L 8 B 16/08 AY

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 10 AY 13/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 B 16/08 AY
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.
Der Kläger und Beschwerdeführer wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein von ihm betriebenes Klageverfahren beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG), in dem es um die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geht.

Der Kläger stellte nach Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am 30. Januar 2008 unter Angabe der Personalien "B. K. , geboren an 1977 in K. T. , S. L. " einen Asylantrag und erklärte, er sei Staatsangehöriger der Republik S. L ... Das Asylverfahren endete im Jahr 1999 zunächst mit der rechtskräftigen Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 Ausländergesetz ((AuslG); nunmehr § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)). Diese wurde im März 2002 bestandskräftig widerrufen. Seit dem Jahr 1999 lebte der Kläger mit befristeten Duldungen in Deutschland. Im Februar 2004 legte er im Zuge der Abschiebungsvorbereitungen einen auf seinen Namen ausgestellten sierraleonischen Pass vor.

Seit Asylantragstellung bezog der Kläger mit Unterbrechungen sog. Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Zeitweise war er vom 1. Juli bis 21. Oktober 1999 und 1. Januar 2000 bis 25. März 2003 untergetaucht. Vom 4. Februar 2004 bis 1. Juni 2006 befand er sich in Haft (zunächst Untersuchungs-, später Strafhaft). Während dieser Zeiten bezog er keine Leistungen nach dem AsylbLG. Ab Juni 2006 wurde die Leistungsgewährung nach § 3 AsylbLG wieder aufgenommen.

Am 2004 wurde der deutsche Staatsangehörige J. F. geboren, für den der Kläger die Vaterschaft anerkannt hat. Seit dem Jahr 2005 übt er die elterliche Sorge gemeinsam mit der Mutter des Kindes aus. Seit dem 1. November 2007 ist er Kläger im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Zum 1. März 2008 hat er mit dem Kind und dessen Mutter eine gemeinsame Wohnung bezogen.

Erstmals im November 2005 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten, Staatsangehöriger der Republik G. zu sein, korrigierte die Schreibweise seines Namens und gab nunmehr als Geburtsdatum den 1982 an. Am 6. Oktober 2006 legte er einen entsprechenden, in G. von den dortigen Behörden ausgestellten Reisepass vor.

Am 29. März 2007 legte der Kläger Widerspruch gegen die Leistungsgewährung ein, den er nach einem Nichtabhilfebescheid unter dem 7. Mai 2007 erneuerte. Er habe Anspruch auf sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG.

Mit Bescheid vom 29. Mai 2007 lehnte der Beklagte die Gewährung höherer Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ab, da die Wartezeit nicht erfüllt sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2007 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt den dagegen eingelegten Widerspruch zurück. Der Kläger habe die Dauer seines Aufenthalts rechtsmissbräuchlich beeinflusst, indem er eine falsche Staatsangehörigkeit angegeben habe.

Dagegen hat der Kläger am 10. September 2007 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben und unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von PKH beantragt. Er habe die Dauer seines Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Spätestens seit Februar 2004 hätte er mit dem vorgelegten Pass nach S. L. abgeschoben werden können. Er habe nicht zu vertreten, dass die Staatsanwaltschaft einer Abschiebung aus der Strafhaft nicht zugestimmt habe. Unter Beachtung des Resozialisierungsgedankens müsse die Strafhaft auf die Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG angerechnet werden. Er habe in der Haft gearbeitet und dafür Arbeitslohn und zeitweise Taschengeld bezogen. Dies seien Sozialleistungen, die mit den Leistungen nach § 3 AsylbLG vergleichbar und damit als Vorbezug iSv § 2 AsylbLG zu bewerten seien. Die gesetzliche Erhöhung der Wartezeit auf 48 Monate finde auf ihn keine Anwendung.

Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 21. Dezember 2007 hat das SG mit Beschluss vom 4. März 2008 abgelehnt (Az.: S 10 AY 1/08 ER). Die dagegen eingelegte Beschwerde hat der Kläger am 15. Juli 2008 nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, aus der er im August 2008 ein Nettoarbeitsentgelt iHv 747,85 EUR erzielt hat, zurückgenommen.

Auf Nachfrage des SG hat das Auswärtige Amt durch die Deutsche Botschaft in C. mit Auskunft vom 28. Februar 2008 bestätigt, dass Staatsangehörige der Republik G. seit dem Jahr 1998 bis zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung von Deutschland aus sowohl abgeschoben werden als auch freiwillig ausreisen können.

Das SG hat den PKH-Antrag mit Beschluss vom 18. März 2008 abgelehnt. Die Klage habe keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Die erforderliche Wartezeit von mindestens 36 Monaten des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG sei nicht erfüllt. Der Lauf der Frist habe erst im Juni 2006 nach der Haftentlassung und Offenlegung der wahren Identität begonnen. Zuvor habe der Kläger seine Aufenthaltsdauer durch Falschangaben über Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Bei Nennung zutreffender Personalien wäre eine Abschiebung nach G. bereits früher möglich gewesen. Die spätere Vorlage eines Reisepasses von S. L. habe die Rechtsmissbräuchlichkeit nicht beendet, weil nur eine Pflicht zur Aufnahme der eigenen Staatsangehörigen bestehe. Die Dauer der Haft sei ebenfalls nicht als Wartezeit anrechenbar, denn er habe in dieser Zeit keine Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Die Vorschrift sei nicht analog auf andere Sozialleistungen anwendbar. Mit ihr sollten nur Leistungsbezieher nach AsylbLG, die drei Jahre lang mit Sachleistungen hätten auskommen müssen, besser gestellt werden. Dieses Ziel sei bei Personen, die ihren Lebensunterhalt auf andere Weise sicherstellten, nicht zu erreichen. Dies müsse erst recht für solche Leistungsberechtigten gelten, die sich rechtsbrüchig verhielten.

Der Kläger hat am 10. April 2008 Beschwerde gegen PKH-Beschluss eingelegt und ergänzend vorgetragen, die Sicht des SG, nach der die Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG nach Beendigung des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens erneut zu laufen beginne, sei falsch. Es komme - wie auch nach der alten Rechtslage - allein auf die aktuelle Situation an. Der Gesetzgeber habe von der gegenwartsbezogenen Sichtweise nicht abrücken wollen. Zudem seien weder die Zeiten der Strafhaft noch die des Untertauchens "integrationsschädliche Unterbrechungen des Leistungsbezugs", die zu einem erneuten Lauf der Wartefrist führten. Die erhöhten Leistungen nach § 2 AslybLG sollten die weitere Integration fördern. Zudem habe er schon im August 2007 die Wartezeit von 36 Monaten mit Vorbezugszeiten nach § 3 AsylbLG erfüllt.

Der Beklagte hat im Beschwerdeverfahren (Az.: L 8 B 17/08 AY ER) auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Februar 2007 (Az.: B 9b AY 1/06 R) hingewiesen. Nur diejenigen Leistungsberechtigten sollten Leistungen nach § 2 Abs.1 AsylbLG erhalten, die unverschuldet nicht ausreisen könnten. Dazu gehöre nicht, wer der Ausreisepflicht nicht nachkomme, obwohl dies rechtlich und tatsächlich möglich sowie zumutbar sei. Die Wartefrist habe erst ab dem 1. Juni 2006 begonnen. Unerheblich sei die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Verfahren L 8 B 17/08 AY ER, L 8 B 16/08 AY, S 10 AY 13/07 und die Prozesskostenhilfebeihefte sowie auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten, die Gegenstand der Beratung des Senats waren, ergänzend Bezug genommen.

II.
1. Die Beschwerde gegen die Ablehnung des PKH-Gesuchs ist form- und fristgerecht im Sinne des § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Sie ist insbesondere statthaft nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.d.F. bis zum 31. März 2008. Danach war die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH grundsätzlich zulässig, soweit nicht der maßgebliche Beschwerdewert von 500,00 EUR unterschritten wurde. Da hier aber laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit stehen, kommt es auf den Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht an.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte PKH für das Klageverfahren vor dem SG gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114 ff. ZPO. Danach erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der PKH erfolgt lediglich eine vorläufige Prüfung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Rahmens der Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 und 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers auf Grund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG, 9. Aufl. 2008, § 73a RN 7 f. m.w.N.). Aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 -, NJW 2000, S. 1936). PKH kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1989 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 1500 § 72 Nr. 19).

Die Klage hat weder zum Zeitpunkt des vollständigen Vorliegens des Antrags auf PKH im September 2007 noch zu einem späteren Zeitpunkt für den begehrten Anspruch auf Analogleistungen nach AsylbLG hinreichende Aussicht auf Erfolg im vorgenannten Sinn geboten.

a. Streitgegenständlich ist nach dem bisherigen Vorbringen des Klägers vorliegend der Zeitraum vom 1. März 2007 (lt. angekündigtem Antrag in der Klageschrift) bis längstens 31. Juli 2008. Denn seit 1. August 2008 besteht wegen der Arbeitsaufnahme nach summarischer Prüfung keine asylbewerberleistungsrechtliche oder sozialhilferechtliche Bedürftigkeit des Klägers mehr. Ausweislich der im PKH-Verfahren vorgelegten Gehaltsabrechnung floss dem Kläger im August 2008 ein Nettoarbeitsentgelt iHv 747,85 EUR für Juli 2008 zu. Dieses reichte nach summarischer Prüfung nach Abzug des Erwerbstätigenfreibetrags iHv 25% gemäß § 7 Abs. 2 AsylbLG (560,89 EUR) bzw. von 30% gemäß § 82 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch ((SGB XII), 523,50 EUR), um den mit der Klage geltend gemachten Bedarf iHv insgesamt 471,58 EUR (anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 120,58 EUR zuzüglich Regelsatz eines Haushaltsvorstandes iHv 351,00 EUR) zu decken.

Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG am 1. November 2007 ändert hingegen nichts an der grundsätzlichen Leistungsberechtigung des Klägers nach dem AsylbLG (§ 1 Abs. 1 Nr. 3). Ob ihm in der Folge wegen seines Sohnes, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG (Familiennachzug für den Elternteil eines minderjährigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge) erteilt worden ist, ist nicht bekannt. Sie würde - ggf. zu einem früheren Zeitpunkt - die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG vollständig entfallen lassen.

b. Nach § 2 Abs 1 AsylbLG (hier in der bei PKH-Antragstellung noch maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30. Juli 2004, BGBl I 1950) war abweichend von §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Mit Wirkung vom 27. August 2007 an ist die Wartefrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG von 36 auf 48 Monate verlängert worden.

Die zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Neufassung der Vorschrift hat die materiellen Voraussetzungen für eine leistungsrechtliche Besserstellung und damit den persönliche Anwendungsbereich gegenüber der Vorfassung erheblich verschärft (vgl. Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm: SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 2 AsylbLG RN 2). Denn diese sah den Bezug von Sozialhilfeleistungen nach Bundessozialhilfegesetz ((BSHG), dem Äquivalent zu den derzeitigen Analogleistungen) bereits dann vor, "wenn die Ausreise nicht erfolgen kann und aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht erfolgen können, weil humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse entgegenstehen". Damit sollten diejenigen Ausländer leistungsrechtlich bessergestellt werden, die bereits für eine Zeit von drei Jahren Grundleistungen nach § 3 AsylbLG - regelmäßig in Form von Sachleistungen - erhalten hatten, und bei denen sich aus nicht zu vertretenden Gründen der weitere Aufenthalt in Deutschland (ohne konkrete Perspektive der Aufenthaltsverfestigung) verlängerte.

