Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 VG 6459/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 5089/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29.09.2009 sowie der Bescheid des Beklagten vom 28.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2006 werden abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit von 1975 bis 1982 durch sexuellen Missbrauch von Seiten ihres Onkels E. W. vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 Opferentschädigungsgesetz erlitten hat.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts im Urteil vom 29.09.2009.
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt die gerichtliche Feststellung vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriffe i. S. des § 1 Abs. 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) durch von ihr angegebene sexuelle Missbrauchshandlungen von Seiten eines Onkels in ihrer Kindheit und Jugend.
Die im Jahre 1970 geborene Klägerin wuchs in L. (Hessen) auf. Sie hat einen sechs Jahre älteren Bruder und wurde nach eigenen Angaben tagsüber von der Großmutter betreut, da die Eltern berufstätig waren. Wiederum nach eigenen Angaben begann die Klägerin im Alter zwischen 11 und 14 Jahren zu fasten und exzessiv Leistungssport zu betreiben, wodurch sie drastisch an Gewicht verlor. Seit dem Jahre 1996 ist die Klägerin verheiratet; ihren Ehemann kennt sie seit dem Jahre 1985. Seit Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist sie Mutter zweier Kinder.
Bereits in den Jahren 1994 und 1995 befand sich die Klägerin zweimal in mehrmonatiger Behandlung in der medizinisch-psychosomatischen Klinik R., wo unter anderem eine Bulimia nervosa, eine dysthyme Störung mit ausgeprägter Selbstwertproblematik sowie psychogene Exkoriationen diagnostiziert wurden. Von 1995 bis 1997 erfolgte unter den Diagnosen schwere Borderline-Persönlichkeitsstörung mit Bulimie und schweren depressiven Verstimmungen sowie Missbrauch verschiedener Substanzen eine regelmäßige ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung im Psychiatrischen Krankenhaus H ... Während einer dort zum Jahreswechsel 1996/1997 durchgeführten stationären Behandlung unternahm sie einen Suizidversuch mit Tabletten. Im September 2000 erfolgte ein erneuter Suizidversuch mit Tabletten sowie Schnitten am Unterarm. Anschließend wurde die Klägerin unter den Diagnosen Zustand nach Suizidversuch bei akuter Belastungsreaktion, emotional instabile Persönlichkeit vom Borderline-Typ, Benzodiazepin-Abhängigkeit und Laxantien-Abusus in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie H. stationär behandelt. Nach einem durch die Berufstätigkeit des Ehemannes bedingten Umzug erfolgten im Juli/August 2001 sowie im Oktober 2002 unter den genannten Diagnosen sowie der Diagnose Bulimia nervosa stationäre Behandlungen im Zentrum für Psychiatrie E ... Eine weitere stationäre Behandlung erfolgte vom Oktober 2001 bis zum Januar 2002 mit den Diagnosen Borderline-Persönlichkeitsstörung, rezidivierende depressive Störung, Bulimia nervosa, hyperkinetische Störung im Erwachsenenalter sowie Verdacht auf Zwangsstörung mit vorwiegend Zwangshandlungen in der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik F ... Dort führte die Klägerin anschließend bis März 2002 eine teilstationäre Behandlung durch.
Im Rahmen der seit dem Jahre 2001 durchgeführten verhaltenstherapeutischen Behandlung durch die Dipl.-Psychologin P. gab die Klägerin Ende 2002/Anfang 2003 erstmals an, sie sei als Kind von ihrem Onkel über 8 Jahre sexuell missbraucht worden und habe später bewusst abnehmen wollen, um für diesen unansehnlich zu werden. Ihre Mutter habe ihr den Missbrauch nicht geglaubt, sondern ihr unterstellt, dass sie den Onkel schlecht machen wolle und sie deshalb geschlagen. Seither habe sie mit keinem Menschen mehr über den Missbrauch gesprochen.
Am 02.06.2003 beantragte die Klägerin wegen sexuellen Missbrauchs zwischen 1975 und 1982 die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Unter dem 10.02.2004 gab sie an, ab dem 5. Lebensjahr habe sexueller Missbrauch stattgefunden, ab dem 7. Lebensjahr sei es zu Vergewaltigung, körperlichen Misshandlungen sowie Quälereien und Nötigungen in der Wohnung des Onkels gekommen, dessen Namen sie wegen familiärer Probleme nicht nennen wolle; es gebe wohl eine Nachbarin, die von den Vorfällen etwas mitbekommen habe, aber nicht genannt werden wolle. Gegenüber der Dipl.-Psychologin P. erklärte die Klägerin, der Onkel habe sie vom 5. bis zum 12. Lebensjahr sexuell missbraucht, vom 7. Lebensjahr an habe er Geschlechtsverkehr erzwungen; erst nachdem sie magersüchtig geworden sei, habe er die Übergriffe beendet. Mit Schreiben vom 09.11.2004 gab die Klägerin den Namen des Onkels (E. W.) an; dieser habe sich im Jahre 1988 mit einer Schrotflinte erschossen.
