L 10 R 808/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1090/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 808/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16.12.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer.

Die geborene Klägerin leidet seit ihrer Kindheit an einer Psoriasis. Sie macht hinsichtlich dieser Erkrankung eine Gelenkbeteiligung geltend, die zum Teil auch von den Ärzten beschrieben wird. Die Klägerin ist als Maschinenarbeiterin in einem Metallbetrieb angestellt. Im Frühjahr 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin, die sich zudem im September 2005 eine Fraktur am linken Kniegelenk zugezogen hatte, im Rahmen einer Studie eine mehrwöchige stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme im DMZ am Toten Meer. Dem lag im Wesentlichen die gutachtliche Einschätzung von Dr. R. vom Dezember 2005 zugrunde, der bei ganz erheblich ausgeprägten Hautveränderungen und bislang erfolglos verlaufener ambulanter und stationärer Maßnahmen die Behandlung am Toten Meer für angezeigt hielt und eine wesentliche Besserung durch Maßnahmen in Deutschland bzw. Zentraleuropa nicht mehr erwartete. Der Leitende Arzt des DMZ Dr. H. berichtete bei Abschluss der Maßnahme von einer vollständigen Abheilung der psoriatischen Hauterscheinungen und einer deutlichen Besserung der Gelenkfunktionen.

Im Herbst 2006 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Der behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. schlug als Behandlungsstätte die T. F. in B. S. vor (nachfolgend: T.-K. - TOMESA steht für "Totes-Meer-Salz"). Da ihr Sozialmedizinischer Dienst die orthopädischen Probleme der Klägerin jedoch stärker gewichtete, bewilligte die Beklagte eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der F. B. B., die Anfang 2007 durchgeführt wurde.

Im November 2008 beantragte die Klägerin erneut eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer. Der behandelnde Hautarzt Dr. D. berichtete von einem akuten Schub der Psoriasis. Zwar hielt Dr. L. für den Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten eine heilklimatische Therapie am Toten Meer für angezeigt. Die Beklagte bewilligte der Klägerin allerdings eine Maßnahme in der T.-K. (Bescheid vom 24.11.2008). Hintergrund dieser von der Empfehlung des Sozialmedizinischen Dienstes abweichenden Bewilligung war das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 20.09.2005 (L 11 R 1287/04, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de), in dem einerseits eine medizinische Einrichtung am Toten Meer in Jordanien nicht als Rehabilitationseinrichtung im Sinne des Rentenversicherungsrechts angesehen und andererseits die T.-K. als für die Behandlung von Psoriasis geeignet erachtet wurde. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 18.03.2009 führte die Beklagte aus, die Auswahl der Rehabilitationseinrichtung erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung berechtigter Wünsche des Versicherten. Es müsse jedoch nicht jedem Wunsch entsprochen werden. Die Behandlungsangebote am Toten Meer entsprächen nicht den Anforderungen an die Qualität von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne der Rentenversicherung. Es fehle ein komplexes, multidisziplinäres Rehabilitationskonzept. Die bewilligte Maßnahme in der T.-K. stelle eine qualifizierte Maßnahme dar, die auch wirtschaftlich sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 14.04.2009 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Das SG hat die behandelnden Ärzte Dr. R. (Facharzt für Innere Medizin), Dr. D. und Dr. Z. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt und Informationsmaterial der T.-K. beigezogen. Mit Urteil vom 16.12.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, bei dem unstreitig gemäß §§ 9 bis 12 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bestehenden Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme stünde der Beklagten hinsichtlich des "Wie" der Leistung ein Auswahlermessen zu. Die von der Beklagten vorgenommene Ermessensentscheidung lasse keinen Ermessensfehler erkennen. Insbesondere sei das Ermessen der Beklagten bei der Auswahl des Leistungsortes nicht in dem Sinne auf Null reduziert gewesen, dass die Leistungsgewährung am Toten Meer als einzig rechtmäßige in Betracht gekommen wäre. Es erscheine bereits fraglich, ob die Einrichtungen am Toten Meer die an inländische Einrichtungen gestellten Anforderungen erfüllten. Dies ergäbe sich nicht bereits daraus, dass Aufenthalte dort durch verschiedene Krankenversicherungsträger und möglicherweise auch Rentenversicherungsträger bewilligt würden. Doch selbst wenn von der Erfüllung gewisser Qualitätsstandards ausgegangen würde, bestünde kein Anspruch der Klägerin auf die begehrte Leistung. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Leistungserbringung im Inland aus medizinischen Gründen nicht erfolgversprechend wäre. Die Psoriasis vulgaris werde regelmäßig auch in inländischen stationären Einrichtungen erfolgreich behandelt. Auch die T.-K. sei dafür geeignet. Aus den Unterlagen ergebe sich, dass dort eine große Anzahl von Therapiemöglichkeiten bestehe. Welche konkrete Behandlung in Betracht komme, obliege der Entscheidung des behandelnden Facharztes. Dies gelte auch hinsichtlich der vom behandelnden Hautarzt als nicht mehr ratsam erachteten UVB-Strahlungen. Anhaltspunkte für eine Aussichtslosigkeit der Behandlung in der T.-K. seien nicht ersichtlich. Der behandelnde Hautarzt habe in seiner sachverständigen Zeugenaussage nicht angegeben, dass eine Behandlung dort nicht erfolgreich sein könne. Er habe von Erfahrungen mit einzelnen Patienten, die positiv gewesen seien, berichtet. Zu beachten sei auch, dass er den Schwerpunkt auf der arthritischen bzw. arthropathischen Seite der Psoriasis gesehen habe. Gerade diese Beschwerden könnten in der T.-K. aber mit behandelt werden, da diese auch Behandlungen orthopädischer und rheumatischer Erkrankungen durchführe. Im Jahr 2006 habe der damals behandelnde Allgemeinmediziner sogar die Behandlung in gerade dieser Klinik empfohlen. Die T.-K. sei die einzige Einrichtung in Deutschland, in der die Wasser- und Lichtverhältnisse des Toten Meers mit einem speziellen System nachgestellt und optimiert würden. Die Klägerin sei bislang zwar - angeblich erfolglos - in anderen Kliniken in Deutschland behandelt worden, nicht jedoch in der T.-K ...