Die leistungsrechtliche Besserstellung durch den Bezug von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist solchen Leistungsbeziehern vorbehalten, deren Aufenthalt sich - ohne ihr (rechtsmissbräuchliches) Zutun - verlängert. Ein wirtschaftlicher Anreiz zum weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland soll verhindert werden. Dementsprechend ist die Wartefrist des § 2 Abs. 1 AslybLG keine Honorierung des bisherigen Aufenthalts und auch kein erster Weg zur Integration. Letztere ist erst nach erfolgreichem Abschluss des Asylverfahren gewollt; erstere ist gerade nicht beabsichtigt. Analogleistungen sollen nur dann erbracht werden, wenn eine weitere Verweisung auf die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG bei einer unverschuldeten Aufenthaltsverlängerung, die jedoch nicht zu einer Aufenthaltsverfestigung führt, nicht mehr zumutbar erscheint. Zu der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung von § 2 Abs. 1 AsylbLG hatte der zunächst zuständige 9b Senat des BSG mit Urteil vom 8. Februar 2007 (a.a.O.) entschieden, dass eine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer schon vorliege, wenn der Ausländer eine Rechtsposition zu einer von der Rechtsordnung missbilligten, subjektiv vorwerfbaren Aufenthaltsverlängerung nutze, die er durch die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erlangt habe. Darunter falle auch der Verbleib eines (ausreisepflichtigen) Ausländers in Deutschland, dem es möglich und zumutbar sei, auszureisen. An dieser Rechtsprechung ist das PKH-Begehren zum Zeitpunkt des vollständigen Antrags im September 2007 zunächst zu messen.

Die Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlichen Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer dürften bei dem Kläger schon mit der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG vorgelegen haben. Denn diese stellten nur die (vorübergehende) Unmöglichkeit der Abschiebung fest, ließen aber seine Ausreisepflicht unberührt (§§ 55 Abs. 4, 56 AuslG). Spätestens aber seit dem März 2002 ist mit der Bestandkraft des Widerrufs zu § 53 Abs. 6 AuslG nach der oben zitierten Rechtsprechung von der ausländerrechtlichen Missbilligung des weiteren Aufenthalts auszugehen. Seit diesem Zeitpunkt war die weitere Nutzung der erteilten Duldungen rechtsmissbräuchlich i.S.d. Rechtsprechung des 9b–Senats des BSG.

Eine zu einem Zeitpunkt nach dem vollständigen PKH-Antrag vorliegende hinreichende Erfolgsaussicht der Klage lässt sich auch nicht aus der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung herleiten. Der nun zuständige 8. Senat des BSG hat durch Urteil vom 17. Juni 2008 (Az.: B 8/9b AY 1/07, juris) unter Aufgabe der Rechtsprechung des 9b - Senats entschieden, dass es für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht genüge, dass der Leistungsberechtigte nicht freiwillig ausgereist sei. Es komme vielmehr darauf an, ob ihm der Vorwurf gemacht werden könne, die Aufenthaltsdauer vorsätzlich durch ein über das Verbleiben in der Bundesrepublik Deutschland hinausgehendes sozialwidriges Verhalten beeinflusst zu haben (BSG, a.a.O. (31 f.)). Es müsse ein Missbrauchtatbestand vorliegen, der insbesondere im Gebrauch falscher Namen zu sehen sein könne (vgl. dazu BT-Drucks 15/420 S 120 f.). Ferner müsse dem Ausländer das rechtsmissbräuchliche Verhalten bezogen auf die Aufenthaltsdauer vorgeworfen werden können, was einen Vorsatz hinsichtlich der tatsächlichen Umstände als auch der Beeinflussung des Aufenthalts erfordere. Hinsichtlich der Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts sei auf den gesamten Zeitraum des Aufenthalts des Ausländers in Deutschland abzustellen; nicht entscheidend sei, ob der Missbrauchstatbestand noch andauere. Ob die Ausreise aktuell noch zumutbar sei, sei ebenfalls ohne Bedeutung (BSG, a.a.O. (41)). Schließlich müsse eine Kausalität zwischen dem Verhalten und der Verlängerung der Aufenthaltsdauer vorliegen, die eine generell-abstrakte Betrachtungsweise erfordere. Es komme also nur darauf an, dass das missbilligte Verhalten - typisierend - geeignet war, den Aufenthalt zu verlängern. Die Kausalität entfalle hingegen, wenn die Ausreise aus anderen Gründen in dem gesamten Zeitraum ab dem rechtsmissbräuchlichen Verhalten ohnehin nicht hätte vollzogen werden können (BSG, a.a.O. (44)).

