L 3 AL 4596/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 5178/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4596/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers und der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 03. September 2009 wie folgt abgeändert:

Der Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2006 wird aufgehoben, soweit hierin die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 29. Oktober bis 04. November 1997 zurückgenommen und Erstattung auch für diesen Zeitraum geltend gemacht worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 23.09.1997 bis 26.01.1998 und der geltend gemachten Erstattung erbrachter Arbeitslosenhilfe i.H.v. 3.019,49 EUR nebst der hierauf entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 824,66 EUR in Streit.

Der am 15.05.1947 geborene, seit 1973 verheiratete türkische Kläger war vom 19.11.1984 bis 30.06.1995 bei der Fa. Eberspächer versicherungspflichtig als Schweißer beschäftigt. Sein Beschäftigungsverhältnis endete nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung vom 19.12.1994 mit dem 30.06.1995. Aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt er von seinem ehemaligen Arbeitgeber eine Abfindung i.H.v. 24.000,00 DM.

Am 24.10.1995 meldete sich der Kläger, nachdem er zuvor Krankengeld bezogen hatte, bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld, welches ihm sodann vom 24.10.1995, zuletzt unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.140,00 DM, bis zur Anspruchserschöpfung am 20.08.2007 gewährt wurde.

Am 14.08.1997 beantragte er erstmalig die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe. Im Rahmen des förmlichen Antragsformulars gab er an, dass er und seine Ehegattin nicht über Vermögen verfügen. Er bestätigte unterschriftlich, das Merkblatt 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte, Ihre Pflichten" erhalten und von dessen Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Unter dem 15.08.1997 bestätigte er ferner unterschriftlich, dass die erhaltene Abfindung für die Bestreitung des Lebensunterhalts während der Arbeitslosigkeit benötigt worden sei. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers - zunächst - mit Bescheid vom 25.08.1997 ab, da der Kläger arbeitsunfähig erkrankt sei und deswegen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Am 23.09.1997 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos, wobei er die Frage nach Vermögen wiederrum verneinte und die Richtigkeit seiner Angaben sowie den Erhalt des Merkblatts 1 und dessen Kenntnisnahme bestätigte. Nachdem die Beklagte sodann Arbeitslosenhilfe bewilligte, der Kläger hiergegen wegen der Höhe des zu Grunde gelegten Bemessungsentgelts Widerspruch erhob, bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann mit Änderungsbescheid vom 23.10.1997 (Widerspruchsbescheid vom 10.12.1997) Arbeitslosenhilfe ab dem 23.09.1997 in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 327,00 DM (54,50 DM täglich). Sie legte hierbei, nach einer fiktiven Einstufung wegen gesundheitlicher Einschränkungen, ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 760,00 DM zugrunde. Ab dem 01.01.1998 belief sich der wöchentliche Leistungssatz bei einem unveränderten Bemessungsentgelt auf 328,09 DM (46,87 DM kalendertäglich).

Auf eine Anfrage der Beklagten teilte das Bundesamt für Finanzen am 15.10.1997 mit, dass dort für die Person des Klägers zwei Freistellungsaufträge gespeichert seien. Die Beklagte forderte sodann den Kläger auf mitzuteilen, bei welchen Instituten die Freistellungsaufträge erteilt seien, und Nachweise für das aktuelle Guthaben vorzulegen. Unter dem 07.11.1997 gab der Kläger hierzu u.a. an, sein aktueller Kontostand belaufe sich auf 103,56 DM, sein Sparguthaben auf 100,73 DM.

Mit Bescheid vom 10.05.1999 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 29.10.1997 bis 04.11.1997 wegen einer nicht genehmigten Ortsabwesenheit auf und forderte die in dieser Zeit gezahlte Arbeitslosenhilfe i.H.v. 327,00 DM sowie hierauf entrichtete Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 89,38 DM vom Kläger zurück. Einen Widerspruch hiergegen legte der Kläger nicht ein, die Forderung der Beklagten wurde von ihm beglichen.

Der Kläger bezog - mit Unterbrechungen - bis zum 31.12.2001 Arbeitslosenhilfe. Ab dem 01.01.2002 bezog er Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Mit Schreiben vom 22.09.2005 teilte das Hauptzollamt Stuttgart der Beklagten mit, der Kläger habe die leistungsrelevanten Fragen zu Kapitalanlagen zumindest bezüglich Anlagen bei der Türkischen Nationalbank (T.C. Merkez Bankasi [TCMB]) wahrheitswidrig verneint. Sie übersandte hierzu eine Mehrfertigung eines Überweisungsträgers der Dresdner Bank, mit dem der Kläger am 30.06.1995 einen Betrag von 30.000,00 DM auf das Konto Nr. 0817244400 bei der TCMB, Ankara, überwiesen hatte.

