L 2 R 5913/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1560/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 5913/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1956 geborene Kläger hat den Beruf des Industriekaufmanns erlernt (1975 bis 1978) und anschließend Germanistik und Philosophie mit dem Abschluss als Magister Artium studiert (1982 bis 1991). Der Kläger war zuletzt vom 1. Oktober 1992 bis zum 31. Dezember 2007 sodann im kaufmännischen Bereich im elterlichen Fuhrbetrieb beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete aufgrund Firmenschließung. Seitdem ist der Kläger arbeitslos.

Beim Kläger sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie ferner die Voraussetzungen für das Merkzeichen G festgestellt.

Am 20. November 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung verwies er auf seine seit der Geburt bestehende körperliche Behinderung, Bewegungseinschränkungen des rechten Schultergelenks und Streckhemmung beider Ellenbogen.

Der Arzt für Orthopädie Dr. L. stellte in seinem im Auftrag der Beklagten am 12. Dezember 2007 erstellten Gutachten als Diagnosen Wirbelsäulenbeschwerden bei Wirbelsäulenfehlstatik (neuromyopathische Skoliose/Verdacht auf Folgezustand nach perinataler Schädigung/Nabelschnurumschlingung), als Differenzialdiagnose atypisch verlaufende Muskeldystrophie sowie eine Beugekontraktur der Ellenbogengelenke. Das Leistungsvermögen schätzte Dr. L. dahingehend ein, dass der Kläger nach wie vor in seinem erlernten Beruf als kaufmännischer Angestellter 6 Stunden und mehr tätig sein könne und bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen unter Vermeidung von regelmäßigem Klettern oder Steigen auf Gerüsten oder Leitern sowie des Tragens und Bewegens von Lasten ebenfalls noch 6 Stunden und mehr zumutbar seien. Zudem sei die bestehende Bewegungsbehinderung im Bereich der Ellenbogengelenke sowie die bestehende Kraftminderung des Schultergürtels zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom 9. Januar 2008 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert noch würden die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliegen. Er sei vielmehr noch in der Lage, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen in seinem erlernten Beruf als kaufmännischer Angestellter mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Im Übrigen sei er auch im Hinblick auf sein noch vorhandenes Leistungsvermögen in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden und mehr täglich tätig zu sein.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er könne die Leistungseinschätzung von Dr. L. nicht nachvollziehen und er sei mit der Behinderung geboren, die neben der schweren Wirbelsäulenverkrümmung auch die Streckhemmung beider Ellbogen und die Einschränkung im rechten Schultergelenk umfasse. Die psychische Komponente runde das Sichtbare ab. Es könne nicht sein, dass man mit einem GdB von 80 leben müsse und dann ein Arzt eine Gesundheit attestiere, die de facto nicht vorhanden sei. Der Kläger bat um eine Untersuchung durch einen weiteren Arzt.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte einen Befundbericht bei dem Allgemeinmediziner und Hausarzt des Klägers Dr. U. ein. In seiner Auskunft vom 7. März 2008 teilte Dr. U. mit, der Kläger leide unter einer Torsionskoliose BWS/LWS mit Teilversteifung der rechten Schulter, Teilversteifung des rechten Ellbogengelenks, Emphysemthorax, Hyperlordosierung der Lendenwirbelsäule mit Beckenverkippung und Gangstörung, muskuläre Atrophie im Bereich Schultergürtel und Oberarmmuskulatur und unklarer Genese mit Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk, Atrophie beider Trizipites mit Unterarmstreckschwäche beidseits, seit 1975 anerkannte Schwerbehinderung, reaktive psychische Affektion mit depressiver Komponente. Seit 15. Juni 2001 befinde sich der Kläger in sehr gelegentlicher Behandlung von Dr. U ... Der Kläger sei weder zur Zeit, noch in den letzten 2 Jahren arbeitsunfähig gewesen. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2008 den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger am 20. Mai 2008 Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, er sehe auf dem Arbeitsmarkt keine Möglichkeit, eine seiner Behinderung entsprechende Stelle wie diejenige im elterlichen Betrieb zu bekommen. Zur körperlichen Befindlichkeit könne er mitteilen, dass er seit dem Bestehen seiner Behinderung noch nie medikamentös oder instrumental habe behandelt werden müssen. Er sehe als Behinderter kein Weiterkommen und dies belaste ihn derartig, dass er in psychotherapeutischer Behandlung bei Dr. L. sei. Desweiteren hat der Kläger ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) von Dr. L. vom 6. Mai 2008 vorgelegt. Darin hat Dr. L. ausgeführt, beim Kläger lägen Anpassungsstörungen, angeborene Deformitäten der Wirbelsäule und eine Streckhemmung des rechten Ellenbogens vor. Die beim Kläger vorhandene Behinderung sei im elterlichen Betrieb ausreichend berücksichtigt worden und habe so kompensiert werden können. Diese Situation sei nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu übertragen. Beim Kläger sei Zeit seines Lebens keine orthopädische Behandlung erfolgt und die psychische Situation weder diagnostisch noch therapeutisch angegangen worden.

