Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 463/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3819/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23.06.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der am 1957 geborene Kläger war nach Beschäftigungen als Gärtner, als Montage- und Gießereiarbeiter sowie Arbeiter in einer Palettenfabrik von Juli 1980 bis Juni 1981 in den Stahlwerken K. als Maschinenarbeiter tätig. Seit Juli 1981 ist er bei der P. -Werk O. AG (im Folgenden: Firma P. ) als Metallarbeiter beschäftigt.
Im Januar 2003 zeigte der Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. bei der Beklagten den Verdacht auf eine Lärmschwerhörigkeit an. Der Kläger klage über Hörschwierigkeiten, die erstmals vor ein bis zwei Jahren aufgetreten seien. Dr. S. gab eine Schwerhörigkeit mit Steilabfall bei 1.000 Hz an und legte das Audiogramm vom 14.01.2003 vor. Zu seiner Schwerhörigkeit befragt führte der Kläger aus, diese habe sich erstmals 1995 bemerkbar gemacht und liege in dem jetzigen Ausmaß seit dem Jahr 2000 vor. An lärmgefährdenden Tätigkeiten gab der Kläger seine Tätigkeit in den Stahlwerken K. an (Stahlschmiedemaschinen, neben Lärmquelle gearbeitet; Stöpsel und Kapsel) und seine seit Juni 1981 ausgeübte Tätigkeit bei der Firma P ... Die Beklagte zog von der A. - Die Gesundheitskasse O. einen Ausdruck aus deren Leistungsverzeichnis bei, holte bei Dr. S. einen Befundbericht und bei der Firma P. eine Auskunft ein. Diese teilte mit, der Kläger sei von 1981 bis 1993 als Anlagebediener in der Galvanik eingesetzt gewesen und seither an der Lösemittelreinigung- und Gleitschleifanlage. Beigefügt waren die Ergebnisse der im März 1998 durch den Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten durchgeführten Messungen u.a. in den Arbeitsbereichen "Gleitschleifen" und "Entfettungsanlagen", der im Oktober 1986 durchgeführten Messungen u.a. in der "Galvanik" und der Messungen vom Dezember 1973 u.a. in der "Galvanik" und der "Poliererei", ferner die Audiogramme der beim Kläger 1995, 1998, 2000, 2001 und 2003 durchgeführten Hörprüfungen. Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes zu Dauer und Ausmaß relevanter Lärmexpositionen, worauf der Mitarbeiter Pol unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, der früher erfolgten und der von ihm durchgeführten Messungen in seinem Bericht Lärmbelastungen des Klägers von 80 dB (A) von Juni 1981 bis ca. Dezember 1992 in der Tätigkeit als Galvanikarbeiter, von 88 dB (A) von 1993 bis 1998 in der Tätigkeit als Tri/Per-Reinigungsanlagenbediener und Schüttanlagenbediener (ohne Schallschutzkabine) und von 81 dB (A) seit 1999 in seiner Tätigkeit als Tri/Per-Reinigungsanlagenbediener und Schüttanlagenbediener (mit Schallschutzkabine) beschrieb. Die sodann eingeschaltete Ärztin für Arbeitsmedizin G. , Staatliche Gewerbeärztin, schlug die Anerkennung einer BK nach Nr. 2301 nicht zur Anerkennung vor, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seiner Erkrankung nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Angesichts der kurzen, lediglich fünfjährigen Lärmexposition im unteren gehörschädigenden Bereich und der Erstmanifestation der Hörstörung in einem Zeitraum ohne gehörschädigende Lärmexposition (im Jahr 2001/2002) sei zweifelhaft, ob die Hörstörung im Wesentlichen mit der angeschuldigten beruflichen Tätigkeit zusammenhänge.
Mit Bescheid vom 21.09.2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Hörstörung des Klägers als BK mit der Begründung ab, der Kläger sei lediglich in der Zeit von 1993 bis 1998 relevanten Lärmeinwirkungen von über 85 dB (A) ausgesetzt gewesen, wobei diese geringe Lärmexposition nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht geeignet sei, die bestehende Schwerhörigkeit zu verursachen. Dies gelte umso mehr, als sich die Hörstörung erst nach Beendigung der Lärmtätigkeit im Jahre 1998 manifestiert habe. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, bei der Beurteilung sei die Zeit von 1981 bis 1993, in der er bei der Firma P. in der Galvanik beschäftigt gewesen sei, unberücksichtigt geblieben. Seiner Überzeugung nach habe der Schallpegel seinerzeit über 90 dB (A) gelegen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2005 zurückgewiesen.