Mit einem undatierten Schreiben wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass angesichts der Einlage bei der TCMB von 30.000,00 DM zweifelhaft sei, ob Bedürftigkeit vorgelegen habe. Der Kläger wurde aufgefordert, Bescheinigungen vorzulegen, aus denen die Kontobewegungen "ab 30.06.2005 bis 31.12.2001" hervorgehen sollten. Sollten die Nachweise nicht vorgelegt werden, sei zu vermuten, dass die Voraussetzungen für die Zahlung von Arbeitslosenhilfe nicht vorgelegen hätten.

Mit Schreiben vom 21.10.2005 teilte der Kläger hierzu mit, er habe den angelegten Betrag am 20.08.1997 vollständig mit Restzinsen aufgelöst. Der Betrag sei zur Begleichung von Schulden genutzt worden, die von 1970 bis 1995 entstandenen seien. Er habe, obwohl er einen bescheidenen Verdienst gehabt habe, seit ca. 1970 seine Eltern finanziell unterstützt. Er habe insoweit darlehensweise Geld bei einer wohlhabenden Verwandten, Frau Jurdanur Kilicaslan (J.K.), aufgenommen. Es habe sich eine Schuldensumme bis zum 30.06.1995 von 30.000,00 DM angesammelt. Er sei zum Zeitpunkt der Geldanlage am 30.06.1995 psychisch und physisch stark angeschlagen gewesen, so dass er das Geld mit einem Jahr Kreditlaufzeit angelegt habe, da er damals aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Türkei habe verreisen dürfen. Zudem habe er schulpflichtige Kinder gehabt, so dass er erst in den Sommerferien habe verreisen können. Als er im Jahr 1996 in den Schulferien in die Türkei habe verreisen können, habe er J.K. nicht persönlich treffen können, da sich diese auf einer Geschäftsreise befunden habe, so dass er den Geldbetrag für ein weiteres Jahr angelegt habe. Im Jahr 1997, wiederum in den Schulferien, habe er am 20.08.1997 einen Großteil der bestehenden Schulden mit Abhebung des gesamten Guthabens beglichen. Zur weiteren Begründung reichte der Kläger einen Kontoauszug der TCMB ein, aus dem hervorgeht, dass am 30.06.1995 30.000,00 DM eingezahlt, am 30.06.1996 Zinsen i.H.v. 2.002,50 DM und am 30.06.1997 Zinsen i.H.v. 1.869,00 DM gutgeschrieben wurden. Am 20.08.1997 wurden 31.869,00 DM ausgezahlt.

Mit Bescheid vom 29.12.2005 nahm die Beklagte die Bewilligungsentscheidung für die Zeit vom 23.09.1997 bis 26.01.1998 ganz zurück. Sie führte zur Begründung an, der Kläger habe über ein Vermögen von 30.000,00 DM bei der TCMB verfügt, das den Freibetrag von 16.000,00 DM um 14.000,00 DM überstiegen habe. Er sei deswegen bei einem Bemessungsentgelt von 760,00 DM für 18 Wochen nicht bedürftig gewesen. Die fehlerhafte Bewilligung sei deswegen erfolgt, weil der Kläger in seinem Antrag vom 23.09.1997 zumindest unvollständige Angaben gemacht habe. In der Zeit vom 23.09.1997 bis 26.01.1998 sei Arbeitslosenhilfe i.H.v. umgerechnet 3.019,49 EUR zu Unrecht erbracht worden, die vom Kläger zu erstatten sei. Dies gelte auch für die hierauf entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. insg. 824,66 EUR. Die Gesamtforderung belaufe sich auf 3.844,15 EUR.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung er vortrug, er habe zum Zeitpunkt der Beantragung von Arbeitslosenhilfe nicht mehr über den bei der TCMB eingezahlten Betrag verfügen können. Es habe sich bei dem eingezahlten Betrag um ein Darlehen gehandelt, das er an eine in der Türkei lebende Bekannte zurückzahlen haben müssen. Diese Schuld habe er durch die Zahlung am 30.06.1995 getilgt, also zwei Jahre bevor er Arbeitslosenhilfe beantragt habe. Da er zum Zeitpunkt seines Antrags nicht mehr im Besitz dieser Summe gewesen sei, habe Bedürftigkeit vorgelegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte unter Bezugnahme auf den Ausgangsbescheid an, Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Entscheidung seien nicht erkennbar.

Hiergegen hat der Kläger am 14.07.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, der überwiesene Betrag von 30.000,00 DM sei einzig dafür vorgesehen gewesen, in der Vergangenheit aufgelaufene Schulden zu begleichen. Die seien durch die mehrmalige Kreditaufnahme bei J.K. entstanden und hätten sich auf 30.000,00 DM summiert. Es entspräche der türkischen Gepflogenheit, Schulden in bar zurückzuzahlen, was vom Kläger für den Sommer 1996 geplant gewesen sei. Nachdem sich dies jedoch wegen einer Ortsabwesenheit von J.K. nicht realisieren ließ, habe er dies am 20.08.1997 nachgeholt und zu diesem Zweck den ausgezahlten Betrag an J.K. ausgehändigt. Er habe hierfür eine Quittung erhalten, die jedoch nicht mehr auffindbar sei. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Rechtswidrigkeit der Arbeitslosenhilfebewilligung sei nicht nachgewiesen, da nicht erwiesen sei, dass er zur Zeit der Antragstellung noch über das Vermögen i.H.v. 30.000,00 DM verfügt habe. Die Beklagte trage die Beweislast für die Rücknahmevoraussetzungen.

