L 11 R 5693/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2272/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5693/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der 1950 geborene Kläger war zuletzt bis 30. April 2003 als CNC-Stanzer versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Erhalt einer Abfindung bezog der Kläger vom 26. Oktober 2003 bis 7. Dezember 2006 Arbeitslosen- und Krankengeld.

Am 10. Mai 2004 wurde beim Kläger wegen eines kernspintomografisch nachgewiesenen Bandscheibenvorfalls C6/7 mit neuroforaminaler Enge eine ventrale Diskektomie C6/7 mit PEEK-Cage durchgeführt. Bei persistierenden Beschwerden ergab eine nochmalige kernspintomografische Abklärung Foraminalstenosen C4/5 und C5/6 beidseits. Deshalb wurde am 20. Oktober 2005 eine dorsale Foraminotomie C4/5 und C5/6 beidseits durchgeführt. Vom 14. November 2005 bis 12. Dezember 2005 befand sich der Kläger zur medizinischen Rehabilitation in der M.-Klinik. Dr. J. gab im Entlassungsbericht vom 12. Dezember 2005 an, dem Kläger sei die letzte Tätigkeit nur noch unter drei Stunden möglich, leichte Tätigkeiten könne er unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen jedoch mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, Dauerstehen über 30 Minuten, Gehstrecken über 1000 Meter am Stück, in Zwangshaltungen des Rumpfes, Kopfes oder Schultergürtels, Tätigkeiten mit Anheben der Arme über die Horizontale oder die eine freie Beweglichkeit der HWS voraussetzten und Tätigkeiten, für die ein Krafteinsatz der Arme erforderlich sei.

Am 15. November 2006 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung, seit ca 2002 wegen eines Bandscheibenvorfalls mit zwei Operationen keine Tätigkeiten mehr verrichten zu können. Die Beklagte holte das orthopädische Gutachten des Dr. Sp.-F. vom 22. Dezember 2006 ein, der sich der Leistungsbeurteilung der M.-Klinik anschloss.

Nach Einholung einer Arbeitgeberauskunft gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 2. März 2007 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Oktober 2005, da der Kläger berufsunfähig sei. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe nicht.

Den weitergehenden Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2007 zurück. Leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien dem Kläger unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Deshalb sei der Kläger nicht erwerbsgemindert.

Mit der dagegen beim Sozialgericht M. (SG) am 27. Juni 2007 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er leide unter erheblichen Beeinträchtigungen im Bereich des gesamten Bewegungsapparates, insbesondere im Bereich der (Hals-) Wirbelsäule. Die Beschwerden hätten sich durch die beiden durchgeführten Operationen nicht gebessert. Er leide weiterhin unter starken Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Hinterkopf, habe im rechten Arm fast keine Kraft und die Kraft sei auch im linken Arm deutlich reduziert. Er leide unter ständigen Schmerzen in den Armen. Das Anheben des gestreckten Armes sowie das Abspreizen zur Seite und der grobe Faustschluss sei ihm nicht mehr möglich. Im Bereich beider Hände und Arme habe er ein Taubheitsgefühl. Die Gebrauchsfähigkeit von Zeige-, Ring- und Mittelfinger der rechten Hand sei so eingeschränkt, dass er weder richtig schreiben noch eine Flasche öffnen könne. Außerdem sei die gesamte HWS-Beweglichkeit extrem eingeschränkt. Er könne den Kopf nicht frei drehen und wenn er die Blickrichtung ändern wolle, müsse er den gesamten Köper drehen. Er stehe morgens gegen 3:00 Uhr auf, da ihm ein weiteres Schlafen aufgrund der Schmerzen nicht möglich sei. Tagsüber unternehme er zwei kurze Spaziergänge und gehe zur Wasser- und zur Krankengymnastik. Zuhause liege, sitze oder laufe er, um die Schmerzen im Griff zu halten. Orthopäde Dr. Sch. habe ihn an das Zentrum für Schmerztherapie, Universitätsklinik M., verwiesen. Ihm seien starke Schmerzmittel verschrieben worden.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Orthopäde Dr. Sch. hat sich in der Auskunft vom 3. März 2008 den Feststellungen und Beurteilungen im Gutachten des Dr. Sp.-F. im Wesentlichen angeschlossen. In Anbetracht der vom Kläger beschriebenen Dauerschmerzen sollten zudem keine Tätigkeiten ausgeübt werden, die eine hohe Konzentration erforderten. Beim Kläger liege ein Postnukleotomie-Syndrom der HWS, eine Gonarthrose beidseits und eine Coxarthrose rechts vor. Es bestünden Dauerschmerzen im Nacken- und Schulterbereich mit Ausstrahlung in beide Hände und belastungsabhängige Kniegelenks- und Hüftgelenksbeschwerden. PD Dr. B., Leiter des Zentrums für Schmerztherapie im Klinikum M., hat mit der Auskunft vom 20. März 2008 mitgeteilt, der Kläger klage über stechende Schmerzen im Bereich des Dermatoms C6/7 sowie ein Taubheitsgefühl im linken Ober- und Unterarm mit wechselnder Schmerzstärke. Weiter berichte der Kläger über Schlafstörungen und Schmerzen bei geringer körperlicher Belastung der Extremität. Nach der bisherigen zweimaligen Behandlung habe eine Verbesserung des Nachtschlafes bewirkt werden können. In der ergänzenden Auskunft vom 18. Juli 2007 nach weiteren Vorstellungen des Klägers hat PD Dr. B. mitgeteilt, der Kläger gebe an, unter Tagesmüdigkeit, einer abfallenden Leistungskurve sowie weiterhin unter einer verminderten Kraft und einem Taubheitsgefühl begleitet von Parästhesien in den Armen zu leiden. Wegen einer verbesserten Beweglichkeit, geringeren Verspannungen im Halsbereich und einer als geringer angegebenen Schmerzstärke könne insgesamt eine Verbesserung der Situation festgestellt werden.

