Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 R 308/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 187/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 318/10 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Gerichtsbescheid, Zurückverweisung
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2009 wird aufgehoben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht Magdeburg zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Der 1955 geborene Kläger beantragte am 26. Oktober 2006 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (Bl. 33 VA). Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach medizinischen Ermittlungen mit Bescheid vom 5. März 2007 mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne der Kläger noch leichte Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche regelmäßig ausüben. Er sei auch noch in der Lage, in der ihm zumutbaren Tätigkeit als Verkäufer bzw. Berater in Baumärkten mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Den dagegen am 13. März 2007 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2007 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27. Juni 2007 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat den Rechtsstreit in der öffentlichen Sitzung vom 23. Oktober 2008 vertagt, weil es weitergehende medizinische Ermittlungen für erforderlich gehalten hat, und dem Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2008 die Sitzungsniederschrift sowie einen Fragebogen mit der Bitte übersandt, diesen ausgefüllt und unterschrieben an das SG zurückzusenden. Diesen Fragebogen hat der Kläger trotz Erinnerung nicht zurückgesandt. Daraufhin hat das SG den Kläger unter dem 25. Februar 2009 mit folgendem Wortlaut angeschrieben: ". Daneben erinnern wir nochmals an die Abreichung der Ihnen mit Schreiben vom 28.10.2008 übersandten Unterlagen (sh. Anlage). Ohne diese Unterlagen kann das Verfahren nicht, wie lt. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2008 angekündigt, fortgesetzt werden. Bei Ausbleiben dieser Unterlagen sehen wir uns veranlasst, eine Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid herbeizuführen. Für die Erfüllung Ihrer Mitwirkungspflichten setzen wir Ihnen eine Frist von 3 Wochen." Die Beklagte hat eine Abschrift dieses Schreibens zur Kenntnis erhalten. Der Kläger hat auf dieses Schreiben nicht reagiert. Schließlich hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. Mai 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Ergebnis war nach Aktenlage davon auszugehen, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Soweit er im Hauptberuf als Bereichsleiter Warenannahme nicht mehr erwerbstätig sein könne, bewirke dies noch keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die von der Beklagten aufgezeigte Verweisungstätigkeit – Verwaltungsmitarbeiter in der Registratur oder Poststelle des Handels oder des öffentlichen Dienstes – entspräche dem medizinischen Leistungsbild des Klägers und sei ihm auch sozial zumutbar. Insoweit werde auf die von der Beklagten übersandten Unterlagen Bezug genommen. Dem Vortrag des Klägers hinsichtlich seiner Gesundheitsstörungen habe nicht weiter nachgegangen werden können, weil dieser keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht eingereicht habe.
Gegen den am 25. Mai 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. Juni 2009 Berufung eingelegt und einen von ihm unterschriebenen Vordruck über ärztliche Behandlungen und die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht übersandt. Er ist der Meinung, sein tatsächlicher Gesundheitszustand sei nicht vollständig ermittelt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Kläger und die Beklagte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese haben bei der Beratung des Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Hierüber konnte der Senat gemäß § 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.
Der Gerichtsbescheid des SG vom 19. Mai 2009 war aufzuheben und der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Norm ist gegeben, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist dieser Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des SG darauf beruhen kann (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 159 Rdnr. 3, 3 a m. w. N.). Die Entscheidung des SG leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln.
Das SG hat verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Regelung 2 SGG) entschieden, obwohl die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorlagen. Dadurch hat es dem Kläger seinen gesetzlichen Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) entzogen, nämlich der Kammer in voller Besetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 125 SGG). Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens, der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist (BSG, Urteil vom 16. März 2006 – B 4 RA 59/04 R –, SozR 4–1500 § 105 Nr. 1). Dieser Besetzungsmangel ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheides nur dann möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Bei der Frage, ob ein schwieriger Fall vorliegt, steht dem SG ein Beurteilungsspielraum zu (BSG, a.a.O.; Pawlak in Hennig, SGG, § 105 Rdnr. 40). Das Landessozialgericht kann im Allgemeinen nur prüfen, ob die Grenzen dieses Spielraums überschritten sind.
Die angefochtene Entscheidung enthält zu den Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid keinerlei Ausführungen. Es ist dem Gerichtsbescheid nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen, ob sich die Kammer der Voraussetzungen für eine Entscheidung mittels Gerichtsbescheid überhaupt bewusst gewesen ist.