Das SG hat sodann die behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. als sachverständige Zeugin angehört. Dr. L. hat in ihrer Auskunft vom 27. Oktober 2008 mitgeteilt, der Kläger habe sich am 4. Juni 2008 zum ersten Mal in ihrer Praxis befunden, dann erneut am 23. Juni 2008 und zuletzt am 11. August 2008. Beim Kläger liege eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen bei beruflicher Veränderung vor. Aufgrund der psychiatrischen Diagnosen sei keine Einschränkung der beruflichen Tätigkeit des Klägers als kaufmännischer Angestellter vorhanden. Der Kläger sei aufgrund der psychiatrischen Diagnosen weiterhin in der Lage, Tätigkeiten im genannten Beruf oder leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich auszuüben. Die für die Beurteilung des Klägers maßgeblichen Leiden würden auf dem Fachgebiet der Orthopädie liegen. Es sei der Wunsch des Klägers nach einer Arbeitsunfähigkeit deutlich geworden, diesem habe jedoch aus fachärztlicher Sicht nicht nachgegeben werden können.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. November 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht vorliegen würden. Die für die Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers maßgeblichen Erkrankungen würden hauptsächlich auf dem Fachgebiet der Orthopädie liegen. Auf der Grundlage der vom Gutachter Dr. L. festgestellten Erkrankungen habe dieser das Leistungsvermögen des Klägers dahingehend beschrieben, dass qualitativ ihm kein regelmäßiges Klettern oder Steigen auf Gerüsten oder Leitern, kein Tragen und Bewegen von Lasten, auch unter 10 kg, mehr zuzumuten sei und dass die bestehende Bewegungsbehinderung im Bereich der Ellenbogengelenke sowie die bestehende Kraftminderung des Schultergürtels zu berücksichtigen sei. Dr. L. habe jedoch den Kläger unter Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen noch in der Lage gesehen, vollschichtig entsprechende leichte körperliche Tätigkeiten ausüben zu können. Für das SG bestünden auch keine Anhaltspunkte dahingehend, dass eine rentenrelevante Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten vorhanden sei. Auch die behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. habe ausgeführt, dass auch auf der Grundlage der von ihr erhobenen psychiatrischen Diagnosen der Kläger weiterhin in der Lage sei, den zuletzt ausgeübten Beruf als kaufmännischer Angestellter wie auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig zu verrichten. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheitere hier schon daran, dass der Kläger im Übrigen seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter nach wie vor vollschichtig verrichten könne.