Mit Urteil vom 23. Oktober 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei noch in der Lage, sechs Stunden täglich eine leichte Tätigkeit unter Beachtung bestimmter qualitativer Leistungseinschränkungen zu verrichten. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Dr. Sp.-F. vom 22. Dezember 2006. Zu Funktionseinschränkungen führe im Wesentlichen das Postnukleotomie-Syndrom. Entgegen der Leistungseinschätzung des Klägers habe Orthopäde Dr. Sch. die Leistungsbeurteilung des Dr. Sp.-F. im Wesentlichen als zutreffend gewürdigt. Dass die Gebrauchsfähigkeit von Zeige-, Ring- und Mittelfinger der rechten Hand so stark eingeschränkt sei, dass der Kläger weder richtig schreiben noch eine Flasche öffnen könne, sei nicht nachgewiesen. Diese Angabe werde auch nicht durch den Bericht des PD Dr. B. gestützt.

Gegen das dem Kläger am 24. November 2009 zugestellte Urteil des SG hat dieser am 4. Dezember 2009 Berufung eingelegt. Er leide unter erheblichen Beeinträchtigungen im Bereich des gesamten Bewegungsapparates, verbunden mit einem erheblichen Schmerzsyndrom. Durch die schmerztherapeutische Behandlung sei lediglich eine geringfügige Verbesserung erzielt worden. Dennoch sei er außerstande, einer regelmäßigen, wirtschaftlich sinnvollen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Angeregt werde die Einholung von Sachverständigengutachten auf schmerztherapeutischem bzw. neurologischem und orthopädischem Fachgebiet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts M. vom 23. Oktober 2009 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 2. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Oktober 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre und die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.

PD Dr. B. hat auf die Anfrage des Senats am 31. März 2010 mitgeteilt, den Kläger seit 7. Mai 2008 nicht mehr behandelt zu haben. Daraufhin hat der Kläger den Abschlussbericht des PD Dr. B. vom 25. Juni 2008, der eine intensive Physiotherapie und Wiedervorstellung bei Verschlechterung der Schmerzsymptomatik nach abgeschlossenem Rentenverfahren empfohlen hat, und die ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 30. April 2010 übersandt und mitgeteilt, Dr. K. führe die schmerztherapeutische Behandlung nach den Vorgaben des Schmerzzentrums des Klinikums M. weiter.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat schließlich das nervenärztliche Gutachten des Dr. H. vom 21. Juni 2010 eingeholt. Dr. H. ist zum Ergebnis gekommen, eine psychiatrische Erkrankung liege beim Kläger nicht vor. Unter Berücksichtigung der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sei dem Kläger noch eine leichte Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich möglich. Schwere Lasten über zehn Kilogramm sollten nicht gehoben oder getragen werden. Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken oder häufiges Treppensteigen sollten nicht vorgenommen werden. Gleichförmige Körperhaltungen sollten ebenso wie Überkopfarbeiten vermieden werden. Günstig sei ein Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen. Arbeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien sollten nicht verrichtet werden. Arbeiten, die besondere Ansprüche an die Kraft und Geschicklichkeit der rechten Hand stellten, kämen nicht in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid der Beklagten vom 2. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2007 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über die gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hinaus.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Art 1 Nr 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (BGBl I 2000, 1827) und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I 2007, 554). Denn gemäß § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden gemäß § 302b SGB VI keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs 2 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw gemäß § 43 Abs 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGBVI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs 3 SGBVI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Zur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweiserhebungen fest, dass der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist, weil er noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf die Gutachten des Dr. Sp.-F. und des Dr. H. sowie den Entlassungsbericht des Dr. J ... Danach kann der Kläger eine leichte Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Zu vermeiden ist das Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, Zwangshaltungen des Rumpfes, Kopfes oder Schultergürtels, Tätigkeiten mit Anheben der Arme über die Horizontale, Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken oder häufiges Treppensteigen, gleichförmige Körperhaltungen, Gehstrecken über 1000 Meter am Stück und Arbeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien sowie mit besonderen Ansprüchen an die Kraft und Geschicklichkeit der rechten Hand.

