L 13 R 3450/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 3179/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3450/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. Mai 2008 abgeändert und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 12. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 und des Bescheides vom 15. Juli 2008 verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. Februar 2008 auf Dauer zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu einem Drittel zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geborene Kläger erlernte vom 1. September 1968 bis 31. Juli 1970 den Beruf eines Elektromonteurs Energie (s. Facharbeiterzeugnis vom 19. Juli 1970), den er bis 1975 ausübte. Von 1976 bis 1977 erlernte er den Ausbildungsberuf des Baumaschinisten -Spezialisierung Flachbagger- (s. Facharbeiterzeugnis vom 5. August 1977), den er -auch nach Übersiedelung aus der DDR 1988- bis 1997 ausübte. Vom 2. Februar bis 31. Juli 1998 absolvierte der Kläger erfolgreich eine von der Bundesanstalt für Arbeit geförderte Maßnahme zum Bus-Touristik-Organisator (Umschulungsmaßnahme Nr. 6745998). Ausbildungsschwerpunkt der Maßnahme waren umfangreiches Wissen der Klassen 3, 2 und KOM, intensive Fahrpraxis auf Omnibussen im In- und Ausland, Ausbildung zum Reiseleiter und praktische Anwendung im In- und Ausland, Länderkunde, Erste Hilfe, EDV-Einweisung und Werkstattausbildung (s. Zeugnis vom 31. Juli 1998). Anschließend war der Kläger als Busfahrer beschäftigt, zuletzt bei S. R. GmbH in M ...

Nachdem der Kläger ab 16. Januar 2003 arbeitsunfähig erkrankt war, wurde er am 21. März 2003 im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) an der Bandscheibe (C5/6) operiert. Vom 3. bis 30. April 2003 absolvierte der Kläger in Bad W. eine Heilbehandlung. Im ärztlichen Entlassungsbericht vom 8. Mai 2003 gelangten die behandelnden Ärzte zu der Auffassung, der Kläger könne mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten. Die Tätigkeiten als Busfahrer könne der Kläger 6 Stunden und mehr verrichten, wobei ein luftgefederter Fahrersitz zur Verfügung gestellt werden sollte.

Am 3. Dezember 2003 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Im Auftrag der Beklagten erstellte Sozialmediziner Dr. Se. das Gutachten vom 10. März 2004. Der Kläger könne 6 Stunden und mehr als Busfahrer arbeiten und sonstige leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen verrichten. Nicht geeignet seien schwere körperliche Dauerbelastungen, einseitige Zwangshaltungen, Überkopfbelastungen links, schweres Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken und vermehrte Vibrations- und Erschütterungsbelastungen. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei zur Zeit eher grenzwertig, weshalb eine Rehabilitation befürwortet werde. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 12. März 2004 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, bot aber gleichzeitig ein Heilverfahren an, das der Kläger vom 1. bis 22. April 2004 in Bad Ki. absolvierte. Im Entlassungsbericht vom 18. Mai 2004 gelangten die behandelnden Ärzte zu der Auffassung, dass der Kläger als Busfahrer 6 Stunden und mehr arbeiten könne. Zum weiteren Erhalt der Erwerbsfähigkeit seien weiterhin stabilisierende begleitende krankengymnastische Übungen nötig. Zuzumuten seien weiterhin leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen und ohne Überkopfarbeiten. Durch Widerspruchsbescheid vom 30. September 2004 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger könne als Busfahrer noch 6 Stunden und mehr täglich arbeiten.

