L 4 KA 49/08

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 393/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 49/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 34/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. April 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits auch im Berufungsverfahren zu tragen. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Der Streitwert wird auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf eine Ermächtigung zur Einrichtung eines sozialpädiatrischen Zentrums zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern gemäß § 119 SGB V hat, hilfsweise Anspruch auf Neubescheidung.

Die Klägerin ist eine gemeinnützige GmbH, die das Klinikum der Stadt A-Stadt betreibt. Am 30. Januar 2006 beantragte die Klägerin die Ermächtigung zum Betreiben eines sozialpädiatrischen Zentrums am Klinikum der Stadt A-Stadt. Sie legte ein Konzept für das geplante sozialpädiatrische Zentrum vor und trug vor, bei einem Einzugsgebiet von etwa 400.000 Einwohnern sei ein sozialpädiatrisches Zentrum in A-Stadt zur Versorgung der Bevölkerung dringend erforderlich, da eine sinnvolle Betreuung und Integration behinderter Kinder nur wohnortnah möglich sei. Die nächstgelegenen sozialpädiatrischen Zentren seien weit entfernt und Termine nur mit erheblichen Wartezeiten zu erhalten, eine kontinuierliche Betreuung sei nicht möglich. Die Notwendigkeit eines solchen Zentrums in A-Stadt ergebe sich aus den seit 1. Januar 2006 geltenden, vom gemeinsamen Bundesausschuss festgelegten Regelungen, nach denen in einem Perinatalzentrum behandelte Frühgeborene im Alter von zwei Jahren neurologisch nachuntersucht werden müssten. Das Perinatalzentrum des Klinikums A-Stadt erfülle die Voraussetzungen des Level 1.

Die Beigeladene zu 1) befürwortete den Antrag unter dem 9. Mai 2006 zunächst, da von den niedergelassenen Kinderärzten im Planungsbereich UQ.Kreis ein Versorgungsengpass in der Betreuung von Kindern mit Entwicklungsstörungen bzw. Behinderungen bestätigt worden sei. Sie befürwortete eine Ermächtigung für die Dauer von zwei Jahren für die ambulante sozialpädiatrische Behandlung von Kindern auf Überweisung durch niedergelassene Nervenärzte, Neurologen und Psychiater gemäß § 119 SGB V. Die Klägerin entgegnete, aufgrund der zu behandelten Krankheitsbilder könne ein sozialpädiatrisches Zentrum nur zusammen mit niedergelassenen Pädiatern arbeiten und die Patienten nur mit diesen zusammen betreuen. Vorrangig müsse daher den Pädiatern und den Kinder- und Jugendpsychiatern das Recht eingeräumt werden, Kinder in das sozialpädiatrische Zentrum zu überweisen. Ein sozialpädiatrisches Zentrum betreue interdisziplinär in erster Linie Kinder mit chronischen Erkrankungen oder solche Kinder, die von chronischen Erkrankungen bedroht seien. Damit liege ein Schwerpunkt in Verlaufsuntersuchungen und Langzeitbetreuung. Eine Befristung der Ermächtigung auf zwei Jahre sei daher nicht sinnvoll. Es sei eine Ermächtigung auf wenigstens fünf Jahre auszusprechen. Die Beigeladene zu 1) änderte daraufhin den von ihr vorgeschlagenen Facharztfilter dahingehend, dass die Ermächtigung auf die Überweisung durch niedergelassene Ärzte für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Nervenärzte, Neurologen und Psychiater beschränkt werden sollte.

Die Beigeladenen zur 2) bis 9) nahmen unter dem 20. Juli 2006 dahingehend Stellung, dass nach ihrem Kenntnisstand die in A-Stadt und Umgebung wohnenden Patienten durch das sozialpädiatrische Zentrum am Klinikum J. in ausreichendem Maße behandelt würden. Ein Bedarf für eine Ermächtigung eines zusätzlichen sozialpädiatrischen Zentrums in A-Stadt bestehe daher nicht. Dem entgegnete die Klägerin, der Bedarf sei grundsätzlich auf der Grundlage der Planungsbereiche zu prüfen. Das Klinikum J. sei allein für den Planungsbereich J.-Stadt und -Land zuständig. Auch wenn beide Landkreise aneinander grenzten, könne vom Grundsatz nicht abgewichen werden, weil beide Planungsbereiche zu groß und bevölkerungsreich seien. Im UQ.Kreis lebten rund 400.000 Einwohner, in den Planungsbereichen J.-Stadt und -Land mehr als 400.000 Einwohner.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen lehnte mit Beschluss vom 27. Juni 2006 den Antrag der Klägerin ab, weil die sozialpädiatrische Versorgung der Patienten in A-Stadt und Umgebung durch das sozialpädiatrische Zentrum am Klinikum J. sichergestellt werden könne. Eine Lücke in der vertragsärztlichen Versorgung sei nicht feststellbar. Hiergegen legte die Klägerin am 1. August 2006 Widerspruch ein, den sie u. a. damit begründete, dass es den Kindern und Jugendlichen, die einer sozialpädiatrischen Behandlung bedürften, sowie deren Eltern unzumutbar sei, ein sozialpädiatrisches Zentrum in einem anderen Planungsbereich aufzusuchen. Das erklärte gesetzgeberische Ziel sei, Schädigungen oder Störungen bei Kindern, die zur Krankheit führen könnten, durch frühe Diagnostik, frühe Therapie und frühe soziale Eingliederung zu erkennen, zu verhindern, zu heilen oder in ihren Auswirkungen zu mildern. Deshalb habe der Gesetzgeber die Ermächtigung nach § 119 SGB V geschaffen, weil zur Erreichung dieses Zieles eine ganzheitliche Behandlung mit einem Bündel von integrierten, gezielten, medizinischen, psychologischen, pädagogischen und sozialen Maßnahmen notwendig sei, die nur in fachübergreifend tätigen sozialpädiatrischen Zentren angeboten werden könne. Die vorgesehene Betreuung von Kindern mit Behinderungen im Kontext mit ihrem sozialen Umfeld sei nur in räumlicher Nähe möglich.

