L 1 AS 36/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 22 AS 87/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AS 36/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 121/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB mit Beschluss vom 25.10.10 als unzulässig verworfen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.09.2008 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 11.03.2008.

Die am 00.00.1952 geborene Klägerin ist österreichische Staatsangehörige. Sie befindet sich seit August 2007 in Deutschland. Am 31.10.2007 bescheinigte der Oberbürgermeister der Stadt O gemäß § 5 FreizügG/EU, dass die Klägerin zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt sei. Die Klägerin hatte sich bereits von 1973 bis 1988 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Sie war hier bis 1986 verheiratet. Im Rentenversicherungsverlauf der Klägerin sind für die Zeit von 01.12.1973 bis zum 31.03.1974 Pflichtbeitragszeiten nach der DÜVO und vom 12.04.1974 bis zum 06.12.1976 Pflichtbeitragszeiten bei Arbeitslosigkeit bzw. Zeiten der Arbeitslosigkeit vermerkt. Nach Zeiten der Schwangerschaft bzw. des Mutterschutzes sind für die Zeit vom 01.09.1982 bis 24.12.1982 und vom 01.11.1995 und bis zum 31.12.1995 wieder Pflichtbeitragszeiten ("SVN") vorgemerkt.

Bereits am 11.09.2007 beantragte die Klägerin erstmals Leistungen nach dem SGB II. Sie erklärte diesen Antrag am 12.09.2007 für erledigt, weil sie nach Deutschland gekommen sei, um hier eine Arbeit zu suchen und sie hoffe, schnell eine Arbeitsstelle zu finden.

Die Klägerin stand vom 02.11.2007 bis zum 06.11.2007 bei der Firma N N Verlags-GmbH, Neuss und am 19.02.2008 und 20.02.2008 bei der Firma D+T Personalservice GmbH, O, in Beschäftigungsverhältnissen.

Am 11.03.2008 beantragte sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Sie erklärte, weder über Einkommen noch über Vermögen zu verfügen. Sie glaube, in Deutschland eher eine Arbeit zu finden, als in Österreich. Außerdem wolle ihr Sohn nach Deutschland und ihre Tochter nach Belgien ziehen. Schließlich sei die Luft wegen der Nähe zum Meer in O besser, als in Österreich.

Mit Bescheid vom 27.03.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie stützte ihre Entscheidung auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, wonach Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, vom Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien. Die Klägerin sei nach ihren eigenen Angaben zwecks Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Von ihr aufgestellte Behauptungen, nach Deutschland - insbesondere nach O - wegen ihrer in Belgien lebenden Tochter und wegen des besseren Meeresklimas gekommen zu sein, stellten sich als bloße "Schutzbehauptungen" dar.

Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, sie habe eine mündliche Zusage erhalten, Arbeitslosengeld II zu bekommen. Sie sei zur Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen, eine Tochter habe nach Belgien ziehen wollen, ein Sohn lebe seit seiner Geburt in Baden-Württemberg und ein weiterer Sohn habe ebenfalls vor, nach Deutschland zu ziehen, da er einen deutschen Vater habe.

Mit Bescheid vom 23.04.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie begründete die Entscheidung erneut mit § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und führte zusammengefasst aus, das Aufenthaltsrecht der Klägerin ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Die Klägerin habe bei Antragstellung angegeben, auf Arbeitsuche zu sein. Sie könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, gegenüber deutschen Staatsangehörigen zu Unrecht ungleich behandelt zu werden. Artikel 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) ermögliche den Leistungsausschluss.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 20.05.2008 erhobene Klage. Aufgrund eines gleichzeitig gestellten Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz hat das Sozialgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 20.06.2008 die Beklagte verpflichtet, der Antragstellerin vom 20.05.2008 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens bis zum 31.10.2008, Grundsicherungsleistungen zu zahlen (SG Düsseldorf, S 22 AS 86/08 ER). Die Beklagte erbringt seither laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Im Klageverfahren hat die Klägerin unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgetragen, dass sie nicht lediglich zur Arbeitsaufnahme nach O gezogen sei. Ihr Sohn lebe seit seiner Geburt in Baden-Württemberg, ihre Tochter beabsichtige, zu ihrem Freund nach Belgien zu ziehen. Außerdem wohne ihr jüngster Sohn in O.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.03.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2008 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II bezogen auf den Antrag vom 11.03.2008 unter Zugrundelegung einer Mietbelastung für die Zeit von März bis Juli 2008 in Höhe von 358,- Euro sowie für die Zeit ab 01.08.2008 von 365,- Euro monatlich zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheides bezogen.