Das SG hat den Kläger im Rahmen einer nichtöffentlichen Sitzung am 14.11.2007 persönlich angehört. Er hat u.a. angegeben, für die medizinische Versorgung seines Vaters Geld benötigt zu haben. J.K. habe die erforderlichen Zahlungen übernommen, wobei vereinbart worden sei, dass das Geld später zurückzuzahlen sei. Geld an ihn selbst sei nicht ausgezahlt worden. Auf Rückfrage sei ihm sodann die Summe benannt worden, die er, nachdem eine zuvor geplante Rückzahlung nicht zu Stande gekommen sei, am 20.08.1997 beglichen habe. Das SG hat ferner den Sohn des Klägers, Hr. A. B. als Zeugen einvernommen. Hinsichtlich des Inhalts der Aussagen wird (im Übrigen) auf Bl. 27 bis 29 der SG- Akte verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.09.2009 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 29.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2005 insoweit aufgehoben, als die Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen i.H.v. insg. 824,66 EUR verfügt worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat das SG damit begründet, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe über ein verwertbares Vermögen i.H.v. 31.869,00 DM verfügt habe. Trotz der Abhebung des Betrages sei es davon überzeugt, dass das Vermögen weiterhin beim Kläger vorhanden gewesen sei. Der Vortrag des Klägers, das Vermögen sei zur Schuldentilgung verwendet worden, sei nicht glaubhaft. Der Kläger habe bereits unwahre Angaben gemacht, indem er angegeben habe, die Abfindungssumme für seinen Lebensunterhalt benötigt zu haben. Der Vortrag im Hinblick auf die Schuldentilgung sei nicht nachvollziehbar, eine schlüssige Erklärung, warum die Schulden nicht bereits am 30.06.1995 beglichen worden seien, sei nicht ersichtlich. Der Kläger habe keinerlei schriftliche Unterlagen vorgelegt, welche die vorgetragene Abwicklung der Darlehensgewährung, die Auszahlung der Darlehenssumme an den Vater des Klägers und die Darlehenssumme bestätigten. Es sei nicht glaubhaft, dass der Kläger über zehn Jahre hinweg Schulden gehabt haben wolle, diese jedoch nicht sofort nach dem Erhalt der Abfindung zurückgezahlt, sondern das Geld zwei Mal hintereinander für ein Jahr anlegt habe. Es sei schließlich nicht nachvollziehbar, warum der Kläger die Schulden nicht im Wege einer Überweisung beglichen habe. Der Kläger trage nach einer Beweislastumkehr für den Verbrauch des Vermögens die Beweislast. Die Beklagte habe die Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens und die Dauer des Zeitraums, in dem deswegen Bedürftigkeit nicht bestanden habe, zutreffend berechnet. Die Arbeitslosenhilfebewilligung im Zeitraum vom 23.09.1997 bis 26.01.1998 habe auf den falschen Angaben des Klägers beruht, weswegen die Bewilligungsentscheidung habe zurückgenommen werden können. Soweit die Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 824,66 EUR verfügt worden sei, sei dies hingegen rechtswidrig, da nach der Streichung des Wortes "Arbeitslosenhilfe" in § 335 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung vom 24.12.2003 für den Zeitraum ab 01.01.2005 keine Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bei der Rücknahme von Arbeitslosenhilfebewilligungen für die Vergangenheit mehr bestanden habe.

