Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 2865/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 144/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Absenkung - Rechtsfolgenbelehrung - aufschiebende Wirkung - Widerspruch - Vollzugsfolgenbeseitigung
Auf die Beschwerden des Antragstellers werden die Beschlüsse des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. März 2010 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 21. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 (L 5 AS 144/10 B ER) und des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26. Januar 2010 (L 5 AS 146/10 B ER) angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat im Wege der Vollzugsfolgenbeseitigung dem Antragsteller Leistungen für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 iHv 619,38 EUR/Monat sowie für die Monate Februar und März 2010 iHv 511,68 EUR/Monat nachzuzahlen.
Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsbehelfe (Widerspruch und Klage) gegen zwei Sanktionsbescheide der Antragsgegnerin bei der Leistungsgewährung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am ... 1976 geborene Antragsteller ist nach seinen Angaben "Diplom Jurist". Er steht bei der Antragsgegnerin im laufenden Leistungsbezug. Nach mehreren vollziehbaren Sanktionsbescheiden der Antragsgegnerin (Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes blieben erfolglos, Beschlüsse des Senats vom 31. August 2009, L 5 AS 287/09 B ER und 16. November 2009, L 5 AS 365/09 B ER) besteht eine vollziehbare Leistungskürzung um 100 % im Zeitraum vom 1. Juni bis zum 30. November 2009.
Unter dem 24. Juni 2009 übersandte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen Vermittlungsvorschlag für eine Arbeitsgelegenheit bei der T. -Schulung und Schweißtechnische Bildung gGmbH, Betriebsstätte M ... Es ging um eine Tätigkeit als Bürokraft/kaufmännische Fachkraft im Projekt "Erweiterung der Steinzeitanlage" in M./R ... Im Schreiben lautet es weiter: "Stellen Sie sich bitte am 8.07.2009 um 8:00 Uhr beim o.g. Arbeitgeber vor." Weiterhin enthielt es folgende – zwischen den Beteiligten dem Wortlaut nach unstreitige – Rechtsfolgenbelehrung (RFB):
"Sie können nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zwar eine Förderung beanspruchen, daneben sind Sie aber in erster Linie selbst gefordert, konkrete Schritte zu unternehmen, Sie sind verpflichtet, sich selbständig zu bemühen, Ihre Hilfebedürftigkeit zu beenden und aktiv an allen Maßnahmen mitzuwirken, die dieses Ziel unterstützen.
Das Gesetz sieht bei pflichtwidrigem Verhalten unterschiedliche Leistungskürzungen vor. Die Leistung kann danach – auch mehrfach nacheinander oder überschneidend – gekürzt werden oder ganz entfallen.
Grundpflichten 1. Eine Verletzung Ihrer Grundpflichten liegt vor, wenn Sie sich weigern, die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, eine mit Beschäftigungszuschuss geförderte Arbeit, ein zumutbares Sofortangebot oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen oder Sie eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abbrechen oder Anlass für den Abbruch geben.
2. Bei einer Verletzung der Grundpflichten wird das Arbeitslosengeld II um 30% der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II abgesenkt. Ein eventuell bezogener Zuschlag nach § 24 SGB II (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld) entfällt für den Zeitraum der Minderung. 3. Bei der ersten wiederholten Verletzung der Grundpflichten wird das Arbeitslosengeld II um 60% der für Sie maßgebenden Regelleistung abgesenkt. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung entfällt der Anspruch auf Arbeitslosengeld II vollständig. Im Einzelfall kann die Minderung auch für weitere wiederholte Pflichtverletzungen auf 60% beschränkt werden, sofern Sie sich nachträglich bereit erklären, Ihren Pflichten nachzukommen. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Meldepflichten 4. Sie sind auch verpflichtet, sich bei Ihrem Träger oder einer sonstigen Dienststelle des Trägers persönlich zu melden und ggf. zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung zu erscheinen, falls Ihr Träger Sie dazu auffordert (Meldepflichten). 5. Eine Verletzung der Meldepflicht kann ebenfalls zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes II führen. Gemeinsame Vorschriften 6. Absenkung und Wegfall dauern drei Monate und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zugang des entsprechenden Bescheides über die Sanktionen. Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe). Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, können Absenkung und Wegfall der Regelleistung im Einzelfall auf sechs Wochen verkürzt werden. 7. Sanktionszeiträume wegen Verletzung von Grund- und Meldepflichten können sich überschneiden. (Beispiel: 10% Kürzung aufgrund erster Verletzung der Meldepflicht vom 01.05. bis 31.07. und Beschränkung des Arbeitslosengeldes II auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung aufgrund einer Verletzung der Grundpflichten vom 01.06. bis 31.08). In den Überschneidungsmonaten wird der Minderungsbetrag wegen der Meldepflichtverletzung von den Kosten der Unterkunft abgesetzt. 8. Die Absenkung des Arbeitslosengeldes II und der Wegfall des Zuschlags treten nicht ein, wenn Sie für die Pflichtverletzung einen wichtigen Grund nachweisen können. 9. Bei einer Minderung der Regelleistung um mehr als 30% können Ihnen ggf. ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese werden in der Regel erbracht, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben. 10. Bei vollständigem Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II werden auch keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt. Der Versicherungsschutz lebt wieder auf, wenn ergänzende Sachleistungen (siehe Nr. 11) gewährt werden. 11. Ihren Grund- und Meldepflichten müssen Sie auch während eines Sanktionszeitraumes nachkommen, auch wenn der Anspruch wegen einer Sanktion vollständig weggefallen ist. 12. Sofern Sie nicht erwerbsfähig sind und mit einer/m erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben und für Sie Pflichten im vorstehenden Bescheid genannt sind, können auch Sie Rechtsfolgen treffen, wenn Sie nicht bereit sind, die Pflichten zu erfüllen."
Im Schreiben vom 3. Juli 2009 führte der Antragsteller aus, aufgrund seiner Leistungskürzung um 100 % verfüge er nicht über die finanziellen Mittel, um zum Vorstellungsgespräch zu fahren oder Zeugniskopien und Lebenslauf zu fertigen. Hierauf reagierte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom selben Tag, in dem sie ausführte, der Antragsteller könne die Wegstrecke von 1,9 km zwischen Wohnung und Arbeitgebersitz fußläufig bewältigen. Es sei nicht erforderlich, Bewerbungsunterlagen beim Vorstellungsgespräch vorzulegen.
Mit Schreiben vom 8. Juli 2009 erklärte der Antragsteller, er sei krank und könne den Vorstellungstermin nicht wahrnehmen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne er nicht vorlegen, da er nicht krankenversichert sei.
Mit Bescheid vom 15. September 2009 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 monatliche Leistungen iHv 619,38 EUR (Regelleistung 359,00 EUR, KdU 260,38 EUR), wobei sie die Zahlbeträge für Oktober und November 2009 aufgrund einer Sanktion auf 0,00 EUR festsetzte.
Nachdem die T. gGmbH mitgeteilt hatte, der Antragsteller habe sich nicht gemeldet oder beworben, senkte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21. September 2009 das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. November 2009 bis zum 31. Januar 2010 vollständig ab. Der Antragsteller sei wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen. Seine Angaben zum Fehlen von finanziellen Mitteln aufgrund der bestehenden Sanktionierung könnten nicht als wichtiger Grund iSv § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II anerkannt werden. Auf Antrag könnten ergänzende Sachleistungen, insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen gewährt werden.
In seinem Widerspruchsschreiben vom 24. September 2009 machte der Antragsteller geltend, ihm sei es aufgrund seiner Erkrankung unmöglich und unzumutbar gewesen, das Vorstellungsgespräch wahrzunehmen.
Am selben Tag hat er beim Sozialgericht Magdeburg (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs beantragt (Az.: S 3 AS 2865/09 ER). Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2009 hat der Antragsteller am 15. Dezember 2009 bei dem SG Klage erhoben (Az.: S 3 AS 3765/09).