Hinzu kommt, dass hier zumindest zweifelhaft ist, ob die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Denn es geht hier neben dem verbliebenen Leistungsvermögen des Klägers auch um die unter Umständen schwierige Frage einer zumutbaren Verweisungstätigkeit. Denn das SG hat den Kläger in Abgrenzung zu den Vorarbeitern mit Vorgesetztenfunktion als Facharbeiter eingestuft. Das SG beabsichtigte darüber hinaus medizinische Ermittlungen, wie aus dem Protokoll über die öffentliche Sitzung vom 23. Oktober 2008 und die gerichtlichen Schreiben vom 1. Dezember 2008 und 25. Februar 2009 hervorgeht. Es sah sich hieran aber – zu Recht – dadurch gehindert, dass es vom Kläger keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erhalten hat. Eine entsprechende Erklärung liegt jetzt vor. Medizinische Ermittlungen können also durchgeführt werden. Es spricht für eine Zurückverweisung der Sache an das SG, dass der Sachverhalt weiter aufklärungsfähig und -bedürftig ist.
Ins Gewicht fällt hier zudem, dass die gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG vorgeschriebene Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheides mit gerichtlichem Schreiben vom 25. Februar 2009 fehlerhaft ist und somit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt. Das Anhörungsschreiben erwähnt weder die Vorschrift des § 105 SGG noch bezeichnet es deren Voraussetzungen. Das war bei dem Kläger, der seinerzeit noch nicht durch den Rechtsanwalt vertreten war, in jedem Fall geboten. Darüber hinaus hat die Beklagte lediglich eine Abschrift des Anhörungsschreibens zur Kenntnisnahme erhalten. Dabei hätte auch die Beklagte zu der Absicht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angehört werden müssen.
Die vorgenannten Verfahrensfehler führen jedoch nicht dazu, dass der Kläger allein schon deshalb vor dem Landessozialgericht in der Sache Erfolg haben wird. Allerdings kann das Landessozialgericht gemäß § 159 SGG die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn Fehler wie oben beschrieben vorliegen. Insoweit hat der Senat einen Ermessensspielraum. Hierbei hat der Senat das Interesse des Klägers an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits einerseits mit den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits miteinander abgewogen. Angesichts der erheblichen Mängel des sozialgerichtlichen Verfahrens hat sich der Senat für eine Zurückverweisung entschieden. Außerdem hat er berücksichtigt, dass das Verfahren noch keine lange Zeitdauer in der zweiten Instanz anhänig war und auf Grund der Überlastung des Senats eine baldige Entscheidung in der Hauptsache nicht möglich sein wird.
Das SG wird auch über die Kosten zu entscheiden haben.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Der 1955 geborene Kläger beantragte am 26. Oktober 2006 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (Bl. 33 VA). Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach medizinischen Ermittlungen mit Bescheid vom 5. März 2007 mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne der Kläger noch leichte Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche regelmäßig ausüben. Er sei auch noch in der Lage, in der ihm zumutbaren Tätigkeit als Verkäufer bzw. Berater in Baumärkten mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Den dagegen am 13. März 2007 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2007 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27. Juni 2007 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat den Rechtsstreit in der öffentlichen Sitzung vom 23. Oktober 2008 vertagt, weil es weitergehende medizinische Ermittlungen für erforderlich gehalten hat, und dem Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2008 die Sitzungsniederschrift sowie einen Fragebogen mit der Bitte übersandt, diesen ausgefüllt und unterschrieben an das SG zurückzusenden. Diesen Fragebogen hat der Kläger trotz Erinnerung nicht zurückgesandt. Daraufhin hat das SG den Kläger unter dem 25. Februar 2009 mit folgendem Wortlaut angeschrieben: ". Daneben erinnern wir nochmals an die Abreichung der Ihnen mit Schreiben vom 28.10.2008 übersandten Unterlagen (sh. Anlage). Ohne diese Unterlagen kann das Verfahren nicht, wie lt. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2008 angekündigt, fortgesetzt werden. Bei Ausbleiben dieser Unterlagen sehen wir uns veranlasst, eine Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid herbeizuführen. Für die Erfüllung Ihrer Mitwirkungspflichten setzen wir Ihnen eine Frist von 3 Wochen." Die Beklagte hat eine Abschrift dieses Schreibens zur Kenntnis erhalten. Der Kläger hat auf dieses Schreiben nicht reagiert. Schließlich hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. Mai 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Ergebnis war nach Aktenlage davon auszugehen, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Soweit er im Hauptberuf als Bereichsleiter Warenannahme nicht mehr erwerbstätig sein könne, bewirke dies noch keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die von der Beklagten aufgezeigte Verweisungstätigkeit – Verwaltungsmitarbeiter in der Registratur oder Poststelle des Handels oder des öffentlichen Dienstes – entspräche dem medizinischen Leistungsbild des Klägers und sei ihm auch sozial zumutbar. Insoweit werde auf die von der Beklagten übersandten Unterlagen Bezug genommen. Dem Vortrag des Klägers hinsichtlich seiner Gesundheitsstörungen habe nicht weiter nachgegangen werden können, weil dieser keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht eingereicht habe.
