Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 8 SO 57/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 B 18/07 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Anordnungsanspruch - Bedarf - Vergangenheit - keine Inanspruchnahme
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) für das Jahr 2007 die vorläufige Übernahme von Kosten für einen ambulanten Behindertenfahrdienst.
Der 1968 geborene Antragsteller ist seit 1999 ab der Halswirbelsäule gelähmt. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 % und den Merkzeichen G, aG, H, B und RF anerkannt. Zu seiner Fortbewegung ist der Antragsteller auf einen Rollstuhl angewiesen. Er besitzt sowohl einen Faltrollstuhl als auch einen Elektrorollstuhl C 1000. Dieser kann Wegstrecken von bis zu 35 km zurücklegen und Hindernisse bis 10 cm (Bordsteige) überwinden.
Auf den Antragsteller sind zwei Pkw und ein Motorrad zugelassen, mit denen er nach seinen Angaben nicht transportiert werden könne. Den Pkw VW Passat nutze seine Ex-Ehefrau; den Pkw Fiat Fiorino sein Sohn. Das im Sommer 2007 umgebaute SIMSON SD 50 Lastendreirad sei nicht geeignet für Fahrten im öffentlichen Straßenverkehr.
Der Antragsteller ist geschieden und Vater zweier in den Jahren 1988 und 1992 geborener Söhne. Ein Sohn besuchte im Jahr 2007 noch die Schule; der andere absolvierte eine Ausbildung. Der Antragsteller leistet weder für seine Söhne noch für seine geschiedene Ehefrau Unterhalt. Er bewohnt gemeinsam mit ihnen ein eigenes Einfamilienhaus in N. und nutzt die Räume im Erdgeschoss des Hauses.
Der Antragsteller bezieht eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente sowie ein (gekürztes) Pflegegeld. Von dem Antragsgegner erhält er Leistungen der Hilfe zur Pflege gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Diese wird seit dem 1. April 2006 im sog. Assistenzmodell erbracht. Der Antragsteller erhielt 2007 monatliche Abschlagszahlungen i.H.v. knapp 8.000,00 EUR für die Bezahlung der von ihm eingestellten sog. persönlichen Assistenten. Diese stellen seine Rund-um-die-Uhr-Pflege sicher, unterstützen ihn bei den hauswirtschaftlichen Verrichtungen und begleiten ihn außer Haus bei Besorgungen, Spaziergängen etc. Der Bewilligungsbescheid vom 19. April 2006 enthält u.a. folgende Regelung: "Im Rahmen der Ihnen gewährten 24-Stunden-Betreuung sind alle Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben hinsichtlich der dafür erforderlichen Begleitung sowie die Ausbildung der Pflegeassistenten im Gebrauch möglicher Hilfsmittel nach § 31 Abs. 2 SGB IX abgegolten."
Nach einer amtsärztlichen Stellungnahme vom 5. Oktober 2005 könne der Antragsteller den ÖPNV in Begleitung einer Hilfsperson nutzen, soweit das Verkehrsmittel und auch der Zugang barrierefrei ausgestaltet seien. Im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) verkehrten im Jahr 2007 von und nach N. regelmäßig Busse. Der Busbahnhof N. liegt vom Wohnhaus des Antragstellers 500 m entfernt und ist rollstuhlgerecht ausgebaut. Er wird überwiegend von der Personen-Verkehrs-Gesellschaft B. GmbH (PVG) angefahren. Diese verfügte im hier maßgeblichen Zeitraum über vier Niederflurbusse im Liniendienst, die eine ausklappbare Rampe mitführten und für den Rollstuhltransport zugelassen waren. Bei vorheriger Anmeldung eines Fahrwunschs stellte die PVG den Einsatz eines Niederflurbusses auf der gewünschten Strecke sicher. Von N. fuhren täglich sieben Linienbusse direkt in die 35 km entfernt liegende Kreisstadt Na ... Bei weiteren fünf Busverbindungen war ein Umsteigen erforderlich. Für die Rückfahrt nach N. verkehrten sechs Busse täglich direkt, bei vier Verbindungen war ein Umsteigen zu absolvieren.
In den Jahren von 2000 bis 2004 war dem Antragsteller durch den damals zuständigen Landkreis Burgenlandkreis die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes sechs- bzw. dreimal monatlich bewilligt worden. Für das Jahr 2005 hatte der Antragsgegner die Kostenübernahme für die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes für 24 Einzelfahrten jährlich zu einem Gesamtpreis von 164,35 EUR bewilligt. Nachdem er bereits durch zwei Fahrten den Jahresbetrag ausgeschöpft hatte, hatte er beim Sozialgericht Halle (Beschluss vom 20. Juli 2005, S 8 SO 131/05 ER) die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners erstritten, sämtliche Kosten der Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zu tragen, soweit die Fahrten als Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft notwendig seien. Für das Jahr 2006 bewilligte der Antragsgegner wieder eine Kostenübernahme für den Behindertenfahrdienst bis zu einem Jahreshöchstbetrag von 164,35 EUR. Mit Schreiben vom 9. Januar 2007 beantragte der Antragsteller beim Burgenlandkreis, dem von dem Antragsgegner herangezogenen örtlichen Träger der Sozialhilfe, die "erneute Bewilligung meines Anspruchs auf Beförderung nach dem BSHG". Er sei auf den Behindertenfahrdienst angewiesen, um an Veranstaltungen teilnehmen zu können.