Auf Anfrage des Beklagten teilte der Ehemann der Klägerin unter dem 16.10.2005 mit, seine Ehefrau habe seit Beginn ihrer Beziehung offensichtlich Schwierigkeiten mit intimem Kontakt. Nach ungefähr einem Jahr hätten sie die Beziehung daher zunächst beendet, jedoch alsbald wieder ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt, dabei habe ihm seine Ehefrau in einem Gespräch offenbart, dass ihre Angst vor intimem Kontakt aus Vorfällen in der Vergangenheit rührten; konkrete Angaben habe sie aber aus Scham nicht machen wollen. Nach der Eheschließung habe er festgestellt, dass seine Ehefrau Drogen konsumiert habe; dies habe sie dann auf seine heftige Intervention eingestellt. Auch von der Bulimie habe er erst später erfahren. Die Vergewaltigungen habe ihm seine Ehefrau erst nach erheblicher Überzeugungsarbeit durch die Dipl.-Psychologin P. gebeichtet. Hierdurch seien die seit jeher bestehenden Belastungsproben der Ehe verständlich geworden. Die Eltern der Klägerin hätten stets großzügige finanzielle Zuwendungen geleistet, beispielsweise die Schulden aus der Drogenzeit seiner Ehefrau beglichen; er sei der festen Ansicht, dass diese Zahlungen ausschließlich aus einem tiefen Schuldgefühl heraus erfolgten. Eine Freundin der Klägerin (C. F.) gab mit Schreiben vom 13.10.2005 an, die Klägerin habe ihr im Rahmen von Gesprächen von sexuellem Missbrauch erzählt. Sie selbst habe die Klägerin dann gedrängt, in der Therapie darüber zu sprechen und einen Entschädigungsantrag zu stellen. Eine weitere Freundin der Klägerin (S. H.) gab mit am 17.01.2006 beim Beklagten eingegangenem Schreiben an, sie kenne die Klägerin seit dem Jahre 1977 und sei eng mit ihr befreundet. Zu Beginn der 3. Klasse habe ihr die Klägerin von Quälereien und Missbrauch seitens zweier Onkel erzählt. Der eine Onkel habe ihr in unbeobachteten Momenten zwischen die Beine gefasst, dabei masturbiert und die Klägerin gezwungen, sein Glied zu stimulieren. Der Mann habe irgendwann Selbstmord begangen. Sie habe der Klägerin versprechen müssen, niemandem etwas davon zu erzählen. Sie hätten beide Angst vor ihren Eltern gehabt. Im Alter von ca. 12 Jahren seien sie beide magersüchtig geworden, was ihren Eltern erst viel später aufgefallen sei. Der Bruder der Klägerin (R. S.) erklärte in einer E-mail vom 17.02.2006, er habe von einem Missbrauch seiner Schwester durch E. W. keinerlei Kenntnis gehabt. Allerdings erkläre sich ihm im Nachhinein durch diesen Missbrauch die Wesensveränderung seiner Schwester, die sehr introvertiert geworden sei und große Probleme mit dem Essen gehabt habe.
Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs gab die Klägerin am 24.07.2006 selbst unter anderem an, bei den Tätern habe es sich um zwei Onkel gehandelt. Der eine, E. W., habe in seiner Wohnung zunächst "Arztspiele" mit ihr durchgeführt und sie ab dem Alter von 7 Jahren mehrmals vergewaltigt. Um in Ruhe gelassen zu werden, sei sie mit 15 Jahren magersüchtig geworden; an anderer Stelle ist von einer im Alter von 12 Jahren einsetzenden Magersucht die Rede. Bei einem zu späterer Zeit erneut erfolgten Annäherungsversuch habe sie dem Onkel mit Anzeige gedroht. Für den im Jahre 1988 begangenen Selbstmord des Onkels fühle sie sich verantwortlich. Als sie sich im Alter von 5 Jahren der Mutter anvertraut habe, sei sie als Lügnerin bezeichnet und geschlagen worden. Ihre Eltern hätten Probleme stets mit finanziellen Zuwendungen aus dem Weg geräumt; so seien beispielsweise die im Zusammenhang mit ihrer Drogensucht entstandenen hohen Schulden von den Eltern beglichen worden. Den Namen des zweiten Täters, eines noch lebenden angeheirateten Onkels, wolle sie nicht nennen. Dieser habe sie nicht sexuell missbraucht aber auf andere Art und Weise gequält und geschlagen. Von den Taten habe sie zunächst der Dipl.-Psychologin P. und erst später ihrer Freundin C. F. berichtet.
Mit Bescheid vom 28.08.2006 und Widerspruchsbescheid vom 29.11.2006 lehnte das Hessische Amt für Versorgung und Soziales D. den Antrag auf Beschädigtenversorgung ab, da nicht erwiesen sei, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei.
Am 27.12.2006 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg Klage, die sie in der Folgezeit auf die Gewährung von Opferentschädigung wegen der Folgen des geltend gemachten Missbrauchs durch E. W. beschränkte.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.10.2008 trug die Klägerin vor, die von ihrem Onkel iniziierten "Doktorspiele" hätten in dessen Wohnung und stets in Abwesenheit Dritter stattgefunden. Es sei dann im Verlauf auch Creme als Salbe im Genitalbereich aufgetragen worden. Der Onkel habe sowohl seine Finger als auch Gegenstände in ihre Scheide geschoben. Er habe dann auch verlangt, dass sie sein Geschlechtsteil anfasste. Danach habe sie Süßigkeiten erhalten. Als sie ihrer Mutter davon erzählt habe, sei sie von dieser verprügelt und als verlogen beschimpft worden. Der sexuelle Missbrauch habe bis zum Alter von ungefähr 12 Jahren angehalten. Im Alter von 17 Jahren sei sie von ihren Eltern aus der Wohnung geworfen worden. Sie sei damals drogenabhängig gewesen und sei zu dem Onkel gegangen, weil sie von diesem Geld dafür bekommen habe, dass er wieder habe "fummeln" dürfen. Später habe sie dem Täter dann gedroht, dass sie zur Polizei gehe, wenn er sie noch einmal anfasse. In der darauffolgenden Nacht habe er sich dann erschossen. Sie selbst habe den Täter dann gefunden.