Am 10.02.2005 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und unter Darlegung seiner gefährdenden Tätigkeiten gestützt auf die Vorschrift des § 9 Abs. 3 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) geltend gemacht, es sei zu vermuten, dass seine Schwerhörigkeit durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sei.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG das Gutachten des Prof. Dr. P. , Ärztlicher Direktor der Hals-, Nasen- und Ohrenklinik im Universitätsklinikum H. , auf Grund Untersuchung des Klägers vom 21.03.2007 eingeholt. Dieser hat einen innenohrbedingten Hochtonabfall mit einem maximalen Hörverlust von 80 dB bei 4.000 Hz rechts und nahezu 100 dB bei 4.000 Hz links beschrieben und diese Schwerhörigkeit (prozentualer Hörverlust rechts 20 % und links 30 %) im Hinblick auf die berufliche Lärmexposition von 85 dB über einen Zeitraum von 5 Jahren unter Berücksichtigung der Tabelle von Lüpke (Risikowahrscheinlichkeit einer Lärmschwerhörigkeit), nach der der Kläger in Risikostufe 2 einzuordnen sei, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Lärmexposition zurückgeführt. Die MdE hat er mit unter 10 v.H. bewertet. Im Hinblick auf die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme des Dr. S. , der die MdE mit 25 v.H. bewertet hat, hat das SG die ergänzende Stellungnahme des an der Erstellung des Gutachtens von Prof. Dr. P. beteiligten Leiters der Audiologie, Prof. Dr. H. , eingeholt, der an der zuvor getroffenen Einschätzung festgehalten hat. Mit Urteil vom 23.06.2008 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, unter Berücksichtigung der Risikowahrscheinlichkeit nach Lüpke sei bei fünfjähriger Lärmexposition mit 88 dB (A) eine Zuordnung in Risikostufe 2 vorzunehmen (Bewertung: "unwahrscheinlich"). Damit sei eine berufsbedingte Verursachung der Schwerhörigkeit nicht wahrscheinlich, zumal nach Aufgabe der gehörschädigenden Tätigkeit ein Fortschreiten der Erkrankung festzustellen sei, was ein deutliches Indiz für das Vorliegen eines degenerativen Prozesses darstelle. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 11.07.2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Am 11.08.2008 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, bei ihm liege eine Lärmschwerhörigkeit vor. Er hat sich zum einen auf die gesetzliche Vermutung des § 9 Abs. 3 SGB VII gestützt und zum anderen auf das Gutachten des Prof. Dr. P ...
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23.06.2008 aufzuheben sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 21.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.01.2005 eine Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat das Gutachten nach Aktenlage des Prof. Dr. Z. , Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik T. , vom 28.06.2010 eingeholt. Dieser hat beim Kläger eine pantonale Innenohrschwerhörigkeit diagnostiziert, die überwiegend endogen degenerativ bedingt sei und nicht mit Wahrscheinlichkeit wesentlich durch schädigende Einwirkungen der beruflichen Tätigkeit des Klägers verursacht worden sei.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Der Kläger erstrebt bei sachdienlicher Auslegung seines prozessualen Begehrens (§ 123 SGG) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage in erster Linie gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen und die gerichtliche Feststellung dieser BK. Die so verstandene Klage hat das SG zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 21.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.01.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Bei der beim Kläger vorliegenden Schwerhörigkeit handelt es sich nicht um eine Lärmschwerhörigkeit, weshalb eine BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht festzustellen ist.
Dem entsprechend steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Verletztenrente zu. Ohnehin ist die auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Verletztenrente gerichtete Klage bereits unzulässig (vgl. - auch zum Nachfolgenden - BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5). Denn über die Gewährung von derartigen Sozialleistungen ist vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu befinden, das mit einem Verwaltungsakt abschließt, gegen den die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), weil auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zwischen Versicherungsfall - siehe die Definition der Versicherungsfälle in §§ 7 ff SGB VII - und Leistungsfall - vgl. die §§ 26 ff SGB VII - zu unterscheiden ist. Eine derartige Entscheidung der Beklagten liegt nicht vor. Im angefochtenen Bescheid ist die vom Kläger begehrte Leistung mit keinem Wort erwähnt. Vielmehr entschied die Beklagte nur über das Vorliegen einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV. Der Verfügungssatz des Bescheides enthält zwar (auch) die Aussage, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen seien. Dieser Verfügungssatz mag insofern für sich genommen, missverständlich sein. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste, wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zu Grunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Bescheides zu berücksichtigen ist (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Die in Rede stehenden Leistungen sind im Verwaltungsverfahren vom Kläger weder beantragt noch von der Beklagten konkret und für den Empfänger der Bescheide erkennbar geprüft worden und sie sind in den Bescheiden auch nicht erwähnt worden. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger der Bescheide kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über das Vorliegen einer BK nach Nr. 2301 entscheiden wollte und etwaige Leistungsansprüche nicht in Erwägung zog (so in einem vergleichbaren Fall auch BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R).
