L 5 AS 220/10 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 AS 2155/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 220/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 28. April 2010 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg (SG), das seinen Prozesskostenhilfeantrag für ein Klageverfahren abgelehnt hat

Im Klageverfahren S 10 AS 2155/07 begehrt der Kläger im Rahmen der Leistungsgewährung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten die Erstattung von Kosten iHv 65,00 EUR, die ihm durch eine privatärztliche Untersuchung und Ausstellung einer kurzen Bescheinigung entstanden sind.

Auf einen Vermittlungsvorschlag der Beklagten über ein Arbeitsangebot als Call-Center-Agent erklärte der Kläger, er sei wegen stimmlicher Probleme zu einer derartigen Tätigkeit nicht in der Lage. Die Beklagte hielt am Vermittlungsvorschlag fest und stellte dem Kläger weiter im Rahmen der Eignungsfeststellung eine Trainingsmaßnahme für Call-Center-Agents in Aussicht. Die Bewerbung des Klägers beim Arbeitgeber war erfolglos. Am 5. Oktober 2006 setzte der Kläger die Beklagte über die Absage in Kenntnis. Am 6. Oktober 2006 stellte er sich der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. W. zur "phoniatrischen Untersuchung zur Beurteilung der stimmlichen Leistungsfähigkeit" vor. Für die Untersuchung und die Erstellung einer kurzen Bescheinigung stellte die Ärztin insgesamt 65,00 EUR in Rechnung.

Unter Vorlage der Bescheinigung begehrte der Kläger von der Beklagten die Erstattung der "Gutachterkosten" iHv 65,00 EUR. Dies lehnte diese mit Bescheid vom 21. Februar 2007 und Widerspruchsbescheid vom 24. September 2007 ab. Die ärztliche Untersuchung sei nicht von ihr veranlasst worden und nicht notwendig gewesen.

Am 8. Oktober 2007 hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und am 24. März 2010 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Die Untersuchung sei not-wendig gewesen. Er habe befürchtet, dass durch die angekündigte Trainingsmaßnahme seine Stimme "bis aufs äußerste" habe getestet und gereizt werden sollen. Dadurch hätte ein dauerhafter Schaden an den Stimmbändern entstehen können.

Mit Beschluss vom 28. April 2010 hat das SG den PKH-Antrag abgelehnt. Die Rechtsverfolgung habe keine Aussicht auf Erfolg, denn eine Gefährdung seiner Gesundheit habe nicht unmittelbar bevorgestanden. Die vorsorgliche "medizinische Beweisführung" sei weder dem Grund noch der Höhe nach von der Beklagten verursacht worden. Das SG hat im Beschluss über die Beschwerde als statthaftes Rechtsmittel belehrt.

Am 28. Mai 2010 hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Die Klage habe hinreichende Aussicht auf Erfolg. Er habe die Beklagte rechtzeitig am 4. Oktober 2006 über den Untersuchungstermin in Kenntnis gesetzt. Deren Arbeitsvermittlerin habe ihre Zustimmung zu der Erstellung eines Gutachtens "signalisiert".

Auf den Hinweis des Senats mit Schreiben vom 23. August 2010 auf die Unzulässigkeit der Beschwerde wegen des Nichterreichens des Beschwerdewerts hat der Kläger nicht reagiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.

II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 28. April 2010 ist unzulässig und daher zu verwerfen.

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Ablehnung von Anträgen auf Bewilligung von PKH richtet sich nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO); die Regelungen sind durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch Einfügung von § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG modifiziert worden.

Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Beschwerde gegen einen PKH-Beschluss nur dann zulässig ist, wenn in der Sache die Berufung zulässig wäre (vgl. zur Begründung im Einzelnen die Ausführungen in seinem Beschluss vom 20. Februar 2009, L 5 B 304/08, L 5 B 305/08, juris).

Auch nach der Neuregelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010 (BGBl I, 1127) mit Wirkung zum 11. August 2010 sieht der Senat keinen Grund, von seiner Rechtsauffassung abzuweichen. Er sieht sich im Gegenteil durch diese Neufassung bestätigt. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG n.F. ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre; dies gilt auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Durch die Neuregelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Konvergenz zwischen PKH-Verfahren als Nebenverfahren und dem Verfahren in der Sache auch für das einstweilige Rechtsschutzverfahren gilt. Es sollte verhindert werden, dass gegen die Ablehnung eines Antrages auf PKH in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weitergehende Rechtsmittel bestehen als im einstweiligen Rechtsschutzverfahren selbst (vgl. BT-Drs 17/1684, S. 16,17).