In der nichtöffentlichen Sitzung vom 03.11.2008 wurden der Ehemann der Klägerin und ihre Freundin S. H. als Zeugen vernommen. Dabei wiederholten und konkretisierten sie im Wesentlichen ihre Angaben aus dem Verwaltungsverfahren. Die Eltern und der Bruder der Klägerin machten schriftlich gegenüber dem Gericht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Das Sozialgericht holte das schriftliche Sachverständigengutachten des Leiters der Sektion Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik für Psychotherapie und Psychosomatik F., Prof. Dr. E., vom 09.02.2009 ein. Darin ist ausgeführt, die Klägerin habe angegeben, die Vorfälle mit dem Onkel E. W. hätten harmlos angefangen. Irgendwann habe er sie im Rahmen der "Doktorspiele" auch im Schambereich "operiert" und Sachen, beispielsweise Salatgurken und Smarties, hineingetan. Auch habe sie ihn irgendwann "operieren" sollen. Er habe es auch mit verschiedenen Cremes versucht. Zum Sexualverkehr sei es nie gekommen. Danach habe sie Süßigkeiten erhalten. Dies sei passiert, als sie 5 bis 12 Jahre alt gewesen sei. Mit 12 Jahren habe sie eine Anorexie entwickelt; seit ihrem 15. Lebensjahr leide sie an Bulimie. Der zweite Täter habe sie misshandelt und gequält. Er habe sich auch zu ihr ins Bett gelegt und sie gestreichelt, aber nie vergewaltigt. In der Zusammenfassung und Beurteilung des Sachverständigen heißt es, die Aussagen der Klägerin wies Realitätskriterien auf. Bei der Begutachtung seien Details geschildert worden. Auch habe die Aussage ein individuelles Gepräge gehabt. Bei früheren Aussagen seien zumindest strukturell ähnliche Ereignisse angegeben worden, abgesehen davon, dass in der Vergangenheit gelegentlich von einer nunmehr verneinten Vergewaltigung mit sexuellem Kontakt gesprochen worden sei. Widersprüche und Lügensignale lägen nicht vor. Auch sei die Schilderung der posttraumatischen Belastungsstörung und der darin auftauchenden Szenen typisch für eine solche Störung.
Der Beklagte machte geltend, der Sachvortrag der Klägerin sei widersprüchlich, nachdem sie zunächst mehrmals Vergewaltigungen ab dem 7. Lebensjahr angegeben habe, diese aber nunmehr verneine. Diese unterschiedlichen Darstellungen diskutiere der Sachverständige nicht. Zur weiteren Begründung legte der Beklagte die Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie B.-d. B. vom 29.04.2009 vor, in der darüber hinaus auf unzutreffende Angaben der Klägerin zur Behandlungsdauer in der Klinik R. verwiesen wird.
Die Klägerin machte geltend, sie habe die Penetration mit Gegenständen als Vergewaltigungsgeschehen empfunden. Dass dies im juristischen Sinne keine Vergewaltigung sei, könne ihr nicht zum Nachteil gereichen.
Mit Urteil vom 29.09.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen der allein noch geltend gemachten Taten vom E. W. in den Jahren 1975 bis 1982. Zwar erfülle nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch ein an sich "gewaltloser" sexueller Missbrauch von Kindern im familiären Bereich die Voraussetzungen eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG und könne zu Gunsten der Klägerin über § 6 OEG die Beweiserleichterung des § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG), wonach glaubhafte Angaben des Antragstellers der Entscheidung zu Grunde zu legen seien, Anwendung finden. Auch seien die Angaben der Klägerin in dem von ihr zuletzt geschilderten Umfang glaubhaft. Dies ergebe sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. sowie aus den Zeugenaussagen von S. H. und des Ehemannes der Klägerin. Den teilweise nicht konstanten Schilderungen der Klägerin zur Frage erzwungenen Geschlechtsverkehrs ab dem 7. Lebensjahr komme im Ergebnis keine ausschlaggebende Bedeutung zu, da die Klägerin glaubhaft einen Bereich sexuellen Missbrauchs in Form von "Doktorspielen" und sexuellen Manipulationen sowie von Zwang hierzu ab ihrem 5. Lebensjahr geschildert habe. Insbesondere habe nämlich die Zeugin H. bestätigt, dass die Klägerin sich ihr bereits in der Kindheit anvertraut habe. Hinzu komme die Einschätzung des Ehemannes der Klägerin und ihres Bruders im Verwaltungsverfahren, wonach bestimmte Verhaltensweisen durch den sexuellen Missbrauch verständlich würden. Indes sei die für die Gewährung von Beschädigtenversorgung erforderliche Kausalität zwischen den Taten von E. W. und den Erkrankungen der Klägerin nicht wahrscheinlich. Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 12.10.2009 zugestellt.
Am 03.11.2009 hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 02.09.2010 hat sie ihr ursprüngliches, auf Leistung gerichtetes Begehren abgeändert und erstrebt nunmehr (nur noch) die Feststellung des Vorliegens vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Angaben seien glaubhaft, insbesondere habe sie als juristische Laiin nicht zwischen einer Penetration mit Gegenständen und mit einem Penis differenziert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29.09.2009 sowie den Bescheid vom 28.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2006 abzuändern und festzustellen, dass die Klägerin in der Zeit von 1975 bis 1982 durch sexuellen Missbrauch von Seiten ihres Onkels E. W. vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG erlitten hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die fraglichen Einwirkungen beruhten lediglich auf Angaben der Klägerin. Die befragten Zeugen hätten nicht durch direkte Beobachtung berichten können. Seine weiteren Ausführungen betreffen die Frage der Kausalität zwischen den von der Klägerin angegebenen Taten und ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Freiburg sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Klägerin erstrebt nunmehr im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß den §§ 54 Abs. 1 und 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG neben der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sowie des Bescheides vom 28.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2006 die Feststellung, dass sie in der Zeit von 1975 bis 1982 durch sexuellen Missbrauch von Seiten ihres Onkels E. W. vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriffe i. S. des § 1 Abs. 1 OEG erlitten hat. Eine Klageänderung ist in dieser Beschränkung des zuvor geltend gemachten Anfechtungs- und Leistungsbegehrens nicht zu sehen (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 4 zu § 99).
Mit diesem Begehren ist die Berufung zulässig und begründet. Zum einen ist die Klage auf Feststellung des Vorliegens eines Angriffs i. S. des § 1 Abs. 1 OEG statthaft (vgl. zur parallelen Fallgestaltung einer Klage auf Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles im Unfallversicherungsrecht BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 - zit. nach juris) und zum anderen hat die Klägerin auch in der Sache Anspruch auf die erstrebte Feststellung.
Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 OEG erhält derjenige, der in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Dass ein solcher Angriff auch im Falle eines an sich "gewaltlosen" sexuellen Missbrauchs von Kindern im familiären Bereich vorliegt, hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen.
Danach lässt sich vorliegend feststellen, dass die Klägerin in der Zeit von 1975 bis 1982 durch sexuellen Missbrauch von Seiten ihres Onkels E. W. vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG erlitten hat. Zum einen sind die von der Klägerin angegebenen sexuellen Manipulationen des Onkels mit Fingern und Gegenständen an ihrem Geschlechtsteil sowie die auf dessen Verlangen von ihrer Seite erfolgten Manipulationen am Geschlechtsteil des Onkels als sexueller Missbrauch der seinerzeit zwischen 5 und 12 Jahre alten Klägerin anzusehen. Zum anderen sind die angegebenen Vorgänge auch hinreichend nachgewiesen.
Angesichts des Umstandes, dass der von der Klägerin geschilderte sexuelle Missbrauch in der Wohnung des Onkels nach Angabe der Klägerin im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.10.2008 stets in Abwesenheit Dritter und mithin ohne unmittelbare Zeugen erfolgt ist, steht der Klägerin die nach § 6 OEG im vorliegenden Verfahren anwendbare Beweiserleichterung des § 15 KOV-VfG zur Seite. Danach sind, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Gem. § 23 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dass und weshalb dies hier der Fall ist, hat bereits das Sozialgericht im angegriffenen Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Angesichts der gesetzlichen Wertung des § 15 KOV-VfG, wonach die Glaubhaftigkeit der Angaben des jeweiligen Antragstellers anhand der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen ist, ist der schließlich erfolgte Sachvortrag der Klägerin mit Blick auf den hier in Rede stehenden Tatkomplex unter Berücksichtigung der aufgetretenen Ungereimtheiten auch für den Senat glaubhaft.
Zwar hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 02.06.2003 sowie gegenüber der behandelnden Dipl.-Psychologin P. (vgl. hierzu den vom Beklagten eingeholten Befundbericht vom 07.04.2004) und auch im Rahmen des persönlichen Gesprächs vom 24.07.2006 mit Mitarbeitern des Beklagten angegeben, sie sei ab dem Alter von 7 Jahren von E. W. auch vergewaltigt worden (vgl. hierzu die bei den Akten befindliche Niederschrift), während sie Vergewaltigungen im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. E. im Jahre 2009 verneint hat (vgl. hierzu das Gutachten vom 09.02.2009). Auch hat sie die erstmals im Rahmen des persönlichen Gesprächs vom 24.07.2006 dem namentlich nicht genannten zweiten Onkel zugeschriebenen Misshandlungen und Quälereien (vgl. hierzu die bei den Akten des Beklagten befindliche Niederschrift) zuvor im Zusammenhang mit den Taten von E. W. angeführt (vgl. auch hierzu das Schreiben der Klägerin vom 02.06.2003 sowie den Befundbericht der Dipl.-Psychologin P. vom 07.04.2004).
Indes stellt dies die Richtigkeit der Angaben der Klägerin im Ergebnis nicht durchgreifend in Frage. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass die Klägerin entsprechende Angaben - auch zur Täterschaft von zwei Onkeln - bereits als Kind während des noch laufenden Missbrauchs gegenüber ihrer Freundin S. H. gemacht hat (vgl. hierzu die Angaben der Zeugin im am 17.01.2006 beim Beklagten eingegangenen Schreiben sowie in der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 03.11.2008), ohne dass Anhaltspunkte für ein seinerzeit wie auch immer geartetes interessegeleitetes Vorbringen bestehen. Hinzu kommt, dass es der Klägerin offensichtlich erhebliche Schwierigkeiten bereitet, über die hier in Rede stehenden Vorkommnisse zu sprechen. Diese zeigen sich unter anderem darin, dass sie schon gegenüber ihrer Freundin S. H. nicht sofort von dem Missbrauch berichtete (vgl. die Angaben der Zeugin in der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 03.11.2008), selbst gegenüber der behandelnden Dipl.-Psychologin P. erst nach eineinhalbjähriger Behandlung Angaben über diese Ereignisse zu machen vermochte (vgl. hierzu den vom Beklagten eingeholten Befundbericht 07.04.2004) und auch ihr Ehemann - bis auf Andeutungen - hiervon erst im Rahmen der genannten Behandlung erfuhr (vgl. die vom Beklagten eingeholten schriftlichen Angaben vom 16.10.2005 sowie die Angaben in der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 03.11.2008). Angesichts dessen lassen sich die genannten Ungereimtheiten ohne weiteres als - zur Vermeidung einer mit der detaillierteren Auseinandersetzung einhergehen Belastung - zunächst verkürzte Darstellung des Sachverhalts erklären. Die nach den Umständen des Falles überwiegende Wahrscheinlichkeit des Zutreffens der Angaben der Klägerin wird hierdurch im Ergebnis nicht berührt.
Darauf, ob auch eine Nachbarin, die nicht genannt werden will, möglicherweise "von den Vorfällen etwas mitbekommen hat", kommt es nach alledem nicht mehr an. Denn bejahendenfalls hätte dies eine Bestätigung der vom Senat bereits als glaubhaft angesehenen Angaben der Klägerin zur Folge und verneinendenfalls wäre damit die Glaubhaftigkeit der besagten Angaben der Klägerin nicht in Frage gestellt.
Den Verlauf ihrer Untergewichtproblematik hat die Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. E. richtig gestellt und angegeben, dass sie ab dem Alter von 12 Jahren eine Anorexie entwickelt hat und seit ihrem 15. Lebensjahr an Bulimie leidet. Dass schließlich nicht exakt erinnerliche Behandlungsdaten durchgreifende Zweifel an dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht zu begründen vermögen, liegt auf der Hand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt den Erfolg der Berufung infolge der Beschränkung des Klagebegehrens.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts im Urteil vom 29.09.2009.
