Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 3365/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4869/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 06. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Erstattung der Kosten für zwischen dem 20. November 2009 und 21. Dezember 2009 sowie dem 11. Januar vom 26. Februar 2010 durchgeführte Akupunktur mit Nadelerhitzung und die Übernahme der Kosten weiterer Akupunkturbehandlungen.
Der 1943 geborene Ast ist versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin (Ag). Er hat anstelle der Sach- und Dienstleistung die Kostenerstattung im Bereich der ärztlichen Versorgung gewählt. Aufgrund der Diagnose eines Prostatakarzinoms wurde er im Dezember 2000 operiert. Es wurde eine radikale Prostataektomie und pelvine Lymphadenektomie durchgeführt. In der Folge wurden u.a. Hormontherapien, Positronen-Emissions-Tomografien (PET), eine Chemotherapie und im Jahr 2006 die Radiotherapie einer paraaortalen Lendenwirbelkörper-Metastase vorgenommen. Nach dem Arztbrief des Prof. Dr. U., Klinik für Tumorbiologie an der Universitätsklinik F. vom 22. Juni 2009 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Ast am 17. Juni 2009 ist die Krankheit derzeit mehr oder weniger stabil. Prof. Dr. U. empfahl, die Cellmustin-Therapie unverändert fortzusetzen. Ausweislich der Anamnese hatte der Ast beim Liegen Schmerzen in den abhängigen Rückenpartien angegeben, anamnestisch angegebene "leichte Schmerzen im verlängerten Rücken" gehen auch aus dem weiteren Arztbrief des Prof. Dr. U. vom 03. April 2009 hervor.
Zwischen dem 20. November und 21. Dezember 2009 wurden beim Ast neun Akupunkturbehandlungen mit Nadelerhitzung zur Behandlung von chronischen Schmerzen durch die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft Prof. Dr. G. und Dr. L., Fachärzte für Allgemeinmedizin/Naturheilkunde, durchgeführt. Die Kosten hierfür beliefen sich ausweislich der im Auftrag von Prof. Dr. G. und Dr. L. erstellten Rechnung vom 03. Mai 2010 auf EUR 569,16. Am 07. Mai 2010 beantragte der Ast bei der Ag die Erstattung dieser Kosten für die Akupunkturbehandlung. Mit Bescheid vom 11. Mai 2010 lehnte die Ag diesen Antrag ab, da die vom Ast in Anspruch genommene Leistung nicht anerkannt sei.
Zwischen dem 11. Januar vom 26. Februar 2010 erfolgten beim Ast acht weitere Akupunkturbehandlungen mit Nadelerhitzung zur Behandlung von chronischen Schmerzen durch Prof. Dr. G. und Dr. L ... Die Kosten hierfür beliefen sich ausweislich der im Auftrag von Prof. Dr. G. und Dr. L. erstellten Rechnung vom 15. Juni 2010 auf EUR 473,28. Am 22. Mai 2010 beantragte der Ast bei der Ag, auch diese Kosten zu erstatten. Die Leistungen hätten seine Lebensqualität erheblich verbessert. Es sei zu einer Gewichtszunahme von 62 kg im Jahr 2009 auf 78 kg heute und einer wesentlichen Verbesserung des Allgemeinzustands während der noch laufenden Chemotherapie gekommen. Mit Bescheid vom 26. Mai 2010 lehnte die Ag die Kostenübernahme wiederum ab. Sie könne nur die Kosten für anerkannte Therapien übernehmen. Die Entscheidung darüber, ob eine Therapie anerkannt sei, treffe der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Die Akupunktur sei nur für die Diagnosen "chronische Schmerzen in mindestens einem Kniegelenk durch Gonarthrose" und "chronische Schmerzen der Lendenwirbelsäule" anerkannt. Diese Diagnosen lägen beim Ast nicht vor. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch verwies der Ast darauf, dass er seit Jahren durch die Metastasenbildung Schmerzen in der Lendenwirbelsäule habe. Er reichte die genannten Arztbriefe des Dr. U. sowie Arztbriefe des Universitätsklinikums Heidelberg und des Prof. Dr. Re., Praxis für Nuklearmedizin in F., aus den Jahren 2008 und 2009 ein. Die Ag holte daraufhin das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 13. Juli 2010 ein. Dr. Ue. teilte hierin mit, dass nach Anlage I Nr. 12 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinie) Akupunktur nur bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule, die seit mindestens sechs Monaten bestünden und chronischen Schmerzen in mindestens einem Kniegelenk zugelassen seien sowie nach Anlage II Nr. 31 Methoden-Richtlinie Akupunktur mit Ausnahme der in Anlage I aufgeführten Indikationen nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfe. Eine Kostenerstattung komme auch nicht unter Beachtung der Sozialrechtsprechung und verfassungsgerichtlicher Vorgaben (Bundesverfassungsgericht BVerfG -, Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 -) in Betracht. Im vorliegenden Fall liege aktuell keine lebensbedrohliche Krankheit vor. Die Krankheit sei seit 2008 nicht progredient. Für die Behandlung der Schmerzen stünden medikamentöse Therapien und Bestrahlungstherapie zur Verfügung. Ferner seien Schmerzen unterschiedlicher Lokalisation und nur über einen Zeitraum von April bis Juni 2009 angegeben, sodass die Voraussetzungen für chronische Schmerzen nicht erfüllt seien. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass bei Einbringen von Fremdkörpern Fremdkörperreaktionen und entzündliche Reaktionen entstehen könnten, welche zu ausgedehnten Komplikationen führen könnten. Der bei der Ag gebildete Widerspruchsausschuss wies hierauf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2010 zurück. Eine Indikation für die Kostenerstattung einer Akupunkturbehandlung liege nicht vor. Auch eine notstandsähnliche Situation durch die Nichtanwendung der beantragen Methode sei nicht erkennbar. Für die Behandlung von Schmerzen stünden medikamentöse Therapien und Bestrahlungstherapie zur Verfügung. Der MDK weise auch darauf hin, dass bei Einbringen von Fremdkörpern Fremdkörperreaktionen und entzündliche Reaktionen entstehen könnten, welche zu ausgedehnten Komplikationen führten.
Der Ast erhob hiergegen am 21. September 2010 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage (S 4 KR 3364/10) und beantragte zugleich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Er begehrte die Kostenerstattung für die durchgeführten Akupunkturbehandlungen und die Übernahme der Kosten weiterer Behandlungen. Nach der Prostataoperation im Jahr 2000 habe sich bei ihm eine Metastasenbildung entwickelt. Am 01. Juni 2006 sei eine Metastasenbildung in L 2, am 15. Mai 2008 in LKW 5 und am 20. Juni 2008 eine dissimierte Beteiligung des gesamten Beckens sowie am 22. September 2008 eine progrediente Knochenmetastasierung festgestellt worden. Der Krebs sei hormonrefektär geworden. Es habe eine Chemotherapie begonnen werden müssen, die bis heute noch nicht abgeschlossen sei. Er habe bedingt durch die Metastasenbildung seit Jahren chronische Schmerzen in der Lendenwirbelsäule. Prof. Dr. U. habe am 22. Juni 2009 Schmerzen in den Rückenpartien bestätigt. Seine Krankheit sei regelmäßig tödlich verlaufend. Bei der Akupunkturbehandlung handle es sich um die Behandlung der chronischen Schmerzen im Lendenwirbelbereich. Er legte weitere Arztbriefe über seine Erkrankung aus den Jahren 2000 bis 2009 und eine eigene Aufstellung der Behandlung der Erkrankung vor.
Die Ag trat dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entgegen. Ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Auch eine Eilbedürftigkeit sei nicht gegeben.