Mit Bescheid vom 15. März 2007 lehnte der Burgenlandkreis im Namen des Antragsgegners die Kostenübernahme ab. Der Antragsteller könne mit einer Begleitperson gemäß § 145 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) kostenlos den ÖPNV benutzen. Damit sei ihm eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft möglich. Sozialhilferechtlich geboten sei eine Kostenübernahme nur dann, wenn behinderungsbedingt eine Benutzung des ÖPNV nicht möglich sei und eine Isolation im häuslichen Bereich drohe. Grundsätzlich bezögen sich Teilhabeleistungen auf die nähere Wohnortregion. Dem Antragsteller stehe jederzeit eine Begleitperson zur Verfügung, mit der er unter zumutbarer Benutzung des ÖPNV an Veranstaltungen in der Umgebung teilnehmen und Besuche unternehmen könne. Ein sozialhilferechtlich anerkennenswerter Bedarf bestehe lediglich in den Abendstunden, wenn der ÖPNV nicht verkehre. Dann werde ein Transport jedoch nicht wegen der Behinderung, sondern wegen der mangelnden Anbindung des Heimatorts an den ÖPNV erforderlich. Daher könnten nur die Mehrkosten für ein Großraumtaxi anstelle eines regulären Taxis für die abends stattfindenden Elternversammlungen übernommen werden.
Dagegen hat der Antragsteller am 19. April 2007 Widerspruch eingelegt, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden worden ist. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Betreuung rund um die Uhr sichere nicht zugleich die Teilnahme an kulturellen oder geselligen Veranstaltungen. Der von ihm verwendete Rollstuhl müsse in besonderer Weise in Fahrzeugen befestigt werden; dies sei in Bussen des ÖPNV nicht möglich. Er könne weder Kinovorstellungen noch Konzerte besuchen. Wenn nicht schnellstmöglich Leistungen bewilligt würden, könne er nicht am Abiturball seines Sohnes am 7. Juli 2007 teilnehmen.
Am 19. Juni 2007 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht Halle (SG) nachgesucht und ergänzend ausgeführt, beim nicht befestigten Transport des Rollstuhls in Bussen könnten bereits Anstoßgeschwindigkeiten von 30 km/h tödliche Verletzungen verursachen. Den zunächst gegen den Burgenlandkreis gerichteten Rechtsschutzantrag hat der Antragsteller am 10. Juli 2007 geändert und nunmehr den Antragsgegner als überörtlichen Träger der Sozialhilfe in Anspruch genommen.
Der Antragsgegner hat ausgeführt, es bestünden weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Der Anspruch auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werde gesichert. Dazu würden die notwendigen Fahrtkosten in Form von Pauschalen gewährt, wenn der Leistungsberechtigte aufgrund seiner wesentlichen Behinderung nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, und er an die Häuslichkeit gebunden sei. Aufgrund der 24-Stunden-Assistenz könne der Antragsteller mit seinem Elektro-Rollstuhl jederzeit sein Haus verlassen und zumutbar den ÖPNV benutzen. Die Niederflurbusse der PVG seien entsprechend den straßenverkehrsrechtlichen Vorgaben für einen Rollstuhltransport ausgestattet. Behinderungsbedingte Mehrkosten des Antragstellers würden übernommen, z.B. wenn er an einem Elternabend teilnehmen wolle, der ÖPNV keine Verbindung anbiete und er auf andere Verkehrsmittel, etwa ein Großraumtaxi, angewiesen sei. Dieses Angebot habe er bislang nicht genutzt. Ein Saal des Kinos in Na. sei für Rollstuhlfahrer geeignet.
Hierauf hat der Antragsteller erwidert, in den Niederflurbussen der PVG könne es in Hauptverkehrszeiten zu Kapazitätsproblemen kommen. Da in den Bussen kein Rollstuhlrückhaltesystem installiert sei, sei ihm deren Benutzung nicht möglich und zumutbar. Die Busse von N. nach Na. verkehrten nur alle zwei Stunden. Wenn er am dortigen monatlichen Behindertenstammtisch teilnehmen wolle, müsse er bereits zwei Stunden vorher losfahren. Er könne jedoch wegen der streng einzuhaltenden Blasenentleerungszeiten nur zwei bis vier Stunden in seinem Rollstuhl sitzen. Der Besuch des Kinos in Na. sei wegen ungünstiger Sichtverhältnisse unzumutbar. Die auf ihn zugelassenen Pkw stünden ihm nicht zur Verfügung. Es sei seinen Assistenten nicht zuzumuten, ihn aus dem Rollstuhl heraus und in einen PKW hineinzuheben. Dazu benötige man die Hilfe einer weiteren Person. Das Lastendreirad sei für längere Fahrten nicht geeignet. Es könne nicht die Fahrten ersetzen, für die er den Behindertentransport benötige.