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt die gerichtliche Feststellung vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriffe i. S. des § 1 Abs. 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) durch von ihr angegebene sexuelle Missbrauchshandlungen von Seiten eines Onkels in ihrer Kindheit und Jugend.
Die im Jahre 1970 geborene Klägerin wuchs in L. (Hessen) auf. Sie hat einen sechs Jahre älteren Bruder und wurde nach eigenen Angaben tagsüber von der Großmutter betreut, da die Eltern berufstätig waren. Wiederum nach eigenen Angaben begann die Klägerin im Alter zwischen 11 und 14 Jahren zu fasten und exzessiv Leistungssport zu betreiben, wodurch sie drastisch an Gewicht verlor. Seit dem Jahre 1996 ist die Klägerin verheiratet; ihren Ehemann kennt sie seit dem Jahre 1985. Seit Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist sie Mutter zweier Kinder.
Bereits in den Jahren 1994 und 1995 befand sich die Klägerin zweimal in mehrmonatiger Behandlung in der medizinisch-psychosomatischen Klinik R., wo unter anderem eine Bulimia nervosa, eine dysthyme Störung mit ausgeprägter Selbstwertproblematik sowie psychogene Exkoriationen diagnostiziert wurden. Von 1995 bis 1997 erfolgte unter den Diagnosen schwere Borderline-Persönlichkeitsstörung mit Bulimie und schweren depressiven Verstimmungen sowie Missbrauch verschiedener Substanzen eine regelmäßige ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung im Psychiatrischen Krankenhaus H ... Während einer dort zum Jahreswechsel 1996/1997 durchgeführten stationären Behandlung unternahm sie einen Suizidversuch mit Tabletten. Im September 2000 erfolgte ein erneuter Suizidversuch mit Tabletten sowie Schnitten am Unterarm. Anschließend wurde die Klägerin unter den Diagnosen Zustand nach Suizidversuch bei akuter Belastungsreaktion, emotional instabile Persönlichkeit vom Borderline-Typ, Benzodiazepin-Abhängigkeit und Laxantien-Abusus in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie H. stationär behandelt. Nach einem durch die Berufstätigkeit des Ehemannes bedingten Umzug erfolgten im Juli/August 2001 sowie im Oktober 2002 unter den genannten Diagnosen sowie der Diagnose Bulimia nervosa stationäre Behandlungen im Zentrum für Psychiatrie E ... Eine weitere stationäre Behandlung erfolgte vom Oktober 2001 bis zum Januar 2002 mit den Diagnosen Borderline-Persönlichkeitsstörung, rezidivierende depressive Störung, Bulimia nervosa, hyperkinetische Störung im Erwachsenenalter sowie Verdacht auf Zwangsstörung mit vorwiegend Zwangshandlungen in der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik F ... Dort führte die Klägerin anschließend bis März 2002 eine teilstationäre Behandlung durch.
Im Rahmen der seit dem Jahre 2001 durchgeführten verhaltenstherapeutischen Behandlung durch die Dipl.-Psychologin P. gab die Klägerin Ende 2002/Anfang 2003 erstmals an, sie sei als Kind von ihrem Onkel über 8 Jahre sexuell missbraucht worden und habe später bewusst abnehmen wollen, um für diesen unansehnlich zu werden. Ihre Mutter habe ihr den Missbrauch nicht geglaubt, sondern ihr unterstellt, dass sie den Onkel schlecht machen wolle und sie deshalb geschlagen. Seither habe sie mit keinem Menschen mehr über den Missbrauch gesprochen.
Am 02.06.2003 beantragte die Klägerin wegen sexuellen Missbrauchs zwischen 1975 und 1982 die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Unter dem 10.02.2004 gab sie an, ab dem 5. Lebensjahr habe sexueller Missbrauch stattgefunden, ab dem 7. Lebensjahr sei es zu Vergewaltigung, körperlichen Misshandlungen sowie Quälereien und Nötigungen in der Wohnung des Onkels gekommen, dessen Namen sie wegen familiärer Probleme nicht nennen wolle; es gebe wohl eine Nachbarin, die von den Vorfällen etwas mitbekommen habe, aber nicht genannt werden wolle. Gegenüber der Dipl.-Psychologin P. erklärte die Klägerin, der Onkel habe sie vom 5. bis zum 12. Lebensjahr sexuell missbraucht, vom 7. Lebensjahr an habe er Geschlechtsverkehr erzwungen; erst nachdem sie magersüchtig geworden sei, habe er die Übergriffe beendet. Mit Schreiben vom 09.11.2004 gab die Klägerin den Namen des Onkels (E. W.) an; dieser habe sich im Jahre 1988 mit einer Schrotflinte erschossen.