Mit Beschluss vom 18. März 2010 hat das SG das Rechtsschutzgesuch abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, nach summarischer Prüfung erscheine der Ausgang des Klageverfahrens offen. Bei der Abwägung der betroffenen Belange ergebe sich kein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung.
Am 30. März 2010 hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt (Az.: L 5 AS 144/10 B ER) und zur Begründung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur RFB verwiesen. Die RFB im Vermittlungsvorschlag sei unzureichend.
Einer Einladung zur Vorsprache am 16. November 2009 folgte der Antragsteller nicht.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2009, das ihm am 3. Dezember 2009 zugestellt wurde, lud die Antragsgegnerin ihn mit RFB zur Vorsprache am 22. Dezember 2009 ein. Der Antragsteller erschien zum Termin – ohne Angabe von Gründen – nicht. Darauf erließ die Antragsgegnerin am 22. Dezember 2009 eine Eingliederungsvereinbarung (EV) per Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II, die u.a. als Ziel die Wahrnehmung eines Gesprächstermins am 4. Januar 2010 bei der Deutsche Angestellten Akademie (DAA) in M. nannte und die folgende RFB aufwies:
"§ 31 Zweites Buch Sozialgesetzbuch sieht bei Verstößen gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten Leistungskürzungen vor. Das Arbeitslosengeld II kann danach - auch mehrfach nacheinander - gekürzt werden oder vollständig entfallen.
Wenn Sie erstmals gegen die mit Ihnen vereinbarten Eingliederungsbemühungen verstoßen (siehe Nr. 2. Bemühungen), wird das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30% der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II abgesenkt. Auch ein eventuell bezogener Zuschlag (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld) entfällt für den Zeitraum der Absenkung.
Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass bei einem wiederholten Verstoß gegen die mit Ihnen vereinbarten Bemühungen das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 60% der für Sie maßgebenden Regelleistung abgesenkt wird. Bei weiteren wiederholten Pflichtverstößen entfällt Ihr Arbeitslosengeld II vollständig.
Absenkung und Wegfall dauern drei Monate (Sanktionszeitraum) und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zugang des entsprechenden Bescheides. Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe).
Leistungskürzungen treten nicht ein, wenn Sie einen wichtigen Grund für den Pflichtverstoß nachweisen können. Irrtümer bei der Beurteilung des wichtigen Grundes gehen zu Ihren Lasten.
Wichtige Hinweise: Sanktionszeiträume aufgrund der Verletzung von Meldepflichten und Verstößen gegen vereinbarte Eingliederungsbemühungen können sich überschneiden. In den Überschneidungsmonaten werden die Minderungsbeträge addiert.
Führen die Leistungskürzungen dazu, dass gar kein Arbeitslosengeld II mehr gezahlt wird, werden auch keine Beträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt.
Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30% der maßgebenden Regelleistung können ggf. ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese werden in der Regel erbracht, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben.
Den vereinbarten Eingliederungsbemühungen müssen Sie auch während eines Sanktionszeitraumes nachkommen, auch wenn Ihr Arbeitslosengeld II wegen eines Pflichtverstoßes vollständig weggefallen ist.
Auch die Verpflichtung, sich beim zuständigen Träger der Grundsicherung persönlich zu melden oder auf Aufforderung zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung zu erscheinen, bleibt während des Sanktionszeitraumes bestehen."
Die EV wurde zusammen mit einer zusätzlichen, gesonderten Einladung zur Vorsprache bei der DAA am 4. Januar 2010 am 24. Dezember 2009 zugestellt. Laut Einladung waren ein Gespräch über die berufliche Situation und die Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme mit dem Schwerpunkt Bewerbungstraining und individuelles Coaching beabsichtigt. Der Einladung war eine RFB (Wortlaut wie RFB auf Seite 2) beigefügt. Sie weist weiter folgenden Wortlaut auf:
"Wenn Sie ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leisten, wird Ihr Arbeitslosengeld II um 10 % der für Sie nach § 20 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) maßgebenden Regelleistung für die Dauer von drei Monaten abgesenkt. Falls Ihnen einen Zuschlag nach § 24 SGB II gewährt wird, entfällt auch dieser für den Absenkungszeitraum. Beachten Sie bitte unbedingt auch die nachfolgende Rechtsfolgenbelehrung und die weiteren Hinweise."
Mit am 5. Januar 2010 eingegangenem Schreiben vom 4. Januar 2010 teilte der Antragsteller mit, er könne den Termin am 4. Januar 2010 nicht wahrnehmen, da er krank sei. Mangels Krankenversicherung könne er keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Er könne auch die Kosten für die Herstellung der geforderten Bewerbungsunterlagen nicht tragen. Diese Ausführungen wiederholte er im Anhörungsschreiben vom 12. Januar 2010.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2010 senkte die Antragsgegnerin aufgrund eines wiederholten Verstoßes gegen die Meldepflichten die Leistungen für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. April 2010 um 30 % der maßgeblichen Regelleistung (107,70 EUR) monatlich ab. Der Antragsteller sei trotz schriftlicher RFB zum Meldetermin am 22. Dezember 2009 nicht erschienen.
Mit weiterem Bescheid vom selben Tag reduzierte die Antragsgegnerin für den vorgenannten Zeitraum die Leistungen um 100 %, da der Antragsteller wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen sei. Den Termin am 4. Januar 2010 bei der DAA habe er nicht wahrgenommen. Ein wichtiger Grund iSv § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II liege nicht vor. Er hätte trotz Erkrankung seiner Meldepflicht nachkommen müssen.
Gegen die beiden Bescheide vom 26. Januar 2010 legte der Antragsteller mit Schreiben vom 29. Januar 2010 Widersprüche ein, über die – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden ist.
Am 2. Februar 2010 hat er bei dem SG um einstweiligen Rechtsschutz sowohl gegen die 30 %-Sanktion (Az.: S 3 AS 385/10 ER) als auch gegen die 100 %-Sanktion (Az.: S 3 AS 395/10 ER) eingelegt und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragt. Beide Bescheide seien evident rechtswidrig. Er sei arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe die Termine nicht wahrnehmen können.
Mit weiteren Beschlüssen vom 18. März 2010 hat das SG die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Zur Begründung hat es wiederum auf den offenen Ausgang der Widerspruchsverfahren verwiesen.
Gegen die Beschlüsse hat der Antragsteller am 30. März 2010 Beschwerden eingelegt, Die Beschwerde wegen der 30 %-Sanktion (L 5 AS 145/10 B ER) hat er nach Hinweis des Senats zurückgenommen.
Mit Bescheid vom 14. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2010 hat die Antragsgegnerin den Fortzahlungsantrag des Antragstellers für die Zeit ab dem 1. April 2010 wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten abgelehnt. Dagegen ist beim SG eine Klage und beim Senat ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz (Az.: L 5 AS 250/10 B ER) anhängig.
Zur Begründung seiner Beschwerden hat er u.a. ausgeführt, die pauschalen RFB der Antragsgegnerin könnten keine Grundlage für eine rechtsmäßige Sanktion sein.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. März 2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 21. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 (L 5 AS 144/10 BER) und des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26. Januar 2010 (L 5 AS 146/10 B ER) anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Sie hält ihre RFB für rechtmäßig gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Der Antragsteller sei mehrfach deutlich auf die Rechtsfolgen von Pflichtverstößen hingewiesen worden. Die Anforderungen an eine RFB seien danach zu beurteilen, was einerseits im Interesse des Hilfeempfängers geboten, andererseits aus Behördensicht noch zumutbar erscheine. Dem Leistungsträger dürfe nichts abverlangt werden, was bei vernünftiger Betrachtung unnötig, unzumutbar oder unpraktikabel sei. Zwar habe die Antragsgegnerin die RFB z.T. standardisiert erteilt. Diese seien jedoch hinreichend konkret gewesen und hätten sich nicht auf eine Wiedergabe des Gesetzestextes beschränkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.