Gegen das ihr am 25.01.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin beim SG am 27.01.2010 unter Beifügung einer "Behandlungsempfehlung" des DMZ "zur Vorlage bei der deutschen Rentenversicherung" Berufung eingelegt. Die Klägerin sieht einen Aufenthalt am Toten Meer als einzig mögliche erfolgreiche Behandlung an.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16.12.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 24.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.03.2009 zu verurteilen, ihr eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme im DMZ gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist hinsichtlich der ungenügenden Qualität der Behandlungsstätten am Toten Meer auf ein Besprechungsergebnis der Arbeitsgruppe "Durchführung der Rehabilitation" vom Dezember 2008. Hinsichtlich der Belegung der T.-K. habe sie wenige, aber gute Erfahrungen gemacht. Die Besonderheit bestehe in der Kombination der Behandlung der Psoriasis und der Gelenkserkrankung.

Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Beteiligten haben dabei ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung und Zustimmung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Entscheidung des SG ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer medizinischen Leistung zur Rehabilitation am Toten Meer.

Die Voraussetzungen für eine solche Leistung sind im Urteil des SG zutreffend dargestellt. Darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Nach Auffassung des Senats ist die Berufung aus den vom SG ausführlich und zutreffend dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass die Behauptung der Klägerin, die im Jahr 2006 im Rahmen einer Studie genehmigte stationäre Rehabilitation am Toten Meer sei erfolgreich gewesen und habe ihr ermöglicht, drei Jahre ohne teure Salben und Medikamente auszukommen, hinsichtlich der Dauerhaftigkeit des Behandlungserfolgs - als angeblich besonderes qualitatives Merkmal der Therapie am Toten Meer - dadurch widerlegt wird, dass bereits im Herbst 2006 ein erster erneuter Rehabilitationsantrag gestellt wurde. Dieser Antrag wurde seitens des damals behandelnden Arztes Dr. Z. auch mit Hautproblemen begründet und als "höchstgradig" eingestuft.

Die somit offensichtlich bereits Ende 2006 wieder aufgetretene Hauterkrankung steht auch in Widerspruch zur sachverständigen Zeugenaussage von Dr. R., der gegenüber dem SG einen Aufenthalt am Toten Meer mit der Begründung, vor ca. vier Jahren sei damit eine längerfristige weitgehende Beschwerdefreiheit erzielt worden, befürwortet hat.