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV eine Lärmschwerhörigkeit.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. BK) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Danach ist beim Kläger das Vorliegen einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht festzustellen. Zwar war der Kläger - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit Lärmexpositionen ausgesetzt, jedoch ist die bei ihm aufgetretene Schwerhörigkeit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch diese Lärmeinwirkungen verursacht. Das SG ist unter Bezugnahme auf die unfallmedizinische Literatur (Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 417 f; jetzt 8. Auflage, S. 328 f) unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der medizinischen Erkenntnisse zur Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit zutreffend davon ausgegangen, dass für die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit lediglich die berufliche Tätigkeit des Klägers im Zeitraum von 1993 bis 1998 in Betracht kommt, weil der Kläger allein während dieser Zeit als gehörschädigend in Betracht kommenden Lärmeinwirkungen von mehr als 85 dB (A), konkret nämlich 88 dB (A), ausgesetzt war. Auf dieser Grundlage hat es zutreffend die Tabelle von Lüpke herangezogen, die unter Berücksichtigung von Anzahl der Lärmjahre und dem Beurteilungspegel einer relevanten Lärmeinwirkung in dB (A) das Risikomaß für die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit beschreibt, und als wesentlichen, gegen eine berufliche Ursache der Schwerhörigkeit des Klägers sprechenden Gesichtspunkt gewertet, dass danach die Entstehung einer entschädigungspflichtigen Lärmschwerhörigkeit wegen der Zuordnung des Klägers in Stufe 2 als "unwahrscheinlich" anzusehen ist. Als zusätzlichen, gegen eine berufliche Ursache der Schwerhörigkeit sprechenden Gesichtspunkt hat es darüber hinaus zutreffend berücksichtigt, dass beim Kläger auch nach Expositionsende ein weiterer Hörverlust eingetreten ist. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Zu Recht ist das SG der von Prof. Dr. P. vertretenen Auffassung nicht gefolgt. Denn dieser Sachverständige hat - wie seinen Ausführungen zu entnehmen ist - allein aus dem Umstand, dass der Kläger Lärmexpositionen von mehr als 85 dB (A) ausgesetzt war, auf eine berufliche Ursache seiner Schwerhörigkeit geschlossen, ohne die für und gegen einen solchen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gesichtspunkte überhaupt zu diskutieren. Ein erheblicher Mangel des Gutachtens liegt gerade auch darin, dass Prof. Dr. P. zwar die Risikowahrscheinlichkeit unter Anwendung der Tabelle nach Lüpke ermittelt und den Kläger - insoweit zutreffend - der Risikostufe 2 zugeordnet hat, ohne nähere Begründung - entgegen der daraus resultierenden Bewertung mit "unwahrscheinlich" - dann allerdings die Schwerhörigkeit des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die erfolgte Lärmexposition zurückgeführt hat. Sein Gutachten ist damit in sich widersprüchlich und nicht geeignet, den vom Kläger geltend gemachten Anspruch zu stützen.