Die Beigeladene zu 1) teilte mit Schriftsatz vom 7. Februar 2007 mit, bei den drei sozialpädiatrischen Zentren in J., ZM und Z-Stadt eine Umfrage durchgeführt zu haben. Danach verfüge das sozialpädiatrische Zentrum in J. über circa 150 freie Behandlungskapazitäten, das sozialpädiatrische Zentrum in ZM ab Februar 2007 über 125 freie Behandlungskapazitäten. Die Wartezeiten betrügen in J. bei 0-3-Jährigen 6 Wochen, 4-7-Jährigen 2 Monate und bei über 7-Jährigen 2 bis 3 Monate. In ZM könnten bei Säuglingen kurzfristig Termine vergeben werden, die Wartezeiten für Kleinkinder betrügen 2 bis 3 Monate, bei Schulkindern 3 bis 4 Monate. Akute Problemfälle könnten sofort behandelt werden. J. habe im Jahr 2006 bereits circa 250 Patienten aus dem Planungsbereich UQ.Kreis behandelt. Der angegebene Personalschlüssel der Klägerin genüge auch nicht den Anforderungen an ein sozialpädiatrisches Zentrum auf der Grundlage des sog. Altöttinger Papiers nach der Vorgabe der Deutschen Gesellschaft zur Sozialpädiatrie und Jugendmedizin. Die Arbeit der sozialpädiatrischen Zentren betreffe nicht nur Diagnostik und Nachsorge, sondern zu einem großen Teil auch therapeutische Intervention, so dass entsprechende Therapeuten tätig sein müssten.

Die Klägerin trug am 12. und 14. Februar 2007 vor, das sozialpädiatrische Zentrum in ZM sei in dem von A-Stadt am weitesten entfernten Stadtteil von Z gelegen. Sie legte einen Auszug aus dem "Altöttinger Papier" vor. Diesen Anforderungen entspreche das geplante sozialpädiatrische Zentrum in A-Stadt. Die Anforderungen an die Personalausstattung würden erfüllt. Im Rahmen des Ermächtigungsantrags könne der zukünftige Personalschlüssel jedoch nicht zur Diskussion stehen. Auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Juli 1995 - L 5 Ka 644/94 -,MedR 1986, 89 werde verwiesen. Im Rahmen des § 119 SGB V würden grundsätzlich die Bedarfsprüfungsmaßstäbe gelten, die von der Rechtsprechung zu § 116 SGB V entwickelt worden seien. Es komme auf die Versorgungslage im jeweiligen Planungsbereich an. Vorliegend handele es sich um einen großen Planungsbereich. Auch im Bereich der stationären Versorgung hätten beide Planungsbereiche jeweils zwei Krankenhäuser mit jeweils zusammen rund 1.900 Geburten pro Jahr. Beide Städte hätten eine vergleichbare Sozialstruktur mit hohem Ausländeranteil. Hinzu komme noch die Einwohnerzahl der Stadt J. mit 270.000 Einwohnern.

Die Beigeladenen zu 2) bis 9) erwiderten, die unterschiedlichen Formulierungen in §§ 116 und 119 SGB V deuteten darauf hin, dass eine nach unterschiedlichen Grundsätzen vorzunehmende Bedarfsprüfung zu erfolgen habe. Bei sozialpädiatrischen Leistungen handele es sich nicht um Leistungen, die üblicherweise ortsnah erbracht würden. Auch das LSG Baden-Württemberg stelle nicht auf die Planungsbereiche ab, sondern auf die Ortsnähe. Der Bedarf werde durch das sozialpädiatrische Zentrum in J. (Klinikum J.) und Z (Verein Arbeit- und Erziehungshilfe, direkt am Hauptbahnhof und Städtische Kliniken ZM) gedeckt. Die Versicherten könnten zumutbar dorthin verwiesen werden. Aus dem östlichen UQ.Kreis bestehe die Möglichkeit, den regelmäßig mehrmals täglich verkehrenden Zug von ZW. nach Z zu nutzen. Der Halt in J. sei dabei eine Haltestelle von A-Stadt um eine circa 10 Minuten längere Fahrtzeit entfernt. Z Hauptbahnhof sei nach weiteren zwei Haltestellen und insgesamt circa 20 Minuten längerer Fahrtzeit zu erreichen.

Die Klägerin machte mit Schriftsatz vom 14. Mai 2007 geltend, dass die Inanspruchnahme durch ungünstige Rahmenbedingungen nicht erschwert werden dürfe. Es handle sich um Kinder vorwiegend aus sozialen Verhältnissen, die eine regelmäßige, geordnete ärztliche Betreuung nur bedingt in Anspruch nehmen könnten. Auch ein Vergleich der Geburtenzahl mache deutlich, dass in A-Stadt ein sozialpädiatrisches Zentrum dringend erforderlich sei. In A-Stadt und im Planungsbereich UQ.Kreis seien rund 3.500 Geburten pro Jahr zu verzeichnen. Aus einem Schreiben der Leiterin der Beratungs- und Frühförderstelle A-Stadt Behindertenwerkstatt UQ e. V. gehe hervor, dass die im Planungsbereich ansässigen Frühförderstellen im Jahr 2006 insgesamt 650 Kinder betreut hätten. Auch diese Zahl mache den dringenden Bedarf deutlich.