Am 22. Oktober 2004 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Das SG hat von der behandelnden Orthopädin Dr. Ka. die Sachverständigen Zeugenaussage vom 4. März 2005 eingeholt, nach der eine wechselnde Tätigkeit zwischen Sitzen, Stehen und Gehen wichtig sei, was als Busfahrer nicht gewährleistet sei. Wechselnde Tätigkeiten, Sitzen, Gehen, Stehen ohne Tragen oder Bewegen sowie Heben von Lasten sollten möglich sein, wobei häufiges Bücken oder längeres Sitzen mit länger währenden Armhebungen über 80 Grad vermieden werden sollte. Eine solche Tätigkeit könne sechsstündig verrichtet werden. Das SG hat hierauf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. He. vom 30. Juni 2005 eingeholt. Dr. He. ist zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger nur noch eine leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit ausüben könne. Heben und Tragen von bis zu 15 kg in stabilisierter aufrechter Rumpfhaltung sei dabei zumindest gelegentlich genauso möglich, wie Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg in Rumpfvor- oder -seitneigung. Diese Hebe- und Tragevorgänge sollten allerdings nur gelegentlich (3 bis 6 Mal pro Arbeitsschicht) abverlangt werden. Anhaltendes Arbeiten in Zwangshaltungen der HWS und LWS (z. Bsp. im Rumpfvorneigung oder Seitneigung, in maximaler Kopfdrehung oder Kopfrücklage) seien nicht mehr leidensgerecht. Anfallende Arbeiten sollten idealerweise in wechselnden Körperhaltungen (Sitzen, Gehen und Stehen) ausgeübt werden. Vor diesem Hintergrund sei der aktuell ausgeübte Beruf des Busfahrers sicherlich nicht optimal. Ein gravierender körperlicher Schaden sei durch die ausschließlich sitzende Tätigkeit nicht zu erwarten. Die monotone Körperhaltung möge aber durchaus das subjektive Schmerzempfinden negativ beeinflussen. Im Hinblick auf die Einschränkung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit seien Tätigkeiten, die den vollen Bewegungsumfang des Kopfes erforderlich machten, nicht geeignet.

Seit 12. September 2005 ist der Kläger wieder arbeitsunfähig erkrankt, und zwar wegen Osteochondrose der Wirbelsäule bei Spondylolisthesis. Am 4. November 2005 erfolgte eine dorsale Spondylodese im Segment L 5/S 1. Anschließend war der Kläger vom 6. bis 30. Dezember 2005 wiederum im Bad W. in einem Heilverfahren. Im Entlassungsbericht vom 27. Januar 2006 gelangten die behandelnden Ärzte zu der Auffassung, dass der Kläger als Busfahrer nur unter dreistündig einsatzfähig sei. Aufgrund zu erwartender verlängerter Rekonvaleszenz sei eine endgültige Leistungsbeurteilung frühestens nach vier bis fünf Monaten nach der Operation möglich. Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme der Ärztin für Chirurgie Dr. La. vom 31. März 2006 vorgelegt, nach der es sozialmedizinisch schlüssig sei, dass bis im April 2005 keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens auch für die Tätigkeit als Busfahrer begründbar sei. Im weiteren Verlauf sei es anscheinend zu einer Beschwerdezunahme von Seiten der LWS gekommen, so dass der Versicherte als Busfahrer arbeitsunfähig gewesen sei. Im November 2005 sei eine Versteifungsoperation des Segmentes L5/1 durchgeführt worden, in deren Folge naturgemäß eine ca. fünf- bis sechsmonatige Arbeits- und Leistungsunfähigkeit bestanden habe. Einen regelrechten Heilungsverlauf vorausgesetzt, sei davon auszugehen, dass der Kläger anschließend wieder über sechsstündig leistungsfähig werde für leichte ggf. auch bis mittelschwere Tätigkeiten, wobei das genaue Leistungsbild man erst dann einschätzen könne. Eine nochmalige orthopädische Begutachtung sei daher zu empfehlen.

Das SG hat hierauf Prof. Dr. Br. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt, der das Gutachten vom 30. Juni 2006 erstattet hat. Prof. Dr. Br. ist zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger im zuletzt ausgeübten Beruf als Berufsfahrer berufsunfähig sei, da ein mehrstündiges Sitzen am Lenkrad nicht mehr zumutbar sei. Ansonsten sei der Kläger bis 8 Stunden täglich einsetzbar. Bei der Tätigkeit sollte es sich um eine wechselnde Tätigkeit (Stehen und Sitzen im Wechsel) handeln, die Tätigkeit sollte eine leichte körperliche Tätigkeit sein ohne regelmäßiges Heben von schweren Gegenständen (maximal 5 bis 8 kg). Erforderlich seien zwei zusätzliche betriebsunübliche Pausen von je 15 Min. Die körperliche Leistungsfähigkeit in diesem Ausmaß bestehe seit der Operation am 4. November 2005. Auf Nachfrage des SG hat Prof. Dr. Br. die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 15. November 2006 abgegeben, nach der bei einer täglichen Arbeitszeit von 6 Stunden eine zusätzliche betriebsunübliche Pause ausreichen würde. Welche Auswirkungen mit welcher Wahrscheinlichkeit auftreten, für den Fall, dass die Pausen nicht eingehalten werden sollten, werde nicht gewagt zu beantworten. Nachdem die Beklagte auf die persönliche Verteilzeit hingewiesen hat, die in der Praxis des Arbeitslebens den Arbeitnehmern zur Verfügung stünde und erfahrungsgemäß etwa 10 % der Arbeitszeit ausmache, und der Kläger der Verwertung des Gutachtens entgegen getreten ist, hat Prof. Dr. Br. die ergänzende Stellungnahme vom 29. Januar 2007 abgegeben. Die empfohlenen Pausen seien zu einem fest geplanten Zeitpunkt unerlässlich, und zwar nach jeweils 1,5 Std. für 15 Min. vormittags und nachmittags bei einem 6 Std. Arbeitstag.