Ferner betont das SG zu Recht das Angebot der T.-K. zur Mitbehandlung (eigenständiger) orthopädischer und rheumatischer Erkrankungen. Diesem Gesichtspunkt kommt besondere Bedeutung zu, da der Senat sich nach den vorliegenden Unterlagen nicht davon überzeugen kann, dass die Gelenkbeschwerden der Klägerin sicher auf eine Psoriasis arthropathica zurückzuführen sind. Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf die sachverständige Zeugenaussage von Dr. D., der zwar einerseits die Gelenksymptomatik als die problematische arthritische bzw. arthropathische Seite der Psoriasis beschrieben hat, andererseits die Diagnose einer Psoriasis arthropathica durch die Formulierung "so sie vorliegt" wiederum in Frage gestellt hat. Im Entlassungsbericht der F. B. B. über den Aufenthalt Anfang 2007 wird zwar ausgeführt, die Klägerin habe großen Wert darauf gelegt, eine Psoriasisarthropathie zu haben. Die mitgereichten Röntgenbefunde hätten jedoch keine psoriasistypischen Veränderungen beschrieben, bis zum Verkehrsunfall im Jahr 2005 hätten keine wesentlichen Gelenkbeschwerden vorgelegen und im Rahmen einer rheumatologischen Konsiliaruntersuchung sei von einer Psoriasis vulgaris ausgegangen worden. Letztlich wurde eine Psoriasis arthropathica von den dort behandelnden Ärzten als nicht bestätigt angesehen.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, so verständlich der Wunsch ist, keinen Anspruch darauf hat, im Rahmen einer stationären medizinischen Rehabilitation von einer - wie sie in der Klageschrift sinngemäß ausführt - Integration in die Gemeinschaft anderer, gesunder Besucher (des Toten Meeres) zu profitieren. Versicherte haben nur Anspruch auf Leistungen in Rehabilitationseinrichtungen gemäß § 15 Abs. 2 SGB VI, die aus der Natur der Sache im Wesentlichen von Personen mit gesundheitlichen Beschwerden belegt werden.

Der Hinweis der Klägerin auf gesunde Besucher weist zudem darauf hin, dass die Beklagte, obwohl eine ihrer Grundsatzabteilungen das DMZ im Jahr 2006 im Zusammenhang mit der damaligen Studie noch als hochspezialisierte Rehabilitationseinrichtung beschrieben hatte, zwischenzeitlich zu Recht die Qualität der medizinischen Einrichtungen am Toten Meer - auch des DMZ - in Frage stellt. Zwar betraf das Urteil des 11. Senats des LSG vom 20.09.2005 (L 11 R 1287/04, s.o.), das die Beklagte mit veranlasste, die Qualität der Einrichtungen am Toten Meer anzuzweifeln, eine Einrichtung in Jordanien und nicht - wie hier - in Israel. Doch auch für das DMZ ergeben sich konkrete Hinweise, dass es nicht die üblichen Standards einer Rehabilitationseinrichtung erfüllt. In der vorgelegten Behandlungsempfehlung des DMZ erfolgt zwar die Selbstbezeichnung als "Klinik". Als Anschrift wird jedoch das "Lot Hotel" genannt. Dr. H. überließ im Entlassungsbericht zu der im Jahr 2006 im DMZ durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und des zeitlichen Leistungsvermögen dem behandelnden Arzt am Heimatort. Dies zeigt, dass im Besprechungsbericht der Arbeitsgruppe "Durchführung der Rehabilitation" vom Dezember 2008 der sozialmedizinische Kenntnisstand der am Toten Meer behandelnden Ärzte genauso wie ihre Kenntnisse der Alltagsrealität in der deutschen Arbeitswelt zu Recht in Frage gestellt werden.

Letztlich kann die Qualifikation des DMZ aber dahingestellt bleiben, da selbst bei Unterstellung einer ausreichenden Qualifikation nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der gewünschten Leistung am Toten Meer ausgegangen werden könnte. Dagegen sprechen - wie vom SG im Wesentlichen bereits ausgeführt - die Empfehlung der T.-K. durch Dr. Z., die wenn auch wenigen aber positiven Erfahrungen von Dr. D. mit dieser Klinik, die auf die Behandlung von Psoriasis spezialisiert ist, aber auch ein darüber hinausgehendes Behandlungsspektrum aufweist und in der die Klägerin noch nie behandelt wurde. Insgesamt ist die Beklagte bei der Auswahl der Klinik daher nachvollziehbar von der Empfehlung ihres eigenen Sozialmedizinischen Dienstes (Dr. L.) abgewichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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