Gegen den dem Kläger am 09.09.2009, der Beklagten am 14.09.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.10.2009 und die Beklagte am 12.10.2009 Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt zur Begründung des Rechtsmittels vor, entgegen der Einschätzung des SG habe er mit dem bei der TCMB angelegten Betrag Schulden bei J.K. beglichen. Seine vom SG angeführten Falschangaben hätten nicht zu einer Leistungsgewährung geführt, diese sei vielmehr wegen einer Erkrankung des Klägers abgelehnt worden. Es sei verständlich, dass er nach acht Jahren nicht mehr in der Lage sei, Beweise vorzulegen, eine Beweislastumkehr könne deswegen jedoch nicht eintreten. Auch könne nicht von einer ordnungsgemäßen Anhörung ausgegangen werden. Die Annahme des SG, es bestehe ein Vermögen i.H.v. 31.869,00 DM sei unzulässig, da die Beklagte lediglich von einem Betrag i.H.v. 30.000,00 DM ausgegangen sei. Schließlich habe das SG übersehen, dass zu Gunsten des Klägers ein weitere Freibetrag i.H.v. 10.000,00 DM zu berücksichtigen sei, da das Vermögen aus einer einmaligen Sozialleistung - hierrunter rechneten auch Abfindungszahlungen - stamme und deswegen für fünf Jahre nicht verwertbar sei. Es könne daher allenfalls von Vermögen i.H.v. 4.000,00 DM ausgegangen werden. Zuletzt hat der Kläger eine Bestätigung der Fa. Eberspächer vorgelegt, nach der er eine Abfindung i.H.v. 24.000,00 DM erhalten habe. Hierzu wird vom Kläger vorgebracht, die Abfindung habe ihm am 29.06.1995 zur Verfügung gestanden, weswegen eine Überweisung auf das Konto bei der TCMB Bank am 30.06.1995 möglich gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 03. September 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2006 in vollem Umfang aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 03. September 2009 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags trägt sie vor, das Bundessozialgericht (BSG) habe zwischenzeitlich entschieden, dass die planwidrige Lücke in § 335 SGB III im Wege einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung zu schließen sei und deswegen auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vom Kläger zu erstatten seien. Abfindungen könnten zwar grundsätzlich als einmalige Sozialleistungen angesehen werden, dies gelte jedoch nur für solche, die nach §§ 9, 10 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) gezahlt worden seien. Die Beweislast für den Verbrauch liege, wie vom SG angenommen, beim Kläger.

Der Kläger und dessen Sohn wurden anlässlich einer nichtöffentlichen Sitzung am 11.03.2010 durch die - ehemals zuständige Berichterstatterin - einvernommen. Hinsichtlich des Inhalts der Aussagen wird auf Bl. 30 bis 31 der Senatsakte verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den Kläger geführte Leistungsakten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2010 wurden sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2010 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegten Berufungen sind jeweils zulässig, Berufungsausschließungsgründe i.S.d. § 144 SGG liegen weder betreffend die Berufung des Klägers noch die der Beklagten vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nur teilweise, die der Beklagten hingegen in vollem Umfang begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.06.2006 ist rechtswidrig, soweit mit ihm auch die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 29.10.1997 bis 04.11.1997 zurückgenommen und Erstattung auch für diesen Zeitraum geltend gemacht wurde. Im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtlich nicht zu beanstanden.

Der angefochtene Bescheid ist nicht bereits wegen einer fehlenden Anhörung (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]) rechtswidrig; die Beklagte hat dem Kläger vielmehr Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Erstattungspflicht erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs. 1 SGB X). Ob der Anhörungspflicht schon mit dem undatierten Schreiben genügt ist, das dem angefochtenen Bescheid vorausgegangen ist, bedarf keiner Entscheidung. Die Anhörungspflicht bezieht sich zwar auf sämtliche für die Erstattung entscheidungserheblichen Tatsachen, damit auch auf diejenigen, die die Höhe der Erstattungsforderung betreffen (BSG, Urteil vom 19.03.1998 - B 7 AL 20/97 R -, zit. nach juris), die Anhörung kann jedoch im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden (§§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X). Voraussetzung hierfür ist, dass zumindest der angefochtene Bescheid diejenigen Tatsachen enthält, die nach § 24 Abs. 1 SGB X Gegenstand der Anhörung sind (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 - 11 RAr 61/97 -, zit. nach juris). Der streitgegenständliche Erstattungsbescheid vom 29.12.2005 führt die Höhe der Erstattungsforderung (bzgl. der gewährten Arbeitslosenhilfe und der Beiträge) auf und vermittelt dem Kläger auch im Übrigen hinreichende Kenntnisse, um sich zur Ausschöpfung seines Rechts auf rechtliches Gehör noch weitere Tatsachenkenntnisse zu verschaffen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997 - 11 RAr 61/97 -, zit. nach juris). Eine isolierte Nachholungshandlung ist daneben nicht erforderlich, allein durch das Widerspruchsverfahren wird der Verfahrensverstoß unbeachtlich (vgl. BSG, Urteile vom 14.07.1994 - 7 RAr 104/93 - und vom 26.09.1991 - 4 RK 4/91-, zit. nach juris).