Der Kläger hat vom 12. Oktober bis 1. November 2006 wiederum in Bad W. ein - diesmal von der Krankenkasse gewährtes- Heilverfahren durchlaufen. Im ärztlichen Entlassungsbericht vom 20. November 2006 gelangten die behandelnden Ärzte zu der Auffassung, dass die Tätigkeit als Busfahrer sicher nicht mehr leidensgerecht sei. Für leichte Arbeiten mit wirbelsäulen- gerechtem Verhalten und wechselnden Arbeitspositionen sollte jedoch eine vollschichtige Leistungsfähigkeit erreichbar sein. Als Busfahrer bestünde ein unter dreistündiges Leistungsvermögen.

Das SG hat von Prof. Dr. Lu. das psychiatrische Gutachten vom 23. Mai 2007 eingeholt. Beim Kläger bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom, das im Zusammenhang mit den orthopädischen Krankheiten steht. Eine somatoforme Störung als eigenständige Erkrankung liege nicht vor.

Das SG hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG das neurochirurgische-psychosomatische Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. med. psych. Po. vom 2. Januar 2008 eingeholt. Hiernach ist der Kläger nur noch in der Lage, leichtere Tätigkeiten bis zu mindestens 3 Stunden täglich durchzuführen. In seinem Beruf als Busfahrer sei er nicht mehr in der Lage, tätig zu sein. Der schwere Ausprägungsgrad der Schmerzsymptomatik sei erstmalig am 16. Juli 2007 dokumentiert (Bericht der Neurochirurgischen Gemeinschaftspraxis vom 18. Juli 2007, Bl. 201 der Akten des SG).

In der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2008 hat der Kläger angegeben, sowohl im Reise- als auch im Linienverkehr als Busfahrer eingesetzt gewesen zu sein. Auch durch die fehlende Beweglichkeit der HWS fühle er sich den Aufgaben eines Busfahrers nicht mehr gewachsen. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund eines Leistungsfalles vom Juli 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Februar 2008 bis 31. Januar 2011 zu gewähren. Das SG hat die Klage abgewiesen. Der Kläger sei in der Lage, noch mindestens 6 Stunden täglich körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vornehmlich im Gehen und Stehen und allenfalls kurzfristigem Sitzen zu verrichten. Der Kläger könne zwar nicht mehr als Busfahrer arbeiten, der Kläger gehöre mit seinem bisherigen Beruf als Busfahrer aber zur Gruppe der angelernten Arbeiter im unteren Bereich, weshalb er auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar verwiesen werden könne; dies sei unter den Beteiligten auch nicht streitig. Nicht gefolgt werden könne dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. Po. darin, dass das Leistungsvermögen quantitativ reduziert sei und Prof. Dr. Br. darin, dass betriebsunübliche Pausen erforderlich seien.

Gegen das dem Kläger am 8. Juli 2008 zugestellte Urteil hat er am 21. Juli 2008 Berufung eingelegt und sich insbesondere auf die Begutachtung durch Dr. Po. gestützt.

