Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 AS 1450/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 280/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. Juni 2010 wird hinsichtlich der Nichtzulassung der Berufung aufgehoben.
Das Verfahren wird weiterhin als Berufungsverfahren geführt.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen ein Urteil des Sozialgerichts Magdeburg, das seine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen die Beklagte abgewiesen hat. In der Sache begehrt er in der Berufungsinstanz die Erstattung von Heizkosten sowie die Gewährung von Mehrbedarfen für schwerbehinderte Menschen für die Zeit vom April bis Oktober 2008.
Der am ... 1960 geborene Kläger lebt zusammen mit seiner Lebensgefährtin in einer Bedarfgemeinschaft und bezieht von der Beklagten Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Sie bewohnen seit 1. April 2008 eine Wohnung, die mit selbst zu beschaffender Kohle zu heizen ist. Der Kläger und seine Lebensgefährtin sind als schwerbehinderte Menschen anerkannt; der Kläger seit 1997, ab Juli 2004 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60, seine Lebensgefährtin seit 1. Oktober 2000 mit einem GdB von 50.
Der Kläger ging ab 1. April 2008 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, die zum 12. September 2008 gekündigt wurde. Seine Lebensgefährtin schloss unter dem 30. Juni 2008 einen Arbeitsvertrag als Hilfskraft, der vom 1. Juli bis 19. Dezember 2008 befristet war und zum 28. Juli 2008 seitens des Arbeitgebers gekündigt wurde.
Auf Antrag des Klägers gewährte die Beklagte diesem und seiner Lebensgefährtin mit Bescheid vom 10. April 2008 Leistungen nach dem SGB II für den Monat April 2008. Den hiergegen seitens des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, es seien weder die Heizkosten noch ein Verpflegungsmehraufwand für Berufstätige berücksichtigt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2008 als unbegründet zurück.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger und seiner Lebensgefährtin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2008. Es ergingen in der Folgezeit diverse Änderungsbescheide wegen der Anrechnung unterschiedlich hohen Einkommens. Mit Bescheid vom 4. September 2008 hob die Beklagte die Leistungsbewilligung mit Wirkung zum 1. August 2008 auf, da die Hilfebedürftigkeit entfallen sei. Nach einem Weiterbewilligungsantrag gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Dezember 2008 Leistungen für die Zeit vom 8. Dezember 2008 bis 30. April 2009.
Bereits am 26. Mai 2008 hat der Kläger beim Sozialgericht gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2008 Klage erhoben. Die Beklagte sei zu verurteilen, "den Mehrbedarf für Arbeitnehmer mit schwerer körperlicher Arbeit und den Mehrbedarf für Schwerbehinderte (beide Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind als Schwerbehinderte gemäß dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) anerkannt) zu bewilligen und zu zahlen, ebenso die Leistungen für den Zeitraum bis zur ersten Lohnzahlung" und "die Heizkosten gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen und zu zahlen". Diese Anträge hat er im Laufe des erstinstanzlichen Klageverfahrens hinsichtlich des Zeitraumes auf den des Leistungsbezuges im Jahr 2008 konkretisiert.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29. Juni 2010 die Klage als unbegründet zurückgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Es hat das Klagebegehren ausweislich der Ausführungen in den Entscheidungsgründen auf den Monat April 2008 beschränkt.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 9. Juli 2010 Berufung eingelegt. Auf Bitte der Berichterstatterin klarzustellen, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe der Kläger Leistungen mit der Klage bzw. der Berufung begehre, hat er erwidert, seine Anträge bezögen sich auf den gesamten Leistungsbezug im Jahr 2008, mithin auf die Zeit von April bis Oktober 2008. Heizkosten mache er in Höhe von 625,34 EUR für diesen Zeitraum geltend.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
II.
Die Entscheidung des Sozialgerichts über die Nichtzulassung der Berufung war aufzuheben.
Die Berufung bedarf nicht der Zulassung nach § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Wert der Beschwer liegt über dem Wert des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG i.H.v. 750,00 EUR.
Die Berechnung des Beschwerdewertes im angegriffenen Urteil des Sozialgerichts ist falsch. Sie berücksichtigt nicht das Begehren des Klägers. Dieses war bereits in erster Instanz auf höhere Leistungen für den gesamten Leistungsbezug im Jahr 2008, seines Erachtens auf die Monate April bis Oktober 2008, gerichtet.
Allein der für diese Monate beanspruchte Mehrbedarf für schwerbehinderte Menschen nach § 21 Abs. 4 SGB II i.H.v. 35% des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelsatzes übersteigt den Berufungsstreitwert. So betrug der für den Kläger maßgebende Regelsatz bis Juni 2008 nach § 20 Abs. 3 SGB II 90% von 347,00 EUR, mithin 312,30 EUR sowie für die Monate ab Juli 2008 315,90 EUR (90% von 351,00 EUR). Der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II macht demnach einen monatlichen Betrag i.H.v. 109,31 EUR für die Monate April bis Juni 2008 sowie i.H.v. 110,57 EUR für die Monate Juli bis Oktober 2008 aus, folglich 770,21 EUR für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum. Hinzuzurechnen sind die begehrten Heizkosten, sodass die Gesamtberufungssumme bei 1.385,55 EUR liegt.
Dem Kläger hat mithin zu Recht Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt. Der Nichtzulassung der Berufung kommt keine konstitutive Bedeutung zu. Dieser Umstand lässt aber nicht das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer zumindest klarstellenden Entscheidung über die Nichtzulassung entfallen. Die Entscheidung des Sozialgerichts erweckt den Anschein, die Berufung gegen das Urteil sei kraft Gesetzes ausgeschlossen und bedürfe zu ihrer Statthaftigkeit einer besonderen Zulassung durch das Gericht. Dieser belastende Rechtsschein führt zu einem berechtigten Interesse des Klägers an der Aufhebung des unrichtigen Ausspruchs des Sozialgerichts (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 5. November 1992, 12 CZ 92.1535, Rn. 13; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Juni 2008, L 9 KR 47/04 NZB, Rn. 6, beide zitiert nach Juris).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Das Verfahren wird weiterhin als Berufungsverfahren geführt.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen ein Urteil des Sozialgerichts Magdeburg, das seine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen die Beklagte abgewiesen hat. In der Sache begehrt er in der Berufungsinstanz die Erstattung von Heizkosten sowie die Gewährung von Mehrbedarfen für schwerbehinderte Menschen für die Zeit vom April bis Oktober 2008.
Der am ... 1960 geborene Kläger lebt zusammen mit seiner Lebensgefährtin in einer Bedarfgemeinschaft und bezieht von der Beklagten Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Sie bewohnen seit 1. April 2008 eine Wohnung, die mit selbst zu beschaffender Kohle zu heizen ist. Der Kläger und seine Lebensgefährtin sind als schwerbehinderte Menschen anerkannt; der Kläger seit 1997, ab Juli 2004 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60, seine Lebensgefährtin seit 1. Oktober 2000 mit einem GdB von 50.
Der Kläger ging ab 1. April 2008 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, die zum 12. September 2008 gekündigt wurde. Seine Lebensgefährtin schloss unter dem 30. Juni 2008 einen Arbeitsvertrag als Hilfskraft, der vom 1. Juli bis 19. Dezember 2008 befristet war und zum 28. Juli 2008 seitens des Arbeitgebers gekündigt wurde.
Auf Antrag des Klägers gewährte die Beklagte diesem und seiner Lebensgefährtin mit Bescheid vom 10. April 2008 Leistungen nach dem SGB II für den Monat April 2008. Den hiergegen seitens des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, es seien weder die Heizkosten noch ein Verpflegungsmehraufwand für Berufstätige berücksichtigt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2008 als unbegründet zurück.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger und seiner Lebensgefährtin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2008. Es ergingen in der Folgezeit diverse Änderungsbescheide wegen der Anrechnung unterschiedlich hohen Einkommens. Mit Bescheid vom 4. September 2008 hob die Beklagte die Leistungsbewilligung mit Wirkung zum 1. August 2008 auf, da die Hilfebedürftigkeit entfallen sei. Nach einem Weiterbewilligungsantrag gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Dezember 2008 Leistungen für die Zeit vom 8. Dezember 2008 bis 30. April 2009.
Bereits am 26. Mai 2008 hat der Kläger beim Sozialgericht gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2008 Klage erhoben. Die Beklagte sei zu verurteilen, "den Mehrbedarf für Arbeitnehmer mit schwerer körperlicher Arbeit und den Mehrbedarf für Schwerbehinderte (beide Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind als Schwerbehinderte gemäß dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) anerkannt) zu bewilligen und zu zahlen, ebenso die Leistungen für den Zeitraum bis zur ersten Lohnzahlung" und "die Heizkosten gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen und zu zahlen". Diese Anträge hat er im Laufe des erstinstanzlichen Klageverfahrens hinsichtlich des Zeitraumes auf den des Leistungsbezuges im Jahr 2008 konkretisiert.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29. Juni 2010 die Klage als unbegründet zurückgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Es hat das Klagebegehren ausweislich der Ausführungen in den Entscheidungsgründen auf den Monat April 2008 beschränkt.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 9. Juli 2010 Berufung eingelegt. Auf Bitte der Berichterstatterin klarzustellen, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe der Kläger Leistungen mit der Klage bzw. der Berufung begehre, hat er erwidert, seine Anträge bezögen sich auf den gesamten Leistungsbezug im Jahr 2008, mithin auf die Zeit von April bis Oktober 2008. Heizkosten mache er in Höhe von 625,34 EUR für diesen Zeitraum geltend.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
II.
Die Entscheidung des Sozialgerichts über die Nichtzulassung der Berufung war aufzuheben.
Die Berufung bedarf nicht der Zulassung nach § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Wert der Beschwer liegt über dem Wert des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG i.H.v. 750,00 EUR.
Die Berechnung des Beschwerdewertes im angegriffenen Urteil des Sozialgerichts ist falsch. Sie berücksichtigt nicht das Begehren des Klägers. Dieses war bereits in erster Instanz auf höhere Leistungen für den gesamten Leistungsbezug im Jahr 2008, seines Erachtens auf die Monate April bis Oktober 2008, gerichtet.
Allein der für diese Monate beanspruchte Mehrbedarf für schwerbehinderte Menschen nach § 21 Abs. 4 SGB II i.H.v. 35% des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelsatzes übersteigt den Berufungsstreitwert. So betrug der für den Kläger maßgebende Regelsatz bis Juni 2008 nach § 20 Abs. 3 SGB II 90% von 347,00 EUR, mithin 312,30 EUR sowie für die Monate ab Juli 2008 315,90 EUR (90% von 351,00 EUR). Der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II macht demnach einen monatlichen Betrag i.H.v. 109,31 EUR für die Monate April bis Juni 2008 sowie i.H.v. 110,57 EUR für die Monate Juli bis Oktober 2008 aus, folglich 770,21 EUR für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum. Hinzuzurechnen sind die begehrten Heizkosten, sodass die Gesamtberufungssumme bei 1.385,55 EUR liegt.
Dem Kläger hat mithin zu Recht Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt. Der Nichtzulassung der Berufung kommt keine konstitutive Bedeutung zu. Dieser Umstand lässt aber nicht das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer zumindest klarstellenden Entscheidung über die Nichtzulassung entfallen. Die Entscheidung des Sozialgerichts erweckt den Anschein, die Berufung gegen das Urteil sei kraft Gesetzes ausgeschlossen und bedürfe zu ihrer Statthaftigkeit einer besonderen Zulassung durch das Gericht. Dieser belastende Rechtsschein führt zu einem berechtigten Interesse des Klägers an der Aufhebung des unrichtigen Ausspruchs des Sozialgerichts (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 5. November 1992, 12 CZ 92.1535, Rn. 13; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Juni 2008, L 9 KR 47/04 NZB, Rn. 6, beide zitiert nach Juris).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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