Das SG hat mit Beschluss vom 31. August 2007 den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Lebensführung des Antragstellers durch die Verweisung auf die Entscheidung der Hauptsache gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt sei. Zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei es ihm nach summarischer Prüfung möglich und zumutbar, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Außerdem bestehe im Fall von Einzelveranstaltungen die von dem Antragsgegner angebotene Möglichkeit der Mehrkostenerstattung für ein Großraumtaxi. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller die Taxikosten aus eigenen finanziellen Mitteln nicht bestreiten könne.
Gegen den ihm am 7. September 2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 4. Oktober 2007 Beschwerde eingelegt. Es sei rechtsfehlerhaft, davon auszugehen, dass die Pflegekräfte ihm das Benutzen des ÖPNV ermöglichen sollten. Die Ausführungen des Amtsarztes zur Benutzung von Nahverkehrsmitteln aus medizinischer Sicht seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Er dürfe keinen größeren Kräften ausgesetzt werden, weshalb ihm Fahrten im ÖPNV nicht zumutbar seien. Die Notwendigkeit der Blasenentleerung sei nicht berücksichtigt worden. Das Kino in Na. müsse über den Notausgang betreten werden.
Mit Beschluss vom 12. Oktober 2007 hat das SG Halle der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Weiter hat der Antragsteller vorgetragen, er könne aus seinem Renteneinkommen kein Geld für Taxifahrten aufbringen. Eine Taxifahrt von N. nach Na. zum Behindertenstammtisch koste 79,20 EUR. Unter dem 12. März 2008 hat er die Beschwerde ausdrücklich auf Fahrten im Jahr 2007 beschränkt.
Auf Nachfrage des Senats hat der Antragsteller angegeben, er habe im Jahr 2007 keine Mehrkosten für Taxifahrten beim Antragsgegner geltend gemacht, da er sich diese nicht leisten könne. Er benötige eine vorherige Zusage der Übernahme der gesamten Beförderungskosten vom Antragsgegner. Er sei auch nicht zu einer Vorleistung in der Lage. Er habe lediglich einige Fahrten mithilfe von Freunden in deren VW-Transporter unternommen.
Der Senat hat unter dem 3. Februar 2009 darauf hingewiesen, dass mit Ablauf des Jahres 2007 ohne tatsächliche Inanspruchnahme des begehrten Behindertenfahrdienstes kein Anordnungsgrund mehr bestehe. Zudem sei der angestrebte Zweck der Eingliederungshilfeleistung nachträglich nicht mehr zu erreichen. Dazu hat der Antragsteller ausgeführt, er habe rechtzeitig einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, diesen aber bislang nicht erhalten. Der Antragsgegner weigere sich, die benötigten Mittel zu bewilligen. Dies setze sich in den Folgejahren fort.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 31. August 2007 abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten für die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes für Fahrten, soweit diese als Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft notwendig sind, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu tragen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, die Gewährleistung seiner Mobilität sei Bestandteil der Pflege durch die Assistenten. Damit seien Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben hinsichtlich der erforderlichen Begleitung abgegolten. Er sei weiterhin bereit, Mehrkosten für notwendige Taxifahrten zu übernehmen. Fehlende infrastrukturelle oder touristische Angebote könnten nicht zu einem Anspruch auf zusätzliche Leistungen führen. Grund für die begehrte Kostenübernahme sei letztlich nicht die Behinderung, sondern die im Vergleich zu einer größeren Stadt schlechtere Einbindung von N. in den ÖPNV. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller zwei Pkw halte, wenn dies seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zuließen und er sie nicht nutzen könne.
Am 29. April 2008 hat der Antragsgegner mitgeteilt, der Antragsteller habe für das Jahr 2008 erneut die Bewilligung der Kosten für den ambulanten Behindertenfahrdienst beantragt. Eine Entscheidung sei noch nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist form- und fristgerecht nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden und nach § 172 SGG i.d.F. bis zum 31. März 2008 zulässig.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da der Antragsteller keinen Anspruch auf die begehrten Leistungen für das Jahr 2007 glaubhaft gemacht. Das SG hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Sie setzt nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG einen Anordnungsanspruch, also einen materiellen Anspruch, den die Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend zu machen haben, und einen Anordnungsgrund voraus, d.h. es muss eine besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen. Sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch sind nach § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen, d.h. die tatbestandlichen Voraussetzungen müssen überwiegend wahrscheinlich sein.
Der einstweilige Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, Az.: 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236, und vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Grundsätzlich sollen Sozialhilfeleistungen – wie die hier begehrte Eingliederungshilfe – nach dem SGB XII das Existenzminimum des Antragstellers sichern. Wird durch den zuständigen Leistungsträger ein bestehender Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrunds. Erforderlich ist eine aktuelle existentielle Notlage, die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch vorliegen muss. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und bereits seit dem Jahresende 2007 besteht kein Anordnungsanspruch (mehr).