Das SG lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 06. Oktober 2010 ab. Ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Eine Körperakupunktur mit Nadeln ohne elektrische Stimulation bei chronisch schmerzhaften Patienten sei nur für folgende Indikationen zugelassen: 1. chronische Schmerzen der Lendenwirbelsäule, die seit mindestens sechs Monaten bestünden und ggf. nichtsegmental bis max. zum Kniegelenk - ausstrahlten und 2. chronischer Schmerz in mindestens einem Kniegelenk durch Gonarthrose, die seit mindestens sechs Monaten bestünden. Dass beim Ast solche Diagnosen gegeben seien, sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Prof. Dr. U. habe am 03. April 2009 im Rahmen der Anamnese darauf hingewiesen, dass der Ast hin und wieder leichte Schmerzen im verlängerten Rücken habe. Am 22. Juni 2009 habe er festgestellt, dass er zwischenzeitlich beim Liegen Schmerzen in den abhängigen Rückenpartien habe. Daraus könnten noch nicht seit mindestens sechs Monaten anhaltende chronische Schmerzen der Lendenwirbelsäule entnommen werden. Die Berichte von Prof. Dr. U. enthielten auch keinerlei Therapievorschlag hinsichtlich der Schmerzproblematik. Offensichtlich sei auch keine Diagnostik und Therapie durch einen Facharzt für Orthopädie erfolgt. Ein Kostenerstattungs- bzw. Kostenübernahmeanspruch ergebe sich auch nicht ausnahmsweise wegen Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG. Die Erkrankung des Ast sei zwar grundsätzlich lebensbedrohlich und könne auch tödlich verlaufen. Für eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse sei allerdings erforderlich, dass sich die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs schon in näherer Zeit zu konkretisieren drohe. Eine solche konkrete Gefährdung sei den vorgelegten ärztlichen Behandlungsberichten nicht zu entnehmen. So habe Prof. Dr. U. zuletzt am 22. Juni 2009 festgestellt, dass die Krankheit zurzeit mehr oder weniger stabil sei. Auch die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch lägen nicht vor. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er finanziell außer Stande sei, die Kosten für die Akupunkturbehandlung vorübergehend bis zur Entscheidung in der Hauptsache selbst zu tragen.
Der Ast hat am 18. Oktober 2010 Beschwerde gegen den Beschluss des SG eingelegt. Das Gutachten des MDK sei ein Gefälligkeitsgutachten und ohne sachliche Ermittlung erstellt worden.
Der Ast beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 06. Oktober 2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten der zwischen dem 20. November und 21. Dezember 2009 und 11. Januar und 26. Februar 2010 durchgeführten Akupunkturbehandlungen in Höhe von EUR 1.042,44 zu erstatten und die Kosten weiterer Akupunkturbehandlungen zu übernehmen.
Die Ag beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf das SG, das nach ihrer Auffassung zutreffend festgestellt habe, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vorliege.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG, die Vorprozessakten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg L 5 KR 5416/04, L 5 KR 2176/05 und L 11 KR 2985/06 sowie die Verwaltungsakten der Ag Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Ast ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 - SGGArbGÄndG - (BGBl. I, S. 444) ausgeschlossen. Denn der Beschwerdewert von EUR 750,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG i. d. F. des Art. 1 Nr. 24 Buchst. a SGGArbGÄndG) ist überschritten, da der Ast begehrt, ihm Kosten für die bereits durchgeführten Akupunkturbehandlungen in Höhe von EUR 1.042,44 zu erstatten.
Die zulässige Beschwerde des Ast ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die Ag zu verpflichten, die Kosten für die durchgeführte Akupunkturbehandlung zu erstatten und künftige Kosten zu übernehmen, zu Recht abgelehnt.
Das SG hat die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG im angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt. Bezüglich des Anspruchs auf Krankenbehandlung ist ergänzend noch zu erwähnen, dass Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Kostenerstattung § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ist.