Seine rechtliche Grundlage findet die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe in § 45 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Regelung darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Im System der Korrekturvorschriften der §§ 44 ff SGB X ff. werden von der Regelung des § 45 SGB X fehlerhafte Verwaltungsakte erfasst, die bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig waren. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach dem für die zu Beginn des Rücknahmezeitraumes maßgeblichen materiellen Recht (vgl. BSG, Urteil vom 13.09.2006 - B 11a AL 19/06 R -, zit. nach juris), vorliegend nach den Regelungen des Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe setzte nach § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (AFRG) vom 24.03.1997 (BGBl. I 594) u.a. voraus, dass der Arbeitslose bedürftig war. Der Arbeitslose war gemäß § 137 Abs. 1 AFG bedürftig i.S.d. § 134 Abs. 1 Nr. 3, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestritt oder bestreiten konnte, und das Einkommen, das nach § 138 zu berücksichtigen war, die Arbeitslosenhilfe nach § 136 AFG nicht erreichte. Der Arbeitslose war nicht bedürftig i.S.d. § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen der Eltern eines minderjährigen unverheirateten Arbeitslosen die Gewährung von Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt war (§ 134 Abs. 2 AFG). Hierzu enthielt die auf der Grundlage des § 137 Abs. 3 AFG ergangene Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiVO) vom 07.08.1974 (BGBl. I 1929) in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Rechts der Arbeitslosenhilfe vom 24.06.1996 (BGBl. I 878) in ihren §§ 6 bis 9 nähere Regelungen. Vermögen war danach zu berücksichtigen, soweit es verwertbar und die Verwertung zumutbar war und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar war, jeweils 8.000,00 DM überstieg (vgl. § 6 Abs. 1 AlhiVO).

Unter dem Begriff des Vermögens fällt der gesamte Bestand an Sachen und Rechten in Geld oder Geldeswert in der Hand des Berechtigten. Hierunter rechnen auch subjektive Rechte, absolute wie das Eigentum, und relative wie Forderungen gegen Dritte (z.B. Bankguthaben in Form von Girokonten oder Sparbücher). Der zunächst bei der TCMB angelegte Betrag von 30.000,00 DM ist ohne weiteres als Vermögen zu qualifizieren. Der Betrag stand dem Kläger bereits zum Zeitpunkt des Beginns des Bezuges von Arbeitslosenhilfe am 23.09.1997 zur Verfügung. Die Zinsen hieraus i.H.v. 2.002,50 DM und i.H.v. 1.869,00 DM, die dem Kläger am 30.06.1996 bzw. am 30.06.1997 gutgeschrieben wurden, unterfallen gleichfalls dem Vermögensbegriff, da sie dem Kläger zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns bereits zur Verfügung standen. Mithin belief sich das Vermögen des Klägers auf 31.869,00 DM. Soweit mit der Berufung vorgebracht wird, das SG habe einen höheren Betrag als die Beklagte als Vermögen berücksichtigt, ist dies zwar, auch nach der vom Senat zu Grunde gelegten Höhe des Vermögens, zutreffend, da das SG jedoch den Zeitraum der Leistungsaufhebung weder verlängert noch den Erstattungsbetrag über die Entscheidung der Beklagten hinaus erhöht hat, liegt keine - unzulässige - Verböserung vor.