Auf Anfrage des Beklagten teilte der Ehemann der Klägerin unter dem 16.10.2005 mit, seine Ehefrau habe seit Beginn ihrer Beziehung offensichtlich Schwierigkeiten mit intimem Kontakt. Nach ungefähr einem Jahr hätten sie die Beziehung daher zunächst beendet, jedoch alsbald wieder ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt, dabei habe ihm seine Ehefrau in einem Gespräch offenbart, dass ihre Angst vor intimem Kontakt aus Vorfällen in der Vergangenheit rührten; konkrete Angaben habe sie aber aus Scham nicht machen wollen. Nach der Eheschließung habe er festgestellt, dass seine Ehefrau Drogen konsumiert habe; dies habe sie dann auf seine heftige Intervention eingestellt. Auch von der Bulimie habe er erst später erfahren. Die Vergewaltigungen habe ihm seine Ehefrau erst nach erheblicher Überzeugungsarbeit durch die Dipl.-Psychologin P. gebeichtet. Hierdurch seien die seit jeher bestehenden Belastungsproben der Ehe verständlich geworden. Die Eltern der Klägerin hätten stets großzügige finanzielle Zuwendungen geleistet, beispielsweise die Schulden aus der Drogenzeit seiner Ehefrau beglichen; er sei der festen Ansicht, dass diese Zahlungen ausschließlich aus einem tiefen Schuldgefühl heraus erfolgten. Eine Freundin der Klägerin (C. F.) gab mit Schreiben vom 13.10.2005 an, die Klägerin habe ihr im Rahmen von Gesprächen von sexuellem Missbrauch erzählt. Sie selbst habe die Klägerin dann gedrängt, in der Therapie darüber zu sprechen und einen Entschädigungsantrag zu stellen. Eine weitere Freundin der Klägerin (S. H.) gab mit am 17.01.2006 beim Beklagten eingegangenem Schreiben an, sie kenne die Klägerin seit dem Jahre 1977 und sei eng mit ihr befreundet. Zu Beginn der 3. Klasse habe ihr die Klägerin von Quälereien und Missbrauch seitens zweier Onkel erzählt. Der eine Onkel habe ihr in unbeobachteten Momenten zwischen die Beine gefasst, dabei masturbiert und die Klägerin gezwungen, sein Glied zu stimulieren. Der Mann habe irgendwann Selbstmord begangen. Sie habe der Klägerin versprechen müssen, niemandem etwas davon zu erzählen. Sie hätten beide Angst vor ihren Eltern gehabt. Im Alter von ca. 12 Jahren seien sie beide magersüchtig geworden, was ihren Eltern erst viel später aufgefallen sei. Der Bruder der Klägerin (R. S.) erklärte in einer E-mail vom 17.02.2006, er habe von einem Missbrauch seiner Schwester durch E. W. keinerlei Kenntnis gehabt. Allerdings erkläre sich ihm im Nachhinein durch diesen Missbrauch die Wesensveränderung seiner Schwester, die sehr introvertiert geworden sei und große Probleme mit dem Essen gehabt habe.
Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs gab die Klägerin am 24.07.2006 selbst unter anderem an, bei den Tätern habe es sich um zwei Onkel gehandelt. Der eine, E. W., habe in seiner Wohnung zunächst "Arztspiele" mit ihr durchgeführt und sie ab dem Alter von 7 Jahren mehrmals vergewaltigt. Um in Ruhe gelassen zu werden, sei sie mit 15 Jahren magersüchtig geworden; an anderer Stelle ist von einer im Alter von 12 Jahren einsetzenden Magersucht die Rede. Bei einem zu späterer Zeit erneut erfolgten Annäherungsversuch habe sie dem Onkel mit Anzeige gedroht. Für den im Jahre 1988 begangenen Selbstmord des Onkels fühle sie sich verantwortlich. Als sie sich im Alter von 5 Jahren der Mutter anvertraut habe, sei sie als Lügnerin bezeichnet und geschlagen worden. Ihre Eltern hätten Probleme stets mit finanziellen Zuwendungen aus dem Weg geräumt; so seien beispielsweise die im Zusammenhang mit ihrer Drogensucht entstandenen hohen Schulden von den Eltern beglichen worden. Den Namen des zweiten Täters, eines noch lebenden angeheirateten Onkels, wolle sie nicht nennen. Dieser habe sie nicht sexuell missbraucht aber auf andere Art und Weise gequält und geschlagen. Von den Taten habe sie zunächst der Dipl.-Psychologin P. und erst später ihrer Freundin C. F. berichtet.
Mit Bescheid vom 28.08.2006 und Widerspruchsbescheid vom 29.11.2006 lehnte das Hessische Amt für Versorgung und Soziales D. den Antrag auf Beschädigtenversorgung ab, da nicht erwiesen sei, dass die Klägerin Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei.
Am 27.12.2006 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg Klage, die sie in der Folgezeit auf die Gewährung von Opferentschädigung wegen der Folgen des geltend gemachten Missbrauchs durch E. W. beschränkte.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.10.2008 trug die Klägerin vor, die von ihrem Onkel iniziierten "Doktorspiele" hätten in dessen Wohnung und stets in Abwesenheit Dritter stattgefunden. Es sei dann im Verlauf auch Creme als Salbe im Genitalbereich aufgetragen worden. Der Onkel habe sowohl seine Finger als auch Gegenstände in ihre Scheide geschoben. Er habe dann auch verlangt, dass sie sein Geschlechtsteil anfasste. Danach habe sie Süßigkeiten erhalten. Als sie ihrer Mutter davon erzählt habe, sei sie von dieser verprügelt und als verlogen beschimpft worden. Der sexuelle Missbrauch habe bis zum Alter von ungefähr 12 Jahren angehalten. Im Alter von 17 Jahren sei sie von ihren Eltern aus der Wohnung geworfen worden. Sie sei damals drogenabhängig gewesen und sei zu dem Onkel gegangen, weil sie von diesem Geld dafür bekommen habe, dass er wieder habe "fummeln" dürfen. Später habe sie dem Täter dann gedroht, dass sie zur Polizei gehe, wenn er sie noch einmal anfasse. In der darauffolgenden Nacht habe er sich dann erschossen. Sie selbst habe den Täter dann gefunden.