Der Kläger hat nach der hier vorzunehmenden vorläufigen Würdigung alle o.g. Kriterien für eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer erfüllt. Er hat durch mehrere Falschangaben (Staatsangehörigkeit, Schreibweise des Namens und Geburtsdatum) über seine Identität getäuscht. Hinsichtlich der Vorsätzlichkeit dieser Täuschungshandlung hat der Senat keine Zweifel und ist auch vom Kläger nichts Gegenteiliges geltend gemacht worden. Eine Kausalität im oben genannten Sinne liegt vor, denn die Verschleierung der echten Identität war geeignet, die Abschiebung zu verzögern. Ob die Abschiebung bei anderer Entscheidung der Staatsanwaltschaft möglich gewesen wäre, ist daher ohne Bedeutung. Nach den Ermittlungen des SG wäre die Abschiebung in die Republik G. zu jedem Zeitpunkt seit 1998 rechtlich gewesen, sodass die Ausreise jederzeit hätte vollzogen werden können.

Keine andere Beurteilung rechtfertigt die Vaterschaft des Klägers oder die mittlerweile bezogene gemeinsame Familienwohnung. Denn die gesellschaftliche Integration in Deutschland oder eine später eintretende Unzumutbarkeit ändern nichts an den rechtliche Folgen eines Missbrauchstatbestands (BSG, a.a.O. (41)).

Darüber hinaus ist nicht schon mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit dargetan, dass die Vorbezugszeit für die begehrten Analogleistungen erfüllt ist. Dabei kann der Auffassung des SG, nach dem Ende des missbräuchlichen Verhaltens beginne eine neue Wartezeit, nach der neueren Rechtsprechung des BSG nicht gefolgt werden. Ausdrücklich soll es nicht darauf ankommen, ob ein Missbrauchstatbestand noch andauert oder die Annahme rechtfertigt, er sei noch kausal (BSG, a.a.O. (41)).

Die zum 27. August 2007 in Kraft getretene Gesetzesänderung findet auch auf den Kläger Anwendung. Nach der Rechtsprechung des BSG gilt die Fristverlängerung von 36 auf 48 Monate auch für Fälle eines bis dahin bestehenden Anspruchs auf Analogleistungen, wenn der Ausländer noch keine 48 Monate mit Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG zurückgelegt hat (BSG, a.a.O. (27)).

Zeiten des Bezugs anderer Sozialleistungen oder solche, in denen der Leistungsberechtigte seinen Lebensunterhalt auf andere Weise sichergestellt und gerade keine Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen hat, können nicht berücksichtigt werden (BSG, a.a.O. (22)). Die Zeit der Strafhaft sowie die Zeiträume, in denen der Kläger untergetaucht war, sind daher schon deshalb nicht auf die Wartezeit anzurechnen, weil er währenddessen keine Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen hat.

Schon nach seinem Vorbringen hatte der Kläger im August 2007 36 Monate lang Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Durch die für ihn zum 27. August 2007 wirksame Erhöhung der Wartezeit auf 48 Monate konnte deshalb ab September 2007 kein Anspruch auf Analogleistungen entstehen. Bis zum Juli 2008 waren ebenfalls noch keine 48 Monate zurückgelegt worden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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