Der Senat verkennt nicht, dass am 20.08.1997 und damit vor dem Beginn des streitgegenständlichen Rücknahmezeitraums der Betrag vom Konto bei der TCMB abgehoben wurde, er ist jedoch, wie das SG, nicht davon überzeugt, dass dem Kläger das Vermögen nach diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stand. Wie das SG vermag sich auch der Senat nicht davon zu überzeugen, dass der Betrag tatsächlich, wie vom Kläger angeführt, zur Schuldentilgung verwendet wurde. Sein Vorbringen, er habe den Betrag von 31.869,00 DM (Anlagebetrag zzgl. der gutgeschriebenen Zinsen) am 20.08.1997 abgehoben und Schulden bei J.K. beglichen, steht nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest. Sowohl die vorgetragenen Hintergründe der Entstehung der Rückzahlungsverpflichtung wie der tatsächliche Geschehensablauf nach Erhalt der Abfindung begründen beim Senat (massive) Zweifel daran, dass das Vermögen tatsächlich nicht mehr beim Kläger vorhanden war. Die angebliche Darlehensrückzahlungsverpflichtung sei dadurch begründet, dass die Darlehensgeberin J.K. Kosten für die medizinische Behandlung des Vaters des Klägers über einen längeren Zeitraum hinweg übernommen habe. Mithin geht der klägerische Vortrag im Kern dahin, dass der Kläger selbst keine Zahlungen von J.K. erhalten, er mithin die Verbindlichkeiten seines Vaters erfüllt habe. Indes ist es, worauf schon das SG hingewiesen hat, nicht nachvollziehbar, dass wenn über einen Zeitraum von zehn Jahren - in einem Dreiecksverhältnis zwischen dem Kläger, der Darlehensgeberin und dem Vater des Klägers - Geld geliehen wird, keinerlei schriftliche Aufzeichnungen im Hinblick auf die jeweiligen Zeitpunkte der erfolgten Zahlungen und deren Höhe existieren. Selbst unter Berücksichtigung der angeführten Gepflogenheiten ist es unüblich, für Schulden einzustehen, die für den Schuldner weder nach ihrem Entstehungsgrund noch deren Höhe nachvollziehbar sind. Der Vortrag, die von J.K. ausgestellte Quittung sei verlorengegangen, ist insbesondere vor dem Hintergrund der Höhe der vermeintlichen Rückzahlungsverpflichtung als Schutzbehauptung zu bewerten. Zweifel gründen ferner darin, dass kein nachvollziehbarer Grund dafür vorgetragen wurde, dass die angeblich seit 1970 aufgelaufenen Schulden nicht bereits im Zeitpunkt des Erhalts der Abfindung getilgt wurden, der Betrag vielmehr zweimal über einen jeweils einjährigen Anlagezeitraum - renditeorientiert - bei der TCMB angelegt wurde. Die vorgetragene fehlende Möglichkeit, infolge einer unterbliebenen "Urlaubsgewährung" der Beklagten nicht in die Türkei reisen zu können, ist gleichfalls nicht glaubhaft. Der Kläger hat diesbezüglich in der nichtöffentlichen Sitzung vor dem SG angegeben, dass er den Betrag deshalb nicht unmittelbar nach dem Erhalt der Abfindung, d.h. 1995, zur Schuldenbegleichung aufgewandt habe, weil er nicht sofort Urlaub erhalten habe, um sodann zu erklären, er sei im Jahr 1997 für die Abhebung des Geldes ohne eine vorherige Genehmigung der Beklagten in die Türkei gereist, da er nicht gewusst haben will, dass eine solche erforderlich ist. Überdies greift in Anbetracht des Vortrages, die Darlehensgeberin sei eine erfolgreiche Geschäftsfrau, der Einwand, es entspreche der Gepflogenheit, Schulden in bar zu tilgen, nicht durch. Vor diesem Hintergrund ist es weder glaubhaft, dass der Kläger J.K. das Geld nicht überweisen konnte, noch dass es keinerlei Aufzeichnungen über das angebliche Darlehen gibt. Der klägerische Vortrag zur angeblichen Schuldentilgung bleibt in Zusammenschau der Angaben in der nichtöffentlichen Sitzung vor dem SG vom 14.11.2007 sowie im nichtöffentlichen Termin am 11.03.2010 zu unkonkret und widersprüchlich, als dass sich der Senat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hiervon überzeugen könnte. Dies geht vorliegend zu Lasten des Klägers. Zwar trägt im Rahmen des § 45 SGB X grundsätzlich die Beklagte die objektive Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheids. Allerdings hat das BSG in einer Entscheidung vom 24.05.2006 (- B 11a AL 7/05 R -, zit. nach juris) dargelegt, dass eine Umkehr der Beweislast gerechtfertigt ist, wenn in der Sphäre des Arbeitslosen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind. Eine dem Kläger anzulastende Beweisnähe ergibt sich hier auch daraus, dass er durch seine fehlerhaften Angaben im Rahmen der Antragstellung eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhalts unmöglich gemacht hat (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 11a AL 49/05 R -; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2006 - L 12 AL 3427/06 -, jeweils zit. nach juris).

Das Vermögen war für den Kläger auch zumutbar verwertbar. Anhaltspunkte dafür, dass die Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich war oder unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise nicht erwartet werden konnte (§ 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiVO), sind dem Senat nicht ersichtlich. Insbesondere ist keine bereits bei Erhalt des Betrages bestehende anderweitige Zweckbestimmung vorgetragen.

Einer Verwertung steht auch § 7 Abs. 1 AlhiVO nicht entgegen. Nach dieser Regelung gilt Vermögen aus einer einmaligen Sozialleistung für die Dauer von fünf Jahren als nicht verwertbar, soweit es 10.000,00 DM nicht übersteigt. Hierbei sind Sozialleistungen aller Art umfasst, bpsw. auch eine Abfindung auf Grund der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses (Kärcher in Niesel, SGB III, 1. Aufl. § 206 Rn. 21). Der erkennende Senat hat jedoch bereits mit Urteil vom 17.03.1999 (- L 3 AL 2374/96 -, zit. nach juris) entschieden, dass aus der Regelung des § 7 Abs. 1 AlhiVO folgt, dass einmalige Sozialleistungen jedenfalls nicht prinzipiell und auf Dauer im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung ohne Bedeutung sind. Dementsprechend bedürfe es einer besonderen Rechtfertigung, wenn Vermögen unberücksichtigt bleiben solle. Das BSG habe dies bislang - soweit nicht die Sonderregelungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 AlhiVO einschlägig gewesen sind - nur in besonderen Einzelfällen angenommen (vgl. zusammenfassend BSG, Urteil vom 19.06.1996 - 7 RAr 116/95 -). Solche Besonderheiten sind vorliegend nicht gegeben. Im Falle des Erhalts einer Abfindung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt jedenfalls die Gewährung einer solchen im Rahmen eines außergerichtlichen Aufhebungsvertrages die Annahme einer Besonderheit im oben beschriebenen Sinne nicht. Im Unterschied zu einer Zahlung nach §§ 9, 10 KSchG, die, im Falle einer sozial ungerechtfertigten Kündigung, den Wert des Bestandsschutzes bestimmen, wenn ein Festhalten am Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer unzumutbar ist (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 26.07.2001 - 8 AZR 739/00 -, zit. nach juris), hat sich ein Arbeitnehmer im Falle der Beendigung des Arbeitsvertrages durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst des kündigungsschutzrechtlichen Schutzes beraubt. Diese gesetzliche Wertung rechtfertigt es, gerade den Verlust des kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutzes nach §§ 9, 10 KSchG als normative Schadensposition anzuerkennen (vgl. BAG, Urteil vom 26.07.2007 - 8 AZR 796/06 -, zit. nach juris) und dem folgend den Wert des deswegen erhaltenen Betrages dem Schutz des § 7 Abs. 1 AlhiVO zu unterstellen. Eine Gleichstellung mit Abfindungszahlungen außerhalb der §§ 9, 10 KSchG ist hingegen nicht gerechtfertigt.

Mithin verfügte der Kläger zur Überzeugung des Senats jedenfalls über ein verwertbares Vermögen i.H.v. 30.000,00 DM, das den Freibetrag von 16.000,00 DM (2x 8.000,00 DM [§ 6 Abs. 1 AlhiVO]) um 14.000,00 DM überstieg. Die Berücksichtigung des tatsächlich verwertbaren Vermögens i.H.v. 15.869,00 DM ist dem Senat verwehrt.

Nach § 9 der AlhiVO besteht für die Zahl an vollen Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich die Alhi richtet, keine Bedürftigkeit. Ausgehend von dem erstmaligen Bezug von Alhi mit dem 23.09.1997 und einem Arbeitsentgelt, das der Gewährung von Alhi zu Grunde lag, von 760,00 DM errechnet sich bei einem verwertbaren Vermögen von 14.000,00 DM eine Dauer von 18 Wochen, innerhalb derer die Bedürftigkeit entfallen ist. Dieser Zeitraum reichte bis zum 26.01.1998, so dass der Kläger während des Bezugszeitraums vom 23.09.1997 bis 26.01.1998 nicht bedürftig gewesen ist. Die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe war hiernach bereits zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung rechtswidrig.

Die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ist jedoch vorliegend nur für die Zeiträume vom 23.09. bis 28.10.1997 und vom 05.11.2007 bis 26.01.1998 rechtlich möglich. Für die Zeit vom 29.10. bis 04.11.1997 hatte die Beklagte bereits mit - bestandskräftigem - Bescheid vom 10.05.1999 die Leistungsbewilligung wegen eines nichtgenehmigten Urlaubs nach § 48 SGB X aufgehoben. Mit der Aufhebung ist die Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum nicht mehr wirksam gewesen (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X), weswegen die (nochmalige) Zurücknahme für die Zeit vom 29.10. bis 04.11.1997 im streitgegenständlichen Bescheid ins Leere geht.

Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes wie der Bewilligung von Alhi ist gemäß § 45 Abs. 1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 möglich. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel schutzwürdig, wenn der Be-günstigte erbrachte Leistungen verbraucht hat oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u.a. dann nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X).