Gegen den am 25. Mai 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. Juni 2009 Berufung eingelegt und einen von ihm unterschriebenen Vordruck über ärztliche Behandlungen und die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht übersandt. Er ist der Meinung, sein tatsächlicher Gesundheitszustand sei nicht vollständig ermittelt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Kläger und die Beklagte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese haben bei der Beratung des Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Hierüber konnte der Senat gemäß § 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.
Der Gerichtsbescheid des SG vom 19. Mai 2009 war aufzuheben und der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Norm ist gegeben, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist dieser Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des SG darauf beruhen kann (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 159 Rdnr. 3, 3 a m. w. N.). Die Entscheidung des SG leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln.
Das SG hat verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Regelung 2 SGG) entschieden, obwohl die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorlagen. Dadurch hat es dem Kläger seinen gesetzlichen Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) entzogen, nämlich der Kammer in voller Besetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 125 SGG). Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens, der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist (BSG, Urteil vom 16. März 2006 – B 4 RA 59/04 R –, SozR 4–1500 § 105 Nr. 1). Dieser Besetzungsmangel ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheides nur dann möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Bei der Frage, ob ein schwieriger Fall vorliegt, steht dem SG ein Beurteilungsspielraum zu (BSG, a.a.O.; Pawlak in Hennig, SGG, § 105 Rdnr. 40). Das Landessozialgericht kann im Allgemeinen nur prüfen, ob die Grenzen dieses Spielraums überschritten sind.
Die angefochtene Entscheidung enthält zu den Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid keinerlei Ausführungen. Es ist dem Gerichtsbescheid nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen, ob sich die Kammer der Voraussetzungen für eine Entscheidung mittels Gerichtsbescheid überhaupt bewusst gewesen ist.
Hinzu kommt, dass hier zumindest zweifelhaft ist, ob die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Denn es geht hier neben dem verbliebenen Leistungsvermögen des Klägers auch um die unter Umständen schwierige Frage einer zumutbaren Verweisungstätigkeit. Denn das SG hat den Kläger in Abgrenzung zu den Vorarbeitern mit Vorgesetztenfunktion als Facharbeiter eingestuft. Das SG beabsichtigte darüber hinaus medizinische Ermittlungen, wie aus dem Protokoll über die öffentliche Sitzung vom 23. Oktober 2008 und die gerichtlichen Schreiben vom 1. Dezember 2008 und 25. Februar 2009 hervorgeht. Es sah sich hieran aber – zu Recht – dadurch gehindert, dass es vom Kläger keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erhalten hat. Eine entsprechende Erklärung liegt jetzt vor. Medizinische Ermittlungen können also durchgeführt werden. Es spricht für eine Zurückverweisung der Sache an das SG, dass der Sachverhalt weiter aufklärungsfähig und -bedürftig ist.
Ins Gewicht fällt hier zudem, dass die gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG vorgeschriebene Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheides mit gerichtlichem Schreiben vom 25. Februar 2009 fehlerhaft ist und somit eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt. Das Anhörungsschreiben erwähnt weder die Vorschrift des § 105 SGG noch bezeichnet es deren Voraussetzungen. Das war bei dem Kläger, der seinerzeit noch nicht durch den Rechtsanwalt vertreten war, in jedem Fall geboten. Darüber hinaus hat die Beklagte lediglich eine Abschrift des Anhörungsschreibens zur Kenntnisnahme erhalten. Dabei hätte auch die Beklagte zu der Absicht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angehört werden müssen.
Die vorgenannten Verfahrensfehler führen jedoch nicht dazu, dass der Kläger allein schon deshalb vor dem Landessozialgericht in der Sache Erfolg haben wird. Allerdings kann das Landessozialgericht gemäß § 159 SGG die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn Fehler wie oben beschrieben vorliegen. Insoweit hat der Senat einen Ermessensspielraum. Hierbei hat der Senat das Interesse des Klägers an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits einerseits mit den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits miteinander abgewogen. Angesichts der erheblichen Mängel des sozialgerichtlichen Verfahrens hat sich der Senat für eine Zurückverweisung entschieden. Außerdem hat er berücksichtigt, dass das Verfahren noch keine lange Zeitdauer in der zweiten Instanz anhänig war und auf Grund der Überlastung des Senats eine baldige Entscheidung in der Hauptsache nicht möglich sein wird.
Das SG wird auch über die Kosten zu entscheiden haben.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
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