Mit Urteil vom 12.09.2008 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin ab 11.03.2008 bis 31.07.2008 monatliche Leistungen in Höhe von 709,00 Euro und ab 01.08.2008 monatliche Leistungen in Höhe von 716,00 Euro zu zahlen. Die Klägerin sei anspruchsberechtigt gemäß § 7 SGB II. Die Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs.1 Satz 1 Nr. 1-4 SGB II seien erfüllt und zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Die Klägerin unterfalle als österreichische Staatsangehörige nicht dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Es sei streitig, ob die Vorschrift europarechtlich zulässig sei und eine teleologische Reduktion dahingehend geboten, dass vom Leistungsausschluss nur Ausländer betroffen werden, die sich erstmalig in das Bundesgebiet begeben haben und dort unmittelbar mit dem Zuzug Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Auch das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union seien bei Erlass der Unionsbürgerrichtlinie offensichtlich davon ausgegangen, dass auch unter Wahrung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Artikel 39 EG von dieser Regelung nur EU-Bürger umfasst seien, die ihren Aufenthalt zum ersten Mal in einem anderen Mitgliedstaat nehmen. In den Gründen zur Richtlinie 2004/38/EG heiße es, dass Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen sollen. Auch der nationale Gesetzgeber sei bei Umsetzung der Richtlinie davon ausgegangen, dass nur der erstmalige Zuzug in das Bundesgebiet einen Ausschlussgrund darstellen solle. Da die Klägerin ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht zum ersten Mal begründet habe, falle sie nicht unter den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.

Gegen diese der Beklagten am 24.10.2008 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 31.10.2008 erhobene Berufung der Beklagten. Die Beklagte meint, der Wortlaut der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei eindeutig und nicht europarechtswidrig. Das Verbot der Diskriminierung zwischen EU-Ausländern und deutschen Staatsangehörigen gelte nicht uneingeschränkt, sondern sei bei Vorliegen eines sachlichen Grundes einschränkbar. Dieser liege in der Vermeidung von sozialleistungsorientieren Wanderungsbewegungen ("Sozialtourismus"). Der Ausschluss von Leistungen sei auch gem. Artikel 24 Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 14 Abs. 4 b der Unionsbürgerrichtlinie zulässig. Für die einschränkende Auslegung, die das Sozialgericht vorgenommen habe, enthalte der Wortlaut der Norm keine Anhaltspunkte, die Gesetzesbegründung sei nicht Ausdruck eines den Wortlaut einschränkenden Willens des Gesetzgebers, sondern lediglich ein Element der Beschreibung der Rechtswirkungen des Ausschlusstatbestandes. Eine andere Sichtweise würde angesichts der offenkundigen Missbrauchsmöglichkeiten den Zweck des Leistungsausschlusses leerlaufen lassen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.09.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und erklärt, dass sie nach Deutschland gezogen sei, weil es ihr in Österreich aus gesundheitlichen Gründen nicht gefallen habe. Ihre Wohnung in Linz sei schimmelig gewesen, außerdem sei die Luft in der Nähe von Linz nicht so gut. Sie habe O als Wohnort gewählt, weil ihre Tochter damals beabsichtigt habe, nach Belgien oder Holland zu ziehen. Diese Planung der Tochter hätte sich mittlerweile zerschlagen. Der jüngste Sohn sei zunächst mit der Klägerin nach O gezogen, habe dort aber keine Arbeit gefunden und sei nach drei Monaten wieder nach Österreich gegangen. Ihr Exmann wohne im Badischen, es sei beabsichtigt gewesen, den dort lebenden Sohn ebenfalls nach O zu holen. Außerdem sei sie auf Arbeitsuche. Von April bis Mai 2009 habe sie an einem Computerkurs teilgenommen. Im Januar 2010 habe die Möglichkeit bestanden, bei der evangelischen Hilfsorganisation I in O als Fahrerin bzw. als Beifahrerin für Behindertentransporte zu arbeiten. Das habe aber nicht geklappt. Sie habe eine Eingliederungsvereinbarung mit der Beklagten getroffen. Außerdem habe sie sich im April 2008 bemüht, bei der Firma P in B zu arbeiten, dies sei nur gescheitert, weil die Beklagte den Umzug nicht finanziert habe. Schließlich habe sie einige Male bei der Beklagten vorgesprochen, weil sie einen Kurs als Tagesmutter habe belegen wollen.

