Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SB 589/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5041/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. September 2010 aufgehoben.
Die Staatskasse trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer, ein vom Sozialgericht Stuttgart (SG) in dem Rechtsstreit S 20 SB 589/09 gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragter Sachverständiger, wendet sich gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld in Höhe von 300 EUR wegen nicht fristgemäß erfolgter Erstattung des schriftlichen Gutachtens.
Das SG beauftragte unter dem 23.12.2009 den Beschwerdeführer mit der Erstattung eines Gutachtens nach § 109 SGG aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin möglichst bis 23.03.2010. Eine erste Erinnerung des Beschwerdeführers an die Vorlage des Gutachtens erfolgte am 26.04.2010. Am 29.06.2010 erinnerte das SG den Beschwerdeführer nochmals an die Erledigung des Gutachtensauftrages und bat um eine schriftliche Zwischennachricht mit Angabe der Verzögerungsgründe und der voraussichtlichen Bearbeitungsdauer, falls dies nicht bis zum 01.08.2010 möglich sein sollte. Nachdem der Beschwerdeführer nicht reagierte, gab ihm das SG mit einfachem Schreiben vom 16.08.2010 letztmalig auf, bis 10.09.2010 das schriftliche Gutachten vorzulegen. Andernfalls werde das Gericht in Erwägung ziehen, gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von mindestens 300 EUR zu verhängen.
Da erneut keine Reaktion des Beschwerdeführers erfolgte, setzte das SG mit Beschluss vom 16.09.2010 gegen den Beschwerdeführer wegen Nichterstattung des schriftlichen Gutachtens bis zum 10.09.2010 ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 EUR fest. Zur Begründung führte es u. a. aus, der Beschwerdeführer sei darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass das Gericht ein Ordnungsgeld in Höhe von mindestens 300 EUR verhängen werde, wenn er das schriftliche Gutachten nicht bis zum 10.09.2010 vorlege.
Dagegen hat der Beschwerdeführer am 11.10.2010 Beschwerde beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung schildert er den Umfang seiner zeitlichen Inanspruchnahme durch seine orthopädische Praxis und Probleme durch das bisher nur konservativ arbeitende medizinische Personal und erklärt, er werde das Gutachten in dieser Woche erstellen und bitte um Rücknahme des Ordnungsgeldbeschlusses.
Am 18.10.2010 ging das angeforderte Gutachten beim SG ein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die SG-Akten und die Akten des Senats Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthafte Beschwerde des Beschwerdeführers ist auch im Übrigen zulässig (§ 173 SGG). Die Beschwerde ist auch begründet, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Auferlegung eines Ordnungsgeldes im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind.
Nach § 118 SGG i. V. m. § 411 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann gegen den Sachverständigen ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist versäumt, die ihm das Gericht zur schriftlichen Erstattung des Gutachtens bestimmt hat (§ 411 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden (§ 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Hieran fehlt es hier.
Dem Beschwerdeführer ist keine wirksame Nachfrist gesetzt worden. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG sind Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, den Beteiligten zuzustellen. Dies gilt auch für richterlich gesetzte Fristen, die jedenfalls unmittelbar rechtliche Wirkung entfalten (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 63 Rn. 3 m.w.N.). Das ergebnislose Verstreichen der richterlich gesetzten Nachfrist nach § 411 Abs. 2 ZPO führt unmittelbar zum Eintritt der Prozesslage, die das richterliche Ermessen für die Verhängung des angedrohten Ordnungsgeldes eröffnet. Danach ist die Ordnungsgeldandrohung mit Nachfristsetzung grundsätzlich zuzustellen (st. Rspr., vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.02.2010 - IV B 6/10 -, veröff. in juris und BFH/NV 2010, 1109; OLG Hamm, Beschluss vom 18.02.1981 - 26 W 2/81, 26 W 5/81, veröff. in juris und BauR 1982,93; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.07.2003 - L 13 KN 2951/02 B - m.w.N., veröff. in juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 11.01.2010 - L 2 U 98/09 B m.w.N., veröff. in