Die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausschließlich geltend gemachten Eingliederungshilfeleistungen für das Jahr 2007 in Form der Kostenübernahme für die Inanspruchnahme des ambulanten Behindertenfahrdienstes stellen seit dem 1. Januar 2008 einen vergangenen Bedarf dar. Leistungen für das Jahr 2008 sind im gerichtlichen Eilverfahren nicht geltend gemacht worden und Gegenstand eines gesonderten Verwaltungsverfahrens.
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Sozialhilfeleistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) konnte Sozialhilfe grundsätzlich nicht (mehr) beansprucht werden zur Behebung einer Notlage, die im Zeitpunkt der Entscheidung über die beanspruchte Hilfeleistung (so) nicht mehr fortbesteht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) aus dem sog. Strukturprinzip "keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" hergeleitet (stdge. Rspr. des BVerwG, z.B. Urteil vom 30. April 1992, Az.: BVerwG 5 C 12.87, BVerwGE 90, 154). Zwar gab es Ausnahmen von diesem Grundsatz. Voraussetzung für eine nachträgliche Leistungsgewährung war aber nach der Rechtsprechung des BVerwG immer, dass der mit der Sozialhilfeleistung verfolgte Zweck auch nachträglich noch erreichbar war. Im Fall der Veränderung der Bedarfslage (z.B. die beantragte Leistung war ein Dreirad für Kleinkinder; das im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung achtjährige Kind benötigte kein Dreirad mehr) existierte kein Bedarf mehr, der durch eine nachträgliche Leistung noch gedeckt werden konnte.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Entscheidungen klargestellt, die vom BVerwG entwickelten Strukturprinzipien des Sozialhilferechts seien keine "Supranormen", die anderslautende gesetzliche Regelungen umgehen könnten (vgl. Urteil vom 26. August 2008, Az.: B 8 SO 26/07 R; Urteil vom 29. September 2009, B 8 SO 16/08 R, zitiert nach juris, RN 11ff.) Andererseits hat es bereits in mehreren Entscheidungen zur Sozialhilfe nach dem SGB XII und dem gleichermaßen streng bedarfsabhängigen Asylbewerberleistungsrecht auf die Beachtung des Aktualitätsprinzips hingewiesen (vgl. Urteil vom 26. August 2008, a.a.O.; juris RN 23; Urteil vom 17. Juni 2008, B 8 AY 5/07 R, juris RN 16). Danach seien nicht mehr vorhandene Bedarfe nicht mehr nachträglich zu decken. So könne beispielsweise eine in der Vergangenheit unterlassene Akutkrankenbehandlung, auf die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ein Anspruch bestanden habe, bei Wegfall des Bedarfs nicht nachgeholt werden (vgl. Urteil vom 17. Juni 2008, a.a.O., RN 16). Im Rahmen einer Entscheidung zur (eingeschränkten) Anwendbarkeit von § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) hat das BSG im Urteil vom 29. September 2009 (B 8 SO 16/08 R, juris RN 17) die nachträglichen Leistungsgewährung jedenfalls für pauschalierte Leistungen wie den Regelsatz bejaht. Für andere Fälle bestehe ein durch eine nachträgliche Leistung zu deckender Bedarf nicht mehr. Wenn abgelehnte Einmalleistungen (z.B. Klassenfahrt) oder Mehrbedarfe (z.B. für kostenaufwändige Ernährung) entgegen prognostischer Sicht überhaupt nicht angefallen seien, oder sich eine Bedarfslage als solche verändert habe (ein geltend gemachter Einmalbedarf ist durch Wohnungswechsel entfallen), könne eine Sozialhilfeleistung ihren Zweck nicht mehr erfüllen, selbst wenn sozialhilferechtliche Bedürftigkeit fortbestehe. Leistungen seien selbst dann nicht mehr zu erbringen, wenn sie zuvor rechtswidrig abgelehnt worden sind. Fielen die Voraussetzungen für die Erbringung einer einmaligen Sozialhilfeleistung weg, die nach der gesetzlichen Regelung zur Deckung eines konkret nachzuweisenden Bedarfs diene, könne der mit ihr bezweckte Erfolg nicht mehr eintreten.
Ein solcher Fall liegt hier vor: Die vom Antragsteller geltend gemachte Kostenübernahme für die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes im Jahr 2007 hat sich dadurch, dass der Antragsteller im streitigen Zeitraum den Fahrdienst tatsächlich nicht in Anspruch genommen hat, erledigt. Der (prognostische) Bedarf, für den die Leistung beansprucht wurde, kann nach Ablauf des Jahres 2007 nicht mehr eintreten.
Eine nachträgliche Leistungserbringung in Form des Ersatzes für im Wege der Selbsthilfe beschaffte Leistungen scheidet hier aus. Der Antragsteller hat nicht einmal behauptet, aus eigener Tasche Taxikosten verauslagt oder seine Freunde anlässlich gelegentlicher Ausfahrten mit deren VW Transporter bezahlt zu haben.
Soweit der Antragsteller auf den rechtlichen Hinweis des Senats ausgeführt hat, er habe rechtzeitig um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und sein Problem bestehe für die Folgejahre fort, vermag dies aus den o.g. Gründen keine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Gegenstand vorliegenden Verfahrens ist allein das Jahr 2007.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) für das Jahr 2007 die vorläufige Übernahme von Kosten für einen ambulanten Behindertenfahrdienst.