Der Senat lässt offen, ob der Ast einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Akupunkturbehandlung hat. Aus dem Beschluss des BVerfG vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 - könnte zu schließen sein, dass das BVerfG der Ansicht sein könnte, auch dann, wenn eine ablehnende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege, bestehe gleichwohl nach den Grundsätzen seines Beschlusses vom 06. Dezember 2005 ein Anspruch auf Behandlung mit der nicht zugelassenen Behandlungsmethode. Entgegenstehen könnte einem Anspruch, dass die behandelnden Ärzte nicht zugelassen sein könnten, oder, wenn sie zugelassene Vertragsärzte sind, mit dem Ast die nach § 21 Abs. 8 Nr. 3 EKV erforderliche Vereinbarung vor Behandlungsbeginn nicht geschlossen haben, womit sie keinen Vergütungsanspruch haben könnten, so dass dem Ast keine Kosten entstanden wären und er damit keinen Kostenerstattungsanspruch haben könnte. Ausdrücklich entscheiden haben dies das Bundessozialgericht und der Senat bislang nicht.
Der Senat verneint jedenfalls einen Anordnungsgrund. Ein solcher ist nicht glaubhaft gemacht. Der Ast hat nichts zu seinen finanziellen Verhältnissen vorgetragen. Er hat keine Belege zu seinen finanziellen Verhältnissen vorgelegt und keinerlei Ausführungen hierzu gemacht. Dass er nicht in der Lage ist, die Kosten vorübergehend zu tragen, ist auch aus den vorliegenden Akten nicht erkennbar. Durch die Wahl der Kostenerstattung muss er zwangsläufig in Vorlage treten. Es ist deshalb für ihn zumutbar jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Kosten selbst zu tragen. Hinsichtlich der behaupteten weiteren Behandlungen ist noch nicht einmal dargelegt, wann diese stattfinden sollen und gegebenenfalls in welchem Umfang.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Erstattung der Kosten für zwischen dem 20. November 2009 und 21. Dezember 2009 sowie dem 11. Januar vom 26. Februar 2010 durchgeführte Akupunktur mit Nadelerhitzung und die Übernahme der Kosten weiterer Akupunkturbehandlungen.
Der 1943 geborene Ast ist versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin (Ag). Er hat anstelle der Sach- und Dienstleistung die Kostenerstattung im Bereich der ärztlichen Versorgung gewählt. Aufgrund der Diagnose eines Prostatakarzinoms wurde er im Dezember 2000 operiert. Es wurde eine radikale Prostataektomie und pelvine Lymphadenektomie durchgeführt. In der Folge wurden u.a. Hormontherapien, Positronen-Emissions-Tomografien (PET), eine Chemotherapie und im Jahr 2006 die Radiotherapie einer paraaortalen Lendenwirbelkörper-Metastase vorgenommen. Nach dem Arztbrief des Prof. Dr. U., Klinik für Tumorbiologie an der Universitätsklinik F. vom 22. Juni 2009 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Ast am 17. Juni 2009 ist die Krankheit derzeit mehr oder weniger stabil. Prof. Dr. U. empfahl, die Cellmustin-Therapie unverändert fortzusetzen. Ausweislich der Anamnese hatte der Ast beim Liegen Schmerzen in den abhängigen Rückenpartien angegeben, anamnestisch angegebene "leichte Schmerzen im verlängerten Rücken" gehen auch aus dem weiteren Arztbrief des Prof. Dr. U. vom 03. April 2009 hervor.