Am 3. Juni 2008 hat der Kläger erneut bei der Beklagten einen Rentenantrag gestellt, der mit Bescheid vom 15. Juli 2008 abgelehnt worden ist. Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 28. Juli 2008 hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2009 als unzulässig zurückgewiesen, da der Bescheid vom 15. Juli 2008 gem. § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei; hierauf hatte die frühere Berichterstatterin des Senats zuvor hingewiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2004 und des Bescheides vom 15. Juli 2008 zu verurteilen, ihm ab 1. Februar 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat von Dr. Hei. das Gutachten vom 23. Dezember 2008 eingeholt. Dr. Hei. hat leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Std. und mehr an fünf Tagen in der Woche für zumutbar erachtet. Schwere Lasten (über 10 kg) sollten nicht gehoben oder getragen, gleichförmige Körperhaltungen wie Überkopfarbeiten vermieden werden. Günstig sei ein Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen. Eine Überforderung durch Akkordarbeit oder Wechselschicht sowie durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck seien zu vermeiden. Dies gelte gleichermaßen für besondere Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie für eine erhöhte Verantwortung und eine besondere (hohe) geistige Beanspruchung.

Zudem hat der Senat noch von Dr. Pa., dem Chefarzt der Orthopädie der Rehabilitationsklinik in Bad W., das Gutachten vom 11. März 2010 eingeholt. Der Kläger könne keine überwiegenden Tätigkeiten auf Schulterhöhe, keine Überkopfarbeiten, kein Besteigen von Leitern und Gerüsten, keine schwere Tätigkeit, kein Heben und Tragen von Gewichten über 5 kg, keine Arbeiten im Oberkörperzwangshaltungen sowie bei Nässe oder Zugluft und keine mittelschweren und schweren Tätigkeiten verrichten. Unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen könne der Kläger 6 Std. und mehr tätig sein, ohne dass betriebsunübliche Pausen erforderlich seien. Seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit wegen mobiler Spondylolisthese sei die Leistungsfähigkeit des Klägers im Beruf des Berufkraftfahrers auf unter 3 Std. eingeschränkt.

Der Senat hat vom letzten Arbeitgeber die Auskunft vom 6. September 2010 eingeholt, der Kläger hat Unterlagen über die Umschulung zum Bus-Touristik-Organisator vorgelegt. Die Beklagte hat auf den Hinweis des Senates, dass Berufsschutz als Facharbeiter in Betracht komme, vorgetragen, der Kläger sei als Busfahrer der Gruppe der Angelernten im unteren Bereich zuzuordnen. Beide Beteiligten haben sich einverstanden erklärt mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG) und damit zulässig. Sie ist begründet, soweit das SG die Klage auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung abgewiesen hat; der Kläger hat einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit aufgrund eines am 12. September 2005 eingetretenen Versicherungsfalles. Die Berufung ist unbegründet, soweit das SG die Klage auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung abgewiesen hat, da der Kläger keinen Anspruch hierauf hat.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der die Gewährung einer Rente wegen voller und wegen teilweiser Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 12. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004. Der Bescheid vom 15. Juli 2008 ist ebenfalls Gegenstand des Verfahrens geworden. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass ein ablehnender Bescheid, der auf einen erneuten Antrag ergeht, nicht gem. § 96 SGG (§ 96 SGG gilt auch wenn der Bescheid vor Einlegung der Berufung erlassen worden ist [s. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage, § 96 SGG Rdnr. 7 a m.w.N.]) Gegenstand des Verfahrens wird (vgl. BSG, Beschluss vom 19. September 2008, B 14 AS 44/08 B). Doch hat die frühere Berichterstatterin des Senats einen anderslautenden Hinweis gegeben, weshalb die Beklagte den Widerspruch als unzulässig abgelehnt und der Kläger hiergegen keine Klage erhoben hat, so dass schon der Grundsatz des fairen Verfahrens (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O:, vor § 60 SGG Rdnr. 1b) gebietet, den Bescheid einzubeziehen. Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG die Klage insoweit zurückgenommen hat, als der geltend gemachte Anspruch für die Zeit vor dem 1. Februar 2008 nicht mehr beantragt worden ist, kann der Senat die Beklagte auch erst ab 1. Februar 2008 zur Gewährung einer Rente verurteilen. Eine - nicht erfolgte - Klageerweiterung (§ 99 SGG) wäre unzulässig, da der angefochtene Bescheid insoweit durch die Rücknahme der Klage bestandskräftig geworden ist. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nur eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt; darin ist aber als Minus auch der Antrag auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung enthalten, weshalb das SG diesen Anspruch auch geprüft hat. Der Kläger hat im beim SG gestellten Antrag eine zeitliche Befristung bis 31. Januar 2011 vorgenommen; doch er durch den am 3. Juni 2008 gestellten Rentenantrag deutlich gemacht, dass er darüber hinaus eine Weitergewährung begehrt. Da der diesbezüglich ablehnende Bescheid Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist auch die Zeit über den 31. Januar 2011 hinaus Streitgegenstand geworden.