Der 1968 geborene Antragsteller ist seit 1999 ab der Halswirbelsäule gelähmt. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 % und den Merkzeichen G, aG, H, B und RF anerkannt. Zu seiner Fortbewegung ist der Antragsteller auf einen Rollstuhl angewiesen. Er besitzt sowohl einen Faltrollstuhl als auch einen Elektrorollstuhl C 1000. Dieser kann Wegstrecken von bis zu 35 km zurücklegen und Hindernisse bis 10 cm (Bordsteige) überwinden.
Auf den Antragsteller sind zwei Pkw und ein Motorrad zugelassen, mit denen er nach seinen Angaben nicht transportiert werden könne. Den Pkw VW Passat nutze seine Ex-Ehefrau; den Pkw Fiat Fiorino sein Sohn. Das im Sommer 2007 umgebaute SIMSON SD 50 Lastendreirad sei nicht geeignet für Fahrten im öffentlichen Straßenverkehr.
Der Antragsteller ist geschieden und Vater zweier in den Jahren 1988 und 1992 geborener Söhne. Ein Sohn besuchte im Jahr 2007 noch die Schule; der andere absolvierte eine Ausbildung. Der Antragsteller leistet weder für seine Söhne noch für seine geschiedene Ehefrau Unterhalt. Er bewohnt gemeinsam mit ihnen ein eigenes Einfamilienhaus in N. und nutzt die Räume im Erdgeschoss des Hauses.
Der Antragsteller bezieht eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente sowie ein (gekürztes) Pflegegeld. Von dem Antragsgegner erhält er Leistungen der Hilfe zur Pflege gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Diese wird seit dem 1. April 2006 im sog. Assistenzmodell erbracht. Der Antragsteller erhielt 2007 monatliche Abschlagszahlungen i.H.v. knapp 8.000,00 EUR für die Bezahlung der von ihm eingestellten sog. persönlichen Assistenten. Diese stellen seine Rund-um-die-Uhr-Pflege sicher, unterstützen ihn bei den hauswirtschaftlichen Verrichtungen und begleiten ihn außer Haus bei Besorgungen, Spaziergängen etc. Der Bewilligungsbescheid vom 19. April 2006 enthält u.a. folgende Regelung: "Im Rahmen der Ihnen gewährten 24-Stunden-Betreuung sind alle Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben hinsichtlich der dafür erforderlichen Begleitung sowie die Ausbildung der Pflegeassistenten im Gebrauch möglicher Hilfsmittel nach § 31 Abs. 2 SGB IX abgegolten."
Nach einer amtsärztlichen Stellungnahme vom 5. Oktober 2005 könne der Antragsteller den ÖPNV in Begleitung einer Hilfsperson nutzen, soweit das Verkehrsmittel und auch der Zugang barrierefrei ausgestaltet seien. Im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) verkehrten im Jahr 2007 von und nach N. regelmäßig Busse. Der Busbahnhof N. liegt vom Wohnhaus des Antragstellers 500 m entfernt und ist rollstuhlgerecht ausgebaut. Er wird überwiegend von der Personen-Verkehrs-Gesellschaft B. GmbH (PVG) angefahren. Diese verfügte im hier maßgeblichen Zeitraum über vier Niederflurbusse im Liniendienst, die eine ausklappbare Rampe mitführten und für den Rollstuhltransport zugelassen waren. Bei vorheriger Anmeldung eines Fahrwunschs stellte die PVG den Einsatz eines Niederflurbusses auf der gewünschten Strecke sicher. Von N. fuhren täglich sieben Linienbusse direkt in die 35 km entfernt liegende Kreisstadt Na ... Bei weiteren fünf Busverbindungen war ein Umsteigen erforderlich. Für die Rückfahrt nach N. verkehrten sechs Busse täglich direkt, bei vier Verbindungen war ein Umsteigen zu absolvieren.
In den Jahren von 2000 bis 2004 war dem Antragsteller durch den damals zuständigen Landkreis Burgenlandkreis die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes sechs- bzw. dreimal monatlich bewilligt worden. Für das Jahr 2005 hatte der Antragsgegner die Kostenübernahme für die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes für 24 Einzelfahrten jährlich zu einem Gesamtpreis von 164,35 EUR bewilligt. Nachdem er bereits durch zwei Fahrten den Jahresbetrag ausgeschöpft hatte, hatte er beim Sozialgericht Halle (Beschluss vom 20. Juli 2005, S 8 SO 131/05 ER) die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners erstritten, sämtliche Kosten der Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zu tragen, soweit die Fahrten als Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft notwendig seien. Für das Jahr 2006 bewilligte der Antragsgegner wieder eine Kostenübernahme für den Behindertenfahrdienst bis zu einem Jahreshöchstbetrag von 164,35 EUR. Mit Schreiben vom 9. Januar 2007 beantragte der Antragsteller beim Burgenlandkreis, dem von dem Antragsgegner herangezogenen örtlichen Träger der Sozialhilfe, die "erneute Bewilligung meines Anspruchs auf Beförderung nach dem BSHG". Er sei auf den Behindertenfahrdienst angewiesen, um an Veranstaltungen teilnehmen zu können.