Der Oberbürgermeisters der Stadt O hat auf Nachfrage durch den Senat zum Grund des Aufenthaltsrechts der Klägerin mitgeteilt, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen lediglich im Hinblick auf die Gewährung des Arbeitslosengeldes II aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.06.2008 vorläufig eingestellt worden seien. Nunmehr werde nicht mehr davon ausgegangen, dass die Klägerin sich zum Zweck der Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte, weshalb sie kein Aufenthaltsrecht mehr habe (Schreiben vom 05.10.2009). Mit Bescheid vom 22.02.2010 hat der Oberbürgermeister der Stadt O den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepulik Deutschland festgestellt und die Einziehung der Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht verfügt. Er hat die Klägerin verpflichtet, ihrer Ausreiseverpflichtung bis zum 10.04.2010 freiwillig nachzukommen und die Abschiebung der Klägerin angedroht. Die Klägerin erfülle die Freizügigkeitsvoraussetzungen nicht mehr, da sie ein ordnungsgemäßes Arbeitsverhältnis nicht vorweisen könne und sie kontinuierliche, auf eine Arbeitsaufnahme gerichtete Bemühungen nicht nachweisen könne. Die Klägerin hat gegen diese Entscheidung Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.

Die Beklagte hat auf Aufforderung durch den Senat einen Gesprächsvermerk vom 19.12.2008 über den Versuch der Klägerin, einen Kurs für Tagesmütter zu belegen sowie Vermerke über die Kontakte mit der Klägerin im Rahmen der Arbeitsvermittlung sowie Eingliederungsvereinbarungen vom 28.01.2009 und vom 22.10.2009 vorgelegt. In einem ebenfalls von der Beklagten vorgelegten Schreiben der Landtagsabgeordneten B U wird von dieser erläutert, dass die Klägerin versucht habe, eine Beschäftigung bei der Firma C-I, O zu erhalten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht Düsseldorf hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu zahlen. Die Klägerin hat keinen Leistungsanspruch.

Zwar erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen zum Erhalt von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1-4 SGB II. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten und wurde von der Beklagten im Rahmen der Leistungszahlung laufend geprüft.

Die Klägerin ist jedoch nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsanspruch ausgeschlossen. Hiernach sind Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Klägerin unterfällt dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Sie ist als österreichische Staatsangehörige Ausländerin. Ihr Aufenthaltsrecht resultiert allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU sind gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitsuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen. Die Stadt O hat am 31.10.2007 festgestellt, dass die Klägerin nach Maßgabe des FreizügG/EU zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik berechtigt ist. Dieses Recht bestand mindestens bis zur Wirksamkeit des Bescheides vom 22.02.2010. Das festgestellte Freizügigkeitsrecht dürfte auch materiell gerechtfertigt sein. Zwar ist die Klägerin nur wenige Tage einer Arbeit nachgegangen, aus den dokumentierten Vermittlungsbemühungen der Beklagten und den Eigenbemühungen der Klägerin ergibt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Klägerin kontinuierlich - wenn auch erfolglos - eine Arbeitsstelle gesucht hat.

Der sich aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ergebene Leistungsausschluss ist europarechtskonform.