Mit Beschluss vom 30. Mai 2007, ausgefertigt am 9. August 2007, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, § 116 SGB V stelle auf die ausreichende ärztliche Versorgung, § 119 SGB V demgegenüber auf die ausreichende sozialpädiatrische Behandlung ab. Nach dem Wortlaut sei nicht zwingend, dass von einem unterschiedlichen Begriffsinhalt ausgegangen werden müsse. Er habe deshalb ergänzend darauf abgestellt, ob aus der Sicht der Versicherten regelmäßig davon ausgegangen werden könne, dass die Leistungen sozialpädiatrischer Zentren meist wohnortnah zur Verfügung stünden. Aufgrund der finanziellen Belastung der Versichertengemeinschaft seien an die Errichtung dieser Zentren strenge Maßstäbe anzuwenden. Allerdings hätten die sozialpädiatrischen Zentren überwiegend Aufgaben der Diagnostik und der Verlaufskontrolle, die es nicht erforderten, eine Wohnortnähe wie sonst bei den meisten medizinischen oder psychotherapeutischen Leistungen üblich zu gewährleisten. Die Errichtung des Zentrums sei in einer Region beabsichtigt, die infrastrukturell sehr gut erschlossen sei. Daher sei nicht von einer strengen planungsbereichbezogenen Betrachtung auszugehen. Es seien auch die außerhalb des Planungsbereichs liegenden sozialpädiatrischen Zentren in die Prüfung einzubeziehen. Die in J., ZM und Z-Stadt vorhandenen Zentren hätten zusammen freie Behandlungskapazitäten von 275 Plätzen. Aufgrund der räumlichen Nähe sei das sozialpädiatrische Zentrum J. zu berücksichtigen. Die Entfernung von A-Stadt und J. betrage 18 km, die verkehrlichen Anbindungen seien in jeder Hinsicht ausreichend. Das Zentrum in J. verfüge unstreitig über 150 freie Behandlungsplätze und behandle mit einer Fallzahl von jährlich circa 250 Patienten bereits in ganz erheblichem Maße Patienten aus dem Planungsbereich UQ.Kreis. Akute Problemfälle könnten sofort behandelt werden, die Wartezeiten bewegten sich in einem üblichen Rahmen.

Hiergegen hat die Klägerin am 10. September 2007 Klage beim Sozialgericht Marburg (SG) erhoben und zur Begründung ergänzend ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, weshalb bei der Versorgung mit sozialpädiatrischen Zentren nicht auf den Planungsbereich abgestellt werden müsse. Die finanzielle Belastung der Krankenkassen könne im Rahmen der Bedürfnisprüfung nicht berücksichtigt werden. Über das in § 12 SGB V verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot hinaus sei die Finanzierbarkeit nicht zu berücksichtigen. Es sei unzutreffend, dass die Versicherten keinen Anspruch auf eine wohnortnahe Versorgung durch sozialpädiatrische Zentren hätten. Öffentliche Verkehrsmittel könnten gerade von behinderten Kindern äußerst schwer genutzt werden. Aus sprachlichen und sozialen Gründen sei die Fahrt in eine andere Stadt mit erheblichen Problemen verbunden. Die Angaben über freie Behandlungsplätze beruhten auf den Angaben der Einrichtungen selbst. Nach Aussagen von Frühförderstellen und niedergelassenen Ärzten seien dortige Wartezeiten regelmäßig sehr viel länger. Selbst wenn die finanziellen Auswirkungen einer Ermächtigung zu berücksichtigen wären, könne die Ablehnung nicht damit begründet werden, da es für die Krankenkassen gleichgültig sei, ob ein sozialpädiatrischer Fall in A-Stadt oder J. behandelt werde. Die Vergütung könne pauschaliert werden, was auch in Hessen geschehe. Die eingeholten Auskünfte der Beigeladenen zu 1) seien in sich widersprüchlich. Das sozialpädiatrische Zentrum in J., das angeblich über die höchste Zahl freier Behandlungskapazitäten verfüge, habe die längsten Wartezeiten und zwar bis zu 14 Wochen. Schließlich habe die Beigeladene zu 1) zunächst aufgrund eines Versorgungsengpasses die Ermächtigung befürwortet. Planungsaspekte aus dem stationären Bereich könnten nicht übertragen werden, da es sich bei dem sozialpädiatrischen Zentrum um eine ambulante Einrichtung handle.

Der Beklagte hat in der Klageerwiderung an seiner bisherigen Rechtsauslegung des § 119 SGB V festgehalten und darauf hingewiesen, eine einschlägige Rechtsprechung liege bisher nicht vor. Bei sozialpädiatrischen Zentren handle es sich um hochspezialisierte Betriebseinheiten, die stets über groß dimensionierte Einzugsbereiche verfügten. Aufgrund der Zusammenfassung hochspezialisierten Wissens solle hier die künftige Behandlung der Patienten konzipiert werden, die dann von weiteren Therapeuten dezentral und wohnortnah durchgeführt werde. Gerade diese Konzeption mit dem Schwerpunkt in der Diagnostik und Verlaufskontrolle sei auch Grundlage des ursprünglichen Antrags der Klägerin gewesen. Damit unterscheide sich bereits der Regelungsgegenstand grundsätzlich von der Ermächtigung eines einzelnen Krankenhausarztes, der in der Regel eine reine lückenfüllende Funktion innerhalb des Gesamtsystems der kassenärztlichen Versorgung habe. Der Beklagte habe in seiner Entscheidung nicht auf die finanzielle Belastung der Krankenkassen abgestellt, sondern auf die Bindung erheblicher finanzieller Ressourcen durch die Errichtung eines sozialpädiatrischen Zentrums hingewiesen. Diese Zentren hätten bereits von ihrer Aufgabenstellung her einen den Planungsbereich übergreifenden Ansatz. Die Frage der wohnortnahen Versorgung sei nur dann von Bedeutung, wenn auf den Planungsbereich abgestellt werde. Der zeitliche Mehraufwand für die Versicherten aus dem östlichen Teil des UQ.Kreises zum Erreichen der sozialpädiatrischen Zentren in J. und ZV. sei gering. An der Richtigkeit der Angaben über freie Behandlungskapazitäten bestehe kein Anlass zu zweifeln. Allerdings sei jetzt bekannt geworden, dass das sozialpädiatrische Zentrum in ZV.-City neue Räumlichkeiten an einem anderen Standort in ZV. bezogen habe. Es sei daher unabhängig vom Vortrag der Klägerin erforderlich, eine neue Bestandsaufnahme durchzuführen.