Zwischen dem 20. November und 21. Dezember 2009 wurden beim Ast neun Akupunkturbehandlungen mit Nadelerhitzung zur Behandlung von chronischen Schmerzen durch die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft Prof. Dr. G. und Dr. L., Fachärzte für Allgemeinmedizin/Naturheilkunde, durchgeführt. Die Kosten hierfür beliefen sich ausweislich der im Auftrag von Prof. Dr. G. und Dr. L. erstellten Rechnung vom 03. Mai 2010 auf EUR 569,16. Am 07. Mai 2010 beantragte der Ast bei der Ag die Erstattung dieser Kosten für die Akupunkturbehandlung. Mit Bescheid vom 11. Mai 2010 lehnte die Ag diesen Antrag ab, da die vom Ast in Anspruch genommene Leistung nicht anerkannt sei.
Zwischen dem 11. Januar vom 26. Februar 2010 erfolgten beim Ast acht weitere Akupunkturbehandlungen mit Nadelerhitzung zur Behandlung von chronischen Schmerzen durch Prof. Dr. G. und Dr. L ... Die Kosten hierfür beliefen sich ausweislich der im Auftrag von Prof. Dr. G. und Dr. L. erstellten Rechnung vom 15. Juni 2010 auf EUR 473,28. Am 22. Mai 2010 beantragte der Ast bei der Ag, auch diese Kosten zu erstatten. Die Leistungen hätten seine Lebensqualität erheblich verbessert. Es sei zu einer Gewichtszunahme von 62 kg im Jahr 2009 auf 78 kg heute und einer wesentlichen Verbesserung des Allgemeinzustands während der noch laufenden Chemotherapie gekommen. Mit Bescheid vom 26. Mai 2010 lehnte die Ag die Kostenübernahme wiederum ab. Sie könne nur die Kosten für anerkannte Therapien übernehmen. Die Entscheidung darüber, ob eine Therapie anerkannt sei, treffe der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Die Akupunktur sei nur für die Diagnosen "chronische Schmerzen in mindestens einem Kniegelenk durch Gonarthrose" und "chronische Schmerzen der Lendenwirbelsäule" anerkannt. Diese Diagnosen lägen beim Ast nicht vor. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch verwies der Ast darauf, dass er seit Jahren durch die Metastasenbildung Schmerzen in der Lendenwirbelsäule habe. Er reichte die genannten Arztbriefe des Dr. U. sowie Arztbriefe des Universitätsklinikums Heidelberg und des Prof. Dr. Re., Praxis für Nuklearmedizin in F., aus den Jahren 2008 und 2009 ein. Die Ag holte daraufhin das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 13. Juli 2010 ein. Dr. Ue. teilte hierin mit, dass nach Anlage I Nr. 12 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Methoden-Richtlinie) Akupunktur nur bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule, die seit mindestens sechs Monaten bestünden und chronischen Schmerzen in mindestens einem Kniegelenk zugelassen seien sowie nach Anlage II Nr. 31 Methoden-Richtlinie Akupunktur mit Ausnahme der in Anlage I aufgeführten Indikationen nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfe. Eine Kostenerstattung komme auch nicht unter Beachtung der Sozialrechtsprechung und verfassungsgerichtlicher Vorgaben (Bundesverfassungsgericht BVerfG -, Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 -) in Betracht. Im vorliegenden Fall liege aktuell keine lebensbedrohliche Krankheit vor. Die Krankheit sei seit 2008 nicht progredient. Für die Behandlung der Schmerzen stünden medikamentöse Therapien und Bestrahlungstherapie zur Verfügung. Ferner seien Schmerzen unterschiedlicher Lokalisation und nur über einen Zeitraum von April bis Juni 2009 angegeben, sodass die Voraussetzungen für chronische Schmerzen nicht erfüllt seien. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass bei Einbringen von Fremdkörpern Fremdkörperreaktionen und entzündliche Reaktionen entstehen könnten, welche zu ausgedehnten Komplikationen führen könnten. Der bei der Ag gebildete Widerspruchsausschuss wies hierauf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2010 zurück. Eine Indikation für die Kostenerstattung einer Akupunkturbehandlung liege nicht vor. Auch eine notstandsähnliche Situation durch die Nichtanwendung der beantragen Methode sei nicht erkennbar. Für die Behandlung von Schmerzen stünden medikamentöse Therapien und Bestrahlungstherapie zur Verfügung. Der MDK weise auch darauf hin, dass bei Einbringen von Fremdkörpern Fremdkörperreaktionen und entzündliche Reaktionen entstehen könnten, welche zu ausgedehnten Komplikationen führten.