Allerdings genießt gemäß Artikel 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (Unionsbürgerrichtlinie) vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrages die gleiche Behandlung, wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedsstaates. Hieraus folgt jedoch kein Anspruch der Klägerin auf Gleichbehandlung mit deutschen Staatsangehörigen. Denn gemäß Artikel 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen denen dieser Status erhalten bleibt und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder ggfls. während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Abs. 4 b (Zeiten der Arbeitsuche) einen Anspruch auf Sozialhilfe zu gewähren. Diese Regelung rechtfertigt europarechtlich den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 19 SGB II stellen Sozialhilfeleistungen im Sinne des Artikels 24 Abs 2 der Unionsbürgerichtlinie dar. Denn das zum 01.01.2005 eingeführte Arbeitslosengeld II ist in Anlehnung an die Sozialhilfe ausgestaltet. Es umfasst eine pauschalierte, dem Regelsatz der Sozialhilfe nach dem SGB XII vergleichbare Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie die Übernahme der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Ähnlich wie in der Sozialhilfe nach dem SGB XII sind für verschiedene Bedarfslagen Leistungen für Mehrbedarfe vorgesehen. Die Leistung wird nur bei Hilfebedürftigkeit gem. § 9 SGB II gezahlt. Die seit dem 01.01.2005 bestehende Aufteilung in erwerbsfähige und nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige ist für die Beurteilung der Frage, ob es sich um Sozialhilfeleistungen i.S.d. Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie handelt, unerheblich. Beide Personengruppen sind für den Fall ihrer Hilfebedürftigkeit einem steuerfinanzierten, bedarfsabhängigen Transferleistungssystem zugeordnet, ohne dass die Frage, ob es sich um eine erwerbsfähige oder nicht erwerbsfähige Person handelt, für den dogmatischen Charakter der Leistung bedeutsam wäre (ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.04.2010 - L 13 AS 1124/10 ER-B -; LSG Niedersachsen - Bremen, Beschluss vom 26.02.2010 - L 15 AS 30/10 B ER-; LSG Berlin - Brandenburg, Beschluss vom 23.12.2009 - L 34 AS 1350/09 B ER; Strick, NJW 2005, 2182; Piepenstock, in: JurisPR-SozR 23/2009 Anm. 1; zweifelnd LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.02.2010 - L 6 B 154/09 AS ER-; verneinend: SG Berlin, Urteil vom 29.02.2008 - S 37 AS 1403/08-; offen gelassen von LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.02.2010 - L 19 B 392/09 AS ER). An dieser Einschätzung ändert sich nichts dadurch, dass der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 04.06.2009 (Rechtssache Vatsouras, C- 22/08) ausgeführt hat, dass finanzielle Leistungen, die unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, nicht als Sozialhilfeleistungen im Sinne von Artikel 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie angesehen werden können. Jedenfalls bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, die die Klägerin hier begehrt, handelt es sich nicht um Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II werden die Geldleistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Geldleistungen, die der Eingliederung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit dienen, einerseits und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes andererseits unterschieden. Der Umstand, dass die Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 SGB II Voraussetzung dafür ist, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gezahlt werden, ändert nichts daran, dass es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht um Eingliederungsleistungen, sondern um Mindestsicherungen handelt, die unabhängig davon erbracht werden, ob hierdurch der Zugang zu einer Beschäftigung erreicht wird, oder nicht (im Ergebnis ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.04.2010 - L 13 AS 24/10 ER-B-; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.12.2009 - L 34 AS 1350/09 B ER; Piepenstock, in: JurisPR-SozR 23/2009 Anm. 1). Schließlich hätte die Klägerin auch dann keinen Leistungsanspruch, wenn - entgegen der hier vertretenen Auffassung - auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II Leistungen wären, die einen Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, und damit keine Sozialhilfeleistungen i.S.d. Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie, sondern Leistungen wären, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit i.S.d. Art. 39 Abs. 1 EG flankieren sollen. Denn der EuGH hat zur Verordnung 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft entschieden (EuGH, Urteil vom 23.3.2004 - C-138/02, Rechtssache Collins), dass es ein legitimes Anliegen des nationalen Gesetzgebers ist, eine Leistung zur Unterstützung der Arbeitsaufnahme erst zu gewähren, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaates festgestellt wurde (zum Erfordernis der Verbindung mit dem deutschen Arbeitsmarkt vergl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8.6.2009 - L 34 AS 790/09 B ER). Die vom Sozialgericht vorgenommene teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II wäre demnach allenfalls für Fälle geboten, in denen eine hinreichende tatsächliche Verbindung der Person, die die Leistung beantragt, mit dem betroffenen räumlichen Arbeitsmarkt im Sinne der genannten Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Collins vorliegt. Allenfalls für eine so verstandene Auslegung streitet auch die Gesetzesbegründung (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum SGB II-Änderungsgesetz, BT-Drucks. 