In der nichtöffentlichen Sitzung vom 03.11.2008 wurden der Ehemann der Klägerin und ihre Freundin S. H. als Zeugen vernommen. Dabei wiederholten und konkretisierten sie im Wesentlichen ihre Angaben aus dem Verwaltungsverfahren. Die Eltern und der Bruder der Klägerin machten schriftlich gegenüber dem Gericht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Das Sozialgericht holte das schriftliche Sachverständigengutachten des Leiters der Sektion Forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik für Psychotherapie und Psychosomatik F., Prof. Dr. E., vom 09.02.2009 ein. Darin ist ausgeführt, die Klägerin habe angegeben, die Vorfälle mit dem Onkel E. W. hätten harmlos angefangen. Irgendwann habe er sie im Rahmen der "Doktorspiele" auch im Schambereich "operiert" und Sachen, beispielsweise Salatgurken und Smarties, hineingetan. Auch habe sie ihn irgendwann "operieren" sollen. Er habe es auch mit verschiedenen Cremes versucht. Zum Sexualverkehr sei es nie gekommen. Danach habe sie Süßigkeiten erhalten. Dies sei passiert, als sie 5 bis 12 Jahre alt gewesen sei. Mit 12 Jahren habe sie eine Anorexie entwickelt; seit ihrem 15. Lebensjahr leide sie an Bulimie. Der zweite Täter habe sie misshandelt und gequält. Er habe sich auch zu ihr ins Bett gelegt und sie gestreichelt, aber nie vergewaltigt. In der Zusammenfassung und Beurteilung des Sachverständigen heißt es, die Aussagen der Klägerin wies Realitätskriterien auf. Bei der Begutachtung seien Details geschildert worden. Auch habe die Aussage ein individuelles Gepräge gehabt. Bei früheren Aussagen seien zumindest strukturell ähnliche Ereignisse angegeben worden, abgesehen davon, dass in der Vergangenheit gelegentlich von einer nunmehr verneinten Vergewaltigung mit sexuellem Kontakt gesprochen worden sei. Widersprüche und Lügensignale lägen nicht vor. Auch sei die Schilderung der posttraumatischen Belastungsstörung und der darin auftauchenden Szenen typisch für eine solche Störung.
Der Beklagte machte geltend, der Sachvortrag der Klägerin sei widersprüchlich, nachdem sie zunächst mehrmals Vergewaltigungen ab dem 7. Lebensjahr angegeben habe, diese aber nunmehr verneine. Diese unterschiedlichen Darstellungen diskutiere der Sachverständige nicht. Zur weiteren Begründung legte der Beklagte die Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie B.-d. B. vom 29.04.2009 vor, in der darüber hinaus auf unzutreffende Angaben der Klägerin zur Behandlungsdauer in der Klinik R. verwiesen wird.
Die Klägerin machte geltend, sie habe die Penetration mit Gegenständen als Vergewaltigungsgeschehen empfunden. Dass dies im juristischen Sinne keine Vergewaltigung sei, könne ihr nicht zum Nachteil gereichen.
Mit Urteil vom 29.09.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen der allein noch geltend gemachten Taten vom E. W. in den Jahren 1975 bis 1982. Zwar erfülle nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch ein an sich "gewaltloser" sexueller Missbrauch von Kindern im familiären Bereich die Voraussetzungen eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG und könne zu Gunsten der Klägerin über § 6 OEG die Beweiserleichterung des § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG), wonach glaubhafte Angaben des Antragstellers der Entscheidung zu Grunde zu legen seien, Anwendung finden. Auch seien die Angaben der Klägerin in dem von ihr zuletzt geschilderten Umfang glaubhaft. Dies ergebe sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. sowie aus den Zeugenaussagen von S. H. und des Ehemannes der Klägerin. Den teilweise nicht konstanten Schilderungen der Klägerin zur Frage erzwungenen Geschlechtsverkehrs ab dem 7. Lebensjahr komme im Ergebnis keine ausschlaggebende Bedeutung zu, da die Klägerin glaubhaft einen Bereich sexuellen Missbrauchs in Form von "Doktorspielen" und sexuellen Manipulationen sowie von Zwang hierzu ab ihrem 5. Lebensjahr geschildert habe. Insbesondere habe nämlich die Zeugin H. bestätigt, dass die Klägerin sich ihr bereits in der Kindheit anvertraut habe. Hinzu komme die Einschätzung des Ehemannes der Klägerin und ihres Bruders im Verwaltungsverfahren, wonach bestimmte Verhaltensweisen durch den sexuellen Missbrauch verständlich würden. Indes sei die für die Gewährung von Beschädigtenversorgung erforderliche Kausalität zwischen den Taten von E. W. und den Erkrankungen der Klägerin nicht wahrscheinlich. Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 12.10.2009 zugestellt.
Am 03.11.2009 hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 02.09.2010 hat sie ihr ursprüngliches, auf Leistung gerichtetes Begehren abgeändert und erstrebt nunmehr (nur noch) die Feststellung des Vorliegens vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Angaben seien glaubhaft, insbesondere habe sie als juristische Laiin nicht zwischen einer Penetration mit Gegenständen und mit einem Penis differenziert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29.09.2009 sowie den Bescheid vom 28.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2006 abzuändern und festzustellen, dass die Klägerin in der Zeit von 1975 bis 1982 durch sexuellen Missbrauch von Seiten ihres Onkels E. W. vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG erlitten hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die fraglichen Einwirkungen beruhten lediglich auf Angaben der Klägerin. Die befragten Zeugen hätten nicht durch direkte Beobachtung berichten können. Seine weiteren Ausführungen betreffen die Frage der Kausalität zwischen den von der Klägerin angegebenen Taten und ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Freiburg sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Klägerin erstrebt nunmehr im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß den §§ 54 Abs. 1 und 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG neben der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sowie des Bescheides vom 28.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2006 die Feststellung, dass sie in der Zeit von 1975 bis 1982 durch sexuellen Missbrauch von Seiten ihres Onkels E. W. vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriffe i. S. des § 1 Abs. 1 OEG erlitten hat. Eine Klageänderung ist in dieser Beschränkung des zuvor geltend gemachten Anfechtungs- und Leistungsbegehrens nicht zu sehen (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 4 zu § 99).
Mit diesem Begehren ist die Berufung zulässig und begründet. Zum einen ist die Klage auf Feststellung des Vorliegens eines Angriffs i. S. des § 1 Abs. 1 OEG statthaft (vgl. zur parallelen Fallgestaltung einer Klage auf Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles im Unfallversicherungsrecht BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 - zit. nach juris) und zum anderen hat die Klägerin auch in der Sache Anspruch auf die erstrebte Feststellung.
Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 OEG erhält derjenige, der in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Dass ein solcher Angriff auch im Falle eines an sich "gewaltlosen" sexuellen Missbrauchs von Kindern im familiären Bereich vorliegt, hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen.
Danach lässt sich vorliegend feststellen, dass die Klägerin in der Zeit von 1975 bis 1982 durch sexuellen Missbrauch von Seiten ihres Onkels E. W. vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG erlitten hat. Zum einen sind die von der Klägerin angegebenen sexuellen Manipulationen des Onkels mit Fingern und Gegenständen an ihrem Geschlechtsteil sowie die auf dessen Verlangen von ihrer Seite erfolgten Manipulationen am Geschlechtsteil des Onkels als sexueller Missbrauch der seinerzeit zwischen 5 und 12 Jahre alten Klägerin anzusehen. Zum anderen sind die angegebenen Vorgänge auch hinreichend nachgewiesen.
Angesichts des Umstandes, dass der von der Klägerin geschilderte sexuelle Missbrauch in der Wohnung des Onkels nach Angabe der Klägerin im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.10.2008 stets in Abwesenheit Dritter und mithin ohne unmittelbare Zeugen erfolgt ist, steht der Klägerin die nach § 6 OEG im vorliegenden Verfahren anwendbare Beweiserleichterung des § 15 KOV-VfG zur Seite. Danach sind, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Gem. § 23 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dass und weshalb dies hier der Fall ist, hat bereits das Sozialgericht im angegriffenen Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Angesichts der gesetzlichen Wertung des § 15 KOV-VfG, wonach die Glaubhaftigkeit der Angaben des jeweiligen Antragstellers anhand der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen ist, ist der schließlich erfolgte Sachvortrag der Klägerin mit Blick auf den hier in Rede stehenden Tatkomplex unter Berücksichtigung der aufgetretenen Ungereimtheiten auch für den Senat glaubhaft.
Zwar hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 02.06.2003 sowie gegenüber der behandelnden Dipl.-Psychologin P. (vgl. hierzu den vom Beklagten eingeholten Befundbericht vom 07.04.2004) und auch im Rahmen des persönlichen Gesprächs vom 24.07.2006 mit Mitarbeitern des Beklagten angegeben, sie sei ab dem Alter von 7 Jahren von E. W. auch vergewaltigt worden (vgl. hierzu die bei den Akten befindliche Niederschrift), während sie Vergewaltigungen im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. E. im Jahre 2009 verneint hat (vgl. hierzu das Gutachten vom 09.02.2009). Auch hat sie die erstmals im Rahmen des persönlichen Gesprächs vom 24.07.2006 dem namentlich nicht genannten zweiten Onkel zugeschriebenen Misshandlungen und Quälereien (vgl. hierzu die bei den Akten des Beklagten befindliche Niederschrift) zuvor im Zusammenhang mit den Taten von E. W. angeführt (vgl. auch hierzu das Schreiben der Klägerin vom 02.06.2003 sowie den Befundbericht der Dipl.-Psychologin P. vom 07.04.2004).
Indes stellt dies die Richtigkeit der Angaben der Klägerin im Ergebnis nicht durchgreifend in Frage. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass die Klägerin entsprechende Angaben - auch zur Täterschaft von zwei Onkeln - bereits als Kind während des noch laufenden Missbrauchs gegenüber ihrer Freundin S. H. gemacht hat (vgl. hierzu die Angaben der Zeugin im am 17.01.2006 beim Beklagten eingegangenen Schreiben sowie in der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 03.11.2008), ohne dass Anhaltspunkte für ein seinerzeit wie auch immer geartetes interessegeleitetes Vorbringen bestehen. Hinzu kommt, dass es der Klägerin offensichtlich erhebliche Schwierigkeiten bereitet, über die hier in Rede stehenden Vorkommnisse zu sprechen. Diese zeigen sich unter anderem darin, dass sie schon gegenüber ihrer Freundin S. H. nicht sofort von dem Missbrauch berichtete (vgl. die Angaben der Zeugin in der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 03.11.2008), selbst gegenüber der behandelnden Dipl.-Psychologin P. erst nach eineinhalbjähriger Behandlung Angaben über diese Ereignisse zu machen vermochte (vgl. hierzu den vom Beklagten eingeholten Befundbericht 07.04.2004) und auch ihr Ehemann - bis auf Andeutungen - hiervon erst im Rahmen der genannten Behandlung erfuhr (vgl. die vom Beklagten eingeholten schriftlichen Angaben vom 16.10.2005 sowie die Angaben in der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 03.11.2008). Angesichts dessen lassen sich die genannten Ungereimtheiten ohne weiteres als - zur Vermeidung einer mit der detaillierteren Auseinandersetzung einhergehen Belastung - zunächst verkürzte Darstellung des Sachverhalts erklären. Die nach den Umständen des Falles überwiegende Wahrscheinlichkeit des Zutreffens der Angaben der Klägerin wird hierdurch im Ergebnis nicht berührt.
Darauf, ob auch eine Nachbarin, die nicht genannt werden will, möglicherweise "von den Vorfällen etwas mitbekommen hat", kommt es nach alledem nicht mehr an. Denn bejahendenfalls hätte dies eine Bestätigung der vom Senat bereits als glaubhaft angesehenen Angaben der Klägerin zur Folge und verneinendenfalls wäre damit die Glaubhaftigkeit der besagten Angaben der Klägerin nicht in Frage gestellt.
Den Verlauf ihrer Untergewichtproblematik hat die Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. E. richtig gestellt und angegeben, dass sie ab dem Alter von 12 Jahren eine Anorexie entwickelt hat und seit ihrem 15. Lebensjahr an Bulimie leidet. Dass schließlich nicht exakt erinnerliche Behandlungsdaten durchgreifende Zweifel an dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht zu begründen vermögen, liegt auf der Hand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt den Erfolg der Berufung infolge der Beschränkung des Klagebegehrens.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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