Die Regelung ist eine Sonderregelung für einstweilige Rechtsschutzverfahren im Rahmen des SGG. Für das Klageverfahren hatte der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 127 Abs. 2 ZPO den Konvergenzgedanken bereits manifestiert. Er hat in seiner Begründung ausgeführt (Bt-Drs 14/163, S. 14):

"In Rechtsprechung und Literatur ist seit langem umstritten, ob die Zulässigkeit einer Beschwerde in Fällen sachlicher Nebenentscheidungen nach § 91a Abs. 2, § 99 Abs. 2 und § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO davon abhängt, daß in der Hauptsache ein Rechtsmittel zulässig wäre. Ein Teil der Rechtsprechung wendet in diesen Fällen den Konvergenzgedanken an und hält deshalb eine Beschwerde nur für zulässig, wenn nicht nur der Beschwerdewert erreicht ist, sondern auch die fiktive Rechtsmittelgrenze gemäß § 511a Abs. 1 ZPO überschritten würde. Ob eine derartige Zulassungsbeschränkung von Rechtsmitteln im Wege der Interpretation möglich ist, ist im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Prozeßkostenhilfe im Asylverfahrensrecht fraglich (vgl. BVerfGE 78, 88). Der Konvergenzgedanke sollte deshalb in den genannten Fällen gesetzlich geregelt werden, um den Rechtsmittelausschluß auf eine sichere Grundlage zu stellen. Aus Sachgründen ist der Rechtsmittelausschluß angezeigt. Stellt der Gesetzgeber nämlich für die Hauptsacheentscheidung nur eine Instanz zur Verfügung, so besteht kein Grund für die wirtschaftlich weniger bedeutsame Nebenentscheidung, die im Regelfall im Zusammenhang mit der Hauptsacheentscheidung getroffen wird, einen weitergehenden Instanzenzug zu eröffnen. Bei PKH-Sachen greift die Beschränkung des Beschwerderechtszuges nur für die Frage der Beurteilung der Erfolgsaussichten."

Die Anwendung dieses Gedankens auch für sozialrechtliche Klageverfahren hatte der Gesetzgeber bereits sichergestellt durch die Verweisungsvorschrift des § 73a SGG. Für andere als Klageverfahren hat die Zivilgerichtsbarkeit den Konvergenzgedanken des § 127 Abs. 2 ZPO analog angewendet. So hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 23. Februar 2005 (Az.: XII ZB 1/03, juris) entschieden, eine Beschwerde gegen eine PKH-Entscheidung sei nicht zulässig in Verfahren (dort einstweilige Anordnungen nach §§ 620, 620c, 644 ZPO (nunmehr §§ 49, 57 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit [FamFG])), in denen die Entscheidung in der Hauptsache nicht anfechtbar ist. Eine ausdrückliche Regelung für die Behandlung von PKH-Verfahren in Verfahren der rechtswegbeschränkten einstweiligen Anordnung fehlt sowohl in der ZPO als auch im SGG. Die Verweisung des § 73a SGG auf § 127 ZPO führt mithin nicht zum vom Gesetzgeber geäußerten Willen, die Konvergenz auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren sicherzustellen. Es bedurfte insoweit einer gesetzlichen Regelung, zumal in der Rechtsprechung und Literatur diese Rechtsfrage umstritten ist (vgl. nur: LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. März 2010, L 6 AS 122/10 B, juris; a.A.: Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Oktober 2009, L 7 AS 525/09 B PKH, juris).

Die PKH-Beschwerde ist jedoch bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes über 750,00 EUR nur dann zulässig, wenn PKH (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist (§ 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG). Wird der Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR nicht erreicht, ist die Beschwerde nach den vorstehenden Ausführungen immer unstatthaft.

Im vorliegenden Fall hat das SG zwar die Erfolgsaussichten verneint. Jedoch ist die Beschwerde wegen des Nichterreichens des Beschwerdewerts unzulässig. Denn streitgegenständlich ist im Klageverfahren ein Betrag von 65,00 EUR. Auf diese Summe belief sich die Arztrechnung, deren Erstattung der Kläger begehrt. Die Bewilligung von weiteren SGB II-Leistungen in dieser Höhe ist das hinter dem Streit stehende wirtschaftliche Interesse des Klägers. Dieser Beschwerdegegenstand überschreitet die Wertgrenze von 750,00 EUR nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved