Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AL 4451/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 977/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe und die Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung.
Die am 22.03.1950 geborene Klägerin reiste mit ihrem Ehemann und ihren drei Söhnen am 14.09.1990 aus der (heutigen) Ukraine in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie ist mit Bescheid des Bundeamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25.11.1994 als Asylberechtigte anerkannt worden. Am 23.06.1995 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Eingliederungsleistungen für Aussiedler. Sie gab hierbei an, bis Juli 1990 in der Ukraine beschäftigt gewesen zu sein. Vom Zeitpunkt ihrer Ausreise bis zum 22.06.1995 sei sie ohne Arbeit gewesen.
Mit Bescheid vom 28.06.1995 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Eingliederungshilfe ab. Sie führte zur Begründung an, die Klägerin habe im letzten Jahr vor ihrer Arbeitslosmeldung keine 150 Kalendertage beitragspflichtig gearbeitet. Weitere anspruchsbegründende Sachverhalte lägen nicht vor. Mit einem Schreiben vom 18.08.1995 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und brachte vor, um eine Arbeitsstelle zu erhalten, die ihrer Ausbildung entsprechen würde, fehle es ihr an den entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache. Deswegen habe sie sich an die Beklagte gewandt, um Eingliederungshilfe für die Dauer von sechs Monaten während der Teilnahme an einem ganztägigen Deutsch-Sprachlehrgang zu erhalten. Ein Anspruch in diesem Sinne bestehe nach § 62 a Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Ihr Anliegen sei hingegen nach § 62 a Abs. 1 AFG behandelt worden, was fehlerhaft sei. Mit Schreiben vom 24. August 1995 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass aufgrund des Schreibens vom 18.08.1995 der Sachverhalt überprüft worden sei. Hiernach sei jedoch die ablehnende Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie im Bescheid vom 28.06.1995 zutreffend entschieden worden sei, bestehe kein Anspruch auf Eingliederungshilfe, da sie innerhalb des letzten Jahres im Aussiedlungsgebiet nicht mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden habe, die bei Ausübung im Geltungsbereich des AFG Beitragspflicht begründet hätte. Die Leistungsablehnung basiere korrekterweise auf § 62 a Abs. 1 AFG. Eine Förderung nach § 62a Abs. 4 AFG, wie sie von der Klägerin begehrt werde, setzte zwingend voraus, dass sie Teilnehmerin an einem Deutsch- Sprachkurs sei. Dies sei jedoch nicht der Fall, so dass eine Zahlung von Eingliederungshilfe nicht möglich sei.
Die Klägerin war sodann als Verkäuferin und Altenpflegerin versicherungspflichtig beschäftigt. Ferner war sie freiberuflich als Bildhauerin tätig. Nach Beendigung ihrer Erwerbstätigkeit bei der A.-B. KG meldete sie sich am 16.07.2002 bei der Beklagten arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Ab dem 01.09.2002 war sie neuerlich erwerbstätig.
Mit Schreiben vom 01.03.2006 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und teilte mit, sie sei Ende 1994 in der Bundesrepublik als Asylberechtigte anerkannt worden. Es sei die Pflicht der Beklagten, eine Maßnahme durchzuführen, die die Eingliederung und Einbürgerung der politischen Flüchtlinge erleichtere. Die Beklagte habe dies jedoch unterlassen. Ihr sei keinerlei Unterstützung von Seiten der Beklagten beim Erlernen der deutschen Sprache zu Teil geworden, weswegen ihr ein großer Schaden entstanden sei, für den sie nunmehr eine angemessene Entschädigung fordere. Mit Schreiben vom 24.03.2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Anliegen geprüft worden sei. Es sei jedoch festzustellen, dass mit ihr im Jahr 1995 die Möglichkeit und die Bedingungen für den Besuch von Sprachkursen erörtert worden seien. Eine Unterstützung sei der Klägerin angeboten worden, weswegen ein Grund für eine Entschädigung nicht gegeben sei. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie vortrug, sie sei ein anerkannter politischer Flüchtling. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr beim Erlernen der deutschen Sprache Hilfe zu Teil werden zu lassen. Dies sei unterblieben. Sie habe im Laufe mehrerer Jahre um die Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache gebeten. Wegen der fehlenden Unterstützung sei sie im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Eingliederung und beim Erwerb eines Arbeitsplatzes stark benachteiligt worden. Dies habe zu einer schweren psychischen Erkrankung geführt, weswegen sie zu entschädigen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2006 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Sie begründete dies damit, dass Schreiben vom 24.03.2006 stelle keinen Verwaltungsakt dar.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen ([SG] - S 9 AL 1543/06 - ), die mit Gerichtsbescheid vom 20.06.2006 abgewiesen wurde. Das SG begründete seine Entscheidung damit, bei dem Schreiben der Beklagten vom 24.03.2006, gegen welches sich der Widerspruch der Klägerin richte, handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Hiergegen legte die Klägerin am 24.07.2006 Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg ein (- L 8 AL 3684/06 -). Mit Schreiben vom 28.03.2008 teilte die Klägerin mit, sie wolle im Rahmen des Verfahrens erreichen, dass die Beklagte verpflichtet werde, den rechtswidrigen Verwaltungsakt von 1995 aufzuheben und einen Betrag - entsprechend der Eingliederungshilfe - an sie zu leisten sowie für die Zeitdauer von 1995 bis 01.03.2000 Pflichtbeiträge zu entrichten, die aufgrund der zu gewährenden Eingliederungshilfe erbracht worden wären, und diese an die Rentenversicherung nachzuzahlen. Mit Schriftsatz vom 11. Juni 2008 erklärte sich die Beklagte bereit, das Schreiben der Klägerin vom 28.03.2008 als Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu werten und einen Bescheid zu erteilen. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 05.07.2008 ihre Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Einigung, woraufhin das Berufungsverfahren abgeschlossen wurde.
Mit Bescheid vom 22.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 28.06.1995 ab. Sie führte begründend an, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei, so dass es bei der Entscheidung verbleibe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 zurück. Sie führte hierzu aus, die Klägerin habe nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung sprechen könnte.
Hiergegen hat die Klägerin am 16.12.2008 Klage zum SG erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, sie und ihr Ehegatte hätten im Jahr 1987 in der ehemaligen UdSSR einen Familienbetrieb gegründet, sie seien jedoch durch das ständige Bedrängen durch den KGB zu dem Entschluss gelangt, die UdSSR zu verlassen. Sie habe am 26.04.1995 eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis als Asylberechtigte erhalten und sich als arbeitssuchend gemeldet. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten sei ihr Begehren, eine Sprachförderung zu erhalten, abgelehnt worden. Deswegen sei das Erlernen der deutschen Sprache erheblich erschwert worden. Aufgrund der fehlenden Unterstützung habe sie ca. fünf Jahre bei der Suche nach einem Arbeitsplatz verloren. Sie habe, da sie die deutsche Sprache selbständig habe erlernen müssen, erst ab dem 01.03.2000 einen Arbeitsplatz erhalten. Neben der ausgeübten selbständigen Tätigkeit habe sie im Sommer 1990 eine beitragspflichtige vollzeitige Beschäftigung für die Dauer von 72 Tagen ausgeübt. Hierzu hat die Klägerin eine Mehrfertigung ihres Arbeitsbuches vorgelegt. Hieraus ergebe sich, dass sie Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 62 a Abs. 4 AFG gehabt habe. Die Beklagte solle mit der Klage verpflichtet werden, ihre materiellen Rechte hieraus wieder herzustellen. Sie fordere deswegen die Aufhebung der rechtswidrigen Entscheidung von 1995 sowie die Leistung des entsprechenden Betrages (= Eingliederungshilfe, die ihrer Qualifikation entspricht) durch die Beklagte an sie. Die Beklagte solle verpflichtet werden, für die Zeitdauer von 1995 bis 01.03.2000 die Pflichtbeiträge, die aufgrund entsprechender Eingliederungshilfe berechnet worden wären, in die Rentenversicherung nachzuzahlen. Anlässlich einer nicht öffentlichen Sitzung des SG am 07.04.2009 erklärte die Klägerin, sie begehre die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 28.06.1995 und dessen Aufhebung. Weitergehende Ansprüche wurden im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.01.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass Begehren der Klägerin sei sinngemäß auf Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 28.06.1995 gerichtet, wobei die Klägerin begehre, ihr auf ihren Antrag vom 23.06.1995 hin Eingliederungshilfe zu gewähren und für die Dauer von 1995 bis 01.03.2000 Pflichtbeiträge an die Rentenversicherung nachzuzahlen, die aufgrund entsprechender Eingliederungshilfe berechnet worden wären. Im Sinne dieser Auslegung könne jedoch offen bleiben, ob die Entscheidung der Beklagten rechtmäßig sei, da § 44 Abs. 4 SGB X auch im Falle der Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung vom 28.06.1995 einen Nachzahlung von Eingliederungshilfe sowie die Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung ausschließe. Der für die hierin niedergelegte Vierjahresfrist maßgebliche Antrag auf Überprüfung der Entscheidung datiere vom 28.03.2008. Die Zahlung von Eingliederungshilfe einschließlich der Nachentrichtung von Beiträgen werde für den Zeitraum 1995 bis 2000 begehrt, mithin für einen Zeitraum, der außerhalb der Vierjahresfrist liege. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch dann nicht, wenn zugunsten der Klägerin angenommen werde, dass bereits mit Schreiben vom 18.08.1995 ein Überprüfungsantrag gestellt worden sei. Im Schreiben der Beklagten vom 24.08.1995 sei der Klägerin eindeutig mitgeteilt worden, dass die Ablehnungsentscheidung vom 28.06.1995 erneut überprüft worden sei. Dies stelle einen Verwaltungsakt dar. Zwar beinhalte das Schreiben keine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung, dies führe jedoch nach § 66 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dazu, dass die Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs nicht einen Monat, sondern ein Jahr betrage. Jedoch lasse sich weder aus der vorgelegten Verwaltungsakte, noch aus dem Vortrag der Klägerin entnehmen, dass sie sich gegen das Schreiben der Beklagten vom 24. August 1995 innerhalb der Jahresfrist in irgend einer Form gewandt hätte. Ein Überprüfungsverfahren sei daher bestandskräftig abgeschlossen gewesen.
Gegen den ihr am 29.01.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.02.2010 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt sie vor, sie habe in ihrer Person die gesetzlichen Voraussetzungen für den Besuch der Kurse für das Erlernen der deutschen Sprache erfüllt. Die vorgelegte Kopie des Arbeitsbuches bestätige ihren Vortrag, sie sei im letzten Jahr vor ihrer Ausreise mindestens 70 Kalendertage beschäftigt gewesen. Die Begründung des ablehnenden Bescheides vom 28.06.1995 sei offensichtlich fehlerhaft, da der Gesetzgeber nicht das Jahr vor der Arbeitslosmeldung, sondern das letzte Jahr vor der Ausreise als Anknüpfungspunkt festgeschrieben habe. Sie sei, da sie keine Leistungen von der Beklagten bezogen habe, bedürftig gewesen, was gleichfalls Voraussetzung für die Gewährung von Eingliederungshilfe sei. Ihr Fall sei nach § 62 a Abs. 4 AFG zu beurteilen. Dort werde lediglich das Erfordernis aufgestellt, im letzten Jahr vor der Ausreise 70 Kalendertage gearbeitet zu haben. Der Zeitraum, in dem sie erwerbstätig gewesen sei - 04.06.1990 bis 15.08.1990 - entspreche 72 Kalendertagen. Überdies habe sie von 1987 an bis zu ihrer Ausweise mit ihrem Ehegatten einen Familienbetrieb geführt. Der Bescheid vom 28.06.1995 sei daher in vielerlei Hinsicht rechtswidrig und müsse nach § 44 SGB X aufgehoben werden. Sie fordere daher die Aufhebung des Bescheides vom 28.06.1995 und die Erstellung eines neuen Bescheides im Sinne des § 44 SGB X, die Auszahlung eines Betrages in Höhe der Eingliederungshilfe an die Klägerin sowie die Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen an die Rentenversicherung für den Zeitraum von Juli 1995 bis März 2010. Sie bringt ferner vor, dass die geltend gemachten Ansprüche nach ihrer Auffassung nicht verjährt seien. Sie habe nach der Genfer Konvention Anspruch auf Gleichstellung, weswegen das AFG wohlwollend auszulegen sei. Auf Hinweis des Gerichts erklärt sie sodann, sie mache Rentenbeiträge für maximal sechs Monate geltend.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 zu verurteilen, den Bescheid vom 28. Juni 1995 aufzuheben und ihr auf ihren Antrag vom 23. Juni 1995 Eingliederungsleistungen für Aussiedler zu bewilligen sowie Beiträge zur Rentenversicherung für einen Zeitraum von sechs Monaten nachzuentrichten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides sowie ihrem Vortrag im Verfahren der ersten Instanz. Die Ausführungen der Klägerin zur Begründung der Berufung seien nicht geeignet, die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Gerichtsbescheides, insbesondere zu § 44 Abs. 4 SGB X zu widerlegen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die Verfahrensakte des SG (- S 10 AL 4451/08 - ) und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (- L 8 AL 3684/06 -) sowie die bei der Beklagten für die Klägerin geführte Leistungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2010 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, Berufungsausschließungsgründe i.S.d. § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, Leistungen der Eingliederungshilfe und Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X zu erhalten.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. § 44 Abs. 4 SGB X entfaltet anspruchsvernichtende Wirkung. Kann die begehrte Überprüfung des Bescheides nach § 44 Abs. 4 SGB X keine Wirkung mehr entfalten, ist nicht zu prüfen, ob der unanfechtbare belastbare Verwaltungsakt rechtswidrig war (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 06.03.1991 - 9b RAr 7/90 -; Urteil vom 15.12.1992 - 10 RKg 11/92 - zit. nach juris). Durch die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er mit der Regelung über den Zugunstenbescheid keine umfassende Wiedereinsetzung in den vor dem Eintritt der Bindungswirkung des nicht begünstigenden Verwaltungsaktes bestehenden Verfahrensstand bezweckt. Für den Betroffenen besteht insofern auch kein Überprüfungsanspruch (BSG, Beschluss vom 26.10.1994 - 8 BH (Kn) 1/94 - zit. nach juris).
Sozialleistungen i.S.d. § 44 SGB X sind hierbei entsprechend der Legaldefinition des § 11 Sozialgesetzbuch Erstes Buch Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Hierunter fällt nicht nur die begehrte Eingliederungshilfe, sondern auch die begehrte Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung in Form einer dem Versicherten nicht unmittelbar ausgezahlten, aber ihm rentenversicherungsrechtlich zugutekommenden Geldleistung (vgl. BSG, Beschluss vom 25.08.2009 - B 3 KS 1/09 B – zit. nach juris).
Die Vier- Jahres- Zeitraum wird gemäß § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Die Vierjahresfrist rechnet vorliegend vom Zeitpunkt der Antragstellung, dem 28. März 2008 auf den 28. März 2004 zurück. Die von der Klägerin geltend gemachten Leistungen der Eingliederungshilfe sowie der Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung werden für die Zeit von 1995 bis 1996 begehrt. Dieser Zeitraum liegt außerhalb des Vier- Jahres- Zeitraumes, weswegen die begehrten Leistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X nicht erbracht werden können. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28.06.1995 scheidet hiernach aus. Ob die Klägerin in ihrer Person die Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe erfüllt hat, ist hiernach nicht entscheidungserheblich.
Der Bescheid der Beklagten vom 20.Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008, mit dem sie es abgelehnt hat, den Bescheid vom 28.06.1995 aufzuheben, ist hiernach rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe und die Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung.
Die am 22.03.1950 geborene Klägerin reiste mit ihrem Ehemann und ihren drei Söhnen am 14.09.1990 aus der (heutigen) Ukraine in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie ist mit Bescheid des Bundeamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25.11.1994 als Asylberechtigte anerkannt worden. Am 23.06.1995 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Eingliederungsleistungen für Aussiedler. Sie gab hierbei an, bis Juli 1990 in der Ukraine beschäftigt gewesen zu sein. Vom Zeitpunkt ihrer Ausreise bis zum 22.06.1995 sei sie ohne Arbeit gewesen.
Mit Bescheid vom 28.06.1995 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Eingliederungshilfe ab. Sie führte zur Begründung an, die Klägerin habe im letzten Jahr vor ihrer Arbeitslosmeldung keine 150 Kalendertage beitragspflichtig gearbeitet. Weitere anspruchsbegründende Sachverhalte lägen nicht vor. Mit einem Schreiben vom 18.08.1995 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und brachte vor, um eine Arbeitsstelle zu erhalten, die ihrer Ausbildung entsprechen würde, fehle es ihr an den entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache. Deswegen habe sie sich an die Beklagte gewandt, um Eingliederungshilfe für die Dauer von sechs Monaten während der Teilnahme an einem ganztägigen Deutsch-Sprachlehrgang zu erhalten. Ein Anspruch in diesem Sinne bestehe nach § 62 a Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Ihr Anliegen sei hingegen nach § 62 a Abs. 1 AFG behandelt worden, was fehlerhaft sei. Mit Schreiben vom 24. August 1995 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass aufgrund des Schreibens vom 18.08.1995 der Sachverhalt überprüft worden sei. Hiernach sei jedoch die ablehnende Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie im Bescheid vom 28.06.1995 zutreffend entschieden worden sei, bestehe kein Anspruch auf Eingliederungshilfe, da sie innerhalb des letzten Jahres im Aussiedlungsgebiet nicht mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden habe, die bei Ausübung im Geltungsbereich des AFG Beitragspflicht begründet hätte. Die Leistungsablehnung basiere korrekterweise auf § 62 a Abs. 1 AFG. Eine Förderung nach § 62a Abs. 4 AFG, wie sie von der Klägerin begehrt werde, setzte zwingend voraus, dass sie Teilnehmerin an einem Deutsch- Sprachkurs sei. Dies sei jedoch nicht der Fall, so dass eine Zahlung von Eingliederungshilfe nicht möglich sei.
Die Klägerin war sodann als Verkäuferin und Altenpflegerin versicherungspflichtig beschäftigt. Ferner war sie freiberuflich als Bildhauerin tätig. Nach Beendigung ihrer Erwerbstätigkeit bei der A.-B. KG meldete sie sich am 16.07.2002 bei der Beklagten arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Ab dem 01.09.2002 war sie neuerlich erwerbstätig.
Mit Schreiben vom 01.03.2006 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und teilte mit, sie sei Ende 1994 in der Bundesrepublik als Asylberechtigte anerkannt worden. Es sei die Pflicht der Beklagten, eine Maßnahme durchzuführen, die die Eingliederung und Einbürgerung der politischen Flüchtlinge erleichtere. Die Beklagte habe dies jedoch unterlassen. Ihr sei keinerlei Unterstützung von Seiten der Beklagten beim Erlernen der deutschen Sprache zu Teil geworden, weswegen ihr ein großer Schaden entstanden sei, für den sie nunmehr eine angemessene Entschädigung fordere. Mit Schreiben vom 24.03.2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Anliegen geprüft worden sei. Es sei jedoch festzustellen, dass mit ihr im Jahr 1995 die Möglichkeit und die Bedingungen für den Besuch von Sprachkursen erörtert worden seien. Eine Unterstützung sei der Klägerin angeboten worden, weswegen ein Grund für eine Entschädigung nicht gegeben sei. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie vortrug, sie sei ein anerkannter politischer Flüchtling. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr beim Erlernen der deutschen Sprache Hilfe zu Teil werden zu lassen. Dies sei unterblieben. Sie habe im Laufe mehrerer Jahre um die Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache gebeten. Wegen der fehlenden Unterstützung sei sie im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Eingliederung und beim Erwerb eines Arbeitsplatzes stark benachteiligt worden. Dies habe zu einer schweren psychischen Erkrankung geführt, weswegen sie zu entschädigen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2006 verwarf die Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Sie begründete dies damit, dass Schreiben vom 24.03.2006 stelle keinen Verwaltungsakt dar.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen ([SG] - S 9 AL 1543/06 - ), die mit Gerichtsbescheid vom 20.06.2006 abgewiesen wurde. Das SG begründete seine Entscheidung damit, bei dem Schreiben der Beklagten vom 24.03.2006, gegen welches sich der Widerspruch der Klägerin richte, handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Hiergegen legte die Klägerin am 24.07.2006 Berufung zum Landessozialgericht Baden- Württemberg ein (- L 8 AL 3684/06 -). Mit Schreiben vom 28.03.2008 teilte die Klägerin mit, sie wolle im Rahmen des Verfahrens erreichen, dass die Beklagte verpflichtet werde, den rechtswidrigen Verwaltungsakt von 1995 aufzuheben und einen Betrag - entsprechend der Eingliederungshilfe - an sie zu leisten sowie für die Zeitdauer von 1995 bis 01.03.2000 Pflichtbeiträge zu entrichten, die aufgrund der zu gewährenden Eingliederungshilfe erbracht worden wären, und diese an die Rentenversicherung nachzuzahlen. Mit Schriftsatz vom 11. Juni 2008 erklärte sich die Beklagte bereit, das Schreiben der Klägerin vom 28.03.2008 als Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu werten und einen Bescheid zu erteilen. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 05.07.2008 ihre Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Einigung, woraufhin das Berufungsverfahren abgeschlossen wurde.
Mit Bescheid vom 22.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 28.06.1995 ab. Sie führte begründend an, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei, so dass es bei der Entscheidung verbleibe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 zurück. Sie führte hierzu aus, die Klägerin habe nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung sprechen könnte.
Hiergegen hat die Klägerin am 16.12.2008 Klage zum SG erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, sie und ihr Ehegatte hätten im Jahr 1987 in der ehemaligen UdSSR einen Familienbetrieb gegründet, sie seien jedoch durch das ständige Bedrängen durch den KGB zu dem Entschluss gelangt, die UdSSR zu verlassen. Sie habe am 26.04.1995 eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis als Asylberechtigte erhalten und sich als arbeitssuchend gemeldet. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten sei ihr Begehren, eine Sprachförderung zu erhalten, abgelehnt worden. Deswegen sei das Erlernen der deutschen Sprache erheblich erschwert worden. Aufgrund der fehlenden Unterstützung habe sie ca. fünf Jahre bei der Suche nach einem Arbeitsplatz verloren. Sie habe, da sie die deutsche Sprache selbständig habe erlernen müssen, erst ab dem 01.03.2000 einen Arbeitsplatz erhalten. Neben der ausgeübten selbständigen Tätigkeit habe sie im Sommer 1990 eine beitragspflichtige vollzeitige Beschäftigung für die Dauer von 72 Tagen ausgeübt. Hierzu hat die Klägerin eine Mehrfertigung ihres Arbeitsbuches vorgelegt. Hieraus ergebe sich, dass sie Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 62 a Abs. 4 AFG gehabt habe. Die Beklagte solle mit der Klage verpflichtet werden, ihre materiellen Rechte hieraus wieder herzustellen. Sie fordere deswegen die Aufhebung der rechtswidrigen Entscheidung von 1995 sowie die Leistung des entsprechenden Betrages (= Eingliederungshilfe, die ihrer Qualifikation entspricht) durch die Beklagte an sie. Die Beklagte solle verpflichtet werden, für die Zeitdauer von 1995 bis 01.03.2000 die Pflichtbeiträge, die aufgrund entsprechender Eingliederungshilfe berechnet worden wären, in die Rentenversicherung nachzuzahlen. Anlässlich einer nicht öffentlichen Sitzung des SG am 07.04.2009 erklärte die Klägerin, sie begehre die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 28.06.1995 und dessen Aufhebung. Weitergehende Ansprüche wurden im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.01.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass Begehren der Klägerin sei sinngemäß auf Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 28.06.1995 gerichtet, wobei die Klägerin begehre, ihr auf ihren Antrag vom 23.06.1995 hin Eingliederungshilfe zu gewähren und für die Dauer von 1995 bis 01.03.2000 Pflichtbeiträge an die Rentenversicherung nachzuzahlen, die aufgrund entsprechender Eingliederungshilfe berechnet worden wären. Im Sinne dieser Auslegung könne jedoch offen bleiben, ob die Entscheidung der Beklagten rechtmäßig sei, da § 44 Abs. 4 SGB X auch im Falle der Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung vom 28.06.1995 einen Nachzahlung von Eingliederungshilfe sowie die Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung ausschließe. Der für die hierin niedergelegte Vierjahresfrist maßgebliche Antrag auf Überprüfung der Entscheidung datiere vom 28.03.2008. Die Zahlung von Eingliederungshilfe einschließlich der Nachentrichtung von Beiträgen werde für den Zeitraum 1995 bis 2000 begehrt, mithin für einen Zeitraum, der außerhalb der Vierjahresfrist liege. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch dann nicht, wenn zugunsten der Klägerin angenommen werde, dass bereits mit Schreiben vom 18.08.1995 ein Überprüfungsantrag gestellt worden sei. Im Schreiben der Beklagten vom 24.08.1995 sei der Klägerin eindeutig mitgeteilt worden, dass die Ablehnungsentscheidung vom 28.06.1995 erneut überprüft worden sei. Dies stelle einen Verwaltungsakt dar. Zwar beinhalte das Schreiben keine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung, dies führe jedoch nach § 66 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dazu, dass die Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs nicht einen Monat, sondern ein Jahr betrage. Jedoch lasse sich weder aus der vorgelegten Verwaltungsakte, noch aus dem Vortrag der Klägerin entnehmen, dass sie sich gegen das Schreiben der Beklagten vom 24. August 1995 innerhalb der Jahresfrist in irgend einer Form gewandt hätte. Ein Überprüfungsverfahren sei daher bestandskräftig abgeschlossen gewesen.
Gegen den ihr am 29.01.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.02.2010 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt sie vor, sie habe in ihrer Person die gesetzlichen Voraussetzungen für den Besuch der Kurse für das Erlernen der deutschen Sprache erfüllt. Die vorgelegte Kopie des Arbeitsbuches bestätige ihren Vortrag, sie sei im letzten Jahr vor ihrer Ausreise mindestens 70 Kalendertage beschäftigt gewesen. Die Begründung des ablehnenden Bescheides vom 28.06.1995 sei offensichtlich fehlerhaft, da der Gesetzgeber nicht das Jahr vor der Arbeitslosmeldung, sondern das letzte Jahr vor der Ausreise als Anknüpfungspunkt festgeschrieben habe. Sie sei, da sie keine Leistungen von der Beklagten bezogen habe, bedürftig gewesen, was gleichfalls Voraussetzung für die Gewährung von Eingliederungshilfe sei. Ihr Fall sei nach § 62 a Abs. 4 AFG zu beurteilen. Dort werde lediglich das Erfordernis aufgestellt, im letzten Jahr vor der Ausreise 70 Kalendertage gearbeitet zu haben. Der Zeitraum, in dem sie erwerbstätig gewesen sei - 04.06.1990 bis 15.08.1990 - entspreche 72 Kalendertagen. Überdies habe sie von 1987 an bis zu ihrer Ausweise mit ihrem Ehegatten einen Familienbetrieb geführt. Der Bescheid vom 28.06.1995 sei daher in vielerlei Hinsicht rechtswidrig und müsse nach § 44 SGB X aufgehoben werden. Sie fordere daher die Aufhebung des Bescheides vom 28.06.1995 und die Erstellung eines neuen Bescheides im Sinne des § 44 SGB X, die Auszahlung eines Betrages in Höhe der Eingliederungshilfe an die Klägerin sowie die Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen an die Rentenversicherung für den Zeitraum von Juli 1995 bis März 2010. Sie bringt ferner vor, dass die geltend gemachten Ansprüche nach ihrer Auffassung nicht verjährt seien. Sie habe nach der Genfer Konvention Anspruch auf Gleichstellung, weswegen das AFG wohlwollend auszulegen sei. Auf Hinweis des Gerichts erklärt sie sodann, sie mache Rentenbeiträge für maximal sechs Monate geltend.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 zu verurteilen, den Bescheid vom 28. Juni 1995 aufzuheben und ihr auf ihren Antrag vom 23. Juni 1995 Eingliederungsleistungen für Aussiedler zu bewilligen sowie Beiträge zur Rentenversicherung für einen Zeitraum von sechs Monaten nachzuentrichten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides sowie ihrem Vortrag im Verfahren der ersten Instanz. Die Ausführungen der Klägerin zur Begründung der Berufung seien nicht geeignet, die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Gerichtsbescheides, insbesondere zu § 44 Abs. 4 SGB X zu widerlegen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die Verfahrensakte des SG (- S 10 AL 4451/08 - ) und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (- L 8 AL 3684/06 -) sowie die bei der Beklagten für die Klägerin geführte Leistungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2010 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, Berufungsausschließungsgründe i.S.d. § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, Leistungen der Eingliederungshilfe und Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X zu erhalten.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. § 44 Abs. 4 SGB X entfaltet anspruchsvernichtende Wirkung. Kann die begehrte Überprüfung des Bescheides nach § 44 Abs. 4 SGB X keine Wirkung mehr entfalten, ist nicht zu prüfen, ob der unanfechtbare belastbare Verwaltungsakt rechtswidrig war (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 06.03.1991 - 9b RAr 7/90 -; Urteil vom 15.12.1992 - 10 RKg 11/92 - zit. nach juris). Durch die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er mit der Regelung über den Zugunstenbescheid keine umfassende Wiedereinsetzung in den vor dem Eintritt der Bindungswirkung des nicht begünstigenden Verwaltungsaktes bestehenden Verfahrensstand bezweckt. Für den Betroffenen besteht insofern auch kein Überprüfungsanspruch (BSG, Beschluss vom 26.10.1994 - 8 BH (Kn) 1/94 - zit. nach juris).
Sozialleistungen i.S.d. § 44 SGB X sind hierbei entsprechend der Legaldefinition des § 11 Sozialgesetzbuch Erstes Buch Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Hierunter fällt nicht nur die begehrte Eingliederungshilfe, sondern auch die begehrte Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung in Form einer dem Versicherten nicht unmittelbar ausgezahlten, aber ihm rentenversicherungsrechtlich zugutekommenden Geldleistung (vgl. BSG, Beschluss vom 25.08.2009 - B 3 KS 1/09 B – zit. nach juris).
Die Vier- Jahres- Zeitraum wird gemäß § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Die Vierjahresfrist rechnet vorliegend vom Zeitpunkt der Antragstellung, dem 28. März 2008 auf den 28. März 2004 zurück. Die von der Klägerin geltend gemachten Leistungen der Eingliederungshilfe sowie der Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung werden für die Zeit von 1995 bis 1996 begehrt. Dieser Zeitraum liegt außerhalb des Vier- Jahres- Zeitraumes, weswegen die begehrten Leistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X nicht erbracht werden können. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28.06.1995 scheidet hiernach aus. Ob die Klägerin in ihrer Person die Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe erfüllt hat, ist hiernach nicht entscheidungserheblich.
Der Bescheid der Beklagten vom 20.Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008, mit dem sie es abgelehnt hat, den Bescheid vom 28.06.1995 aufzuheben, ist hiernach rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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