Mit Bescheid vom 15. März 2007 lehnte der Burgenlandkreis im Namen des Antragsgegners die Kostenübernahme ab. Der Antragsteller könne mit einer Begleitperson gemäß § 145 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) kostenlos den ÖPNV benutzen. Damit sei ihm eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft möglich. Sozialhilferechtlich geboten sei eine Kostenübernahme nur dann, wenn behinderungsbedingt eine Benutzung des ÖPNV nicht möglich sei und eine Isolation im häuslichen Bereich drohe. Grundsätzlich bezögen sich Teilhabeleistungen auf die nähere Wohnortregion. Dem Antragsteller stehe jederzeit eine Begleitperson zur Verfügung, mit der er unter zumutbarer Benutzung des ÖPNV an Veranstaltungen in der Umgebung teilnehmen und Besuche unternehmen könne. Ein sozialhilferechtlich anerkennenswerter Bedarf bestehe lediglich in den Abendstunden, wenn der ÖPNV nicht verkehre. Dann werde ein Transport jedoch nicht wegen der Behinderung, sondern wegen der mangelnden Anbindung des Heimatorts an den ÖPNV erforderlich. Daher könnten nur die Mehrkosten für ein Großraumtaxi anstelle eines regulären Taxis für die abends stattfindenden Elternversammlungen übernommen werden.
Dagegen hat der Antragsteller am 19. April 2007 Widerspruch eingelegt, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden worden ist. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Betreuung rund um die Uhr sichere nicht zugleich die Teilnahme an kulturellen oder geselligen Veranstaltungen. Der von ihm verwendete Rollstuhl müsse in besonderer Weise in Fahrzeugen befestigt werden; dies sei in Bussen des ÖPNV nicht möglich. Er könne weder Kinovorstellungen noch Konzerte besuchen. Wenn nicht schnellstmöglich Leistungen bewilligt würden, könne er nicht am Abiturball seines Sohnes am 7. Juli 2007 teilnehmen.
Am 19. Juni 2007 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht Halle (SG) nachgesucht und ergänzend ausgeführt, beim nicht befestigten Transport des Rollstuhls in Bussen könnten bereits Anstoßgeschwindigkeiten von 30 km/h tödliche Verletzungen verursachen. Den zunächst gegen den Burgenlandkreis gerichteten Rechtsschutzantrag hat der Antragsteller am 10. Juli 2007 geändert und nunmehr den Antragsgegner als überörtlichen Träger der Sozialhilfe in Anspruch genommen.
Der Antragsgegner hat ausgeführt, es bestünden weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Der Anspruch auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werde gesichert. Dazu würden die notwendigen Fahrtkosten in Form von Pauschalen gewährt, wenn der Leistungsberechtigte aufgrund seiner wesentlichen Behinderung nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, und er an die Häuslichkeit gebunden sei. Aufgrund der 24-Stunden-Assistenz könne der Antragsteller mit seinem Elektro-Rollstuhl jederzeit sein Haus verlassen und zumutbar den ÖPNV benutzen. Die Niederflurbusse der PVG seien entsprechend den straßenverkehrsrechtlichen Vorgaben für einen Rollstuhltransport ausgestattet. Behinderungsbedingte Mehrkosten des Antragstellers würden übernommen, z.B. wenn er an einem Elternabend teilnehmen wolle, der ÖPNV keine Verbindung anbiete und er auf andere Verkehrsmittel, etwa ein Großraumtaxi, angewiesen sei. Dieses Angebot habe er bislang nicht genutzt. Ein Saal des Kinos in Na. sei für Rollstuhlfahrer geeignet.
Hierauf hat der Antragsteller erwidert, in den Niederflurbussen der PVG könne es in Hauptverkehrszeiten zu Kapazitätsproblemen kommen. Da in den Bussen kein Rollstuhlrückhaltesystem installiert sei, sei ihm deren Benutzung nicht möglich und zumutbar. Die Busse von N. nach Na. verkehrten nur alle zwei Stunden. Wenn er am dortigen monatlichen Behindertenstammtisch teilnehmen wolle, müsse er bereits zwei Stunden vorher losfahren. Er könne jedoch wegen der streng einzuhaltenden Blasenentleerungszeiten nur zwei bis vier Stunden in seinem Rollstuhl sitzen. Der Besuch des Kinos in Na. sei wegen ungünstiger Sichtverhältnisse unzumutbar. Die auf ihn zugelassenen Pkw stünden ihm nicht zur Verfügung. Es sei seinen Assistenten nicht zuzumuten, ihn aus dem Rollstuhl heraus und in einen PKW hineinzuheben. Dazu benötige man die Hilfe einer weiteren Person. Das Lastendreirad sei für längere Fahrten nicht geeignet. Es könne nicht die Fahrten ersetzen, für die er den Behindertentransport benötige.