Im Vordergrund stehen die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet. Der Kläger leidet nach der ventralen Diskektomie C6/7 mit PEEK-Cage und der dorsalen Foraminotomie C4/5 und C5/6 an einem Postnukleotomiesyndrom der Halswirbelsäule mit anhaltenden Cervikobrachialgien und im Übrigen an rezidivierenden lumbalen Schmerzen bei beginnender Spondylose und Osteochondrose L 1/2 und L 3/4, einer Brustwirbelsäulenkyphose und fortgeschrittenen medialen Gonarthrosen beidseits. Die Beweglichkeit der HWS ist erheblich eingeschränkt. Denn die Seitdrehung ist beidseits auf 20 Grad limitiert, die Seitneigung nach rechts und links auf 15 bzw 20 Grad. Die Schulterbeweglichkeit ist frei, jedoch wegen der Nackenschmerzen nur verzögert durchführbar. Neurologisch kommt eine Hypästhesie und eine Dysästehsie im Sinne von Nadelstichen im Versorgungsgebiet der Nervenwurzeln C 6/7 im Bereich der Finger I bis III rechts und eine diskrete Schwäche der Fingerbeuger rechts bei der Prüfung der groben Kraft hinzu. Dennoch hat insbesondere Dr. Sp.-F. festgestellt, dass dem Kläger sowohl der Faustschluss als auch der Spitzgriff noch möglich war. Der Kläger konnte auch eine 500 Gramm schwere Desinfektionsflasche fest umschlossen halten. Eine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation hat sich nicht ergeben. Denn Dr. H. hat nur eine diskrete Schwäche der Fingerbeuger rechts vorgefunden und darauf hingewiesen, dass beim Kläger Muskelatrophien oder trophische Störungen nicht feststellbar waren. Damit ergibt sich keine Gebrauchsunfähigkeit der rechten Hand. Der Kläger muss jedoch gleichförmige Körperhaltungen, das Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, Zwangshaltungen des Rumpfes, Kopfes oder Schultergürtels, Tätigkeiten, die besondere Ansprüche an die Kraft und Geschicklichkeit der rechten Hand stellen, Tätigkeiten mit Anheben der Arme über die Horizontale und Arbeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien meiden. Damit ergeben sich qualitative, aber keine quantitativen Leistungseinschränkungen. Die lumbalen Schmerzen, die Brustwirbelsäulenkyphose und die Gonarthrosen beidseits ziehen nach den Feststellungen des Dr. Sp.-F. jeweils keine Funktionseinschränkungen nach sich. Denn zwar ist die Beweglichkeit der Brustwirbelsäule erheblich eingeschränkt, die der LWS und der Knie jedoch frei, so dass sich insgesamt keine wesentliche Funktionseinschränkung ergibt. Im Hinblick auf die fortgeschrittenen Gonarthrosen müssen jedoch Arbeiten mit Gehstrecken über 1000 Meter am Stück und häufiges Bücken und Treppensteigen unterbleiben.

Weitere Funktionseinschränkungen, die qualitative oder quantitative Leistungseinschränkungen zur Folge haben könnten, ergeben sich weder durch den von Dr. H. in dessen Gutachten erwähnten unspezifischen Schwindel noch durch die beim Kläger vorhandenen Schmerzen. Die Schmerzen sind über die Diagnose des Postnukleotomiesyndroms erfasst. Darüber hinaus liegt beim Kläger keine weitere Erkrankung vor. Dr. H. hat nachvollziehbar eine psychiatrische Erkrankung des Klägers verneint. Denn der psychische Befund des Klägers war unauffällig, insbesondere hat der Kläger keine Einschränkungen der Auffassung, Konzentration und des Durchhaltevermögens gezeigt. Der Antrieb war ungestört und die affektive Schwingungsfähigkeit gut erhalten. Des Weiteren haben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung ergeben. Nach der von Dr. H. erhobenen Anamnese haben sich beim Kläger keine Defizite im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit ergeben, was nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gegen eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens spricht (vgl Urteile des Senats vom 28. September 2010, L 11 R 2840/09 mwN). Nach dem Aufstehen zwischen 6:00 und 7:00 Uhr frühstückt der Kläger und verbringt den Vormittag zu Hause, wobei er öfters um den Block spazieren geht. Danach liest er Zeitung und nimmt das Mittagessen zusammen mit seiner Ehefrau ein. Nach einem Mittagsschlaf geht er drei- bis viermal wöchentlich zur Wassergymnastik ins Schwimmbad. Im Übrigen hat der Kläger regelmäßig Kontakt zu Freunden und besucht Handballspiele des regionalen Vereins. Am Wochenende unternimmt er ab und zu Ausflüge mit seinem Patenkind, Kontakt zu seinen Brüdern besteht. Mit der derzeitigen Schmerzmedikation ist der Kläger daher zur Überzeugung des Senats gut eingestellt, weshalb das Schmerzsyndrom keine weiteren Leistungseinschränkungen nach sich zieht.