Der Kläger hat sowohl anlässlich der erstmaligen Beantragung von Arbeitslosenhilfe am 14.08.1997 wie in der Antragstellung vom 23.09.1997 die im Antragsformular beinhaltete Frage nach Vermögen verneint und damit unrichtige, d.h. der tatsächlichen Gegebenheiten nicht entsprechende Angaben gemacht. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG, Urteil vom 31. August 1976, Az.: 7 RAr 112/74; Urteil vom 11. Juni 1987, - 7 RAr 105/85 -, zit. nach juris). Das Maß der Fahrlässigkeit ist hierbei nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff: st.Rspr. des BSG, u.a. Urteil vom 13. Dezember 1972 - 7 RKg 9/69 -; Urteil vom 8. Februar 2001, - B 11 AL 21/00 R - zit. nach juris). Maßgebend für die Kenntnis oder für das Kennenmüssen ist hierbei der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts (BSG, Urteil vom 27. Januar 2009, - B 7/7a AL 30/07 R - zit. nach juris). Dem Kläger wurde bei Beantragung von Alhi jeweils das Merkblatt 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte, Ihre Pflichten" ausgehändigt, er hat unterschriftlich bestätigt, dessen Inhalt zur Kenntnis genommen zu haben. Dort ist ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eigenes Vermögen sowie Vermögen des mit dem Arbeitslosen zusammenlebenden Ehegatten berücksichtigt wird. Ferner ist im Merkblatt beinhaltet, dass der Arbeitslose verpflichtet ist, die Antragsformulare, die im Fall der Beantragung von Arbeitslosenhilfe auch Angaben zum Vermögen beinhalten, vollständig auszufüllen sind. Eine einfache Inaugenscheinnahme des Merkblattes hätte es dem Kläger ohne weiteres möglich gemacht zu erkennen, dass die Gewährung von Arbeitslosenhilfe, einer bedürftigkeitsabhängige Leistung, beim Vorhandensein von Vermögen nicht möglich ist. Für den Kläger konnte es auch keinerlei Zweifel daran geben, dass die Beklagte nicht nur über inländische, sondern auch über ausländische Geldanlagen informiert sein wollte, da in den ausgehändigten Merkblättern keinerlei Hinweise beinhaltet sind, die eine Differenzierung nach dem Ort der Vermögensanlage zulassen. Bereits das Außerachtlassen von Verpflichtungen, auf die in Merkblättern hingewiesen wurde, begründet grobe Fahrlässigkeit, es sei denn, der Betroffene hat nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Ausführungen nicht verstanden (BSG, Urteil vom 20. September 1977 - 8/12 RKg 8/76 -, zit. nach juris). Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass der Kläger nach seiner persönlichen Urteils-, Kritik und Einsichtsfähigkeit in der Lage gewesen ist, die Fehlerhaftigkeit seiner Angaben zu erkennen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, den Inhalt des Merkblattes zu verstehen, bestehen für den Senat nicht. Insbesondere vermag auch der unsubstantiierte Einwand, der Kläger sei bei der Anlage des Geldes psychisch krank gewesen, keine abweichende Beurteilung zu begründen, da der Kläger jedenfalls noch dazu in der Lage war, die erhaltene Abfindung - renditeorientiert - bei der TCMB anzulegen. Sollte der Kläger entgegen seiner unterschriftlichen Bestätigung das Merkblatt nicht zur Kenntnis genommen haben, würde allein dies den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen. Der Senat ist mithin davon überzeugt, dass der Kläger jedenfalls grob fahrlässig falsche Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen gemacht hat und die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe hierauf beruhte.

Da somit die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorgelegen haben, kann sich der Kläger nicht auf ein schutzwürdiges Interesse berufen, weswegen die Zurücknahme des Be-willigungsbescheides für die Zeiträume vom 23.09. bis 28.10.1997 und vom 05.11.2007 bis 26.01.1998 von der Regelung des § 45 SGB X gedeckt ist. Der Bewilligungsbescheid war von der Beklagten gemäß § 330 Abs. 2 SGB III zwingend mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen; die hierbei gemäß §§ 45 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltenden Fristen sind gewahrt.

Die Erstattungsforderung der Beklagten findet ihre rechtliche Grundlage in § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben wurde. Die Rechtmäßigkeit der Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung beruht auf § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Entgegen der Entscheidung des SG kann die Beklagte den Ersatz von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen infolge der rückwirkenden Aufhebung und Rückforderung von Arbeitslosenhilfe auch dann beanspruchen, wenn der Ersatzanspruch nach dem 01.01.2005 entstanden ist. Die durch die versehentliche Streichung des Wortes "Arbeitslosenhilfe" in § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die Zeit ab 01.01.2005 entstandene "planwidrige Gesetzeslücke" ist dadurch zu schließen, dass die Bezieher von Arbeitslosenhilfe im Rahmen gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung in den Kreis der Leistungsbezieher i.S. des § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III einzubeziehen sind (BSG, Urteile vom 07.10.2009 - B 11 AL 31/08 R - und - B 11 AL 32/08 R- zit nach juris).

Der vom Kläger zu erstattende Betrag reduziert sich vor dem Hintergrund, dass die Zurücknahme der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 29.10. bis 04.11.1997 wegen einer bereits zuvor verfügten Leistungsaufhebung ins Leere geht und der Kläger die hieraus resultierende Erstattungsforderung der Beklagten ausweislich der aktenkundigen Beendigungsmitteilung getilgt hat, um den auf die Zeit vom 29.10. bis 04.11.1997 entfallenden Betrag. Eine Erstattung der in diesem Zeitraum bezogenen Leistungen kann von der Beklagten nicht noch einmal geltend gemacht werden. Im Übrigen unterliegt die Höhe der Erstattungsforderung keinen Bedenken. Der Senat verweist, nach eigener Prüfung, auf die Berechnung der Beklagten (Bl. 281 der Verwaltungsakte) und macht sich diese zu eigen. Auch wurden keine Einwendungen gegen die Höhe der Erstattungsforderung vorgebracht.

Mithin ist der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.06.2006 insoweit rechtswidrig, als mit ihm die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 29.10. bis 04.11.1997 zurückgenommen und Erstattung auch für diesen Zeitraum geltend gemacht worden ist. Im Übrigen erweist sich der Bescheid als rechtmäßig.

Der Gerichtsbescheid des SG ist dementsprechend abzuändern. Die Berufung des Klägers ist im Übrigen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Begehren nur in einem geringfügigen Umfang erfolgreich war.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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