Das SG hat mit Beschluss vom 31. August 2007 den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Lebensführung des Antragstellers durch die Verweisung auf die Entscheidung der Hauptsache gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt sei. Zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei es ihm nach summarischer Prüfung möglich und zumutbar, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Außerdem bestehe im Fall von Einzelveranstaltungen die von dem Antragsgegner angebotene Möglichkeit der Mehrkostenerstattung für ein Großraumtaxi. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller die Taxikosten aus eigenen finanziellen Mitteln nicht bestreiten könne.
Gegen den ihm am 7. September 2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 4. Oktober 2007 Beschwerde eingelegt. Es sei rechtsfehlerhaft, davon auszugehen, dass die Pflegekräfte ihm das Benutzen des ÖPNV ermöglichen sollten. Die Ausführungen des Amtsarztes zur Benutzung von Nahverkehrsmitteln aus medizinischer Sicht seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Er dürfe keinen größeren Kräften ausgesetzt werden, weshalb ihm Fahrten im ÖPNV nicht zumutbar seien. Die Notwendigkeit der Blasenentleerung sei nicht berücksichtigt worden. Das Kino in Na. müsse über den Notausgang betreten werden.
Mit Beschluss vom 12. Oktober 2007 hat das SG Halle der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Weiter hat der Antragsteller vorgetragen, er könne aus seinem Renteneinkommen kein Geld für Taxifahrten aufbringen. Eine Taxifahrt von N. nach Na. zum Behindertenstammtisch koste 79,20 EUR. Unter dem 12. März 2008 hat er die Beschwerde ausdrücklich auf Fahrten im Jahr 2007 beschränkt.
Auf Nachfrage des Senats hat der Antragsteller angegeben, er habe im Jahr 2007 keine Mehrkosten für Taxifahrten beim Antragsgegner geltend gemacht, da er sich diese nicht leisten könne. Er benötige eine vorherige Zusage der Übernahme der gesamten Beförderungskosten vom Antragsgegner. Er sei auch nicht zu einer Vorleistung in der Lage. Er habe lediglich einige Fahrten mithilfe von Freunden in deren VW-Transporter unternommen.
Der Senat hat unter dem 3. Februar 2009 darauf hingewiesen, dass mit Ablauf des Jahres 2007 ohne tatsächliche Inanspruchnahme des begehrten Behindertenfahrdienstes kein Anordnungsgrund mehr bestehe. Zudem sei der angestrebte Zweck der Eingliederungshilfeleistung nachträglich nicht mehr zu erreichen. Dazu hat der Antragsteller ausgeführt, er habe rechtzeitig einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, diesen aber bislang nicht erhalten. Der Antragsgegner weigere sich, die benötigten Mittel zu bewilligen. Dies setze sich in den Folgejahren fort.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 31. August 2007 abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten für die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes für Fahrten, soweit diese als Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft notwendig sind, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu tragen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, die Gewährleistung seiner Mobilität sei Bestandteil der Pflege durch die Assistenten. Damit seien Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben hinsichtlich der erforderlichen Begleitung abgegolten. Er sei weiterhin bereit, Mehrkosten für notwendige Taxifahrten zu übernehmen. Fehlende infrastrukturelle oder touristische Angebote könnten nicht zu einem Anspruch auf zusätzliche Leistungen führen. Grund für die begehrte Kostenübernahme sei letztlich nicht die Behinderung, sondern die im Vergleich zu einer größeren Stadt schlechtere Einbindung von N. in den ÖPNV. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller zwei Pkw halte, wenn dies seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zuließen und er sie nicht nutzen könne.
Am 29. April 2008 hat der Antragsgegner mitgeteilt, der Antragsteller habe für das Jahr 2008 erneut die Bewilligung der Kosten für den ambulanten Behindertenfahrdienst beantragt. Eine Entscheidung sei noch nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist form- und fristgerecht nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden und nach § 172 SGG i.d.F. bis zum 31. März 2008 zulässig.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da der Antragsteller keinen Anspruch auf die begehrten Leistungen für das Jahr 2007 glaubhaft gemacht. Das SG hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Sie setzt nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG einen Anordnungsanspruch, also einen materiellen Anspruch, den die Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend zu machen haben, und einen Anordnungsgrund voraus, d.h. es muss eine besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen. Sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch sind nach § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen, d.h. die tatbestandlichen Voraussetzungen müssen überwiegend wahrscheinlich sein.
Der einstweilige Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, Az.: 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236, und vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Grundsätzlich sollen Sozialhilfeleistungen – wie die hier begehrte Eingliederungshilfe – nach dem SGB XII das Existenzminimum des Antragstellers sichern. Wird durch den zuständigen Leistungsträger ein bestehender Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrunds. Erforderlich ist eine aktuelle existentielle Notlage, die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch vorliegen muss. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats und bereits seit dem Jahresende 2007 besteht kein Anordnungsanspruch (mehr).
Die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausschließlich geltend gemachten Eingliederungshilfeleistungen für das Jahr 2007 in Form der Kostenübernahme für die Inanspruchnahme des ambulanten Behindertenfahrdienstes stellen seit dem 1. Januar 2008 einen vergangenen Bedarf dar. Leistungen für das Jahr 2008 sind im gerichtlichen Eilverfahren nicht geltend gemacht worden und Gegenstand eines gesonderten Verwaltungsverfahrens.