juris). Die richterliche Verfügung vom 16.08.2010 hätte daher der Zustellung bedurft. Die Verfügung ist jedoch nach Aktenlage nur als einfaches Schreiben an den Beschwerdeführer abgesandt worden. Ein Zustellungsnachweis findet sich nicht in den Akten. Der Beschwerdeführer macht darüber hinaus geltend, der Ordnungsgeldbeschluss sei "ohne mündliche Verhandlung bzw. Anhörung" gegen ihn ergangen. Ob er die Ordnungsgeldandrohung mit Nachfristsetzung tatsächlich nicht erhalten hat, kann dahinstehen, denn die Frist wurde mangels Zustellung nicht wirksam in Lauf gesetzt und der Zeitpunkt des die Formverletzung eventuell heilenden tatsächlichen Zugangs ist nicht bekannt. Der Senat musste daher auch nicht darüber entscheiden, ob die Ordnungsgeldandrohung grundsätzlich mit rechtsmittelfähigem Beschluss erfolgen muss (Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.02.2010 a.a.O.; OLG München vom 18.06.1980 - 25 W 1260/80 -VersR 1980, 1078; h. M. in der Literatur, vgl. stellvertretend Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 111 Rn. 9 m.w.N.), ebenso wenig musste der Senat entscheiden, ob die Formulierung, dass das Gericht in Erwägung ziehen wird, ein Ordnungsgeld zu verhängen, der hinreichenden Bestimmtheit und der Warnfunktion einer Ordnungsgeldandrohung gerecht wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da der Beschwerdeführer nicht zu den nach § 183 SGG privilegierten Personen gehört. Im Hinblick auf das naturgemäß nur einen Beteiligten umfassende Beschwerdeverfahren des nicht prozessbeteiligten Sachverständigen sind in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens aus § 46 OWiG i.V.m. § 467 StPO der Staatskasse die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers aufzuerlegen. Einer Entscheidung über Gerichtskosten bedarf es bei vollem Erfolg der Beschwerde nach § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i.V.m. Kostenverzeichnis Nr. 7504 nicht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.07.2003 - L 13 KN 2151/02 B - und Beschluss vom 23.07.2009 - L 10 UHR 2682/09 B -, beide veröff. in juris). Eine Streitwertfestsetzung ist daher auch entbehrlich.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Staatskasse trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer, ein vom Sozialgericht Stuttgart (SG) in dem Rechtsstreit S 20 SB 589/09 gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragter Sachverständiger, wendet sich gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld in Höhe von 300 EUR wegen nicht fristgemäß erfolgter Erstattung des schriftlichen Gutachtens.
Das SG beauftragte unter dem 23.12.2009 den Beschwerdeführer mit der Erstattung eines Gutachtens nach § 109 SGG aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin möglichst bis 23.03.2010. Eine erste Erinnerung des Beschwerdeführers an die Vorlage des Gutachtens erfolgte am 26.04.2010. Am 29.06.2010 erinnerte das SG den Beschwerdeführer nochmals an die Erledigung des Gutachtensauftrages und bat um eine schriftliche Zwischennachricht mit Angabe der Verzögerungsgründe und der voraussichtlichen Bearbeitungsdauer, falls dies nicht bis zum 01.08.2010 möglich sein sollte. Nachdem der Beschwerdeführer nicht reagierte, gab ihm das SG mit einfachem Schreiben vom 16.08.2010 letztmalig auf, bis 10.09.2010 das schriftliche Gutachten vorzulegen. Andernfalls werde das Gericht in Erwägung ziehen, gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von mindestens 300 EUR zu verhängen.
Da erneut keine Reaktion des Beschwerdeführers erfolgte, setzte das SG mit Beschluss vom 16.09.2010 gegen den Beschwerdeführer wegen Nichterstattung des schriftlichen Gutachtens bis zum 10.09.2010 ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 EUR fest. Zur Begründung führte es u. a. aus, der Beschwerdeführer sei darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass das Gericht ein Ordnungsgeld in Höhe von mindestens 300 EUR verhängen werde, wenn er das schriftliche Gutachten nicht bis zum 10.09.2010 vorlege.
Dagegen hat der Beschwerdeführer am 11.10.2010 Beschwerde beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung schildert er den Umfang seiner zeitlichen Inanspruchnahme durch seine orthopädische Praxis und Probleme durch das bisher nur konservativ arbeitende medizinische Personal und erklärt, er werde das Gutachten in dieser Woche erstellen und bitte um Rücknahme des Ordnungsgeldbeschlusses.