Der Kläger hat gegen den ihm mit Postzustellungsurkunde am 1. Dezember 2008 zugestellten Gerichtsbescheid am 18. Dezember 2008 durch seinen Bevollmächtigten Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Klägerbevollmächtigte geltend, das SG habe die Beschwerdeschilderungen des Klägers nicht ausreichend gewürdigt. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien bekannt. Im bisherigen Verfahren sei jedoch noch nicht einmal ansatzweise zur Kenntnis genommen worden, was dieser Geburtsschaden für die Erwerbsfähigkeit des Klägers bedeute. Als glücklichen Umstand müsse der Kläger begreifen, dass er die Möglichkeit gehabt habe, im elterlichen Betrieb eine kaufmännische Tätigkeit auszuüben. Er habe dort seine Tätigkeit völlig frei gestalten und seiner Behinderung anpassen können. Der Kläger könne aufgrund der bei ihm bestehenden Wirbelsäulenverkrümmungen (auf allen Ebenen der Wirbelsäule) weder lange laufen noch lange sitzen. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei seinen Eltern habe er sich vielfach am Tag und lange hinlegen können, um diese Beschwerden zu kompensieren. Hinsichtlich der Wegefähigkeit komme man nicht umhin, den sogenannten Watschelgang des Klägers zu beschreiben. Die Wegefähigkeit sei im Übrigen nicht nur aufgrund der extremen Beckenverkippung eingeschränkt, sondern insbesondere deshalb, da sich die Muskulatur als Folge der Wirbelsäulenverkrümmungen bei der entsprechenden Bewegung völlig verhärtet habe. Dies habe zur Folge, dass der Kläger leichteste, wirklich allerleichteste Steigungen überhaupt nicht laufen könne. Die verkrümmte Wirbelsäule und die Beckenverkippung würden nur einen beeinträchtigten Gang auf ebener Strecke zulassen und dies auch nur wenige hundert Meter. Sicherlich wäre, ohne dem Kläger zu nahe zu treten, ohne die Möglichkeit der Kompensation im elterlichen Betrieb eine Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte schon vor Jahrzehnten thematisiert worden. Insgesamt bleibe festzuhalten, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auch nur bis zu 3 Stunden täglich zu verrichten. Überdies sei auch die Wegefähigkeit (4 mal 500 m in je 20 Minuten) nicht gegeben.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung (auch bei Berufsunfähigkeit) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Der Kläger hat im Weiteren noch das Gutachten von Dr. L. vom MDK vom 11. Februar 2010 vorgelegt, in dem Dr. L. unter anderem (nochmals) ausführt, dass die besondere Situation des Klägers im elterlichen Betrieb nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu übertragen sei, ein vollschichtiges Leistungsvermögen nie bestanden habe und auch prospektiv zu keinem späteren Zeitpunkt zu erwarten sei, weder im erlernten und langjährig ausgeübten Beruf des Buchhalters noch bezogen auf die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Unter diesem Aspekt bestehe nicht nur eine erhebliche Gefährdung sondern eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit.

Der Senat hat das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. D. vom 28. März 2010 eingeholt. Dr. D. hat als orthopädische Diagnosen eine chronisch rezidivierende Lumbalgie bei linkskonvexer Skoliose der LWS mit leichtem rechtskonvexem BWS-Gegenschwung ohne neurologische Ausfälle, eine leichte Hüftbeugekontraktur beidseits, ein Insuffizienzhinken beider Hüften, eine Beugekontraktur beider Ellbogen, rechts betont, eine Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke, rechts betont, bei deutlicher muskulärer Atrophie im Schultergürtel-/Nackenbereich, rechts betont, sowie den Verdacht auf eine perinatale Schädigung durch Hypoxie und sekundärer Muskelatrophie sowie Kontraktur, als Differentialdiagnose Muskeldystrophie gestellt. Aufgrund der komplexen Funktionsstörungen insbesondere der oberen Extremität seien Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Überkopftätigkeiten, Tätigkeiten, welche eine volle Streckfähigkeit beider Arme notwendig machten, Tätigkeiten mit Besteigen von Leitern und Gerüsten oder Tätigkeiten, die ein festes Greifen mit den Armen notwendig machten, nicht mehr möglich. Auch rein stehende oder gehende Tätigkeiten seien nicht zu empfehlen. Zu empfehlen seien leichte körperliche Tätigkeiten in überwiegend sitzender Position, bei der der Kläger gelegentlich aufstehen oder umhergehen könne. Von Seiten der deutlichen Wirbelsäulenverkrümmung mit seit Jahren bestehenden chronischen Lumbalgien seien auch Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen oder gebückte Tätigkeiten nicht zumutbar, ebensowenig Tätigkeiten in Nässe, Kälte und Zugluft. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen sei noch eine vollschichtige Tätigkeit möglich. Die Arbeitswege sollten im Übrigen 1000 Meter nicht überschreiten. Der Kläger könne auch für seinen Arbeitsweg durchaus öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen, es sollte jedoch eine Sitzmöglichkeit (z.B. auf einem Behindertensitz) vorhanden sein.

