SG aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Anschlussberufung des Klägers war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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