Dem gegenüber hat der Sachverständige Prof. Dr. Z. für den Senat schlüssig und überzeugend dargelegt und begründet, dass die beim Kläger vorliegende Schwerhörigkeit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf seine berufliche Lärmexposition zurückzuführen ist, diese vielmehr überwiegend endogen degenerativ verursacht wurde. So hat Prof. Dr. Z. zusätzlich zu der Bemessung des Risikomaßes nach der Tabelle von Lüpke überzeugend dargelegt, dass beim Kläger nach den vorliegenden Tonaudiogrammen bis zuletzt im Jahr 2003, also fünf Jahre nach Ende der beruflichen hörschädigenden Lärmexposition, im Wesentlichen noch eine Normalhörigkeit vorgelegen hat und erst in den Jahren 2007 bis 2008 eine entscheidende Zunahme der beidseitigen Hörminderung eingetreten ist. So betrug der Hörverlust im Januar 2003 jeweils 15%, im März 2007 rechts 30% und links 45%, im August 2007 rechts 40% und links 55% sowie im März 2008 rechts 75% und links 70%. Damit verschlechterte sich die beidseitige Hörminderung aber entscheidend in einem Zeitraum, in dem keine berufsbedingte Lärmexposition bestand. Da eine lärmbedingte Verschlechterung des Hörvermögens jedoch nur während einer entsprechenden Lärmexposition erfolgen kann, ist diese Zunahme nach dem Ende der Lärmexposition nicht der beruflichen Lärmeinwirkung zuzuschreiben. Steht aber somit fest, dass die beim Kläger entstandene Innenohrschwerhörigkeit entscheidend degenerativ verursacht ist, findet § 9 Abs. 3 SGB VII, der gerade voraussetzt, dass keine andere Ursache als berufliche Einwirkungen vorliegen, zugunsten des Klägers keine Anwendung.
Darüber hinaus spricht gegen eine berufliche Verursachung der beim Kläger vorliegenden Schwerhörigkeit - so überzeugend Prof. Dr. Z. - auch der Umstand, dass die Audiogramme der Jahre 2007 und 2008 eine Beeinträchtigung aller Frequenzanteile aufzeigen. Bei einen lärmbedingten Gehörschaden liegt demgegenüber typischerweise aber eine im Hochtonbereich deutlich stärker als im Tieftonbereich ausgeprägte Innenohrschwerhörigkeit vor.
Insgesamt sprechen daher mehr Gesichtspunkte gegen als für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der berufsbedingten Lärmexposition und der Schwerhörigkeit des Klägers, sodass beim Kläger keine Lärmschwerhörigkeit festzustellen ist.
Nachdem der Sachverhalt geklärt ist, ist zur Beurteilung des von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. P. zu dem Gutachten des Prof. Dr. Z. nicht erforderlich. Den entsprechenden Antrag des Klägers auf Einholung einer solchen Stellungnahme lehnt der Senat daher ab. Allein der Umstand, dass sich widersprechende Gutachten vorliegen, zwingt nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens (BSG, Beschluss vom 26.06.2001, B 2 U 83/01 B). Soweit der Sachverständige Prof. Dr. Z. davon ausgegangen ist, dass eine lärmbedingte Verschlechterung des Hörvermögens nur während einer entsprechenden Lärmexposition erfolgen kann, so entspricht dies dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 330 f). Zur Klärung dessen bedarf es keiner ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. P. , der im Rahmen seines Gutachtens den anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse gerade unbeachtet gelassen hat, indem er - wie bereits dargelegt - allein aus dem Umstand, dass der Kläger fünf Jahre Lärmexpositionen von mehr als 85 dB (A) ausgesetzt war, auf eine berufliche Ursache seiner Schwerhörigkeit geschlossen hat. Darauf, dass dessen Ausführungen zudem in sich widersprüchlich sind, hat der Senat bereits hingewiesen. Da in dem anhängigen Rechtsstreit - wie ausgeführt - weder über die Gewährung von Verletztenrente zu entscheiden noch eine Lärmschwerhörigkeit festzustellen ist, bedarf es weiterer Ermittlungen zur MdE des Klägers gleichermaßen nicht.
Soweit der Kläger geltend macht, es sei mit dem Anspruch auf ein faires Verfahren nicht vereinbar, wenn das lediglich nach Aktenlage erstattete Gutachten des Prof. Dr. Z. jenes nach persönlicher Untersuchung erstattete Gutachten von Prof. Dr. P. verdränge, verkennt er, dass das Gesetz keinen Grundsatz kennt, wonach die Begutachtung nach persönlicher Untersuchung einer solchen nach Aktenlage grundsätzlich überlegen und der erstgenannten Gutachtensart deshalb von vornherein und unabhängig von dessen Inhalt ein höherer Beweiswert beizumessen wäre. Dem vom Kläger gerügten Umstand, dass Prof. Dr. Z. ihn nicht untersucht habe, ist vielmehr keinerlei Bedeutung beizumessen. Denn für die Kausalitätsbeurteilung als solche ist eine persönliche Untersuchung nicht zwingend erforderlich. Vielmehr ist die Analyse des Akteninhalts und insbesondere der darin enthaltenen Befunde von maßgeblicher Bedeutung. Diesen Anforderungen trägt das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Z. in jeder Hinsicht Rechnung.
Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der am 1957 geborene Kläger war nach Beschäftigungen als Gärtner, als Montage- und Gießereiarbeiter sowie Arbeiter in einer Palettenfabrik von Juli 1980 bis Juni 1981 in den Stahlwerken K. als Maschinenarbeiter tätig. Seit Juli 1981 ist er bei der P. -Werk O. AG (im Folgenden: Firma P. ) als Metallarbeiter beschäftigt.
Im Januar 2003 zeigte der Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. bei der Beklagten den Verdacht auf eine Lärmschwerhörigkeit an. Der Kläger klage über Hörschwierigkeiten, die erstmals vor ein bis zwei Jahren aufgetreten seien. Dr. S. gab eine Schwerhörigkeit mit Steilabfall bei 1.000 Hz an und legte das Audiogramm vom 14.01.2003 vor. Zu seiner Schwerhörigkeit befragt führte der Kläger aus, diese habe sich erstmals 1995 bemerkbar gemacht und liege in dem jetzigen Ausmaß seit dem Jahr 2000 vor. An lärmgefährdenden Tätigkeiten gab der Kläger seine Tätigkeit in den Stahlwerken K. an (Stahlschmiedemaschinen, neben Lärmquelle gearbeitet; Stöpsel und Kapsel) und seine seit Juni 1981 ausgeübte Tätigkeit bei der Firma P ... Die Beklagte zog von der A. - Die Gesundheitskasse O. einen Ausdruck aus deren Leistungsverzeichnis bei, holte bei Dr. S. einen Befundbericht und bei der Firma P. eine Auskunft ein. Diese teilte mit, der Kläger sei von 1981 bis 1993 als Anlagebediener in der Galvanik eingesetzt gewesen und seither an der Lösemittelreinigung- und Gleitschleifanlage. Beigefügt waren die Ergebnisse der im März 1998 durch den Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten durchgeführten Messungen u.a. in den Arbeitsbereichen "Gleitschleifen" und "Entfettungsanlagen", der im Oktober 1986 durchgeführten Messungen u.a. in der "Galvanik" und der Messungen vom Dezember 1973 u.a. in der "Galvanik" und der "Poliererei", ferner die Audiogramme der beim Kläger 1995, 1998, 2000, 2001 und 2003 durchgeführten Hörprüfungen. Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes zu Dauer und Ausmaß relevanter Lärmexpositionen, worauf der Mitarbeiter Pol unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, der früher erfolgten und der von ihm durchgeführten Messungen in seinem Bericht Lärmbelastungen des Klägers von 80 dB (A) von Juni 1981 bis ca. Dezember 1992 in der Tätigkeit als Galvanikarbeiter, von 88 dB (A) von 1993 bis 1998 in der Tätigkeit als Tri/Per-Reinigungsanlagenbediener und Schüttanlagenbediener (ohne Schallschutzkabine) und von 81 dB (A) seit 1999 in seiner Tätigkeit als Tri/Per-Reinigungsanlagenbediener und Schüttanlagenbediener (mit Schallschutzkabine) beschrieb. Die sodann eingeschaltete Ärztin für Arbeitsmedizin G. , Staatliche Gewerbeärztin, schlug die Anerkennung einer BK nach Nr. 2301 nicht zur Anerkennung vor, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seiner Erkrankung nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Angesichts der kurzen, lediglich fünfjährigen Lärmexposition im unteren gehörschädigenden Bereich und der Erstmanifestation der Hörstörung in einem Zeitraum ohne gehörschädigende Lärmexposition (im Jahr 2001/2002) sei zweifelhaft, ob die Hörstörung im Wesentlichen mit der angeschuldigten beruflichen Tätigkeit zusammenhänge.
Mit Bescheid vom 21.09.2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Hörstörung des Klägers als BK mit der Begründung ab, der Kläger sei lediglich in der Zeit von 1993 bis 1998 relevanten Lärmeinwirkungen von über 85 dB (A) ausgesetzt gewesen, wobei diese geringe Lärmexposition nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht geeignet sei, die bestehende Schwerhörigkeit zu verursachen. Dies gelte umso mehr, als sich die Hörstörung erst nach Beendigung der Lärmtätigkeit im Jahre 1998 manifestiert habe. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, bei der Beurteilung sei die Zeit von 1981 bis 1993, in der er bei der Firma P. in der Galvanik beschäftigt gewesen sei, unberücksichtigt geblieben. Seiner Überzeugung nach habe der Schallpegel seinerzeit über 90 dB (A) gelegen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2005 zurückgewiesen.