Die Beigeladene zu 1) hat unter dem 31. Januar 2008 auf eine aktuelle Überprüfung der Versorgungssituation durch eine Umfrage verwiesen. Diese habe ergeben, dass das sozialpädagogische Zentrum in J. über 150 bis 200 freie Behandlungskapazitäten verfüge, das in ZM über 100 und das am G-Hospital in Z über 70 freie Behandlungskapazitäten. In J. würden die Wartezeiten bei 0-3,5-Jährigen 3 bis 6 Wochen, bei 3,5-7-Jährigen 8 bis 10 Wochen und bei 7-18-Jährigen 10 bis 14 Wochen betragen, in ZM könnten bei Säuglingen kurzfristig Termine vergeben werden, die Wartezeiten für Kleinkinder würden 2 bis 3 Wochen und bei Schulkindern 2 bis 3 Monate betragen. Am sozialpädagogischen Zentrum am G-Kinderhospital betrage die Wartezeit wenige Tage bis 4 Monate je nach Indikation.

Mit Urteil vom 30. April 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass die Klägerin weder Anspruch auf Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 119 SGB V zur Einrichtung eines sozialpädiatrischen Zentrums habe, noch auf Neubescheidung. Ein Bedarf, um eine ausreichende sozialpädiatrische Behandlung sicherzustellen, sei im Einzugsbereich des von der Klägerin geplanten sozialpädiatrischen Zentrums nicht ersichtlich. Der Klägerin sei grundsätzlich zuzugestehen, dass die Ermittlung des Bedarfs für eine ausreichende sozialpädiatrische Behandlung sich grundsätzlich anhand des Planungsbereichs auszurichten habe. Der Gesetzgeber stelle, wenn er für eine Ermächtigung nach § 119 SGB V voraussetze, dass sie notwendig sein müsse, um eine ausreichende sozialpädiatrische Behandlung sicherzustellen, ähnlich wie bei § 116 SGB V auf die Bedarfsdeckung ab, wenn auch der Wortlaut unterschiedlich sei. Soweit sozialpädiatrischen Zentren die Aufgabe zukomme, mit niedergelassenen Ärzten und Therapeuten sowie Frühförderstellen zu kooperieren und eine Zusammenarbeit mit Kindergärten, Schulen, Ämtern und anderen Institutionen zu koordinieren (vgl. "Altöttinger Papier", Publikation der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e. V. (DGSPJ), www.dgspj.de, Abschnitt 2.1.3 - 2. Schritt: Ressourcenprofil), liege es nahe, dass der spezifische Versorgungsauftrag eines sozialpädiatrischen Zentrums insbesondere auf Landkreis- bzw. Planbereichsebene durchgeführt werden sollte. Andererseits habe der Gesetzgeber die Einrichtung auf Landkreisebene nicht zwingend vorgesehen und ihre Ermächtigung von der Notwendigkeit der Sicherstellung abhängig gemacht. Die Einrichtung sozialpädiatrischer Zentren sei auch nicht der Flexibilität der Ermächtigung einzelner Vertragsärzte gleichzustellen, sondern es handele sich im Regelfall um größere Einrichtungen, die aufgrund der Investitionskosten auf längeren Bestand abzielten. Daher könne von einer planbereichsbezogenen Betrachtungsweise abgesehen werden, wenn von einer ausreichenden sozialpädiatrischen Versorgung aufgrund bestehender sozialpädiatrischer Zentren in benachbarten Planbereichen ausgegangen werden könne. Hinzu komme, dass die Aufgabe der sozialpädiatrischen Zentren insbesondere in der Diagnostik und Verteilung und weniger in der langfristigen und mehrfachen Behandlung der Patienten bestehe. Ausgehend hiervon sei der Beschluss des Beklagten nicht zu beanstanden, soweit er auf die ausreichende Versorgung durch die sozialpädiatrischen Zentren im Planungsbereich ZV. und J. abstelle, die noch über ausreichende Kapazitäten verfügten. Der Beklagte habe auch dargelegt, dass keine unüblichen Wartezeiten bestünden und in akuten Fällen eine kurzfristige Behandlung möglich sei. Im Hinblick auf die im Regelfall punktuelle Behandlung durch die sozialpädiatrischen Zentren seien den Versicherten auch die Wege in die Nachbarkreise zumutbar, da im Rhein-Main-Gebiet eine gute Nahverkehrsanbindung bestehe, die gerade auch über die Landkreisgrenzen hinausreiche. Verglichen mit der Versorgung durch sozialpädiatrische Zentren in ganz Hessen seien die im Planungsbereich A-Stadt bestehenden Wege zu den sozialpädiatrischen Zentren in den Nachbarkreisen eher als gering zu bezeichnen.

Gegen das ihrer am 16. Mai 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Juni 2008 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Sie bleibt auch im Rahmen ihrer Berufungsbegründung bei der Auffassung, dass die Prüfung des Versorgungsbedarfs in erster Linie auf Planbereichsebene stattzufinden habe. Hierbei stützt sie sich insbesondere auf die Rechtsprechung des BSG zur Prüfung des Bedarfs für die Ermächtigung von Krankenhausärzten auf der Planbereichsebene im Rahmen von § 116 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juli 2006, B 6 KA 14/05 R). Nach einer allgemeinen Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin solle auf rund 400.000 Einwohner ein sozialpädiatrisches Zentrum kommen. Diese Empfehlung würde im Planungsbereich UQ.Kreis mit rund 400.000 Einwohnern erfüllt werden, wenn dem Antrag der Klägerin nachgekommen würde. Schließlich sei ungeprüft unterstellt worden, die sozialpädiatrischen Zentren in den benachbarten Planungsbereichen verfügten noch über freie Kapazitäten. Mit den tatsächlichen praktischen Erfahrungen der niedergelassenen Kinderärzte und der Frühförderstellen sei diese Aussage unvereinbar. Das BSG habe im Urteil vom 28. Juni 2000, B 6 KA 35/99 ausdrücklich festgestellt, dass sich die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht allein auf die Befragung potentieller Konkurrenten des Bewerbers beschränken dürfe. Es werde ausdrücklich bestritten, dass das sozialpädiatrische Zentrum in ZV.-City über freie Kapazitäten verfüge. Dem Chefarzt der Klägerin, dessen Zeugnis angeboten werde, sei bekannt, dass nach Aussagen der dortigen Ärzte das sozialpädiatrische Zentrum über keine freien Kapazitäten verfüge "und aus den Nähten platze". Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass in den sozialpädiatrischen Zentren in ZM und J. noch freie Kapazitäten vorhanden seien. Nach Aussagen der Mitarbeiter der Frühförderstellen und niedergelassenen Kinderärzte in A Stadt bestünden am sozialpädagogischen Zentrum J. derart lange Wartezeiten, dass dies für die betroffenen Kinder medizinisch nicht vertretbar sei. Es müsse durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden, über wie viele Behandlungsplätze ein sozialpädiatrisches Zentrum mindestens verfügen müsse, und ob darüber hinaus vorgehaltene Behandlungsplätze, soweit sie nicht genutzt werden könnten, mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot vereinbar seien. Die finanzielle Belastung der Krankenkassen im Rahmen der Bedürfnisprüfung zu berücksichtigen, sei unzulässig. Sowohl den betroffenen Kindern als auch deren Eltern sei nicht zuzumuten, ein sozialpädiatrisches Zentrum in einem anderen Planungsbereich aufzusuchen, da die hauptbehandelnden Ärzte und Therapeuten im Planungsbereich UQ.Kreis und insbesondere in A-Stadt ansässig seien. Bei den betroffenen Kindern handele es sich vorwiegend um Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen, bei denen die Gefahr groß sei, dass eine Inanspruchnahme unterbleibe, wenn diese durch ungünstige Rahmenbedingungen erschwert werde.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. April 2008 sowie den Beschluss vom 30. Mai 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, sie zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 119 SGB V zur Einrichtung eines sozialpädiatrischen Zentrums zu ermächtigen,
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, ihren Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil sowie den Beschluss vom 30. Mai 2007 für rechtmäßig. Nach Kenntnis des Beklagten sei die Frage, ob für die Bedarfsprüfung in §§ 116 und 119 SGB V identische Begriffsinhalte zu Grunde legen seien oder aber unterschiedliche Kriterien verwandt werden müssten, bisher weder in Rechtsprechung noch Literatur ausdrücklich diskutiert worden. Vorliegend handele es sich um völlig unterschiedliche Tatbestände. Die in § 116 SGB V geregelte Ermächtigung sei in der Regel vorübergehender Natur. Regelmäßig werde die Ermächtigung nicht hauptamtlich ausgeübt, sie sei auch nicht regelmäßig Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit des ermächtigten Arztes. Demgegenüber impliziere die Schaffung und Genehmigung eines sozialpädiatrischen Zentrums eine institutionelle Anlage einer neuen Einrichtung. Diese sei mit hauptamtlicher Tätigkeit mehrerer Personen verbunden und auf Dauer angelegt. Aus der Unterschiedlichkeit der tatsächlichen Folgen der Ermächtigungen nach den §§ 116 und 119 SGB V ergebe sich zwingend, dass auch die Tatbestandsseite der genannten Normen unterschiedlich interpretiert werden müsse. Die Rechtsprechung des BSG zur Bedarfsprüfung im Sinne des § 116 SGB V könne nicht auf die Bedarfsprüfung im Sinne des § 119 SGB V übertragen werden. Daher könne sich die Klägerin nicht auf das Urteil des BSG vom 19. Juli 2006, B 6 KA 14/05 R stützen. Im Übrigen könne eine Kooperation mit niedergelassenen Ärzten, Therapeuten, Frühförderstellen usw. ohne weiteres auch durch die vorhandenen sozialpädiatrischen Zentren praktiziert werden. Sozialpädiatrische Zentren hätten vorzugsweise eine Diagnose- und Koordinationsfunktion, für welche die unmittelbare örtliche Nähe nicht zwingend sei, zumal die Frage der räumlichen Entfernung im Ballungsgebiet Z/J./A-Stadt von nachrangiger Bedeutung sei. Soweit die Klägerin darauf hinweise, dass nach allgemeiner Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin auf rund 400.000 Einwohner ein sozialpädiatrisches Zentrum kommen solle, werde darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit der Einrichtung insbesondere von der vorhandenen Infrastruktur des jeweiligen Gebiets abhängig sei. Gerade der südhessische Raum sei hier hervorragend versorgt. Die Städte Z, J. sowie der UQ.Kreis kämen gemeinsam auf eine Einwohnerzahl von weniger als 1,2 Millionen Einwohnern, so dass die Versorgung durch die drei in dieser Region bereits vorhandenen sozialpädiatrischen Zentren auch unter Zugrundelegung der von der Klägerin genannten Messzahlen gesichert erscheine. Durch die Bedarfsermittlungen der Beigeladenen zu 1) seien die freien Kapazitäten der vorhandenen sozialpädiatrischen Zentren auch hinreichend geprüft worden. Es sei zulässig, zumutbare Entfernungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung, zu der letztendlich auch die sozialpädiatrische Versorgung gehöre, danach zu bemessen, ob seitens der Patienten ein wohnortnahes Angebot zu Recht erwartet werden dürfe. Hier habe die Rechtsprechung berechtigterweise Maßstäbe des Inhalts entwickelt, dass bei selten nachgefragten Leistungen auf Angebote in zentraler Lage verwiesen werden dürfe. Nach Auffassung des Beklagten müsse selbstverständlich im Rahmen der Prüfung vertragsärztlicher Versorgungsangebote auch der Aspekt der Wirtschaftlichkeit beachtet werden. Es sei richtig, dass sozialpädiatrische Zentren über Fallpauschalen finanziert würden. Das Hinzutreten eines neuen sozialpädiatrischen Zentrums führe zwangsläufig dazu, dass der Fixkostenanteil anderer sozialpädiatrischer Zentren steige und somit die Gesamtfinanzierungslast der Kostenträger. Aufgrund der überwiegend diagnostizierenden und koordinierenden Funktionen von sozialpädiatrischen Zentren greife auch das Argument der Klägerin nicht durch, dass insbesondere bei Kindern aus sozial schwachen Verhältnissen eine möglichst ortsnahe sozialpädiatrische Versorgung erforderlich sei. Schließlich sei die zum nächstgelegenen sozialpädiatrischen Zentrum in J. zurückzulegende Entfernung vergleichbar mit derjenigen, die Patienten zum Beispiel innerhalb der Stadt Z zurücklegen müssten, um eines der dort gelegenen sozialpädiatrischen Zentren zu erreichen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Urteil des SG vom 30 April 2008 und der Beschluss des Beklagten vom 30. Mai 2007 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Ermächtigung zur Einrichtung eines sozialpädiatrischen Zentrums zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern gemäß § 119 SGB V noch auf Neubescheidung. Daher sind sowohl der auf Erteilung der Ermächtigung gerichtete Hauptantrag als auch der auf Neubescheidung gerichtete Hilfsantrag erfolglos geblieben.

Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB V können sozialpädiatrische Zentren, die fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung bieten, vom Zulassungsausschuss zur sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern ermächtigt werden. Wie sich aus § 119 Abs. 2 SGB V ableiten lässt, versteht das Gesetz unter sozialpädiatrischen Zentren ärztlich geleitete Einrichtungen, die über die organisatorischen, personellen und apparativen Voraussetzungen zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern verfügen, deren Versorgung wegen der Art, Schwere und Dauer ihrer Krankheit die Möglichkeiten einer herkömmlichen Vertragsarztpraxis übersteigt. § 119 Abs. 1 Satz 2 SGB V ermöglicht es daher, im Bedarfsfall außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung stehende ärztlich geleitete Einrichtungen zu ermächtigen, soweit und solange eine ausreichende sozialpädiatrische Betreuung nicht sichergestellt wird. Nach der Konzeption des Gesetzes ist die ambulante ärztliche Versorgung der von der gesetzlichen Krankenversicherung erfassten Personen in erster Linie durch zugelassene Vertragsärzte sicherzustellen. Die Ermächtigung ist demgegenüber die subsidiäre Teilnahmeform, die von den Ausnahmen in § 117 und 118 SGB V abgesehen nur infrage kommt, wenn eine bestehende oder drohende Unterversorgung abzuwenden ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1994, L 6 Rka 32/93 = BSG SozR 3-2500 § 119 Nr. 1; Juris, Rz. 16, 17). Wenn die in § 119 SGB V genannten Voraussetzungen vorliegen, besteht trotz der Formulierung "können" in § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB ein Anspruch auf Erteilung der Ermächtigung (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 9. Dezember 2009, L 3 KA 29/08, Juris Rdnr. 34).

Bei der Prüfung des Versorgungsbedarfs zur Sicherstellung einer ausreichenden sozialpädiatrischen Behandlung haben das SG und der Beklagte im Rahmen seines Beurteilungsspielraums zutreffend darauf abgestellt, ob und inwieweit der Sicherstellungsbedarf einer ausreichenden sozialpädiatrischen Behandlung durch die in den benachbarten Planungsbereichen ansässigen sozialpädiatrischen Zentren gedeckt ist.

Bei der Bedarfsprüfung nach § 116 Satz 2 SGB V unterscheidet die Rechtsprechung des BSG zwischen einem quantitativ-allgemeinen und einem qualitativ-speziellen Versorgungsbedarf. In beiden Fällen wird für den erforderlichen Versorgungsbedarf grundsätzlich das Versorgungsangebot im Planungsbereich abgestellt. Nur in Ausnahmefällen können Versorgungsangebote in anderen Planungsbereichen berücksichtigt werden, z. B. bei einem atypisch zugeschnittenen Planungsbereich oder wenn der Versorgungsbedarf in einem Planungsbereich von nur geringer räumlicher Ausdehnung ersichtlich durch leicht und schnell erreichbare Versorgungsangebote der angrenzenden Bereiche gedeckt wird (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juli 2006, B 6 KA 14/05 R, Juris Rdnr. 19). Dieses vom Kläger zur Stützung seiner Auffassung zitierte BSG-Urteil hatte eine Ermächtigung zur Durchführung von MRT-Leistungen zum Gegenstand, die üblicherweise ortsnah erbracht werden, seitdem sie zum Standard radiologischer Leistungen gehören. Ob und inwieweit im Falle spezieller Leistungen mit geringer Nachfrage die Verweisung auf Versorgungsangebote anderer Bereiche möglich oder gar generell geboten sein kann, hatte das BSG in der oben zitierten Entscheidung offen gelassen.

Die Zulassungsgremien verfügen auch bei Ermächtigungen über einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, ob und inwieweit der Versorgungsbedarf bereits durch das Leistungsangebot der zugelassenen Ärzte gedeckt ist oder ob noch ein Versorgungsbedarf besteht (vgl. BSG SozR 4-2500 § 116 Nr. 3 Rdnr. 16 m. w. N.; BSGE 99,145 = SozR 4-2500 § 116 Nr. 4, jeweils Rdnr. 27; BSGE 100,154 = SozR 4-25000 § 87 Nr. 16 , jeweils Rdnr. 14). Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, ob die Zulassungsgremien die durch die Auslegung des Begriffs der Sicherstellung einer ausreichenden sozialpädiatrischen Behandlung in § 119 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu ermittelnden Grenzen eingehalten haben und ob die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist.

Auch wenn die BSG-Rechtsprechung zu § 116 Satz 2 SGB V als Ausgangspunkt für die Beurteilung des Versorgungsbedarfs nach § 119 SGB V herangezogen wird, liegen im Falle der Ermächtigung des § 119 SGB V Besonderheiten vor, die eine Ausnahme von der Beschränkung auf einen Planungsbereich rechtfertigen (so im Ergebnis auch LSG-Niedersachsen Bremen, Urteil vom 9. Dezember 2009, L 3 KA 29/08, Juris Rdnr. 37, 38 m. w. N.). Eine Bedarfsplanung für sozialpädiatrische Zentren wie bei den niedergelassenen Ärzten sieht das Gesetz nicht vor. Den Zulassungsgremien stehen daher keine normativen Planungsgrundlagen zur Verfügung. Für die Auslegung des Begriffs der Sicherstellung einer ausreichenden sozialpädiatrischen Behandlung ist die gesetzgeberische Intention zu berücksichtigen, wie dies zutreffend durch das SG erfolgt ist. Mit Einrichtung sozialpädiatrischer Zentren durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20. Dezember 1988, BGBl. 1988, 2477 verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, durch frühe Diagnostik, Therapie und Eingliederung Störungen oder Schädigungen bei Kindern zu erkennen, zu verhindern, zu heilen oder in ihren Auswirkungen zu mildern. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist hierzu im Rahmen einer ganzheitlichen Behandlung ein Bündel von integrierten, gezielten medizinischen, psychologischen, pädagogischen und sozialen Maßnahmen notwendig, wie sie zur Zeit vorwiegend nur in fachübergreifend tätigen sozialpädiatrischen Zentren angeboten würden (vgl. Bundestags-Drucksache 11/2237 S. 202 zu § 128; Köhler-Hohmann in Juris-PK, Rdnr. 13). Der Versorgungsauftrag eines sozialpädiatrischen Zentrums hat zwar insoweit einen Bezug zum Planungsbereich, als den sozialpädiatrischen Zentren die Aufgabe zukommt, mit niedergelassenen Ärzten und Therapeuten sowie Frühförderstellen zu kooperieren und eine Zusammenarbeit mit Kindergärten, Schulen, Ämtern und anderen Institutionen zu koordinieren. Eine solche Kooperation und Koordination ist jedoch nicht nur durch ein im selben Planungsbereich angesiedeltes sozialpädiatrisches Zentrum leistbar. Aufgabe der sozialpädiatrischen Zentren ist insbesondere die Diagnostik, Koordination, Verlaufsbeobachtung und Begleitung des Patienten und seiner Familie bei Langzeitbehandlung, was nicht zwingend eine wohnortnahe Behandlung voraussetzt. Die therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten im Sozialpädiatrischen Zentrum sollen insbesondere dann eingesetzt werden, wenn das Angebot anderer Institutionen nicht ausreicht, um dem Störungsprofil gerecht zu werden (vgl. "Altöttinger Papier", Publikation der DGSPJ in der vom Vorstand am 21. Juni 2002 angenommenen Fassung, Abschnitte 1.2. Aufgaben und Ziele eines SPZ und 2.2 Rahmenkonzept des therapeutischen Vorgehens - 2.2.1 Grundlagen und Therapieziele). Darüber hinaus ist dem SG und der Beklagten darin zu folgen, dass die Ermächtigung gemäß § 119 SGB V im Unterschied zu § 116 SGB V auf die Errichtung einer auf längerfristigen Bestand angelegten Institution abzielt.