Der Ast erhob hiergegen am 21. September 2010 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage (S 4 KR 3364/10) und beantragte zugleich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Er begehrte die Kostenerstattung für die durchgeführten Akupunkturbehandlungen und die Übernahme der Kosten weiterer Behandlungen. Nach der Prostataoperation im Jahr 2000 habe sich bei ihm eine Metastasenbildung entwickelt. Am 01. Juni 2006 sei eine Metastasenbildung in L 2, am 15. Mai 2008 in LKW 5 und am 20. Juni 2008 eine dissimierte Beteiligung des gesamten Beckens sowie am 22. September 2008 eine progrediente Knochenmetastasierung festgestellt worden. Der Krebs sei hormonrefektär geworden. Es habe eine Chemotherapie begonnen werden müssen, die bis heute noch nicht abgeschlossen sei. Er habe bedingt durch die Metastasenbildung seit Jahren chronische Schmerzen in der Lendenwirbelsäule. Prof. Dr. U. habe am 22. Juni 2009 Schmerzen in den Rückenpartien bestätigt. Seine Krankheit sei regelmäßig tödlich verlaufend. Bei der Akupunkturbehandlung handle es sich um die Behandlung der chronischen Schmerzen im Lendenwirbelbereich. Er legte weitere Arztbriefe über seine Erkrankung aus den Jahren 2000 bis 2009 und eine eigene Aufstellung der Behandlung der Erkrankung vor.
Die Ag trat dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entgegen. Ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Auch eine Eilbedürftigkeit sei nicht gegeben.
Das SG lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 06. Oktober 2010 ab. Ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Eine Körperakupunktur mit Nadeln ohne elektrische Stimulation bei chronisch schmerzhaften Patienten sei nur für folgende Indikationen zugelassen: 1. chronische Schmerzen der Lendenwirbelsäule, die seit mindestens sechs Monaten bestünden und ggf. nichtsegmental bis max. zum Kniegelenk - ausstrahlten und 2. chronischer Schmerz in mindestens einem Kniegelenk durch Gonarthrose, die seit mindestens sechs Monaten bestünden. Dass beim Ast solche Diagnosen gegeben seien, sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Prof. Dr. U. habe am 03. April 2009 im Rahmen der Anamnese darauf hingewiesen, dass der Ast hin und wieder leichte Schmerzen im verlängerten Rücken habe. Am 22. Juni 2009 habe er festgestellt, dass er zwischenzeitlich beim Liegen Schmerzen in den abhängigen Rückenpartien habe. Daraus könnten noch nicht seit mindestens sechs Monaten anhaltende chronische Schmerzen der Lendenwirbelsäule entnommen werden. Die Berichte von Prof. Dr. U. enthielten auch keinerlei Therapievorschlag hinsichtlich der Schmerzproblematik. Offensichtlich sei auch keine Diagnostik und Therapie durch einen Facharzt für Orthopädie erfolgt. Ein Kostenerstattungs- bzw. Kostenübernahmeanspruch ergebe sich auch nicht ausnahmsweise wegen Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG. Die Erkrankung des Ast sei zwar grundsätzlich lebensbedrohlich und könne auch tödlich verlaufen. Für eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse sei allerdings erforderlich, dass sich die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs schon in näherer Zeit zu konkretisieren drohe. Eine solche konkrete Gefährdung sei den vorgelegten ärztlichen Behandlungsberichten nicht zu entnehmen. So habe Prof. Dr. U. zuletzt am 22. Juni 2009 festgestellt, dass die Krankheit zurzeit mehr oder weniger stabil sei. Auch die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch lägen nicht vor. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er finanziell außer Stande sei, die Kosten für die Akupunkturbehandlung vorübergehend bis zur Entscheidung in der Hauptsache selbst zu tragen.