Am 10.02.2005 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und unter Darlegung seiner gefährdenden Tätigkeiten gestützt auf die Vorschrift des § 9 Abs. 3 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) geltend gemacht, es sei zu vermuten, dass seine Schwerhörigkeit durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sei.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG das Gutachten des Prof. Dr. P. , Ärztlicher Direktor der Hals-, Nasen- und Ohrenklinik im Universitätsklinikum H. , auf Grund Untersuchung des Klägers vom 21.03.2007 eingeholt. Dieser hat einen innenohrbedingten Hochtonabfall mit einem maximalen Hörverlust von 80 dB bei 4.000 Hz rechts und nahezu 100 dB bei 4.000 Hz links beschrieben und diese Schwerhörigkeit (prozentualer Hörverlust rechts 20 % und links 30 %) im Hinblick auf die berufliche Lärmexposition von 85 dB über einen Zeitraum von 5 Jahren unter Berücksichtigung der Tabelle von Lüpke (Risikowahrscheinlichkeit einer Lärmschwerhörigkeit), nach der der Kläger in Risikostufe 2 einzuordnen sei, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Lärmexposition zurückgeführt. Die MdE hat er mit unter 10 v.H. bewertet. Im Hinblick auf die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme des Dr. S. , der die MdE mit 25 v.H. bewertet hat, hat das SG die ergänzende Stellungnahme des an der Erstellung des Gutachtens von Prof. Dr. P. beteiligten Leiters der Audiologie, Prof. Dr. H. , eingeholt, der an der zuvor getroffenen Einschätzung festgehalten hat. Mit Urteil vom 23.06.2008 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, unter Berücksichtigung der Risikowahrscheinlichkeit nach Lüpke sei bei fünfjähriger Lärmexposition mit 88 dB (A) eine Zuordnung in Risikostufe 2 vorzunehmen (Bewertung: "unwahrscheinlich"). Damit sei eine berufsbedingte Verursachung der Schwerhörigkeit nicht wahrscheinlich, zumal nach Aufgabe der gehörschädigenden Tätigkeit ein Fortschreiten der Erkrankung festzustellen sei, was ein deutliches Indiz für das Vorliegen eines degenerativen Prozesses darstelle. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 11.07.2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.
Am 11.08.2008 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, bei ihm liege eine Lärmschwerhörigkeit vor. Er hat sich zum einen auf die gesetzliche Vermutung des § 9 Abs. 3 SGB VII gestützt und zum anderen auf das Gutachten des Prof. Dr. P ...
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23.06.2008 aufzuheben sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 21.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.01.2005 eine Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat das Gutachten nach Aktenlage des Prof. Dr. Z. , Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik T. , vom 28.06.2010 eingeholt. Dieser hat beim Kläger eine pantonale Innenohrschwerhörigkeit diagnostiziert, die überwiegend endogen degenerativ bedingt sei und nicht mit Wahrscheinlichkeit wesentlich durch schädigende Einwirkungen der beruflichen Tätigkeit des Klägers verursacht worden sei.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Der Kläger erstrebt bei sachdienlicher Auslegung seines prozessualen Begehrens (§ 123 SGG) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage in erster Linie gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen und die gerichtliche Feststellung dieser BK. Die so verstandene Klage hat das SG zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 21.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.01.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Bei der beim Kläger vorliegenden Schwerhörigkeit handelt es sich nicht um eine Lärmschwerhörigkeit, weshalb eine BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht festzustellen ist.
Dem entsprechend steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Verletztenrente zu. Ohnehin ist die auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Verletztenrente gerichtete Klage bereits unzulässig (vgl. - auch zum Nachfolgenden - BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5). Denn über die Gewährung von derartigen Sozialleistungen ist vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu befinden, das mit einem Verwaltungsakt abschließt, gegen den die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), weil auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zwischen Versicherungsfall - siehe die Definition der Versicherungsfälle in §§ 7 ff SGB VII - und Leistungsfall - vgl. die §§ 26 ff SGB VII - zu unterscheiden ist. Eine derartige Entscheidung der Beklagten liegt nicht vor. Im angefochtenen Bescheid ist die vom Kläger begehrte Leistung mit keinem Wort erwähnt. Vielmehr entschied die Beklagte nur über das Vorliegen einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV. Der Verfügungssatz des Bescheides enthält zwar (auch) die Aussage, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen seien. Dieser Verfügungssatz mag insofern für sich genommen, missverständlich sein. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste, wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zu Grunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Bescheides zu berücksichtigen ist (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Die in Rede stehenden Leistungen sind im Verwaltungsverfahren vom Kläger weder beantragt noch von der Beklagten konkret und für den Empfänger der Bescheide erkennbar geprüft worden und sie sind in den Bescheiden auch nicht erwähnt worden. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger der Bescheide kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über das Vorliegen einer BK nach Nr. 2301 entscheiden wollte und etwaige Leistungsansprüche nicht in Erwägung zog (so in einem vergleichbaren Fall auch BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R).