Abweichende Leistungseinschätzungen der behandelnden Ärzte liegen nicht vor. Die von PD Dr. B. mitgeteilten Befunde hat Dr. H. bei der Erstattung seines Gutachtens berücksichtigt. Dr. Sch. hat sich in seiner Auskunft vom 3. März 2008 ausdrücklich der Beurteilung des Leistungsvermögens durch Dr. Sp.-F. angeschlossen und lediglich eine weitere qualitative Einschränkung benannt, nämlich das Meiden von Tätigkeiten, die eine hohe Konzentration erforderten. Da allerdings Dr. H. bei seiner Begutachtung keine Einschränkung der Konzentration feststellen konnte, kann der Einschätzung des Dr. Sch. diesbezüglich nicht gefolgt werden.

Weitere medizinische Ermittlungen von Amts wegen, insbesondere die Einholung eines (weiteren) Gutachtens, sind nicht erforderlich, da ein Aufklärungsbedarf nicht (mehr) besteht. Die Gutachten des Dr. Sp.-F. und des Dr. H. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Gutachten geht von allgemein zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher nicht mehr notwendig.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen muss dem Kläger keine konkrete Berufstätigkeit benannt werden. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch bei verbliebener Fähigkeit des Versicherten, noch mindestens sechs Stunden täglich eine Arbeit zu verrichten, Erwerbsminderung bestehen. Wenn der Versicherte mindestens sechs Stunden täglich körperlich leichte Tätigkeiten mit bestimmten Einschränkungen ausüben kann, ist die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nur erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG, Beschluss des Großen Senates vom 19. Dezember 1996, GS 2/95, SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Der Grund für die Benennungspflicht liegt darin, dass der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004, B 5 RJ 48/03 R, juris). Allein mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf leichte Tätigkeiten mit weiteren Einschränkungen kann die Verweisungspflicht jedoch nicht begründet werden (BSG aaO).

Von einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" kann dann ausgegangen werden, wenn eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen. Denn jede qualitative Leistungseinschränkung versperrt dem Versicherten eine bestimmte Gruppe von Arbeitsplätzen. Jede weitere Leistungseinschränkung schließt ihrerseits einen anderen Bereich des Arbeitsmarktes aus, wobei sich diese Bereiche überschneiden, aber auch zu einer größeren Einengung des Arbeitsmarktes addieren können (BSG, Urteil vom 19. August 1997, 13 RJ 29/95, juris). Bei der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen hängt das Bestehen einer Bezeichnungspflicht entscheidend von Anzahl, Art und Umfang der beim Versicherten bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Ob die Einschränkungen die Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über das Erfordernis hinaus, die Arbeit müsse körperlich leicht sein, erheblich begrenzen, ist danach zu entscheiden, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten körperliche Verrichtungen, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert werden, noch erlaubt, wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw, und bei Zweifeln dann zu prüfen, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt (BSG, Urteil vom 11. Mai 1999, B 13 RJ 71/97 R, SozR 3-2600 § 43 Nr 21).

Zur Überzeugung des Senats schränken die Leistungseinschränkungen die Fähigkeit des Klägers, körperlich leichte Tätigkeiten zu verrichten, nicht zusätzlich erheblich ein. Denn Einschränkungen wie der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte oder mit häufigem Bücken zu leisten sind, besondere Fingerfertigkeiten erfordern oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind (BSG, Urteil vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200 § 1246 Nr 90), Ausschluss von Arbeiten in Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen, Ausschluss von Tätigkeiten, die häufiges Bücken erfordern (BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83, SozR 2200 § 1246 Nr 117), sind Einschränkungen, die noch nicht zu einer konkreten Benennung veranlassen. Der Kläger muss insbesondere Tätigkeiten mit besonderen Ansprüchen an die Kraft und Geschicklichkeit der rechten Hand und das Anheben der Arme über die Horizontale vermeiden, womit die leichten Tätigkeiten nicht zusätzlich eingegrenzt werden. Leichte Tätigkeiten wie das Zureichen, Sortieren etc sind dem Kläger damit noch möglich. Eine konkrete Verweisungstätigkeit muss ihm deshalb nicht benannt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen gemäß § 160 Abs 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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