16/688 S. 13). Der Gesetzgeber wollte "Personen, die durch eine Vorbeschäftigung in Deutschland Arbeitnehmerstatus erlangt haben" vom Leistungsausschluss ausdrücklich ausnehmen. Die Frage, ob die Person erstmals oder zum wiederholten Male eingereist ist, ist demgegenüber nicht relevant. In der Rechtssache Collins hat der EuGH vielmehr ausdrücklich einer Person, die in einen Mitgliedstaat einreist, "in dem er 17 Jahre zuvor gearbeitet hat", den Arbeitnehmerstatus abgesprochen. Weil die letzte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin vor ihrer erneuten Einreise mehr als 32 Jahre zurücklag und die Beschäftigungsverhältnisse, die die Klägerin seit ihrer erneuten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt hat, nur von sehr kurzer Dauer waren, kann von einer solchen tatsächlichen Verbindung nicht die Rede sein. Tätigkeiten, die - wie im Fall der Klägerin - einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen, können bei der Beurteilung der Frage, ob Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. Art 39 EG (Art. 45 AEUV) vorliegt, außer Betracht bleiben (EuGH, Urteil vom 7.9.2004 - C-456/02 - Rechtssache Trojani). Auch die vom Sozialgericht zur Begründung angeführte Erwägung des Europäischen Rates und des Rates der Europäischen Union zur Regelung des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie (Amtsblatt der Europäischen Union vom 30.4.2004 - L 158) trägt die einschränkende Auslegung von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht. Denn diese Erwägung bezieht sich ausdrücklich nur auf den Ausschluss des Bezugs von Sozialleistungen während der ersten drei Monate des Aufenthaltes i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II. Nur dieser Zeitraum ist mit dem "ersten Aufenthalt" im Sinne der genannten Erwägung gemeint. Artikel 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie ist mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht, insbesondere der durch Artikel 39 EG (jetzt Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - ) garantierten Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbar. Zwar kann auch eine Person, die Arbeit sucht, Arbeitnehmerin im Sinne der Regelungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit sein (EuGH, Urteil vom 15.9.2009, C-258, Rechtssache Ioannidis; EuGH, Urteil vom 4.6.2009, C-22/08, Rechtssache Vatsouras). Die Arbeitnehmerfreizügigkeit vermittelt jedoch kein Gleichbehandlungsgebot hinsichtlich solcher finanzieller Leistungen, die als existenzsichernde Mindestleistungen konzipiert sind und nicht in erster Linie den Zweck haben, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.12.2009- L 34 AS 1350/09 B-ER; zweifelnd LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.02.2010- L 6 B 154/09 AS-ER). Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 04.06.2009 (Rechtssache Vatsouras, C- 22/08) die Gültigkeit des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie dementsprechend nicht in Zweifel gezogen (ebenso ausdrücklich LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 26.02.2010 - L 15 AS 30/10 B ER). Artikel 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ist jedenfalls für den Fall, dass der Unionsbürger sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche herleitet und weder eine Aufenthaltserlaubnis nach nationalem Recht noch ein Daueraufenthaltsrecht besitzt, auch mit Art. 12 EG (Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, jetzt Art 18 AEUV) vereinbar. Der EuGH hat entschieden, dass eine Berufung auf Art. 12 EG zwecks Beanspruchung von Sozialhilfe erst in Betracht kommt, sobald der Unionsbürger eine Aufenthaltserlaubnis besitzt (EuGH, Urteil vom 07. September 2004,C-456/02 - Rechtssache Trojani -; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.12.2009 - L 34 AS 1350/09 B-ER). Das Europäische Fürsorgeabkommen steht der Wirksamkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für den vorliegenden Fall allein deswegen nicht entgegen, weil Österreich dieses nicht ratifiziert hat. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf Artikel 2 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege vom 17.01.1966 (deutsch-österreichisches Fürsorgeabkommen) berufen (zur Fortgeltung dieses Abkommens auch nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union vergl. Art. 307 EG, jetzt Art. 351 AEUV). Nach dieser Vorschrift wird Staatsangehörigen der einen Vertragspartei, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten, Fürsorge in gleicher Weise, in gleichem Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates gewährt. Zwar folgt aus dieser Vorschrift ein Anspruch auf Gleichbehandlung österreichischer und deutscher Staatsangehöriger hinsichtlich der Leistungen der sozialen Fürsorge. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II sind jedoch keine Fürsorgeleistungen i.S.d. Art. 2 Abs. 1 des Abkommens. Gem. Art. 1 Nr. 4 des Abkommens sind Fürsorgeleistungen nur Leistungen für Personen, die keine andere Voraussetzung als die der Hilfsbedürftigkeit zu erfüllen haben. Da insbesondere auch die Erwerbsfähigkeit gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II Anspruchsvoraussetzung für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist, sind diese Leistungen nicht vom Wortlaut des deutsch-österreichischen Fürsorgeabkommens erfasst. Aber auch, wenn man mit der zu Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie erfolgten Argumentation eine Anwendung des deutsch-österreichischen Fürsorgeabkommens auch auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II bejaht, ist der Leistungsausschluss rechtmäßig. Denn auch nach dem deutsch-österreichischen Fürsorgeabkommen sind den vertragsschließenden Staaten Ausschlussregelungen wie § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht untersagt. Nach dem Schlussprotokoll zum Abkommens, das gem. Art. 16 des Abkommens Bestandteil des Abkommens ist, haben die Bevollmächtigten der beiden Vertragsparteien übereinstimmend festgestellt, dass Vergünstigungen aus diesem Abkommen Personen nicht zugute kommen sollen, die das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufsuchen, um diese Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen. Gerade auf diese Personengruppe zielt § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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