II.
Die Beschwerden gegen die Ablehnung der Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§§ 173, 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 iVm § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Beschwerdewert von 750,00 EUR ist jeweils überschritten, denn mit den angegriffenen Bescheiden wurden zuvor bewilligte Leistungen iHv 619,38 EUR monatlich (Leistungsbescheid vom 15. September 2009) für die Zeit von jeweils drei Monaten um 100 % abgesenkt.
Durch die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am 15. Dezember 2009 erhobenen Klage im Verfahren L 5 AS 144/10 B ER und des am 1. Februar 2010 eingelegten Widerspruchs im Verfahren L 5 AS 146/10 B ER könnte grundsätzlich eine verfügte Bewilligung von SGB II-Leistungen – wie hier mit Bescheid vom 15. September 2009 für die Monate Oktober 2009 bis März 2010 – für die Dauer des Hauptsacheverfahrens wieder aufleben.
Die Beschwerden sind auch begründet. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bzw. des Widerspruchs liegen hier vor. Das SG hat zu Unrecht die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der eingelegten Rechtsbehelfe abgelehnt.
Die Anträge sind statthaft gewesen nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltungsakt schon vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 86b Abs. 1 Satz 2 SGG).
Nach § 39 Nr. 1 SGB II in der hier maßgeblichen, seit dem 1. Januar 2009 gültigen Fassung (Artikel 2 Nr. 14 des Gesetzes vom 21. Dezember 2008, BGBl I S. 2917) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt, keine aufschiebende Wirkung. Die hier im Wege der isolierten Anfechtungsklage anzugreifenden Sanktionsbescheide entscheiden über den vollständigen Entzug bereits bewilligter Leistungen für die Dauer von jeweils drei Monaten. Die dagegen eingelegten Rechtsbehelfe (Klage im Verfahren L 5 AS 144/10 B ER und Widerspruch im Verfahren L 5 AS 146/10 B ER) haben daher keine aufschiebende Wirkung.
Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b RN 12). Es trifft eine eigene Ermessensentscheidung über die Aufhebung der sofortigen Vollziehung nach denselben Gesichtspunkten wie die Widerspruchsbehörde in den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG. Bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Hauptsache überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse, umgekehrt bei offensichtlicher Erfolgsaussicht der Hauptsache das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Die offensichtliche Rechtmäßigkeit des betroffenen Verwaltungsakts oder fehlende Erfolgsaussichten von Widerspruch und/oder Klage können allein das besondere Vollzugsinteresse jedoch nicht begründen oder eine Prüfung ersetzen oder entbehrlich machen. Sie können nur zur Folge haben, dass die vorhandenen, ihrer Art nach dringlichen Vollzugsinteressen grundsätzlich als schwerwiegender anzusehen sind als das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei der zu treffenden Abwägung der Interessen sind vor allem die Natur, Schwere und Dringlichkeit der dem Betroffenen auferlegten Belastungen und die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren Rückgängigmachung der Maßnahme und ihrer Folgen zu berücksichtigen.
Nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Absenkungsbescheide. Es überwiegt das Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 21. September 2009 (a) und seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26. Januar 2010 (b) gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin am Vollzug der beiden Bescheide. Denn die angegriffenen Sanktionsbescheide vom 21. September 2009 und 26. Januar 2010 begegnen rechtlichen Bedenken.
a) Der Bescheid über die Absenkung der Leistungen nach dem SGB II um 100 % für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis zum 31. Januar 2010 ist nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung rechtswidrig.
Gemäß § 31 Abs. 1 SGB II wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30% der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn er die in § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB II bezeichneten Pflichtverletzungen begeht. Eine Pflichtverletzung liegt u.a. nach § 31 Abs. 1 Nr. 1c SGB II vor, wenn der Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine Arbeitsgelegenheit aufzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II wird das Arbeitslosengeld II um 60% der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung gemindert. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II wird das Arbeitslosengeld II um 100% gemindert (§ 31 Abs. 3 Satz 1, 2 SGB II). Absenkung und Wegfall treten mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt (§ 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II).
Der angegriffene Bescheid vom 28. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2009 ist voraussichtlich aus zwei Gründen rechtswidrig:
§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II setzt voraus, dass sämtliche dort aufgeführte Maßnahmen, also auch die angebotene Tätigkeit, Gegenstand einer EV sind (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, Az.: B 4 AS 20/09 R, RN 17 juris). Eine EV oder ein diese ersetzender Verwaltungsakt lagen jedoch zum Zeitpunkt der sanktionierten Pflichtverletzung nicht vor.
Darüber hinaus fehlte es im Hinblick auf die mit Schreiben vom 24. Juni 2009 angebotene Arbeitsgelegenheit – im Bescheid vom 21. September 2009 als "geförderte Arbeit" bezeichnet – an einer hinreichenden RFB. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II setzt in allen geregelten Alternativen voraus, dass der Hilfebedürftige die von ihm geforderte Handlung "trotz Belehrung über die Rechtsfolgen" unterlassen hat. In Anknüpfung an die zu den Sperrzeittatbeständen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) entwickelten Grundsätze fordert das BSG (beginnend mit Urteil vom 16. Dezember 2008, Az.: B 4 AS 60/07 R, zitiert nach juris RN 36) für die RFB nach dem SGB II, dass diese konkret, verständlich, richtig und vollständig sein muss. Denn nur eine diese Anforderungen erfüllende Belehrung vermöge dem Zweck der RFB, der Warn- und Steuerungsfunktion, zu genügen. Die RFB bedürfe einer konkreten Umsetzung auf den jeweiligen Einzelfall. Es reiche nicht aus, dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Merkblatt an die Hand zu geben, aus dem er die für seinen Fall maßgebenden Voraussetzungen und Rechtsfolgen selbstständig ermitteln müsse (BSG a.a.O.).
Die RFB müsse zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweiligen Angebot einer Tätigkeit erfolgen und dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung, die angebotene Arbeitsgelegenheit anzutreten, für ihn ergeben, wenn für die Weigerung kein wichtiger Grund vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, Az.: B 4 AS 30/09 R, zitiert nach juris RN 22). Da die Warn- und Steuerungsfunktion verloren gehe, wenn die RFB derart standardisiert sei, dass sie lediglich verschiedene Arten von Maßnahmen aufzähle und dem Hilfebedürftigen die Auswahl überlasse, ob und gegebenenfalls welche der genannten Alternativen für ihn einschlägig ist (a.a.O., RN 23), sei erforderlich eine konkrete Umsetzung auf den Einzelfall, so dass die Aushändigung eines Merkblatts mit abstrakt generellem Inhalt nicht ausreiche (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, Az.: B 14 AS 53/08 R, juris RN 19).
Diesen Voraussetzungen genügt die mit dem Vermittlungsvorschlag vom 24. Juni 2009 übersandte RFB voraussichtlich nicht. Die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung werden nicht hinreichend konkret aufgezeigt. Die Belehrung erschöpft sich im Wesentlichen in der der Wiedergabe des Gesetzestextes. Sie nennt eine Vielzahl von Sachverhaltsvarianten, d.h. möglichen Verstößen gegen sog. Grundpflichten, die keinen Bezug zu der dem Antragsteller konkret auferlegten Pflicht aufweisen. Infolge der undifferenzierten Auflistung aller Sanktionstatbestände (einschließlich der Verstöße gegen Meldepflichten) und einer Vielzahl von möglichen Rechtsfolgen ist die RFB nicht nur unübersichtlich, sondern auch nicht individualisiert. Sie ist damit nicht geeignet, dem Antragsteller in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus einem Unterlassen der Wahrnehmung des Vorstellungstermins am 8. Juli 2009 ergeben würden.
Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin ist es unerheblich, ob gerade der Antragsteller aufgrund seiner juristischen Vorkenntnisse oder seiner hinreichenden Erfahrung mit Sanktionierungen nach § 31 Abs. 1 SGB II hätte erkennen können, dass sein Verhalten eine Pflichtverletzung darstellt und welche Rechtsfolgen diese Pflichtverletzung bezogen auf seine Person auslösen könnte. Denn aufgrund des formalen Ordnungscharakters der RFB kommt es nicht auf das Kennen oder Kennen müssen der Rechtsfolgen beim Leistungsberechtigten an, sondern nur auf das formell ordnungsgemäße Handeln der Behörde (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, a.a.O. RN 24).
Da das formelle Vorgehen der Antragsgegnerin den angeführten Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer RFB nicht entspricht, stellt diese keine hinreichende Grundlage für eine nachfolgende Sanktionierung des Antragstellers dar. Daher ist der angegriffene Verwaltungsakt vom 21. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 voraussichtlich rechtswidrig. In dieser Situation besteht kein besonderes Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin, dem gegenüber dem Interesse des Antragsstellers an der Aussetzung der Vollziehung der Vorzug zu geben wäre. Der Beschluss des SG war aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Da der Zeitraum, für den die aufschiebende Wirkung der Klage Auswirkungen hat, bereits abgelaufen und der angegriffene Bescheid vollzogen worden ist, ist über eine Vollzugsfolgenbeseitigung nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG zu entscheiden. Der Senat hält es hier unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen und der einschneidenden Wirkung einer 100 %-Sanktion für geboten, durch eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Nachzahlung der für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 bewilligten Leistungen iHv 619,38 EUR monatlich (Bescheid vom 15. September 2009) die unmittelbaren Folgen der Vollziehung zu beseitigen, da der Antragsteller nach seinen Angaben zur Sicherung des Lebensunterhalts ein Darlehen seines Vaters erhalten hat.
Eine Vollzugsfolgenbeseitigung für den Monat November 2009 kommt vorliegend nicht in Betracht, da der Antragsteller in diesem Monat bereits vollziehbar mit einer 100 %-Sanktion aufgrund des Bescheids vom 27. Juli 2009 belegt ist. Den dagegen begehrten einstweiligen Rechtsschutz hatte der Senat im Beschwerdeverfahren unanfechtbar abgelehnt (L 5 AS 365/09 B ER, Beschluss vom 16. November 2009).
b) Auch der Bescheid vom 26. Januar 2010, gegen den der Antragsteller Widerspruch eingelegt hat, ist voraussichtlich rechtswidrig. Die Absenkung der Leistungen nach dem SGB II um 100 % für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 30. April 2010 dürfte ebenfalls aus Rechtsgründen zu beanstanden sein. Es liegen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1, Satz 1 Nr. 1b, 3 Satz 2 SGB II nicht vor, denn auch insoweit ist der Antragsteller nicht in ausreichender Form über die Rechtsfolgen seines Verhaltens belehrt worden.
Bereits die in der als Verwaltungsakt erlassenen Eingliederungsvereinbarung vom 22. Dezember 2009 enthaltene RFB erfüllt die o.g. Anforderungen nicht. Unabhängig von weiteren inhaltlichen Bedenken gegen die EV, die sich daraus ergeben, dass die Wahrnehmung des Termins am 4. Januar 2010 nicht als Pflicht des Antragstellers aufgeführt, sondern (nur) als Ziel der EV benannt wird, und dass die am 22. Dezember 2009 erlassene EV sich eine Gültigkeitsdauer vom 3. Juli 2009 bis zum 21. Juni 2010 beimisst, mithin für einen Zeitraum vor ihrem Erlass Gültigkeit beansprucht, mangelt es an der geforderten Klarheit und Richtigkeit der beigefügten RFB.
Sie ist insoweit falsch, als sie bei einem erstmaligen Verstoß gegen die vereinbarten Eingliederungsbemühungen des Antragstellers, bei denen die Terminswahrnehmung nicht genannt ist, eine Absenkung um 30 % der Regelleistung vorsieht. Tatsächlich wurden dem Antragsteller jedoch aufgrund von sonstigen Verstößen – außerhalb der Pflichten der EV – die SGB II-Leistungen vollständig entzogen (100 % Kürzung). Ein Hinweis darauf, dass Pflichtverletzungen außerhalb der EV "als Vorstrafe" bei der Sanktionierung von EV-Pflichtverstößen mitberücksichtigt werden, fehlt. Dem Antragsteller ist so nicht hinreichend deutlich gemacht worden, dass in seinem Fall ein Erstverstoß gegen Pflichten der EV zu einer (weiteren) vollständigen Leistungsabsenkung führen würde.
Hinzu kommt, dass in der von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 übersandten "1. Einladung" die Wahrnehmung des Termins am 4. Januar 2010 bei der DAA rechtlich offensichtlich als Meldepflicht bewertet wird. Denn diese belehrt im Einladungstext über eine Absenkung um 10 % bei einer Nichtteilnahme am Termin. Insoweit widersprechen sich die für dieselbe Handlung (Wahrnehmung des Termins am 4. Januar 2010) erteilten RFB.
Jedenfalls vermag die RFB der Einladung die Mängel der RFB in der EV nicht zu beheben. Auch die der Einladung beigefügte allgemeine RFB genügt den Rechtmäßigkeitsanforderungen nicht, weil sie alle Grund- und Meldepflichten sowie alle denkbaren Sanktionsformen – einschließlich derjenigen für Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben – aufführt.
Da die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Termins am 4. Januar 2010 erteilten RFB keine hinreichende klare Grundlage für die nachfolgende 100 %-Sanktionierung darstellen können, dürfte sich der angegriffene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen. Der Beschluss des SG war daher aufzuheben und die aufschiebende Aufwirkung des Widerspruchs des Antragstellers anzuordnen.
Da auch vorliegend der Zeitraum, für den die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs Auswirkungen hat, bereits abgelaufen und der angegriffene Bescheid vollzogen worden ist, war über eine Vollzugsfolgenbeseitigung nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG zu entscheiden. Der Senat hält eine Leistungsnachzahlung im tenorierten Umfang für angemessen, weil zu berücksichtigen ist, dass die (zunächst ebenfalls im Beschwerdewege im Verfahren L 5 AS 145/10 B ER) angegriffene Sanktionsentscheidung (Absenkung um 30 % der Regelleistung) mit Bescheid vom 26. Januar 2010 für den hier maßgeblichen Zeitraum von Februar bis April 2010 vollziehbar ist. Denn einstweiliger Rechtsschutz gegen diesen Bescheid sowie der eingelegte Widerspruch hatten (bislang) keinen Erfolg.
Eine Vollzugsfolgenbeseitigung kommt daher nur insoweit in Betracht, als es um die über den sanktionierten Betrag hinausgehende Leistungsbewilligung für die vorgenannten Monate geht. Hieraus ergibt sich für die (letzten mit Bewilligungsbescheid vom 15. September 2009 geregelten) Monate Februar und März 2010 ein nachzuzahlender Monatsbetrag iHv 511,68 EUR (RL: 359,00 EUR - 30 % = 251,30 EUR; KdU: 260,38 EUR).
Für den letzten Sanktionsmonat (April 2010) gibt es keine rechtswirksame Leistungsbewilligung der Antragsgegnerin. Denn diese hatte mit Versagungsbescheid vom 14. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2010 eine Leistungsgewährung wegen mangelnder Mitwirkung abgelehnt. Dieser bzw. der SGB II-Leistungsanspruch des Antragstellers ab dem 1. April 2010 ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens im einstweiligen Rechtschutz mit dem Aktenzeichen L 5 AS 250/10 B ER, das dem Senat zur Entscheidung vorliegt. Für den Monat April 2010 ist daher eine Vollzugsfolgenbeseitigung in Ansehung des Sanktionsbescheids vom 26. Januar 2010 nicht möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin hat im Wege der Vollzugsfolgenbeseitigung dem Antragsteller Leistungen für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 iHv 619,38 EUR/Monat sowie für die Monate Februar und März 2010 iHv 511,68 EUR/Monat nachzuzahlen.
Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsbehelfe (Widerspruch und Klage) gegen zwei Sanktionsbescheide der Antragsgegnerin bei der Leistungsgewährung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am ... 1976 geborene Antragsteller ist nach seinen Angaben "Diplom Jurist". Er steht bei der Antragsgegnerin im laufenden Leistungsbezug. Nach mehreren vollziehbaren Sanktionsbescheiden der Antragsgegnerin (Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes blieben erfolglos, Beschlüsse des Senats vom 31. August 2009, L 5 AS 287/09 B ER und 16. November 2009, L 5 AS 365/09 B ER) besteht eine vollziehbare Leistungskürzung um 100 % im Zeitraum vom 1. Juni bis zum 30. November 2009.
Unter dem 24. Juni 2009 übersandte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen Vermittlungsvorschlag für eine Arbeitsgelegenheit bei der T. -Schulung und Schweißtechnische Bildung gGmbH, Betriebsstätte M ... Es ging um eine Tätigkeit als Bürokraft/kaufmännische Fachkraft im Projekt "Erweiterung der Steinzeitanlage" in M./R ... Im Schreiben lautet es weiter: "Stellen Sie sich bitte am 8.07.2009 um 8:00 Uhr beim o.g. Arbeitgeber vor." Weiterhin enthielt es folgende – zwischen den Beteiligten dem Wortlaut nach unstreitige – Rechtsfolgenbelehrung (RFB):
"Sie können nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zwar eine Förderung beanspruchen, daneben sind Sie aber in erster Linie selbst gefordert, konkrete Schritte zu unternehmen, Sie sind verpflichtet, sich selbständig zu bemühen, Ihre Hilfebedürftigkeit zu beenden und aktiv an allen Maßnahmen mitzuwirken, die dieses Ziel unterstützen.
Das Gesetz sieht bei pflichtwidrigem Verhalten unterschiedliche Leistungskürzungen vor. Die Leistung kann danach – auch mehrfach nacheinander oder überschneidend – gekürzt werden oder ganz entfallen.
Grundpflichten 1. Eine Verletzung Ihrer Grundpflichten liegt vor, wenn Sie sich weigern, die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, eine mit Beschäftigungszuschuss geförderte Arbeit, ein zumutbares Sofortangebot oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen oder Sie eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abbrechen oder Anlass für den Abbruch geben.
2. Bei einer Verletzung der Grundpflichten wird das Arbeitslosengeld II um 30% der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II abgesenkt. Ein eventuell bezogener Zuschlag nach § 24 SGB II (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld) entfällt für den Zeitraum der Minderung. 3. Bei der ersten wiederholten Verletzung der Grundpflichten wird das Arbeitslosengeld II um 60% der für Sie maßgebenden Regelleistung abgesenkt. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung entfällt der Anspruch auf Arbeitslosengeld II vollständig. Im Einzelfall kann die Minderung auch für weitere wiederholte Pflichtverletzungen auf 60% beschränkt werden, sofern Sie sich nachträglich bereit erklären, Ihren Pflichten nachzukommen. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Meldepflichten 4. Sie sind auch verpflichtet, sich bei Ihrem Träger oder einer sonstigen Dienststelle des Trägers persönlich zu melden und ggf. zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung zu erscheinen, falls Ihr Träger Sie dazu auffordert (Meldepflichten). 5. Eine Verletzung der Meldepflicht kann ebenfalls zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes II führen. Gemeinsame Vorschriften 6. Absenkung und Wegfall dauern drei Monate und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zugang des entsprechenden Bescheides über die Sanktionen. Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe). Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, können Absenkung und Wegfall der Regelleistung im Einzelfall auf sechs Wochen verkürzt werden. 7. Sanktionszeiträume wegen Verletzung von Grund- und Meldepflichten können sich überschneiden. (Beispiel: 10% Kürzung aufgrund erster Verletzung der Meldepflicht vom 01.05. bis 31.07. und Beschränkung des Arbeitslosengeldes II auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung aufgrund einer Verletzung der Grundpflichten vom 01.06. bis 31.08). In den Überschneidungsmonaten wird der Minderungsbetrag wegen der Meldepflichtverletzung von den Kosten der Unterkunft abgesetzt. 8. Die Absenkung des Arbeitslosengeldes II und der Wegfall des Zuschlags treten nicht ein, wenn Sie für die Pflichtverletzung einen wichtigen Grund nachweisen können. 9. Bei einer Minderung der Regelleistung um mehr als 30% können Ihnen ggf. ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese werden in der Regel erbracht, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben. 10. Bei vollständigem Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II werden auch keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt. Der Versicherungsschutz lebt wieder auf, wenn ergänzende Sachleistungen (siehe Nr. 11) gewährt werden. 11. Ihren Grund- und Meldepflichten müssen Sie auch während eines Sanktionszeitraumes nachkommen, auch wenn der Anspruch wegen einer Sanktion vollständig weggefallen ist. 12. Sofern Sie nicht erwerbsfähig sind und mit einer/m erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben und für Sie Pflichten im vorstehenden Bescheid genannt sind, können auch Sie Rechtsfolgen treffen, wenn Sie nicht bereit sind, die Pflichten zu erfüllen."
Im Schreiben vom 3. Juli 2009 führte der Antragsteller aus, aufgrund seiner Leistungskürzung um 100 % verfüge er nicht über die finanziellen Mittel, um zum Vorstellungsgespräch zu fahren oder Zeugniskopien und Lebenslauf zu fertigen. Hierauf reagierte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom selben Tag, in dem sie ausführte, der Antragsteller könne die Wegstrecke von 1,9 km zwischen Wohnung und Arbeitgebersitz fußläufig bewältigen. Es sei nicht erforderlich, Bewerbungsunterlagen beim Vorstellungsgespräch vorzulegen.
Mit Schreiben vom 8. Juli 2009 erklärte der Antragsteller, er sei krank und könne den Vorstellungstermin nicht wahrnehmen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne er nicht vorlegen, da er nicht krankenversichert sei.
Mit Bescheid vom 15. September 2009 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 monatliche Leistungen iHv 619,38 EUR (Regelleistung 359,00 EUR, KdU 260,38 EUR), wobei sie die Zahlbeträge für Oktober und November 2009 aufgrund einer Sanktion auf 0,00 EUR festsetzte.
Nachdem die T. gGmbH mitgeteilt hatte, der Antragsteller habe sich nicht gemeldet oder beworben, senkte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21. September 2009 das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. November 2009 bis zum 31. Januar 2010 vollständig ab. Der Antragsteller sei wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen. Seine Angaben zum Fehlen von finanziellen Mitteln aufgrund der bestehenden Sanktionierung könnten nicht als wichtiger Grund iSv § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II anerkannt werden. Auf Antrag könnten ergänzende Sachleistungen, insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen gewährt werden.
In seinem Widerspruchsschreiben vom 24. September 2009 machte der Antragsteller geltend, ihm sei es aufgrund seiner Erkrankung unmöglich und unzumutbar gewesen, das Vorstellungsgespräch wahrzunehmen.
Am selben Tag hat er beim Sozialgericht Magdeburg (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs beantragt (Az.: S 3 AS 2865/09 ER). Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2009 hat der Antragsteller am 15. Dezember 2009 bei dem SG Klage erhoben (Az.: S 3 AS 3765/09).
Mit Beschluss vom 18. März 2010 hat das SG das Rechtsschutzgesuch abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, nach summarischer Prüfung erscheine der Ausgang des Klageverfahrens offen. Bei der Abwägung der betroffenen Belange ergebe sich kein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung.