Am 18.10.2010 ging das angeforderte Gutachten beim SG ein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die SG-Akten und die Akten des Senats Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthafte Beschwerde des Beschwerdeführers ist auch im Übrigen zulässig (§ 173 SGG). Die Beschwerde ist auch begründet, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Auferlegung eines Ordnungsgeldes im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind.
Nach § 118 SGG i. V. m. § 411 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann gegen den Sachverständigen ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist versäumt, die ihm das Gericht zur schriftlichen Erstattung des Gutachtens bestimmt hat (§ 411 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden (§ 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Hieran fehlt es hier.
Dem Beschwerdeführer ist keine wirksame Nachfrist gesetzt worden. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG sind Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, den Beteiligten zuzustellen. Dies gilt auch für richterlich gesetzte Fristen, die jedenfalls unmittelbar rechtliche Wirkung entfalten (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 63 Rn. 3 m.w.N.). Das ergebnislose Verstreichen der richterlich gesetzten Nachfrist nach § 411 Abs. 2 ZPO führt unmittelbar zum Eintritt der Prozesslage, die das richterliche Ermessen für die Verhängung des angedrohten Ordnungsgeldes eröffnet. Danach ist die Ordnungsgeldandrohung mit Nachfristsetzung grundsätzlich zuzustellen (st. Rspr., vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.02.2010 - IV B 6/10 -, veröff. in juris und BFH/NV 2010, 1109; OLG Hamm, Beschluss vom 18.02.1981 - 26 W 2/81, 26 W 5/81, veröff. in juris und BauR 1982,93; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.07.2003 - L 13 KN 2951/02 B - m.w.N., veröff. in juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 11.01.2010 - L 2 U 98/09 B m.w.N., veröff. in juris). Die richterliche Verfügung vom 16.08.2010 hätte daher der Zustellung bedurft. Die Verfügung ist jedoch nach Aktenlage nur als einfaches Schreiben an den Beschwerdeführer abgesandt worden. Ein Zustellungsnachweis findet sich nicht in den Akten. Der Beschwerdeführer macht darüber hinaus geltend, der Ordnungsgeldbeschluss sei "ohne mündliche Verhandlung bzw. Anhörung" gegen ihn ergangen. Ob er die Ordnungsgeldandrohung mit Nachfristsetzung tatsächlich nicht erhalten hat, kann dahinstehen, denn die Frist wurde mangels Zustellung nicht wirksam in Lauf gesetzt und der Zeitpunkt des die Formverletzung eventuell heilenden tatsächlichen Zugangs ist nicht bekannt. Der Senat musste daher auch nicht darüber entscheiden, ob die Ordnungsgeldandrohung grundsätzlich mit rechtsmittelfähigem Beschluss erfolgen muss (Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.02.2010 a.a.O.; OLG München vom 18.06.1980 - 25 W 1260/80 -VersR 1980, 1078; h. M. in der Literatur, vgl. stellvertretend Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 111 Rn. 9 m.w.N.), ebenso wenig musste der Senat entscheiden, ob die Formulierung, dass das Gericht in Erwägung ziehen wird, ein Ordnungsgeld zu verhängen, der hinreichenden Bestimmtheit und der Warnfunktion einer Ordnungsgeldandrohung gerecht wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da der Beschwerdeführer nicht zu den nach § 183 SGG privilegierten Personen gehört. Im Hinblick auf das naturgemäß nur einen Beteiligten umfassende Beschwerdeverfahren des nicht prozessbeteiligten Sachverständigen sind in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens aus § 46 OWiG i.V.m. § 467 StPO der Staatskasse die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers aufzuerlegen. Einer Entscheidung über Gerichtskosten bedarf es bei vollem Erfolg der Beschwerde nach § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i.V.m. Kostenverzeichnis Nr. 7504 nicht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.07.2003 - L 13 KN 2151/02 B - und Beschluss vom 23.07.2009 - L 10 UHR 2682/09 B -, beide veröff. in juris). Eine Streitwertfestsetzung ist daher auch entbehrlich.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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