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV eine Lärmschwerhörigkeit.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. BK) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Danach ist beim Kläger das Vorliegen einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht festzustellen. Zwar war der Kläger - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit Lärmexpositionen ausgesetzt, jedoch ist die bei ihm aufgetretene Schwerhörigkeit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch diese Lärmeinwirkungen verursacht. Das SG ist unter Bezugnahme auf die unfallmedizinische Literatur (Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 417 f; jetzt 8. Auflage, S. 328 f) unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der medizinischen Erkenntnisse zur Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit zutreffend davon ausgegangen, dass für die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit lediglich die berufliche Tätigkeit des Klägers im Zeitraum von 1993 bis 1998 in Betracht kommt, weil der Kläger allein während dieser Zeit als gehörschädigend in Betracht kommenden Lärmeinwirkungen von mehr als 85 dB (A), konkret nämlich 88 dB (A), ausgesetzt war. Auf dieser Grundlage hat es zutreffend die Tabelle von Lüpke herangezogen, die unter Berücksichtigung von Anzahl der Lärmjahre und dem Beurteilungspegel einer relevanten Lärmeinwirkung in dB (A) das Risikomaß für die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit beschreibt, und als wesentlichen, gegen eine berufliche Ursache der Schwerhörigkeit des Klägers sprechenden Gesichtspunkt gewertet, dass danach die Entstehung einer entschädigungspflichtigen Lärmschwerhörigkeit wegen der Zuordnung des Klägers in Stufe 2 als "unwahrscheinlich" anzusehen ist. Als zusätzlichen, gegen eine berufliche Ursache der Schwerhörigkeit sprechenden Gesichtspunkt hat es darüber hinaus zutreffend berücksichtigt, dass beim Kläger auch nach Expositionsende ein weiterer Hörverlust eingetreten ist. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Zu Recht ist das SG der von Prof. Dr. P. vertretenen Auffassung nicht gefolgt. Denn dieser Sachverständige hat - wie seinen Ausführungen zu entnehmen ist - allein aus dem Umstand, dass der Kläger Lärmexpositionen von mehr als 85 dB (A) ausgesetzt war, auf eine berufliche Ursache seiner Schwerhörigkeit geschlossen, ohne die für und gegen einen solchen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gesichtspunkte überhaupt zu diskutieren. Ein erheblicher Mangel des Gutachtens liegt gerade auch darin, dass Prof. Dr. P. zwar die Risikowahrscheinlichkeit unter Anwendung der Tabelle nach Lüpke ermittelt und den Kläger - insoweit zutreffend - der Risikostufe 2 zugeordnet hat, ohne nähere Begründung - entgegen der daraus resultierenden Bewertung mit "unwahrscheinlich" - dann allerdings die Schwerhörigkeit des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die erfolgte Lärmexposition zurückgeführt hat. Sein Gutachten ist damit in sich widersprüchlich und nicht geeignet, den vom Kläger geltend gemachten Anspruch zu stützen.