Der Senat verweist hinsichtlich der Rechtsgrundlagen und der Beweiswürdigung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist lediglich noch darauf hinzuweisen, dass es auch keinen Nachweis dafür gibt, dass der Kläger vorübergehend voll erwerbsgemindert war. So hat zwar die Beratungsärztin der Beklagten Dr. La. ausgeführt, dass die Versteifungsoperation am 4. November 2005 zu einer fünf- bis sechsmonatigen Leistungsunfähigkeit führen dürfte. Doch hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. Br. bei seiner Untersuchung am 19. Juli 2006, d.h. zeitnah keinen Zweifel daran, dass der Kläger für leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig leistungsfähig ist, was auch der Entlassungsbericht vom 20. November 2006 bestätigt hat. Auch die medizinischen Ermittlungen des Senates haben dieses Beweisergebnis bestätigt. Der Kläger kann nach den überzeugenden Gutachten der Dres. Hei. und Pa. leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten, ohne dass betriebsunübliche Pausen erforderlich sind, die letzte berufliche Tätigkeit aber nur unter 3 Stunden am Tag. Er ist hiernach nicht voll, aber teilweise erwerbsgemindert.

Nicht gefolgt werden kann dem SG darin, dass dem Kläger in seiner zuletzt verrichteten Tätigkeit als Omnibusfahrer kein sogenannter qualifizierter Berufsschutz zukommt. Zudem hätte das SG nach seiner Auffassung immer noch klären müssen, ob zuvor eine qualitativ höhere Tätigkeit verrichtet worden ist, von der sich der Kläger nicht gelöst hat (vgl. hierzu Kasseler Kommentar § 240 SGB VI Rdnr. 9 ff. und 21 ff.). Anhaltspunkte hierfür ergeben sich bereits daraus, dass der Kläger, der im Besitz von zwei Facharbeiterzeugnissen ist, von der Bundesagentur für Arbeit umgeschult wurde. Schließlich können diese Punkte auch nicht von den Beteiligten unstreitig gestellt werden, wie es das SG angenommen hat, da es sich um Rechtsfragen handelt.

Ausgangspunkt der Prüfung einer teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI ist nach der zu § 43 SGB VI alter Fassung entwickelten Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3 - 2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das BSG hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufs und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hochqualifizierten Facharbeitern), eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren, regelmäßig 3 Jahren, ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis 2 Jahren ausübt und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Arbeitern nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von min. 3 bis zu 12 Monaten) unterteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf einen Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Ferner ist erforderlich, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).

Ausgehend von diesem Schema ist der Kläger mit seiner zuletzt verrichteten Tätigkeit als Omnibusfahrer mindestens als oberer Angelernter anzusehen; er ist damit berufsunfähig, da die Beklagte eine Verweisungstätigkeit (s. hierzu Kasseler Kommentar, a.a.O. Rdnr. 36, 114 m.w.N.) nicht benannt hat. Der Senat brauchte daher nicht der Frage nachgehen, ob es einen Berufsschutz als Facharbeiter vermittelnden geographisch und sachlich passenden Tarifvertrag gibt, in den der Kläger hätte eingeordnet werden können (Kasseler Kommentar, § 240 SGB VI Rdnr. 55; BSG SozR 2200 § 1248 Nr. 18; vgl. zur Bindung eines solchen Kassler Kommentar § 240 SGB VI Rdnr. 46 ff. m.w.N.). oder ob zuvor eine qualitativ höhere Tätigkeit verrichtet worden ist, von der sich der Kläger nicht gelöst hat (s.o.).