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Sozialhilfeleistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) konnte Sozialhilfe grundsätzlich nicht (mehr) beansprucht werden zur Behebung einer Notlage, die im Zeitpunkt der Entscheidung über die beanspruchte Hilfeleistung (so) nicht mehr fortbesteht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) aus dem sog. Strukturprinzip "keine Sozialhilfe für die Vergangenheit" hergeleitet (stdge. Rspr. des BVerwG, z.B. Urteil vom 30. April 1992, Az.: BVerwG 5 C 12.87, BVerwGE 90, 154). Zwar gab es Ausnahmen von diesem Grundsatz. Voraussetzung für eine nachträgliche Leistungsgewährung war aber nach der Rechtsprechung des BVerwG immer, dass der mit der Sozialhilfeleistung verfolgte Zweck auch nachträglich noch erreichbar war. Im Fall der Veränderung der Bedarfslage (z.B. die beantragte Leistung war ein Dreirad für Kleinkinder; das im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung achtjährige Kind benötigte kein Dreirad mehr) existierte kein Bedarf mehr, der durch eine nachträgliche Leistung noch gedeckt werden konnte.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Entscheidungen klargestellt, die vom BVerwG entwickelten Strukturprinzipien des Sozialhilferechts seien keine "Supranormen", die anderslautende gesetzliche Regelungen umgehen könnten (vgl. Urteil vom 26. August 2008, Az.: B 8 SO 26/07 R; Urteil vom 29. September 2009, B 8 SO 16/08 R, zitiert nach juris, RN 11ff.) Andererseits hat es bereits in mehreren Entscheidungen zur Sozialhilfe nach dem SGB XII und dem gleichermaßen streng bedarfsabhängigen Asylbewerberleistungsrecht auf die Beachtung des Aktualitätsprinzips hingewiesen (vgl. Urteil vom 26. August 2008, a.a.O.; juris RN 23; Urteil vom 17. Juni 2008, B 8 AY 5/07 R, juris RN 16). Danach seien nicht mehr vorhandene Bedarfe nicht mehr nachträglich zu decken. So könne beispielsweise eine in der Vergangenheit unterlassene Akutkrankenbehandlung, auf die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ein Anspruch bestanden habe, bei Wegfall des Bedarfs nicht nachgeholt werden (vgl. Urteil vom 17. Juni 2008, a.a.O., RN 16). Im Rahmen einer Entscheidung zur (eingeschränkten) Anwendbarkeit von § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) hat das BSG im Urteil vom 29. September 2009 (B 8 SO 16/08 R, juris RN 17) die nachträglichen Leistungsgewährung jedenfalls für pauschalierte Leistungen wie den Regelsatz bejaht. Für andere Fälle bestehe ein durch eine nachträgliche Leistung zu deckender Bedarf nicht mehr. Wenn abgelehnte Einmalleistungen (z.B. Klassenfahrt) oder Mehrbedarfe (z.B. für kostenaufwändige Ernährung) entgegen prognostischer Sicht überhaupt nicht angefallen seien, oder sich eine Bedarfslage als solche verändert habe (ein geltend gemachter Einmalbedarf ist durch Wohnungswechsel entfallen), könne eine Sozialhilfeleistung ihren Zweck nicht mehr erfüllen, selbst wenn sozialhilferechtliche Bedürftigkeit fortbestehe. Leistungen seien selbst dann nicht mehr zu erbringen, wenn sie zuvor rechtswidrig abgelehnt worden sind. Fielen die Voraussetzungen für die Erbringung einer einmaligen Sozialhilfeleistung weg, die nach der gesetzlichen Regelung zur Deckung eines konkret nachzuweisenden Bedarfs diene, könne der mit ihr bezweckte Erfolg nicht mehr eintreten.
Ein solcher Fall liegt hier vor: Die vom Antragsteller geltend gemachte Kostenübernahme für die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes im Jahr 2007 hat sich dadurch, dass der Antragsteller im streitigen Zeitraum den Fahrdienst tatsächlich nicht in Anspruch genommen hat, erledigt. Der (prognostische) Bedarf, für den die Leistung beansprucht wurde, kann nach Ablauf des Jahres 2007 nicht mehr eintreten.
Eine nachträgliche Leistungserbringung in Form des Ersatzes für im Wege der Selbsthilfe beschaffte Leistungen scheidet hier aus. Der Antragsteller hat nicht einmal behauptet, aus eigener Tasche Taxikosten verauslagt oder seine Freunde anlässlich gelegentlicher Ausfahrten mit deren VW Transporter bezahlt zu haben.
Soweit der Antragsteller auf den rechtlichen Hinweis des Senats ausgeführt hat, er habe rechtzeitig um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und sein Problem bestehe für die Folgejahre fort, vermag dies aus den o.g. Gründen keine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Gegenstand vorliegenden Verfahrens ist allein das Jahr 2007.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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