Am 30. März 2010 hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt (Az.: L 5 AS 144/10 B ER) und zur Begründung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur RFB verwiesen. Die RFB im Vermittlungsvorschlag sei unzureichend.
Einer Einladung zur Vorsprache am 16. November 2009 folgte der Antragsteller nicht.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2009, das ihm am 3. Dezember 2009 zugestellt wurde, lud die Antragsgegnerin ihn mit RFB zur Vorsprache am 22. Dezember 2009 ein. Der Antragsteller erschien zum Termin – ohne Angabe von Gründen – nicht. Darauf erließ die Antragsgegnerin am 22. Dezember 2009 eine Eingliederungsvereinbarung (EV) per Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II, die u.a. als Ziel die Wahrnehmung eines Gesprächstermins am 4. Januar 2010 bei der Deutsche Angestellten Akademie (DAA) in M. nannte und die folgende RFB aufwies:
"§ 31 Zweites Buch Sozialgesetzbuch sieht bei Verstößen gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten Leistungskürzungen vor. Das Arbeitslosengeld II kann danach - auch mehrfach nacheinander - gekürzt werden oder vollständig entfallen.
Wenn Sie erstmals gegen die mit Ihnen vereinbarten Eingliederungsbemühungen verstoßen (siehe Nr. 2. Bemühungen), wird das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30% der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II abgesenkt. Auch ein eventuell bezogener Zuschlag (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld) entfällt für den Zeitraum der Absenkung.
Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass bei einem wiederholten Verstoß gegen die mit Ihnen vereinbarten Bemühungen das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 60% der für Sie maßgebenden Regelleistung abgesenkt wird. Bei weiteren wiederholten Pflichtverstößen entfällt Ihr Arbeitslosengeld II vollständig.
Absenkung und Wegfall dauern drei Monate (Sanktionszeitraum) und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zugang des entsprechenden Bescheides. Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe).
Leistungskürzungen treten nicht ein, wenn Sie einen wichtigen Grund für den Pflichtverstoß nachweisen können. Irrtümer bei der Beurteilung des wichtigen Grundes gehen zu Ihren Lasten.
Wichtige Hinweise: Sanktionszeiträume aufgrund der Verletzung von Meldepflichten und Verstößen gegen vereinbarte Eingliederungsbemühungen können sich überschneiden. In den Überschneidungsmonaten werden die Minderungsbeträge addiert.
Führen die Leistungskürzungen dazu, dass gar kein Arbeitslosengeld II mehr gezahlt wird, werden auch keine Beträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt.
Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30% der maßgebenden Regelleistung können ggf. ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese werden in der Regel erbracht, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben.
Den vereinbarten Eingliederungsbemühungen müssen Sie auch während eines Sanktionszeitraumes nachkommen, auch wenn Ihr Arbeitslosengeld II wegen eines Pflichtverstoßes vollständig weggefallen ist.
Auch die Verpflichtung, sich beim zuständigen Träger der Grundsicherung persönlich zu melden oder auf Aufforderung zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung zu erscheinen, bleibt während des Sanktionszeitraumes bestehen."
Die EV wurde zusammen mit einer zusätzlichen, gesonderten Einladung zur Vorsprache bei der DAA am 4. Januar 2010 am 24. Dezember 2009 zugestellt. Laut Einladung waren ein Gespräch über die berufliche Situation und die Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme mit dem Schwerpunkt Bewerbungstraining und individuelles Coaching beabsichtigt. Der Einladung war eine RFB (Wortlaut wie RFB auf Seite 2) beigefügt. Sie weist weiter folgenden Wortlaut auf:
"Wenn Sie ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leisten, wird Ihr Arbeitslosengeld II um 10 % der für Sie nach § 20 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) maßgebenden Regelleistung für die Dauer von drei Monaten abgesenkt. Falls Ihnen einen Zuschlag nach § 24 SGB II gewährt wird, entfällt auch dieser für den Absenkungszeitraum. Beachten Sie bitte unbedingt auch die nachfolgende Rechtsfolgenbelehrung und die weiteren Hinweise."
Mit am 5. Januar 2010 eingegangenem Schreiben vom 4. Januar 2010 teilte der Antragsteller mit, er könne den Termin am 4. Januar 2010 nicht wahrnehmen, da er krank sei. Mangels Krankenversicherung könne er keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Er könne auch die Kosten für die Herstellung der geforderten Bewerbungsunterlagen nicht tragen. Diese Ausführungen wiederholte er im Anhörungsschreiben vom 12. Januar 2010.
Mit Bescheid vom 26. Januar 2010 senkte die Antragsgegnerin aufgrund eines wiederholten Verstoßes gegen die Meldepflichten die Leistungen für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. April 2010 um 30 % der maßgeblichen Regelleistung (107,70 EUR) monatlich ab. Der Antragsteller sei trotz schriftlicher RFB zum Meldetermin am 22. Dezember 2009 nicht erschienen.
Mit weiterem Bescheid vom selben Tag reduzierte die Antragsgegnerin für den vorgenannten Zeitraum die Leistungen um 100 %, da der Antragsteller wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen sei. Den Termin am 4. Januar 2010 bei der DAA habe er nicht wahrgenommen. Ein wichtiger Grund iSv § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II liege nicht vor. Er hätte trotz Erkrankung seiner Meldepflicht nachkommen müssen.
Gegen die beiden Bescheide vom 26. Januar 2010 legte der Antragsteller mit Schreiben vom 29. Januar 2010 Widersprüche ein, über die – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden ist.
Am 2. Februar 2010 hat er bei dem SG um einstweiligen Rechtsschutz sowohl gegen die 30 %-Sanktion (Az.: S 3 AS 385/10 ER) als auch gegen die 100 %-Sanktion (Az.: S 3 AS 395/10 ER) eingelegt und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragt. Beide Bescheide seien evident rechtswidrig. Er sei arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe die Termine nicht wahrnehmen können.
Mit weiteren Beschlüssen vom 18. März 2010 hat das SG die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Zur Begründung hat es wiederum auf den offenen Ausgang der Widerspruchsverfahren verwiesen.
Gegen die Beschlüsse hat der Antragsteller am 30. März 2010 Beschwerden eingelegt, Die Beschwerde wegen der 30 %-Sanktion (L 5 AS 145/10 B ER) hat er nach Hinweis des Senats zurückgenommen.
Mit Bescheid vom 14. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2010 hat die Antragsgegnerin den Fortzahlungsantrag des Antragstellers für die Zeit ab dem 1. April 2010 wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten abgelehnt. Dagegen ist beim SG eine Klage und beim Senat ein Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz (Az.: L 5 AS 250/10 B ER) anhängig.
Zur Begründung seiner Beschwerden hat er u.a. ausgeführt, die pauschalen RFB der Antragsgegnerin könnten keine Grundlage für eine rechtsmäßige Sanktion sein.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. März 2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 21. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 (L 5 AS 144/10 BER) und des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26. Januar 2010 (L 5 AS 146/10 B ER) anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Sie hält ihre RFB für rechtmäßig gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Der Antragsteller sei mehrfach deutlich auf die Rechtsfolgen von Pflichtverstößen hingewiesen worden. Die Anforderungen an eine RFB seien danach zu beurteilen, was einerseits im Interesse des Hilfeempfängers geboten, andererseits aus Behördensicht noch zumutbar erscheine. Dem Leistungsträger dürfe nichts abverlangt werden, was bei vernünftiger Betrachtung unnötig, unzumutbar oder unpraktikabel sei. Zwar habe die Antragsgegnerin die RFB z.T. standardisiert erteilt. Diese seien jedoch hinreichend konkret gewesen und hätten sich nicht auf eine Wiedergabe des Gesetzestextes beschränkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.