Die Tätigkeit des Klägers als Omnibusfahrer ist die eines Berufskraftfahrers. Der Kläger hat eine diesbezüglich Umschulung durchlaufen und mit Erfolg bestanden. Der Kläger war auch in diesem umgeschulten Beruf tätig. Das von der Beklagten vorgenommene Abstellen auf die nur relativ kurze Umschulung vom 2. Februar bis 31. Juli 1998 ist nicht gerechtfertigt. Zum einen sind bekanntlich Umschulungen immer kürzer organisiert, als die reguläre Berufsausbildung. Zum anderen sind Berufskraftfahrer, die eine Berufsausbildung durchlaufen haben, grundsätzlich als Angelernte des oberen Bereichs einzustufen (s. Kasseler Kommentar a.a.O. Rdnr. 55 m.w.N.). Die für eine berufsmäßige Ausübung der Personenbeförderung erforderliche hohe Sorgfalt und die damit verbundene hohe Anforderung an die Verantwortung rechtfertigen im Zusammenspiel mit den damit einhergehenden erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse die Einstufung als oberer Angelernter. Beim Kläger kommt noch hinzu, dass er noch die Bordkasse zu bedienen hatte, was ein weiteres Qualitätsmerkmal darstellt (s. BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 28). Auch der Arbeitgeber hat die - nur als Indiz wirkende - Einschätzung abgegeben, dass der Kläger qualifizierten Berufsschutz genießt, und zwar sogar als Facharbeiter.

Der Kläger kann die zuletzt verrichtete Tätigkeit als Omnibusfahrer nicht mehr vollschichtig verrichten. Der Senat verweist auch insofern auf die Beweiswürdigung des SG. Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger seit 12. September 2005 nicht mehr in der Lage, seine zuletzt verrichtete Tätigkeit als Omnibusfahrer vollschichtig zu verrichten. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Kläger wegen Spondylolisthese arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der gerichtliche Sachverständige Dr. Pa. hat überzeugend seit diesem Zeitpunkt eine Leistungsfähigkeit für die Tätigkeit als Busfahrer auf unter 3 Std. angenommen. Die am 4. November 2005 durchgeführte Spondylodese L 5/S 1 hat keine nachhaltige Besserung gebracht. Sowohl der Entlassungsbericht der Rehaklinik Bad W. vom 27. Januar 2006 als auch der Entlassungsbericht vom 20. November 2006 haben überzeugend dargelegt, dass dem Kläger die Tätigkeit als Busfahrer nicht mehr zumutbar ist. Dies hat auch der behandelnde Orthopäde Dr. Kartak in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 4. März 2005 bestätigt. Der gerichtliche Sachverständige Dr. He. hat zwar eine Tätigkeit als Busfahrer noch für zumutbar erachtet, aber nicht beachtet, dass die Tätigkeit als Omnibusfahrer eine volle Halswirbelsäulenbeweglichkeit erfordert, die Dr. He. aber für nicht mehr gegeben erachtete. Auch der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. Br. hat die Tätigkeit als Busfahrer nicht mehr für zumutbar gehalten. Allein anhand der orthopädischen Erkrankungen ist der Kläger daher berufsunfähig, so dass nicht mehr darauf einzugehen war, ob - wie Dr. Hei. annimmt - noch eine somatoforme Schmerzstörung vorliegt oder nicht - wie Prof. Dr. Lu. angenommen hat.

Die allgemeine Wartezeit von 5 Jahre war erfüllt (s. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI), die weiteren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI liegen ebenfalls vor; im Fünfjahreszeitraum vom 12. September 2000 bis 11. September 2005 sind mehr als 36 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt (s. Versicherungsverlauf vom 12. März 2004).

Da der Kläger in seiner zuletzt verrichteten Tätigkeit nur noch unter dreistündig einsatzfähig ist, eine Aussicht auf Besserung nicht besteht, ist der Rentenanspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage, so dass der Rentenanspruch auf Dauer besteht (vgl. § 102 Abs. 2 SGB VI). Die Rente hätte damit gem. §§ 99, 101 Abs. 1 SGB VI ab 1. September 2005 zugestanden; da jedoch der Klageantrag auf die Zeit ab 1. Februar 2008 begrenzt wurde, kann auch erst ab diesem Zeitpunkt die Rente zugesprochen werden, die -ohne Änderungen der Verhältnisse § 48 SGB X)- bis zur Regelaltersgrenze zusteht.

Weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus der Aktenlage oder aufgrund Gerichts- oder Allgemeinkunde drängen sich Anhaltspunkte dafür auf, dass dem Kläger eine zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden kann, weshalb diesbezüglich keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. April 2001, B 13 RJ 23/00 R unter Fortführung von BSG, Urteil vom 14. Mai 1996, B 4 R 160/94).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat hierbei berücksichtigt, dass der Kläger mit seiner Klage nur teilweisen Erfolg hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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