Der Kläger ist dem entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass er nicht in der Lage sei, 1000 Meter am Stück zu laufen. Dies lasse gerade die Behinderung des Klägers nicht zu. Er sei auch nicht mehr in der Lage viermal täglich 500 Meter in 20 Minuten zurück zu legen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund gem. § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Der Kläger begehrt die dauerhafte Gewährung einer Rente wegen (voller bzw. teilweiser) Erwerbsminderung.

II.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen (voller bzw. teilweiser) Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht vorliegen.

1. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).

Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Beklagten beim Kläger vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit. Der Kläger ist jedoch nicht im Sinne der obigen gesetzlichen Regelung erwerbsgemindert.

Der wesentliche Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen des Klägers liegt auf orthopädischem sowie nervenärztlichem Gebiet. Auf der Grundlage des im Urkundenbeweis zu verwertenden Gutachtens des Facharztes für Orthopädie Dr. L. aus dem Verwaltungsverfahren, der im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskunft des behandelnden Hausarztes Dr. U. bzw. der im SG-Verfahren eingeholten weiteren Auskunft der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. sowie des hier im Berufungsverfahren eingeholten weiteren orthopädischen Gutachtens von Dr. D. kann der Kläger im Ergebnis unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben.

Auf orthopädischen Gebiet hat Dr. D. die zuvor von Dr. L. bereits gestellten Diagnosen bestätigt und ergänzt (chronisch rezidivierende Lumbalgie bei linkskonvexer Skoliose der LWS mit leichtem rechtskonvexem BWS-Gegenschwung ohne neurologische Ausfälle, leichte Hüftbeugekontraktur beidseits, Insuffizienzhinken beider Hüften, Beugekontraktur beider Ellbogen, rechts betont, Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke, rechts betont, bei deutlicher muskulärer Atrophie im Schultergürtel-/Nackenbereich, rechts betont sowie Verdacht auf perinatale Schädigung durch Hypoxie und sekundärer Muskelatrophie sowie Kontraktur, Differenzialdiagnose Muskeldystrophie). Das Leistungsvermögen haben beide orthopädischen Gutachter, also sowohl Dr. L. als auch Dr. D., dahingehend eingeschätzt, dass der Kläger unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (kein schweres Heben und Tragen von Lasten, keine Überkopftätigkeiten, keine Tätigkeiten, welche eine volle Streckfähigkeit beider Arme notwendig machen, keine Tätigkeiten mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, keine Tätigkeiten, die ein festes Greifen mit den Armen notwendig machen, und keine rein stehenden oder gehenden Tätigkeiten, keine Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen oder gebückte Tätigkeiten, keine Tätigkeiten in Nässe, Kälte und Zugluft) noch leichte körperliche Tätigkeiten in überwiegend sitzender Position mit der Gelegenheit zum Aufstehen oder Umhergehen vollschichtig ausüben kann. Beide Gutachter gehen auch davon aus, dass die Wegefähigkeit des Klägers in dem hier notwendigen Umfang (4 x 500 m innerhalb von jeweils 20 min) noch vorhanden ist.

Soweit der Kläger dem unter Hinweis auf die Gutachten von Dr. L. vom 6. Mai 2008 bzw. 11. Februar 2010 entgegentritt und darauf verweist, Dr. L. habe die Auffassung vertreten, dass der Kläger nur unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im elterlichen Betrieb habe erwerbsfähig sein können, jedoch bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt eine Erwerbsfähigkeit nicht bestehe, kann der Senat dem nicht folgen. Denn beide orthopädischen Gutachter aus dem Verwaltungs- und dem Berufungsverfahren sind demgegenüber unter Berücksichtigung der beim Kläger unstreitig bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger nach wie vor auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig ausüben könne. Insbesondere Dr. D. war in dem Zusammenhang auch bereits das Gutachten von Dr. L. vom 6. Mai 2008 (das sich in der SG-Akte, die dem Gutachter mit übersandt worden war, befand) bekannt. Dr. D. hat in dem Zusammenhang unter Bezugnahme auf das MDK-Gutachten von Dr. L. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach seiner Einschätzung die beim Kläger bestehenden Behinderungen nicht derartig seien, als dass er nicht unter deren Berücksichtigung noch eine Tätigkeit entsprechend dem von ihm beschriebenen Tätigkeitsprofil vollschichtig durchführen könnte. Auch für den Senat ist unter Berücksichtigung der beim Kläger unstreitig bestehenden Gesundheitsstörungen und der zu beachtenden qualitativen Einschränkungen nicht erkennbar, weshalb eine vollschichtige leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen sein sollte. Soweit der Kläger dem entgegenhält, bei ihm sei ein GdB von 80 festgestellt und er daher aus seiner Sicht folgerichtig auch nicht mehr erwerbsfähig sei, greift dies nicht durch. Die Würdigung des Beweisergebnisses wird dadurch nicht beeinflusst. Der GdB nach dem Sozilagesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) hat keine Aussagekraft hinsichtlich der Frage der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, weil der Begriff weitgehender ist. Bei der Feststellung des Grades der Behinderung ist maßgeblich, inwieweit durch die bestehenden Behinderungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (insgesamt) beeinträchtigt wird, während die hier allein zu prüfende Erwerbsfähigkeit nur einen Teil der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft darstellt.

Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 m in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen, stellt bei dem anzuwendenden generalisierenden Maßstab eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenem vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (Großer Senat in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 S 28; BSG Urteil vom 21. März 2006 – B 5 RJ 51/04 R – in SozR 4-2600 § 43 Nr.8). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz innehat, der in zumutbarer Entfernung liegt oder mit einem vorhandenen Kfz erreichbar ist, oder wenn ihm ein entsprechender Arbeitsplatz angeboten wird. Diese Kriterien hat das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Rechtsprechung zum Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit entwickelt, wie ihn § 1247 Reichsversicherungsordnung und § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung umschrieben hatten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10 mwN; SozR 3-2600 § 44 Nr. 10). Der 5. Senat des BSG ist im Urteil vom 28. August 2002 (B 5 RJ 12/02 R) davon ausgegangen, dass die genannten Maßstäbe für den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung unverändert gelten. So hat der 5. Senat dort unter anderem auch ausdrücklich ausgeführt: Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BSG Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, S 30 f; Senatsurteile vom 19. November 1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 10 und vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 36/01 R - veröffentlicht in JURIS). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 SGB IX) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 10 und vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 36/01 R - veröffentlicht in JURIS; BSG Urteil vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R - veröffentlicht in JURIS).

So ist der Sachverhalt hier. Hinsichtlich der Wegefähigkeit sind zum einen beide orthopädischen Gutachter auf der Grundlage der von ihnen im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Klägers erhobenen Befunde zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger noch in der Lage ist, im relevanten Umfang (4 x 500 m in jeweils 20 min) den Weg zur Arbeit zurückzulegen. Der Kläger macht zwar geltend, die noch maßgebliche Wegstrecke nicht mehr zurücklegen zu können, ihm steht jedoch zum anderen ein Kraftfahrzeug zur Verfügung, das er auch in der Lage ist zu führen. Im Übrigen ist er nach dem Urteil der orthopädischen Gutachter auch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel und damit aber in gleicher Weise auch sein Kraftfahrzeug zu nutzen.

Schließlich führen auch die beim Kläger daneben bestehenden Erkrankungen auf nervenärztlichem Gebiet nicht zu einer rentenrelevanten Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Nach Auskunft der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. führt die beim Kläger bestehende Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung anderer Gefühle bei beruflicher Veränderung weder bezogen auf die letzte Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter noch bezogen auf leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu einer Einschränkung des Leistungsvermögens.

Insgesamt ist damit nach Überzeugung des Senats auf der Grundlage der vorliegenden orthopädischen Gutachten sowie der Auskünfte des behandelnden Hausarztes und der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie festzuhalten, dass der Kläger - unter Berücksichtigung entsprechender qualitativer Einschränkungen - leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr ausüben kann. Damit besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Es war im Übrigen im Hinblick auf dieses Leistungsvermögen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI). Auch Anhaltspunkte dafür, dass hier in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht und schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSGE 56, 64 = SozR 2200 § 1246 Nr. 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 in BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; siehe auch zuletzt BSG im Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R - in SozR 4-2600 § 43 Nr.5).

2. Der Kläger ist auch nicht berufsunfähig.

Gem. § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und 2. berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind gem. § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist jedoch nach dem überstimmenden Urteil beider orthopädischen Gutachter wie auch der behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie nach wie vor in der Lage, auch in seinem erlernten Beruf als kaufmännischer Angestellter vollschichtig zu arbeiten.

Aus diesen Gründen ist daher die Berufung zurückzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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