Die Ermächtigung gemäß § 119 SGB V ist zwar subsidiär zur Versorgung von Kindern durch niedergelassene Ärzte (vgl. BSG 3-2500 § 119 Nr.1). Wegen der besonderen Aufgaben und Funktion sozialpädiatrischer Zentren, deren Leistungsangebot kinderärztliche Praxen nur selten erbringen dürften, ist jedoch von entscheidender Bedeutung, ob und inwieweit der Sicherstellungsbedarf in einer Region durch bereits ermächtigte sozialpädiatrische Zentren gedeckt wird (so auch LSG-Niedersachsen Bremen, Urteil vom 9. Dezember 2009, L 3 KA 29/08, Juris Rdnr. 41, m. w. N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. April 2009, Juris Rdnr. 66). Daher haben das SG und der Beklagte hier zutreffend darauf abgestellt, ob und inwieweit der Sicherstellungsbedarf einer ausreichenden sozialpädiatrischen Behandlung durch die in den benachbarten Planungsbereichen ansässigen sozialpädiatrischen Zentren gedeckt ist. Ein striktes Abstellen auf den Planungsbereich UQ.Kreis würde der tatsächlichen Situation im Großraum ZV. mit guten Verkehrsanbindungen nicht gerecht. Dieser Beurteilung stehen entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht die Ausführungen von Wenner in "Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform", Rdnr. 31 zu § 17 entgegen, wonach sich die Konkurrenz weniger zwischen niedergelassenen Kinderärzten und den Zentren als zwischen den Trägern dieser Zentren im selben Planungsbereich ergeben dürfte. Diese Aussage betrifft nicht die Fallgestaltung, in der sich mehrere Zentren in benachbarten Planungsbereichen auf engem Raum befinden.

Der Beklagte hat im Beschluss vom 30. Mai 2007 nachvollziehbar dargelegt, dass durch die bereits vorhandenen sozialpädiatrischen Zentren in J., ZM und ZV. der Bedarf nach ambulanten sozialpädiatrischen Behandlungen anderweitig ausreichend gedeckt ist. Die zuerst nur auf Äußerungen niedergelassener Kinderärzte im Planungsbereich UQ.Kreis gestützte Einschätzung eines Versorgungsengpasses in der Betreuung von Kindern mit Entwicklungsstörungen wurde durch die Ermittlungen der Beigeladenen zu 1) nicht bestätigt. Vielmehr ergaben sich in dem zu A-Stadt am nächsten gelegenen sozialpädiatrischen Zentrum in J., in dem schon 2006 250 Patienten aus dem UQ.Kreis behandelt wurden, die meisten freien Behandlungskapazitäten (150 freie Behandlungskapazitäten), überdies wurden 125 freie Behandlungskapazitäten in ZM ab Februar 2007 festgestellt. Für spätere Zeiträume ermittelte die Beigeladene zu 1) noch höhere freie Behandlungskapazitäten (150 bis 200 freie Behandlungskapazitäten im Sozialpädagogischen Zentrum in J., 100 im Sozialpädiatrischen Zentrum in ZM und 70 in dem in ZV. befindlichen Sozialpädiatrischen Zentrum am G-hospital). Es bestehen für den Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte, an der Richtigkeit der von der Beigeladenen zu 1) ermittelten Angaben der verschiedenen sozialpädiatrischen Zentren über freie Behandlungskapazitäten oder Wartezeiten zu zweifeln. Soweit die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten die Angaben der freien Behandlungskapazitäten mit Nichtwissen bestreitet, bestand keine Veranlassung, den entsprechenden Beweisanträgen bzw. Beweisanregungen zu folgen. Darüber hinaus ist kein hinreichend substantiierter Vortrag durch die Klägerin zur Unrichtigkeit der Ermittlungsergebnisse der Beigeladenen zu 1) erfolgt, z. B. anhand konkreter wegen fehlender Behandlungskapazitäten abgelehnter Fälle oder Nichteinhaltung der angegebenen Wartezeiten. Der eher allgemein gehaltene Vortrag, seitens der Frühförderstellen oder von niedergelassenen Ärzten sei angegeben worden, die freien Behandlungskapazitäten bzw. die angegebenen Wartezeiten würden nicht zutreffen bzw. das sozialpädiatrische Zentrum in Z-City "platze aus den Nähten" genügt hierfür nicht. Eine vergleichbare Sachlage wie in der von der Klägerin zitierten BSG-Entscheidung vom 28. Juni 2000, B 6 KA 35/99 R, wonach bei Ermittlung eines qualitativen Versorgungsbedarfs für eine Sonderbedarfszulassung eingeholte Auskünfte von bereits niedergelassenen Ärzten durch weitere Ermittlungen, z. B. der Auswertung von Anzahlstatistiken, objektiviert werden müssen, liegt hier nicht vor. So hängen die freien Behandlungskapazitäten eines sozialpädiatrischen Zentrums nicht lediglich von einzelnen behandelnden Ärzten ab, sondern von der Verfügbarkeit der sog. "sozialpädiatrischen Teams". Es kann daher nicht in gleicher Weise wie in der o. g. BSG-Entscheidung davon ausgegangen werden, dass die Äußerungen zu den freien Behandlungskapazitäten in starkem Maße auf subjektiven Einschätzungen beruhen und von individueller Interessenslage mit beeinflusst sein können. Wie bereits das SG zutreffend festgestellt hat, wurde auf der Grundlage der Ermittlungen der Beigeladenen zu 1) nachvollziehbar dargelegt, dass vorliegend in akuten Fällen eine kurzfristige sozialpädiatrische Behandlung möglich ist und keine unüblichen Wartezeiten bestehen. Im Hinblick auf die guten Verkehrsanbindungen im Rhein-Main-Gebiet ist den Versicherten zumutbar, die in den benachbarten Planungsbereichen zum UQ.Kreis angesiedelten sozialpädiatrischen Zentren aufzusuchen, zumal sich hier auf engem Raum bereits mehrere solche Zentren befinden und das von der Klägerin beantragte nur wenige Kilometer davon entfernt wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat hat die jeweiligen Einverständniserklärungen der Beigeladenen zu 1) bis 8) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, die nicht mit Sachanträgen verbunden waren, dahingehend ausgelegt, dass diese jeweils keine eigenen Anträge mehr stellen. Außergerichtliche Kosten dieser Beigeladenen waren daher nicht zu erstatten. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf 197 a Abs. SGG in Verbindung mit §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47, 52 Abs. 1 GKG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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