II.
Die Beschwerden gegen die Ablehnung der Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§§ 173, 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 iVm § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Beschwerdewert von 750,00 EUR ist jeweils überschritten, denn mit den angegriffenen Bescheiden wurden zuvor bewilligte Leistungen iHv 619,38 EUR monatlich (Leistungsbescheid vom 15. September 2009) für die Zeit von jeweils drei Monaten um 100 % abgesenkt.
Durch die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am 15. Dezember 2009 erhobenen Klage im Verfahren L 5 AS 144/10 B ER und des am 1. Februar 2010 eingelegten Widerspruchs im Verfahren L 5 AS 146/10 B ER könnte grundsätzlich eine verfügte Bewilligung von SGB II-Leistungen – wie hier mit Bescheid vom 15. September 2009 für die Monate Oktober 2009 bis März 2010 – für die Dauer des Hauptsacheverfahrens wieder aufleben.
Die Beschwerden sind auch begründet. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bzw. des Widerspruchs liegen hier vor. Das SG hat zu Unrecht die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der eingelegten Rechtsbehelfe abgelehnt.
Die Anträge sind statthaft gewesen nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltungsakt schon vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 86b Abs. 1 Satz 2 SGG).
Nach § 39 Nr. 1 SGB II in der hier maßgeblichen, seit dem 1. Januar 2009 gültigen Fassung (Artikel 2 Nr. 14 des Gesetzes vom 21. Dezember 2008, BGBl I S. 2917) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt, keine aufschiebende Wirkung. Die hier im Wege der isolierten Anfechtungsklage anzugreifenden Sanktionsbescheide entscheiden über den vollständigen Entzug bereits bewilligter Leistungen für die Dauer von jeweils drei Monaten. Die dagegen eingelegten Rechtsbehelfe (Klage im Verfahren L 5 AS 144/10 B ER und Widerspruch im Verfahren L 5 AS 146/10 B ER) haben daher keine aufschiebende Wirkung.
Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b RN 12). Es trifft eine eigene Ermessensentscheidung über die Aufhebung der sofortigen Vollziehung nach denselben Gesichtspunkten wie die Widerspruchsbehörde in den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG. Bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Hauptsache überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse, umgekehrt bei offensichtlicher Erfolgsaussicht der Hauptsache das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Die offensichtliche Rechtmäßigkeit des betroffenen Verwaltungsakts oder fehlende Erfolgsaussichten von Widerspruch und/oder Klage können allein das besondere Vollzugsinteresse jedoch nicht begründen oder eine Prüfung ersetzen oder entbehrlich machen. Sie können nur zur Folge haben, dass die vorhandenen, ihrer Art nach dringlichen Vollzugsinteressen grundsätzlich als schwerwiegender anzusehen sind als das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei der zu treffenden Abwägung der Interessen sind vor allem die Natur, Schwere und Dringlichkeit der dem Betroffenen auferlegten Belastungen und die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren Rückgängigmachung der Maßnahme und ihrer Folgen zu berücksichtigen.
Nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Absenkungsbescheide. Es überwiegt das Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 21. September 2009 (a) und seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26. Januar 2010 (b) gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin am Vollzug der beiden Bescheide. Denn die angegriffenen Sanktionsbescheide vom 21. September 2009 und 26. Januar 2010 begegnen rechtlichen Bedenken.
a) Der Bescheid über die Absenkung der Leistungen nach dem SGB II um 100 % für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis zum 31. Januar 2010 ist nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung rechtswidrig.
Gemäß § 31 Abs. 1 SGB II wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30% der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn er die in § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB II bezeichneten Pflichtverletzungen begeht. Eine Pflichtverletzung liegt u.a. nach § 31 Abs. 1 Nr. 1c SGB II vor, wenn der Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine Arbeitsgelegenheit aufzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II wird das Arbeitslosengeld II um 60% der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung gemindert. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II wird das Arbeitslosengeld II um 100% gemindert (§ 31 Abs. 3 Satz 1, 2 SGB II). Absenkung und Wegfall treten mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt (§ 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II).
Der angegriffene Bescheid vom 28. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2009 ist voraussichtlich aus zwei Gründen rechtswidrig:
§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II setzt voraus, dass sämtliche dort aufgeführte Maßnahmen, also auch die angebotene Tätigkeit, Gegenstand einer EV sind (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, Az.: B 4 AS 20/09 R, RN 17 juris). Eine EV oder ein diese ersetzender Verwaltungsakt lagen jedoch zum Zeitpunkt der sanktionierten Pflichtverletzung nicht vor.
Darüber hinaus fehlte es im Hinblick auf die mit Schreiben vom 24. Juni 2009 angebotene Arbeitsgelegenheit – im Bescheid vom 21. September 2009 als "geförderte Arbeit" bezeichnet – an einer hinreichenden RFB. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II setzt in allen geregelten Alternativen voraus, dass der Hilfebedürftige die von ihm geforderte Handlung "trotz Belehrung über die Rechtsfolgen" unterlassen hat. In Anknüpfung an die zu den Sperrzeittatbeständen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) entwickelten Grundsätze fordert das BSG (beginnend mit Urteil vom 16. Dezember 2008, Az.: B 4 AS 60/07 R, zitiert nach juris RN 36) für die RFB nach dem SGB II, dass diese konkret, verständlich, richtig und vollständig sein muss. Denn nur eine diese Anforderungen erfüllende Belehrung vermöge dem Zweck der RFB, der Warn- und Steuerungsfunktion, zu genügen. Die RFB bedürfe einer konkreten Umsetzung auf den jeweiligen Einzelfall. Es reiche nicht aus, dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Merkblatt an die Hand zu geben, aus dem er die für seinen Fall maßgebenden Voraussetzungen und Rechtsfolgen selbstständig ermitteln müsse (BSG a.a.O.).
Die RFB müsse zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweiligen Angebot einer Tätigkeit erfolgen und dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung, die angebotene Arbeitsgelegenheit anzutreten, für ihn ergeben, wenn für die Weigerung kein wichtiger Grund vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, Az.: B 4 AS 30/09 R, zitiert nach juris RN 22). Da die Warn- und Steuerungsfunktion verloren gehe, wenn die RFB derart standardisiert sei, dass sie lediglich verschiedene Arten von Maßnahmen aufzähle und dem Hilfebedürftigen die Auswahl überlasse, ob und gegebenenfalls welche der genannten Alternativen für ihn einschlägig ist (a.a.O., RN 23), sei erforderlich eine konkrete Umsetzung auf den Einzelfall, so dass die Aushändigung eines Merkblatts mit abstrakt generellem Inhalt nicht ausreiche (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, Az.: B 14 AS 53/08 R, juris RN 19).
Diesen Voraussetzungen genügt die mit dem Vermittlungsvorschlag vom 24. Juni 2009 übersandte RFB voraussichtlich nicht. Die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung werden nicht hinreichend konkret aufgezeigt. Die Belehrung erschöpft sich im Wesentlichen in der der Wiedergabe des Gesetzestextes. Sie nennt eine Vielzahl von Sachverhaltsvarianten, d.h. möglichen Verstößen gegen sog. Grundpflichten, die keinen Bezug zu der dem Antragsteller konkret auferlegten Pflicht aufweisen. Infolge der undifferenzierten Auflistung aller Sanktionstatbestände (einschließlich der Verstöße gegen Meldepflichten) und einer Vielzahl von möglichen Rechtsfolgen ist die RFB nicht nur unübersichtlich, sondern auch nicht individualisiert. Sie ist damit nicht geeignet, dem Antragsteller in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus einem Unterlassen der Wahrnehmung des Vorstellungstermins am 8. Juli 2009 ergeben würden.
Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin ist es unerheblich, ob gerade der Antragsteller aufgrund seiner juristischen Vorkenntnisse oder seiner hinreichenden Erfahrung mit Sanktionierungen nach § 31 Abs. 1 SGB II hätte erkennen können, dass sein Verhalten eine Pflichtverletzung darstellt und welche Rechtsfolgen diese Pflichtverletzung bezogen auf seine Person auslösen könnte. Denn aufgrund des formalen Ordnungscharakters der RFB kommt es nicht auf das Kennen oder Kennen müssen der Rechtsfolgen beim Leistungsberechtigten an, sondern nur auf das formell ordnungsgemäße Handeln der Behörde (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, a.a.O. RN 24).
Da das formelle Vorgehen der Antragsgegnerin den angeführten Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer RFB nicht entspricht, stellt diese keine hinreichende Grundlage für eine nachfolgende Sanktionierung des Antragstellers dar. Daher ist der angegriffene Verwaltungsakt vom 21. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 voraussichtlich rechtswidrig. In dieser Situation besteht kein besonderes Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin, dem gegenüber dem Interesse des Antragsstellers an der Aussetzung der Vollziehung der Vorzug zu geben wäre. Der Beschluss des SG war aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Da der Zeitraum, für den die aufschiebende Wirkung der Klage Auswirkungen hat, bereits abgelaufen und der angegriffene Bescheid vollzogen worden ist, ist über eine Vollzugsfolgenbeseitigung nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG zu entscheiden. Der Senat hält es hier unter Berücksichtigung der gravierenden Folgen und der einschneidenden Wirkung einer 100 %-Sanktion für geboten, durch eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Nachzahlung der für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 bewilligten Leistungen iHv 619,38 EUR monatlich (Bescheid vom 15. September 2009) die unmittelbaren Folgen der Vollziehung zu beseitigen, da der Antragsteller nach seinen Angaben zur Sicherung des Lebensunterhalts ein Darlehen seines Vaters erhalten hat.
Eine Vollzugsfolgenbeseitigung für den Monat November 2009 kommt vorliegend nicht in Betracht, da der Antragsteller in diesem Monat bereits vollziehbar mit einer 100 %-Sanktion aufgrund des Bescheids vom 27. Juli 2009 belegt ist. Den dagegen begehrten einstweiligen Rechtsschutz hatte der Senat im Beschwerdeverfahren unanfechtbar abgelehnt (L 5 AS 365/09 B ER, Beschluss vom 16. November 2009).
b) Auch der Bescheid vom 26. Januar 2010, gegen den der Antragsteller Widerspruch eingelegt hat, ist voraussichtlich rechtswidrig. Die Absenkung der Leistungen nach dem SGB II um 100 % für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 30. April 2010 dürfte ebenfalls aus Rechtsgründen zu beanstanden sein. Es liegen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1, Satz 1 Nr. 1b, 3 Satz 2 SGB II nicht vor, denn auch insoweit ist der Antragsteller nicht in ausreichender Form über die Rechtsfolgen seines Verhaltens belehrt worden.
Bereits die in der als Verwaltungsakt erlassenen Eingliederungsvereinbarung vom 22. Dezember 2009 enthaltene RFB erfüllt die o.g. Anforderungen nicht. Unabhängig von weiteren inhaltlichen Bedenken gegen die EV, die sich daraus ergeben, dass die Wahrnehmung des Termins am 4. Januar 2010 nicht als Pflicht des Antragstellers aufgeführt, sondern (nur) als Ziel der EV benannt wird, und dass die am 22. Dezember 2009 erlassene EV sich eine Gültigkeitsdauer vom 3. Juli 2009 bis zum 21. Juni 2010 beimisst, mithin für einen Zeitraum vor ihrem Erlass Gültigkeit beansprucht, mangelt es an der geforderten Klarheit und Richtigkeit der beigefügten RFB.
Sie ist insoweit falsch, als sie bei einem erstmaligen Verstoß gegen die vereinbarten Eingliederungsbemühungen des Antragstellers, bei denen die Terminswahrnehmung nicht genannt ist, eine Absenkung um 30 % der Regelleistung vorsieht. Tatsächlich wurden dem Antragsteller jedoch aufgrund von sonstigen Verstößen – außerhalb der Pflichten der EV – die SGB II-Leistungen vollständig entzogen (100 % Kürzung). Ein Hinweis darauf, dass Pflichtverletzungen außerhalb der EV "als Vorstrafe" bei der Sanktionierung von EV-Pflichtverstößen mitberücksichtigt werden, fehlt. Dem Antragsteller ist so nicht hinreichend deutlich gemacht worden, dass in seinem Fall ein Erstverstoß gegen Pflichten der EV zu einer (weiteren) vollständigen Leistungsabsenkung führen würde.
Hinzu kommt, dass in der von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 übersandten "1. Einladung" die Wahrnehmung des Termins am 4. Januar 2010 bei der DAA rechtlich offensichtlich als Meldepflicht bewertet wird. Denn diese belehrt im Einladungstext über eine Absenkung um 10 % bei einer Nichtteilnahme am Termin. Insoweit widersprechen sich die für dieselbe Handlung (Wahrnehmung des Termins am 4. Januar 2010) erteilten RFB.
Jedenfalls vermag die RFB der Einladung die Mängel der RFB in der EV nicht zu beheben. Auch die der Einladung beigefügte allgemeine RFB genügt den Rechtmäßigkeitsanforderungen nicht, weil sie alle Grund- und Meldepflichten sowie alle denkbaren Sanktionsformen – einschließlich derjenigen für Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben – aufführt.
Da die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Termins am 4. Januar 2010 erteilten RFB keine hinreichende klare Grundlage für die nachfolgende 100 %-Sanktionierung darstellen können, dürfte sich der angegriffene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen. Der Beschluss des SG war daher aufzuheben und die aufschiebende Aufwirkung des Widerspruchs des Antragstellers anzuordnen.
Da auch vorliegend der Zeitraum, für den die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs Auswirkungen hat, bereits abgelaufen und der angegriffene Bescheid vollzogen worden ist, war über eine Vollzugsfolgenbeseitigung nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG zu entscheiden. Der Senat hält eine Leistungsnachzahlung im tenorierten Umfang für angemessen, weil zu berücksichtigen ist, dass die (zunächst ebenfalls im Beschwerdewege im Verfahren L 5 AS 145/10 B ER) angegriffene Sanktionsentscheidung (Absenkung um 30 % der Regelleistung) mit Bescheid vom 26. Januar 2010 für den hier maßgeblichen Zeitraum von Februar bis April 2010 vollziehbar ist. Denn einstweiliger Rechtsschutz gegen diesen Bescheid sowie der eingelegte Widerspruch hatten (bislang) keinen Erfolg.
Eine Vollzugsfolgenbeseitigung kommt daher nur insoweit in Betracht, als es um die über den sanktionierten Betrag hinausgehende Leistungsbewilligung für die vorgenannten Monate geht. Hieraus ergibt sich für die (letzten mit Bewilligungsbescheid vom 15. September 2009 geregelten) Monate Februar und März 2010 ein nachzuzahlender Monatsbetrag iHv 511,68 EUR (RL: 359,00 EUR - 30 % = 251,30 EUR; KdU: 260,38 EUR).
Für den letzten Sanktionsmonat (April 2010) gibt es keine rechtswirksame Leistungsbewilligung der Antragsgegnerin. Denn diese hatte mit Versagungsbescheid vom 14. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2010 eine Leistungsgewährung wegen mangelnder Mitwirkung abgelehnt. Dieser bzw. der SGB II-Leistungsanspruch des Antragstellers ab dem 1. April 2010 ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens im einstweiligen Rechtschutz mit dem Aktenzeichen L 5 AS 250/10 B ER, das dem Senat zur Entscheidung vorliegt. Für den Monat April 2010 ist daher eine Vollzugsfolgenbeseitigung in Ansehung des Sanktionsbescheids vom 26. Januar 2010 nicht möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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