Der Ast hat am 18. Oktober 2010 Beschwerde gegen den Beschluss des SG eingelegt. Das Gutachten des MDK sei ein Gefälligkeitsgutachten und ohne sachliche Ermittlung erstellt worden.
Der Ast beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 06. Oktober 2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten der zwischen dem 20. November und 21. Dezember 2009 und 11. Januar und 26. Februar 2010 durchgeführten Akupunkturbehandlungen in Höhe von EUR 1.042,44 zu erstatten und die Kosten weiterer Akupunkturbehandlungen zu übernehmen.
Die Ag beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf das SG, das nach ihrer Auffassung zutreffend festgestellt habe, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vorliege.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG, die Vorprozessakten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg L 5 KR 5416/04, L 5 KR 2176/05 und L 11 KR 2985/06 sowie die Verwaltungsakten der Ag Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Ast ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 - SGGArbGÄndG - (BGBl. I, S. 444) ausgeschlossen. Denn der Beschwerdewert von EUR 750,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG i. d. F. des Art. 1 Nr. 24 Buchst. a SGGArbGÄndG) ist überschritten, da der Ast begehrt, ihm Kosten für die bereits durchgeführten Akupunkturbehandlungen in Höhe von EUR 1.042,44 zu erstatten.
Die zulässige Beschwerde des Ast ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die Ag zu verpflichten, die Kosten für die durchgeführte Akupunkturbehandlung zu erstatten und künftige Kosten zu übernehmen, zu Recht abgelehnt.
Das SG hat die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG im angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt. Bezüglich des Anspruchs auf Krankenbehandlung ist ergänzend noch zu erwähnen, dass Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Kostenerstattung § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ist.
Der Senat lässt offen, ob der Ast einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Akupunkturbehandlung hat. Aus dem Beschluss des BVerfG vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 - könnte zu schließen sein, dass das BVerfG der Ansicht sein könnte, auch dann, wenn eine ablehnende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege, bestehe gleichwohl nach den Grundsätzen seines Beschlusses vom 06. Dezember 2005 ein Anspruch auf Behandlung mit der nicht zugelassenen Behandlungsmethode. Entgegenstehen könnte einem Anspruch, dass die behandelnden Ärzte nicht zugelassen sein könnten, oder, wenn sie zugelassene Vertragsärzte sind, mit dem Ast die nach § 21 Abs. 8 Nr. 3 EKV erforderliche Vereinbarung vor Behandlungsbeginn nicht geschlossen haben, womit sie keinen Vergütungsanspruch haben könnten, so dass dem Ast keine Kosten entstanden wären und er damit keinen Kostenerstattungsanspruch haben könnte. Ausdrücklich entscheiden haben dies das Bundessozialgericht und der Senat bislang nicht.
Der Senat verneint jedenfalls einen Anordnungsgrund. Ein solcher ist nicht glaubhaft gemacht. Der Ast hat nichts zu seinen finanziellen Verhältnissen vorgetragen. Er hat keine Belege zu seinen finanziellen Verhältnissen vorgelegt und keinerlei Ausführungen hierzu gemacht. Dass er nicht in der Lage ist, die Kosten vorübergehend zu tragen, ist auch aus den vorliegenden Akten nicht erkennbar. Durch die Wahl der Kostenerstattung muss er zwangsläufig in Vorlage treten. Es ist deshalb für ihn zumutbar jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Kosten selbst zu tragen. Hinsichtlich der behaupteten weiteren Behandlungen ist noch nicht einmal dargelegt, wann diese stattfinden sollen und gegebenenfalls in welchem Umfang.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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