Dem gegenüber hat der Sachverständige Prof. Dr. Z. für den Senat schlüssig und überzeugend dargelegt und begründet, dass die beim Kläger vorliegende Schwerhörigkeit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf seine berufliche Lärmexposition zurückzuführen ist, diese vielmehr überwiegend endogen degenerativ verursacht wurde. So hat Prof. Dr. Z. zusätzlich zu der Bemessung des Risikomaßes nach der Tabelle von Lüpke überzeugend dargelegt, dass beim Kläger nach den vorliegenden Tonaudiogrammen bis zuletzt im Jahr 2003, also fünf Jahre nach Ende der beruflichen hörschädigenden Lärmexposition, im Wesentlichen noch eine Normalhörigkeit vorgelegen hat und erst in den Jahren 2007 bis 2008 eine entscheidende Zunahme der beidseitigen Hörminderung eingetreten ist. So betrug der Hörverlust im Januar 2003 jeweils 15%, im März 2007 rechts 30% und links 45%, im August 2007 rechts 40% und links 55% sowie im März 2008 rechts 75% und links 70%. Damit verschlechterte sich die beidseitige Hörminderung aber entscheidend in einem Zeitraum, in dem keine berufsbedingte Lärmexposition bestand. Da eine lärmbedingte Verschlechterung des Hörvermögens jedoch nur während einer entsprechenden Lärmexposition erfolgen kann, ist diese Zunahme nach dem Ende der Lärmexposition nicht der beruflichen Lärmeinwirkung zuzuschreiben. Steht aber somit fest, dass die beim Kläger entstandene Innenohrschwerhörigkeit entscheidend degenerativ verursacht ist, findet § 9 Abs. 3 SGB VII, der gerade voraussetzt, dass keine andere Ursache als berufliche Einwirkungen vorliegen, zugunsten des Klägers keine Anwendung.
Darüber hinaus spricht gegen eine berufliche Verursachung der beim Kläger vorliegenden Schwerhörigkeit - so überzeugend Prof. Dr. Z. - auch der Umstand, dass die Audiogramme der Jahre 2007 und 2008 eine Beeinträchtigung aller Frequenzanteile aufzeigen. Bei einen lärmbedingten Gehörschaden liegt demgegenüber typischerweise aber eine im Hochtonbereich deutlich stärker als im Tieftonbereich ausgeprägte Innenohrschwerhörigkeit vor.
Insgesamt sprechen daher mehr Gesichtspunkte gegen als für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der berufsbedingten Lärmexposition und der Schwerhörigkeit des Klägers, sodass beim Kläger keine Lärmschwerhörigkeit festzustellen ist.
Nachdem der Sachverhalt geklärt ist, ist zur Beurteilung des von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. P. zu dem Gutachten des Prof. Dr. Z. nicht erforderlich. Den entsprechenden Antrag des Klägers auf Einholung einer solchen Stellungnahme lehnt der Senat daher ab. Allein der Umstand, dass sich widersprechende Gutachten vorliegen, zwingt nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens (BSG, Beschluss vom 26.06.2001, B 2 U 83/01 B). Soweit der Sachverständige Prof. Dr. Z. davon ausgegangen ist, dass eine lärmbedingte Verschlechterung des Hörvermögens nur während einer entsprechenden Lärmexposition erfolgen kann, so entspricht dies dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 330 f). Zur Klärung dessen bedarf es keiner ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. P. , der im Rahmen seines Gutachtens den anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse gerade unbeachtet gelassen hat, indem er - wie bereits dargelegt - allein aus dem Umstand, dass der Kläger fünf Jahre Lärmexpositionen von mehr als 85 dB (A) ausgesetzt war, auf eine berufliche Ursache seiner Schwerhörigkeit geschlossen hat. Darauf, dass dessen Ausführungen zudem in sich widersprüchlich sind, hat der Senat bereits hingewiesen. Da in dem anhängigen Rechtsstreit - wie ausgeführt - weder über die Gewährung von Verletztenrente zu entscheiden noch eine Lärmschwerhörigkeit festzustellen ist, bedarf es weiterer Ermittlungen zur MdE des Klägers gleichermaßen nicht.
Soweit der Kläger geltend macht, es sei mit dem Anspruch auf ein faires Verfahren nicht vereinbar, wenn das lediglich nach Aktenlage erstattete Gutachten des Prof. Dr. Z. jenes nach persönlicher Untersuchung erstattete Gutachten von Prof. Dr. P. verdränge, verkennt er, dass das Gesetz keinen Grundsatz kennt, wonach die Begutachtung nach persönlicher Untersuchung einer solchen nach Aktenlage grundsätzlich überlegen und der erstgenannten Gutachtensart deshalb von vornherein und unabhängig von dessen Inhalt ein höherer Beweiswert beizumessen wäre. Dem vom Kläger gerügten Umstand, dass Prof. Dr. Z. ihn nicht untersucht habe, ist vielmehr keinerlei Bedeutung beizumessen. Denn für die Kausalitätsbeurteilung als solche ist eine persönliche Untersuchung nicht zwingend erforderlich. Vielmehr ist die Analyse des Akteninhalts und insbesondere der darin enthaltenen Befunde von maßgeblicher Bedeutung. Diesen Anforderungen trägt das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Z. in jeder Hinsicht Rechnung.
Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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